Neurophysiologische Konvergenz

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 15. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Neuronen sind im menschlichen Organismus in einer netzartigen Struktur organisiert. Darin sind sie über die neurophysiologische Konvergenz miteinander verschaltet. Ein Neuron erhält Eingänge von verschiedenen anderen Neuronen und summiert diese Eingänge auf. Hirnschädigungen mit Störungen der neuronalen Konnektivität stören dieses Prinzip der Konvergenz.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die neurophysiologische Konvergenz?

Neuronen sind im menschlichen Organismus in einer netzartigen Struktur organisiert. Darin sind sie über die neurophysiologische Konvergenz miteinander verschaltet.

In der Neurophysiologie entspricht die Konvergenz einer Zusammenführung von neuronalen Erregungsleitungen. Jedes neuronale Netz besteht aus einer bestimmte Anzahl von Neuronen, die miteinander verknüpft sind. Im Nervensystem bilden sie funktional eine Einheit. Die Schaltung der Neuronen besitzt mehrere Eingänge und hat gleichzeitig nur einen einzigen Ausgang.

Erst wenn die Eingangssignale in der Summe einen Schwellenwert überschreiten, generiert das Neuron ein Aktionspotential. Dieses Aktionspotenzial entsteht im Initialelement am Axonhügel der Nervenzelle und geht entlang des jeweiligen Axons auf die Reise. Ein Aktionspotential oder eine Serie aus Aktionspotentialen entspricht dem primären Ausgangssignal jeder neuronalen Kommunikation. Nur an biochemischen Synapsen kommen die Aktionspotentiale in Transmitter-Quanten zur Umsetzung und entsprechen dann sekundären Signalen.

Die Zusammenführung von mehreren, neuronalen Erregungseingängen zu einem einzigen Ausgang entspricht der neurophysiologischen Konvergenz. Sie ermöglicht erst die Aufsummierung der Erregungen bis über den vordefinierten Schwellenwert, der ein Aktionspotential entstehen lässt. Häufig ist im Zusammenhang mit der Schalttechnik des Gehirns auch von Konnektivität die Rede. Im weitesten Sinne bedeutet die Konvergenz, dass einem Neuron über seine Dendriten verschiedene Signale aus unterschiedlichen Neuronen zugespielt werden können.

Der Begriff Konvergenz findet auch in der Augenheilkunde Anwendung.

Funktion & Aufgabe

Neuronen sind die einzelnen, elektrischen Elemente des menschlichen Organismus. Wie die einzelnen Bauelemente in der Elektrotechnik müssen auch die elektrischen Bauelemente im menschlichen Organismus präzise verschalten sein, um funktionieren und leiten zu können. Durch die Konnektivität der Neuronen wird die neurophysiologische Konvergenz ermöglicht.

Das Nervensystem aller Lebewesen enthält neben Nervenzellen Gliazellen und besitzt eine bestimmte Umgebung. Zwischen den Neuronen liegen verbindende Synapsen. Diese Synapsen entsprechen also der Verknüpfungsstelle und somit den Knoten im interneuronalen Netzwerk. Die Neuronen sind allerdings auch mit den Gliazellen verbunden und tauschen sich mit ihnen chemisch und elektrisch aus. Dieser Austausch verändert die Gewichtung der Signale. Aus diesem Grund werden die Gliazellen zuweilen auch als Manager und Organisatoren des zentralen Nervensystems bezeichnet.

Viele Eingänge der Neuronen sind zu einem einzigen Ausgang verbunden. Bei der neurophysiologischen Konvergenz summieren sich die Eingangssignale der einzelnen Eingänge bis zu einem Schwellenwert auf, welcher das Neuron aus seinem einen Ausgang ein Aktionspotential oder eine Serie aus Aktionspotentialen auf die Reise schicken lässt.

Die Konnektivität führt demnach zu neurophysiologischer Konvergenz und diese Konvergenz lässt wiederum die primären Ausgangssignale des Nervensystems entstehen. Die Axone der Neuronen sind stark aufgezweigt. So wird das Signal eines einzigen Neurons an viele andere Neurone übermittelt. Dieser Zusammenhang wird auch neurophysiologische Divergenz genannt. Gleichzeitig empfängt das Neuron über die Dendriten die Signale vieler anderer Neurone und arbeitet so mit Konvergenz. Die Prinzipien von Divergenz und Konvergenz sind wesentliche Grundprinzipien des neuronalen Netzwerks und spielen so zum Beispiel auch für die Lernfähigkeit der neuronalen Netze eine Rolle.


Krankheiten & Beschwerden

Die neuronale Konvergenz ist wesentlich auf die Konnektivität der Neuronen angewiesen. Wenn das neuronale Geflecht im Gehirn beschädigt wird, ist diese Konnektivität und mit ihr die neurophysiologische Konvergenz gestört. Schädigungen des neuronalen Geflechts können auf unterschiedliche Ursachen zurückzuführen sein. Die Schaltungen im Gehirn und Nervensystem besitzen enorme Präzision, deren Voraussetzung eine komplexe und intakte Struktur ist. Unregelmäßigkeiten oder Störungen innerhalb des Systems gleichen sich bis zu einem bestimmten Grad automatisch aus. Nach tatsächlichen Schädigungen der Hirnstruktur treten daher schwere Störungen auf, die nicht mehr abgefangen werden können. Das elektrische und biochemische Netzwerk verliert an Konnektivität. Neurologischen oder psychiatrische Erkrankungen sind die Folge.

Der Ort und die Art der Schädigung bestimmten die auftretenden Störungen. Da viele Nervenzellstrukturen dank der Konnektivität und der Konvergenz an einer Vielzahl von einzelnen Funktionen beteiligt sind, können auch lokale Schädigungen des neuronalen Netzwerks umfangreiche Folgen mit klinisch weitreichenden Symptomen zur Folge haben. Die mitunter verbreitetste Ursache für Schädigungen des Gehirns ist eine mangelnde Durchblutung. Das Gehirn arbeitet ständig und besitzt aus diesem Grund den größten Energiebedarf unter den Organen. Eine Unterbrechung der Blutversorgung entspricht sowohl einer Unterbrechung der Nährstoff-, als auch der Sauerstoffversorgung.

Mangeldurchblutungen sind zum Beispiel auf Herzstolpern oder Unterzuckerung zurückzuführen. Zuweilen bewirken aber auch Gehirntumore eine pathologische Veränderung der Blutgefäße. Dasselbe gilt für mechanische Verletzungen bei Unfällen, nach Blutungen im Gehirn und durch Entzündungen. Oft sind Störungen in der Signalübertragung zwischen den Nervenzellen der Grund für eine eingeschränkte Gehirnfunktion. In manchen Fällen gehen solchen Störungen Unregelmäßigkeiten bei der Stoffwechselaktivität der Nervenzellen voraus.

Hirnschäden können allerdings auch durch genetische Faktoren entstehen, so zum Beispiel bei Erbkrankheiten, die den Stoffwechsel der Nervenzellen beeinträchtigen und damit bestimmte Substanzen im Gehirn zur Anreicherung bringen.

Auch äußere Einflüsse wie Bakterien, Viren oder Giftstoffe können das neuronale Netz und seine Schaltungen beeinträchtigen. Quecksilbervergiftungen können zum Beispiel Gedächtnisschwund oder Muskelzittern auslösen.

Für viele Störungen von Konvergenz und Divergenz ist allerdings auch das Immunsystem der Patienten verantwortlich zu machen. Bei der Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose stuft das Immunsystem bestimmte Zellen des zentralen Nervensystems als fremd ein und attackiert sie. Die so entstehenden Entzündungen zerstören teilweise die Konnektivität, die der Konvergenz zugrunde liegt.

Quellen

  • Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
  • Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010
  • Masuhr K., Masuhr, F., Neumann, M.: Duale Reihe Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013

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