Gastrulation

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Gastrulation ist ein Stadium der frühen Embryonalentwicklung. In dieser Phase entstehen mit dem Entoderm, dem Mesoderm und dem Ektoderm die drei Keimblätter des Embryos. Gastrulationsstörungen rufen schwere Missbildungen hervor, die in den meisten Fällen den Tod eintreten lassen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Gastrulation?

Die Gastrulation ist ein Stadium der frühen Embryonalentwicklung.

Bei der Embryogenese bildet das menschliche Embryo seine volle Form aus. Auf die Befruchtung der Eizelle folgt das Stadium der Furchung. Daran schließt die Bildung der Blastozyste an. Die Blastozyste stellt eine flüssigkeitsgefüllte Höhle dar. Diese Höhle stülpt sich bei der Gastrulation vierzelliger Lebewesen ein. Aus der Blastula entstehen dabei drei Keimblätter. Entwicklungsbiologen sprechen wegen der Dreigliedrigkeit von einer triploblastischen Grundlage der menschlichen Embryogenese.

Die Keimblätter sind das Produkt einer ersten Differenzierung in unterschiedliche Zellschichten. Es handelt sich um multipotente Cluster aus verschiedenen Geweben. Aus diesen Clustern bilden sich während des weiteren Verlaufs alle Strukturen des späteren Körpers.

Das innere Gewebscluster wird Entoderm genannt. Mittig liegt das Mesoderm. Die äußere Schicht wird als Ektoderm bezeichnet. Die Gastrulation ist ein Teil der frühen Embryogenese und folgt auf die Bildung des Primitivstreifens. Die nächsten Entwicklungsschritte sind die Entwicklung der Chorda dorsalis und die Abfaltung des Neuralrohrs.

Funktion & Aufgabe

Die Gastrulation findet bei allen Vierzellern statt und verläuft bei den einzelnen Spezies ähnlich. Bilateralsymmetrische oder triploblastische Spezies entwickeln mit dem Entoderm, dem Mesoderm und dem Ektoderm drei verschiedene Keimblätter. Nesseltiere und Rippenquallen entwickeln zwei Keimblätter und werden daher auch als diploblastisch bezeichnet.

Die Ausgangslage der Gastrulation ist bei Vielzellern und niedrigen Säugern die Blastula. Bei höheren Säugetieren, wie dem Menschen, ist es die Blastozyste. Dabei handelt es sich um eine Hohlkugel aus einer einzigen Zellschicht. Diese Blastozyste wird zu Beginn der Gastrulation zu einem zweischichtigen Becherkeim umgebildet. Dieser Becherkeim ist die Gastrula. So entsteht als Inneres der primären Keimblätter das Entoderm und als Äußeres der Strukturen das Ektoderm. Das Entoderm trägt nach außen eine Öffnung, die Urmund genannt wird. Das Entoderm wird analog dazu als Urdarm bezeichnet. Das Mesoderm entwickelt sich zur selben Zeit oder leicht zeitversetzt mit der primären Keimblattbildung.

Der weitere Entwicklungsverlauf des Urmunds differenziert die bilateralsymmetrischen Tiere in zwei unterschiedliche Gruppen. Die Urmünder bilden aus dem Urmund den Mund. Neumünder, wie der Mensch, entwickeln aus dem Urmund den After. Ihr Mund bricht nach der Gastrulation auf der gegenüberliegenden Blastulaseite durch.

Der Gastrulationsverlauf lässt sich auf mehrere Grundbewegungen vereinfachen. Die erste davon ist die Invagination. In dieser Phase stülpt sich das prospektive Entoderm in den flüssigkeitsgefüllten und inneren Hohlraum der Blastula ein. Zellen eines Blastulapols verformen sich und stülpen so einen Außenwandteil ein. Der innenliegende Teil ist jetzt das Entoderm und der außenliegende Anteil wird ab diesem Zeitpunkt das Ektoderm genannt. Der innenliegende Hohlraum der Blastula ist die primäre Leibeshöhle. Die Phase der Invagination engt diese innere Leibeshöhle zusehends ein.

Auf diese Prozesse folgt die Involution. Damit ist eine Einrollbewegung des Entoderms gemeint. Bei der anschließenden Ingression wandern Zellen des Entoderms in die Strukturen ein. Auf diesen Schritt der Gastrulation folgt die Delamination. Die Blastulazellen schnüren dabei Entodermzellen ab und befördern sie so ins Blastocoel. Bei der darauffolgenden Epibolie kommt es abermals zu einer Invagination. An dotterreichen Eiern überwächst das Ektoderm das Entoderm.

Die Gastrulationsphasen sind die Grundlage der menschlichen Form- und Strukturgebung. Sie überschneiden sich meist mit den Folgeprozessen der Embryogenese, so zum Beispiel mit der Neurulation.


Krankheiten & Beschwerden

Störungen in der frühen Embryogenese haben für das Embryo Missbildungen oder sogar den Verlust der Lebensfähigkeit zur Folge. Neurulationsstörungen rufen zum Beispiel Missbildungen des Nervensystems hervor. Da sich die Gastrulation und die Neurulation oft überschneiden, sind Neurulationsstörungen häufig mit Gastrulationsstörungen vergesellschaftet.

Das ist zum Beispiel bei der Entwicklungsstörung Hemimyelozelen der Fall. Schwellungen und neurologische Defizite kennzeichnen diese angeborene Erkrankung. Die Frühentwicklung des Embryos ist während der ersten zwei Wochen des Keims relativ unempfindlich gegenüber schädlichen Einflüssen. Allerdings führen Keimfehlbildungen und chromosomale Abweichungen in den meisten Fällen zu einem Abort der Schwangerschaft.

Ab dem Beginn der Gastrulation, nach der dritten Entwicklungswoche, liegt eine hohe Sensibilität gegenüber Schadstoffen vor. Zunächst bildet sich der Primitivstreifen. Ab diesem Zeitpunkt ist jedes Organ in einer spezifischen Phase für Teratogene außergewöhnlich empfindlich. Bei der Gastrulation können vor allem zwei erwähnenswerte Störungen eintreten. Diese beiden Krankheitsbilder sind als Sirenomelie und Steißbeinteratom bekannt.

Ist die Bildung des Primitivstreifens gestört, so liegt folglich nicht ausreichend Mesoderm in der hinteren Embryohälfte vor. Dieser Zusammenhang ist als Sirenomelie bekannt und geht mit Fehlbildungen wie zusammengewachsenen Extremitäten, Wirbelsäulenanomalien, fehlenden Nieren oder missgebildeten Genitalorganen einher. Die Reste des Primitivknotens entwickeln sich häufig zu Tumoren, die als Sakrokokzygealteratome und Steißbeinteratome bezeichnet werden und zu den häufigsten Tumoren am Neugeborenen zählen.

Quellen

  • Beckermann, M.J.: Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Schwabe, Basel 2004
  • Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch. 266. Auflage. De Gruyter, Berlin 2015
  • Reuter, P.: Springer Lexikon Medizin. Springer, Berlin 2004

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