Prozedurales Gedächtnis

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 10. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Das prozedurale Gedächtnis bildet zusammen mit dem deklarativen Gedächtnis das Langzeitgedächtnis aus. Die im prozeduralen Gedächtnis abgelegten Informationen sind dem Bewusstsein nicht zugänglich und werden als Handlungsinformationen bezeichnet, sodass beim prozeduralen Gedächtnis zuweilen auch vom Verhaltensgedächtnis die Rede ist. Bei Menschen mit degenerativen Erkrankungen wird das prozedurale Gedächtnis häufig geschädigt.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das prozedurale Gedächtnis?

Das prozedurale Gedächtnis bildet zusammen mit dem deklarativen Gedächtnis das Langzeitgedächtnis aus.

Das Langzeitgedächtnis des Menschen besteht aus zwei verschiedenen Gedächtnisteilen. Der eine ist das deklarative Gedächtnis. Bei den darin gespeicherten Inhalten handelt es sich um Fakten über die Welt und das eigene Leben, die bewusst wiedergegeben werden können. Prozedurales Wissen unterscheidet sich von deklarativem Wissen insofern, als dass es sich dem Bewusstsein entzieht. Was im prozeduralen Gedächtnis abgelegt wurde, kann aus diesem Grund nicht bewusst wiedergegeben werden.

Nichtsdestotrotz handelt es sich auch bei den Inhalten des prozeduralen Gedächtnisses im weitesten Sinne um Wissensinhalte. Das prozedurale Gedächtnis wird auch Verhaltensgedächtnis genannt und umfasst so das implizite Wissen, das sich ein Mensch zu automatisierten Handlungsabläufen angeeignet hat. In diesem Zusammenhang sind zum Beispiel die Bewegungsabläufe beim Tanzen, beim Laufen, beim Radfahren oder beim Autofahren im prozeduralen Gedächtnis verankert, wenngleich die Inhalte nicht verbalisiert werden können.

Alle Fertigkeiten des Menschen sind dementsprechend in dieser Art des Langzeitgedächtnisses abgelegt. Der Begriff Fertigkeiten bezieht sich in diesem Zusammenhang vor allem auf praktisch erlernte und komplexe Bewegungen, deren Abfolge solange geübt wurde, bis sie ohne bewusste Nachdenken darüber abrufbar war.

Funktion & Aufgabe

Während das deklarative Langzeitgedächtnis theoretische Informationen enthält, sind im prozeduralen Teil des Langzeitgedächtnisses ausschließlich praktische Informationen gespeichert. Im Zusammenhang mit dem prozeduralen Gedächtnis ist häufig von implizitem Lernen die Rede. Als solches wird ein 'Lernen in der Situation' bezeichnet. Eine Person lernt Strukturen einer komplexen Reizumgebung, ohne dass sie es notwendigerweise beabsichtigt. Das in der Situation erlernte Wissen ist mitunter nur schwer zu verbalisieren und findet häufig als unbewusster Lernprozess in das Gedächtnis Eingang.

Prozedurales Lernen findet hauptsächlich im Kleinhirn, den subcortical motorischen Zentren und den Basalganglien statt. Das unterscheidet die Lernvorgänge vom deklarativen Lernen sämtlicher Fakten, die unter der Beteiligung des gesamten Neocortex gespeichert werden.

Das prozedurale Wissen ist kein bewusstes Wissen. Nichtsdestotrotz handelt es sich um die brauchbarste Art von Wissen, da es sich auf unbewusste Verarbeitungs- und Handlungsroutinen bezieht. Das Laufen ist eine Form von prozeduralem Wissen, das der Mensch im frühen Kleinkindstadium erlernt. Die Art des Lernens entspricht in diesem Zusammenhang einem "learning by doing". Ab einem bestimmten Alter oder einer gewissen Wiederholungsrate der Laufbewegung muss sich das Kleinkind nicht mehr auf den Bewegungsablauf konzentrieren und keine Gedanken mehr darauf aufwenden.

Ein Erwachsener wird überhaupt nicht sagen können, aus welchen Einzelbewegungen das Laufen überhaupt besteht. Er nimmt sich laufend kaum bewusst wahr, sondern ruft den gespeicherten Bewegungsablauf automatisch aus seinem prozeduralen Gedächtnis ab. Sobald über Bewegungsabläufe nicht mehr bewusst nachgedacht werden muss, sind sie dauerhaft gespeichert.

Gedächtnisinhalte des Langzeitgedächtnisses beruhen auf einem speziellen Verschaltungsmuster einzelner Synapsen. Diese Verschaltungen werden auf Basis der neuronalen Plastizität erbaut, können allerdings auch wieder abgebaut werden, wenn sie nicht oft genug abgerufen werden. Während repetitiv motorische Tätigkeiten wie das Fahrradfahren auch dann noch gut behalten werden, wenn sich die jeweilige Person über längere Zeit nicht darin geübt hat, werden synaptische Verschaltungen für komplexere Bewegungen leichter wieder gelöst. Das betrifft zum Beispiel einstudierte Choreographien zu bestimmten Tanzrhythmen.

Neben motorischen Fähigkeiten und Verhaltensweisen umgreift das prozedurale Gedächtnis auch kognitive Fertigkeiten und Algorithmen zur automatischen und unbewussten Anwendung.


Krankheiten & Beschwerden

Störungen des Gedächtnisses können verschiedener Natur sein. Die bekanntesten Gedächtnisstörungen sind verschiedene Arten der Amnesie, wie sie nach Schädigungen des deklarativen Gedächtnisses auftreten. Davon abzugrenzen sind prozedurale Gedächtnisstörungen. Bei schweren Defiziten des deklarativen Gedächtnisses bleiben die Funktionen und Inhalte des prozedurale Gedächtnisses in den meisten Fällen erhalten, da deklaratives und prozedurales Gedächtnis in unterschiedlichen Abschnitten des Gehirns angesiedelt sind. Prozedurale Gedächtnisstörungen treten aus diesem Grund annähernd ausschließlich nach Schädigungen der Basalganglien, des Kleinhirns oder der supplementär motorischen Regionen ein.

Die häufigste Ursache dieser Art von Läsionen sind nicht etwa Traumata, wie sie für deklarative Gedächtnisstörungen relevant sind, sondern degenerative Erkrankungen. Mitunter am häufigsten werden Störungen und Beeinträchtigungen des prozeduralen Gedächtnisses an Patienten der Parkinson-Krankheit beobachtet. Auch Erkrankungen wie Chorea Huntington können die Ursache für prozedural beeinträchtige Gedächtnisleistungen sein.

Seltener stellt sich eine prozedurale Gedächtnisstörung mit dem Verlust erlernter Automatismen nach Läsionen in den Basalganglien ein, wie sie zum Beispiel durch entzündliche Vorgänge, Hypoxien, Blutungen oder Traumata hervorgerufen werden können. In Einzelfällen wurde eine Störung des prozeduralen Gedächtnisses außerdem mit Depression in Zusammenhang gebracht.

Der Verdacht auf eine Störung im prozeduralen Gedächtniss besteht vor allem für Personen, die angelernte Fähigkeiten wie die wie zum Beispiel die Fähigkeit zum Schreiben oder zum Spielen eines bestimmten Musikinstruments verlieren. Unter gewissen Umständen ist die Beeinträchtigung des prozeduralen Gedächtnisses reversibel, so zum Beispiel indem die Betroffenen im Rahmen einer Rehabilitation die alten Fertigkeiten wieder erlernen und ihr prozedurales Gedächtnis auf diese Weise trainieren. Bei degenerativen Erkrankungen lässt sich der Prozess durch Rehabilitation allerdings nur verzögern, nicht aber zum Stillstand bringen.

Quellen

  • Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Mattle, H., Mumenthaler, M.: Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013

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