Paroxysmale Hemikranie

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 5. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Der Begriff Paroxysmale Hemikranie beschreibt eine spezielle Form der Kopfschmerz-Krankheit. Sie ist charakterisiert durch anfallsartige, halbseitige, sehr heftige Schmerzattacken, die von Rötungen auf der betroffenen Gesichtshälfte begleitet werden. Die Dauer der Anfälle beträgt wenige Minuten bis in seltenen Fällen etwa 45 Minuten.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine Paroxysmale Hemikranie?

Infogramm zu den Ursachen und Symptomen bei Migräne und Kopfschmerzen. Bild anklicken, um zu vergrößern.

Paroxysmale Hemikranie bedeutet übersetzt anfallsartiger, halbseitiger Kopfschmerz, was die wichtigsten Merkmale bereits zum Ausdruck bringt: Denn bei dieser Form der Kopfschmerzerkrankung ist die Betroffenheit von einer Seite ebenso charakteristisch wie die relativ kurze Dauer der Schmerzattacken.

Die tägliche Häufigkeit reicht dabei von 5-mal bis zu 40-mal pro Tag. Betroffene beschreiben die plötzlich und anfallsartig auftretenden Schmerzen als äußerst heftig, stechend, bohrend oder stark pulsierend. Typischerweise ist die Region der Augenhöhlen sowie der Stirn und Schläfe hauptsächlich involviert. Die Paroxysmale Hemikranie weist außerdem eine zwingende Begleitsymptomatik in Form von Rötungen und Schwellungen am Auge und der Bindehaut auf, inklusive erhöhtem Tränenfluss und schnupfenartigen Symptomen.

Die seltene Erkrankung tritt meist im Alter zwischen 30 und 40 Jahren das erste Mal auf. Anfangs wurde das Krankheitsbild scheinbar häufiger bei Frauen beobachtet, neuere Forschungsergebnisse zeigen jedoch, dass es keine geschlechtsspezifischen Unterschiede gibt, was das Risiko angeht, an der Paroxysmalen Hemikranie zu erkranken.

Ursachen

Über die reproduzierbaren Ursachen der Paroxysmalen Hemikranie liegen keine gesicherten Erkenntnisse vor. Das liegt zum Teil daran, dass diese Kopfschmerzart erst seit wenigen Jahrzehnten als eigenständige Symptomatik und Erkrankung bekannt ist und als solche näher beobachtet wird. Der anfallsweise Halbseiten-Kopfschmerz ist nämlich durch die Kombination ganz spezieller Symptome gekennzeichnet, die nur wenige Kopfschmerzpatienten aufweisen.

Dagegen berichten Betroffene oftmals von zu beobachtenden auslösenden Momenten, die einem Schmerzanfall vorausgehen. Dazu zählen unter anderem körperliche Belastung, Stress, Alkoholkonsum, unterschiedliche Nahrungsmittel (z.B. Kaffee, Käse oder Schokolade) sowie gewisse Bewegungen im Kopfbereich oder auch Temperaturveränderungen. Neuere Forschungen haben Hinweise auf einen Zusammenhang der Paroxysmalen Hemikranie mit einem Hypophysenadenom gefunden und untersuchen auch die Rolle von arterio-venösen Fehlbildungen als möglichen Ursprung der Krankheit.

Da bei der Paroxysmalen Hemikranie das Auftreten eines streng einseitigen Schmerzes beobachtet wird, die vegetative Symptomatik (darunter Schwellungen, Rötungen, Tränenfluss usw.) jedoch beidseitig auftreten kann, wird eine Verletzung des zentralen Nervensystems, und zwar im Bereich der Mittellinie, vermutet. Auch eine familiäre Häufung konnte schon beobachtet werden.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Bei der paroxysmalen Hemikranie handelt es sich um anfallsartige Kopfschmerzen, die in ihrer Symptomatik den Clusterkopfschmerzen ähnlich sind. Die stechenden, bohrenden und pulsierenden Kopfschmerzen treten einseitig auf. Sie sind hauptsächlich im Bereich der Augen, der Stirn oder der Schläfen lokalisiert. Der Patient erleidet mindestens fünf Kopfschmerzattacken am Tag. Durchschnittlich kommt es zu zehn Anfällen.

In Extremfällen werden auch bis zu 40 Attacken pro Tag beobachtet. Jede Schmerzattacke dauert zwischen 2 und 45 Minuten. Im Unterschied zu den Clusterkopfschmerzen sind die Schmerzattacken bei der paroxysmalen Hemikranie kürzer. Außerdem ist die Zahl der Anfälle größer. Während der Attacke steigt das Ruhebedürfnis der Patienten, während beim Clusterkopfschmerz sich eine ungewöhnliche Unruhe zeigt.

Entscheidend ist auch die Wirksamkeit des Medikaments Indometacin für die Abgrenzung der paroxysmalen Hemikranie zu den Clusterkopfschmerzen. Die Kopfschmerzattacken werden typischerweise noch von anderen Symptomen begleitet. Zu diesen Symptomen zählen unter anderem Bindehautentzündung, Augentränen, Nasenlaufen, Schwellung der Nasenschleimhäute sowie Schwellungen und Herabhängen der Augenlider.

Insgesamt sind Frauen dreimal häufiger betroffen als Männer. Es können außerdem zwei Formen der paroxysmalen Hemikranie unterschieden werden. Üblicherweise handelt es sich um die chronische paroxysmale Hemikranie. Die Beschwerden treten hier jeden Tag auf. Es gibt jedoch noch eine episodische paroxysmale Hemikranie. Bei dieser Form der Erkrankung kommt es über mehrere Wochen und Monate zu schmerzfreien Intervallen.

Diagnose & Verlauf

Die Diagnose der Paroxysmalen Hemikranie macht aufgrund ihrer speziell ausgeprägten Symptomatik eine äußerst genaue Anamnese erforderlich. Die klar einseitig auftretenden Schmerzattacken sind ebenso kennzeichnend wie das Ruhebedürfnis während der Anfälle.

Nicht nur dieser letztgenannte Faktor, sondern auch das plötzliche Auftreten kürzerer (zwischen 2 und etwa 45 Minuten) und mehrmals täglicher Anfälle unterscheidet die Paroxysmale Hemikranie vom ähnlich anmutenden Cluster-Kopfschmerz. Des Weiteren treten bei der Paroxysmalen Hemikranie immer typische vegetative Begleitbeschwerden auf: Dazu gehören mit Schwerpunkt auf der betroffenen Seite die Schwellung der Augenlider, eine Rötung des Gesichtes und der Bindehaut, erhöhter Tränenfluss, Nasenschleimhautschwellung bis hin zum Herabhängen des Oberlides.

Es werden außerdem unterschiedliche Verlaufsformen beschrieben: Die häufigere Form stellt die chronische paroxysmale Hemikranie mit meist täglichen Anfällen dar. In selteneren Fällen sind die betroffenen Patienten wochen-, ja sogar monatelang beschwerdefrei – bei dieser episodischen paroxysmalen Hemikranie sind lange kopfschmerzfreie Intervalle zu beobachten.

Das entscheidende Diagnosekriterium ist in jedem Fall das therapeutische Ansprechen auf die Gabe von Indomethacin – ohne dessen Wirksamkeit darf die Diagnose „Paroxysmale Hemikranie“ nicht gestellt werden! Im Verlauf der sorgfältigen neurologischen Untersuchung wird auch eine Magnetresonanztomographie durchgeführt, vor allem hinsichtlich der Hypophysenregion.

Komplikationen

In der Regel leiden die Betroffenen bei dieser Krankheit an sehr starken Kopfschmerzen. Diese treten dabei vor allem in Schüben auf und können sich auch in andere Regionen des Körpers ausbreiten. In vielen Fällen kommt es dabei auch zu Ohrenschmerzen oder zu Zahnschmerzen. Auch die betroffene Gesichtshälfte ist dabei in der Regel von den Schmerzen vollständig betroffen.

Am Auge kann es während der Schmerzen auch zu Rötungen oder zu Schwellungen kommen, sodass die Patienten kurzzeitig an Sehbeschwerden leiden können. Der weitere Verlauf dieser Krankheit hängt allerdings sehr stark von der genauen Ursache ab. Aus diesem Grund ist eine allgemeine Voraussage in der Regel nicht möglich. Sollte die Krankheit allerdings nicht behandelt werden, so kann es auch zu einer Entzündung der Bindehaut und zu einem deutlich erhöhten Tränenfluss kommen.

Die Behandlung dieser Krankheit richtet sich nach der Grunderkrankung. In der Regel wird diese allerdings mit Hilfe von Medikamenten durchgeführt. Komplikationen treten dabei zwar nicht auf, allerdings kann ein positiver Verlauf nicht immer garantiert werden. Eine gesunde und stressfreie Lebensweise wirkt sich dabei sehr positiv auf die Erkrankung aus.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Wenn der charakteristische bohrende Kopfschmerz oder ein anderes Anzeichen einer paroxysmalen Hemikranie auftritt, sollte der Arzt konsultiert werden. Die Schmerzattacken nehmen relativ schnell an Intensität und Dauer zu und bedürfen deshalb einer zügigen Abklärung. Sollten Begleitsymptome wie Schwellungen der Schleimhäute oder Hautveränderungen auftreten, empfiehlt sich ein Arztbesuch. Frauen sind besonders häufig von der paroxysmalen Hemikranie betroffen. Die Ursachen können psychischer Natur sein, wobei auch körperliche Auslöser wie zum Beispiel chronische Schmerzerkrankungen möglich sind.

Auf wen diese Risikofaktoren zutreffen, der sollte einen Arzt aufsuchen, wenn die beschriebenen Krankheitszeichen auftreten. Die paroxysmale Hemikranie wird von dem Hausarzt oder einem Neurologen diagnostiziert und behandelt. Bei starken Beschwerden kann auch eine stationäre Behandlung sinnvoll sein. Zunächst sollten die Erkrankten den ärztlichen Notdienst kontaktieren, wenn es zu einem erneuten Kopfschmerz-Intervall kommt. Da die Erkrankung in Phasen auftritt, kann in den schmerzfreien Phasen Ursachenforschung betrieben werden. Hierbei ist eine enge Rücksprache mit dem verantwortlichen Arzt nötig.

Behandlung & Therapie

Das erste Ziel in der Behandlung der Paroxysmalen Hemikranie ist das Erreichen von Schmerzfreiheit. Um diese zu erlangen, muss die Therapie genau auf die jeweilige Erkrankungs- und Verlaufsform abgestimmt werden. Das Mittel der Wahl bei Paroxysmaler Hemikranie stellt Indometacin dar. Um die Patienten von den schwerwiegenden Schmerzsymptomen zu befreien, liegt die mittlere Dosierung von Indometacin bei etwa 150 mg/Tag, die Spanne reicht von 30 bis 300 mg pro Tag.

Indometacin wird als Dauertherapie verabreicht, wobei bei erfolgreicher Schmerzausschaltung die tägliche Dosis schrittweise heruntergefahren werden kann, um die minimal erforderliche Erhaltungsdosis zu finden. Eine Nebenwirkung der Behandlung mit Indometacin ist die Hemmung der Prostaglandinsynthese; dadurch wird ein wirkungsvoller Schutz der Magenschleimhaut notwendig, z.B. mittels eines Protonenpumpenhemmers. Falls durch die Gabe von (maximal etwa 300 mg/Tag) Indometacin die schwere Symptomatik nicht ausreichend gelindert werden kann, ist auch Lokalanästhesie eine Therapieoption.

Alternativ können auch nicht-steroidale Entzündungshemmer, sog. NSAID, verabreicht werden, z.B. in Form von Diclofenac, Naproxen oder Flurbiprofen. Beim chronischen Verlauf von Paroxysmaler Hemikranie ist begleitend in jedem Falle eine Psychotherapie empfehlenswert. Wenn auslösende Faktoren (z.B. hoher Stress oder bestimmte Nahrungsmittel) beobachtet werden können, ist eine Vermeidung derselben ebenfalls ein anzustrebendes Ziel, denn dies kann unter Umständen die einzige ursächliche Therapieoption für Betroffene darstellen.


Aussicht & Prognose

Wer an der Paroxysmalen Hemikranie leidet, muss mit mehrfach täglich auftretenden Kopfschmerzattacken leben. Der Schmerz spielt sich immer einseitig ab. Er ist stark und stechend, kann auch pulsieren. Eine Paroxysmale Hemikranie liegt vor, wenn der Betroffene mindestens fünf Kopfschmerzattacken am Tag erlebt. Außerdem müssen bestimmte Begleiterscheinungen gegeben sein.

Die Prognose für solche Anfälle hängt zum Teil von der sorgfältigen diagnostischen Abgrenzung der Erkrankung zu ähnlichen anfallsartigen Kopfschmerzen ab. Außerdem muss eruiert werden, ob es sich um die chronische oder die periodisch auftretende Paroxysmale Hemikranie handelt. Steht die Diagnose für eine Paroxysmale Hemikranie unzweifelhaft fest, ist die Prognose meist nicht sehr gut.

Die Betroffenen erleben im Extremfall bis zu 40 Anfälle je Tag. Sie sind danach ruhebedürftig. Ein Arbeitsleben ist damit nicht mehr möglich. Zudem ist der Zustand in den allermeisten Fällen chronisch. Die Länge der Anfälle ist unterschiedlich. Sie können sehr kurz ausfallen, aber auch eine dreiviertel Stunde andauern.

Eine günstigere Prognose kann nur abgegeben werden, wenn die selten auftretende periodische Verlaufsform der Paroxysmalen Hemikranie vorliegt. Hier kann es längere schmerzfreie Zeiten ohne Kopfschmerzanfälle geben. Im Idealfall kann ein betroffener mehrere Wochen oder sogar Monate schmerzfrei sein. Ungeklärt ist bisher, warum es zur Paroxysmalen Hemikranie kommt. Sie ist relativ selten.

Vorbeugung

Da die genauen Ursachen und die Entstehungsmechanismen der Paroxysmalen Hemikranie bis heute noch nicht eindeutig begriffen und bekannt sind, können kaum präventive Maßnahmen empfohlen werden. Ein möglichst stressfreier und erholungsreicher Lebensstil mit ausgeglichener Work-Life-Balance ist unter Umständen eine vorbeugende Maßnahme. Allerdings können bei dieser seltenen Erkrankung momentan keine gesicherten vorbeugenden Verhaltensweisen genannt werden, da die Äthiologie noch weitgehend ungeklärt ist.

Nachsorge

Bei der Paroxysmale Hemikranie müssen Erkrankte besonders darauf achten, alle äußeren Einflüsse, die zu Kopfschmerzen führen können, zu unterlassen. Betroffene sollten Stress vermeiden und ausreichenden und gepflegten Schlaf haben. Bei Phasen von starker emotionaler Belastung sind verschiedene Therapien anzuwenden, um eine kognitive Entlastung zu schaffen. Beispiele dafür sind Yoga oder Meditation.

Dies kann helfen, Auslöser für Stress abzubauen und zu lindern. Jegliche Konfliktsituationen sollten von Erkrankten gemieden werden. Eine große Hilfe für die Nachsorge ist es, die Lebensqualität zu erhöhen und die Lebensfreue zu verstärken. Es sollten entspannende Freizeitaktivitäten geplant und unternommen werden. Bei wichtigen Erledigungen sollte die Hilfe von Angehörigen in Anspruch genommen werden. Auch bei alltäglichen Aufgaben wird Hilfe benötigt.

Die Erkrankung schränkt die Betroffenen ein, sodass sozialen Kontakte wichtiger werden. Vor allem Beziehungen mit der Familie und Angehörigen sollten gepflegt werden, damit jederzeit Hilfe erfragt werden kann. Die Beschwerden treten meist vermehrt auf, wenn Betroffene unter seelischem Stress leiden. Daher sollte eine gesunde Lebensweise an erster Stelle stehen. Dies bedeutet, dass man jeglichen Stress meidet, eine gesunde Ernährung pflegt, Übergewicht vermeidet und auch den Konsum von Nikotin und Alkohol unterlässt.

Das können Sie selbst tun

Im Alltag sind alle Einflüsse, die zu einer Auslösung eines Kopfschmerzes führen könnten, zu minimieren. Eine optimale Schlafhygiene und ausreichender Schlaf ist ebenso notwendig, wie die Vermeidung von Stress. In Phasen emotionaler Belastungszustände, sollten verschiedene Techniken genutzt werden, die eine kognitive Erleichterung verschaffen. Methoden des Yoga oder der Meditation können dabei helfen, Stressoren zu lindern sowie abzubauen. Konfliktsituationen sind zu vermeiden und sollten möglichst schnell dauerhaft geklärt werden.

Hilfreich ist es, die Lebensfreude zu stärken und die Lebensqualität zu verbessern. Bei vielen Patienten ist dafür eine Umstrukturierung der Lebensverhältnisse notwendig. Zudem sollten Freizeitaktivitäten geplant werden, die Erleichterung verschaffen. Da die Erkrankung bei der Bewältigung von alltäglichen Pflichten äußerst hinderlich ist, sind wichtige Erledigungen rechtzeitig umzuplanen. Mit einem stabilen sozialen Umfeld kann die Hilfestellung von Angehörigen oder Freunden genutzt werden. Daher sollten die sozialen Kontakte gepflegt werden.

In den Phasen der Beschwerdefreiheit sollte der Betroffene für sich genau prüfen, welche Lebensentscheidungen überdacht werden sollten. Bei vielen Patienten treten die Beschwerden vermehrt auf, wenn sie sich starken seelischen Belastungen und Kompromissen aussetzen. Insgesamt sollte der Betroffene eine gesunde Lebensweise führen. Dazu gehört eine ausgewogene Ernährung, die Vermeidung von Übergewicht sowie eine ausreichende Bewegung. Der Genuss von Nikotin und Alkohol ist zu unterlassen.

Quellen

  • Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Mattle, H., Mumenthaler, M.: Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013

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