Pseudohypoparathyreoidismus
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Der Pseudohypoparathyreoidismus zeigt die gleichen Symptome wie ein normaler Hypoparathyreoidismus, ohne dass ein Mangel an Parathormon vorliegt. Im Blut finden sich ein zu niedriger Kalziumspiegel und ein zu hoher Phosphatspiegel. Trotz einer normalen oder gar erhöhten Konzentration kann das Parathormon seine Wirkung nicht entfalten.
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Was ist ein Pseudohypoparathyreoidismus?
Der Pseudohypoparathyreoidismus, auch Martin-Albright-Syndrom, ist durch die gleichen Krankheitserscheinungen wie ein Hypoparathyreoidismus gekennzeichnet. Der Begriff Hypoparathyreoidismus kann als Mangel an Parathormon übersetzt werden, der durch eine Unterfunktion der Nebenschilddrüsen hervorgerufen wird. Die Vorsilbe „Pseudo“ bedeutet „als ob“ und zeigt eine mangelhafte Wirkung des Parathormons bei einer normalen Konzentration dieses Hormons an.
Das Parathormon reguliert die Kalzium- und Phosphatkonzentration im Blutserum. Durch die Wirkung dieses Hormons wird Kalzium bei Bedarf aus den Knochen freigesetzt bei gleichzeitiger Förderung der Ausscheidung von Phosphat über die Nieren. Wenn der Kalziumspiegel im Blut sinkt oder dessen Bedarf erhöht ist, wird die Produktion von Parathormon aus den Nebenschilddrüsen angeregt.
Mit der Kalziumfreisetzung aus den Knochen erhöht sich allerdings automatisch auch die Phosphatfreisetzung, weil das Hauptmaterial der Knochen aus Kalziumphosphat besteht. Erhöhte Phosphatkonzentrationen hemmen aber wiederum die weitere Kalziumfreisetzung. Daher sorgt das Parathormon außerdem für die Hemmung der Phosphatresorption über die Nieren.
Das heißt, Phosphat wird verstärkt über den Urin ausgeschieden. Ausgeglichene Kalzium- und Phosphatwerte sind für das Elektrolytgleichgewicht entscheidend, welches für die normale Reizweiterleitung in Muskel- und Nervenzellen verantwortlich ist.
Ursachen
Bei der Wirkungsweise des Parathormons ist jedoch nicht nur seine richtige Konzentration, sondern auch das reibungslose Funktionieren aller Zwischenschritte bei der Wirkungsentfaltung wichtig. So ist für die Wirkungsweise eines Hormons dessen Andocken an einen entsprechenden Rezeptor erforderlich. Dieser Rezeptor vermittelt die Wirkung von Hormonen oder anderen bioaktiven Substanzen und bringt diese damit erst zu ihrer Ausprägung.
Wenn jedoch ein Rezeptor nicht in Ordnung ist, kann das Hormon, hier das Parathormon, seine Funktion nicht erfüllen. Es kommt zu den gleichen Ausfällen wie bei einem echten Mangel an Parathormon. Die entsprechenden Defekte an den Parathormonrezeptoren sind genetisch bedingt. Dabei sind die Vorgänge an diesen Schaltstellen kompliziert und vielfältig, sodass es vier verschiedene Möglichkeiten für Fehlfunktionen gibt.
Beim Pseudohypoparathyreoidismus vom Typ Ia ist der Anteil des G-Proteins im Parathormonrezeptor-Komplex reduziert. Der Typ Ib ist direkt durch einen Defekt im PHT-Rezeptor gekennzeichnet. Ein Defekt der katalytischen Einheit des Parathormonrezeptors führt zum Pseudohypoparathyreoidismus vom Typ Ic. Beim Typ II schließlich ist zwar der Rezeptor intakt. Allerdings fehlt hier die intrazelluläre Antwort.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Neben den Deformationen des Körperbaus ist die Symptomatik beim Pseudohypoparathyreoidismus wie beim Hypoparathyreoidismus durch die Hypokalzämie geprägt. Der Körperbau der Erkrankten zeichnet sich durch Kleinwuchs sowie durch Verkürzung der Mittelhand- und Mittelfußknochen aus. Die Hypokalzämie erzeugt die Symptome einer Tetanie.
Dabei kommt es zu Parästhesien, Pfötchenstellung der Hände, Spitzfußstellung der Füße und Krämpfe im Bereich der Füße und Hände. Des Weiteren besteht eine gesteigerte Reflexbereitschaft (Hyperreflexie). Dabei kommt es zu einer Übererregbarkeit der Muskel- und Nervenzellen. Das Chvostek-Zeichen und der Trousseau-Test sind positiv.
Beim Chvostek-Zeichen findet beim Beklopfen des Nervus facialis eine Kontraktion der Gesichtsmuskulatur statt. Der Trousseau-Test zeichnet sich durch eine krampfartige Kontraktion der Unterarmmuskulatur mit Pfötchenstellung der Hände nach Anlegen und Aufpumpen einer Blutdruckmanschette am Oberarm aus. Die Spasmen können sich auch an einzelnen Organen manifestieren.
Dabei treten dann Gallenkoliken, Verkrampfungen des Herzens oder der Lunge auf. Als weitere Symptome kann auch Haarausfall, grauer Star, eine Stauungspapille oder auch trockene Haut vorkommen. In schweren Fällen kann es zu Kalkablagerungen im Gehirn kommen, die zu Kopfschmerzen und zunehmender Demenz führen.
Diagnose & Krankheitsverlauf
Das klinische Bild der Pseudohypoparathyreoidismus führt meist zunächst zur Verdachtsdiagnose Hypoparathyreoidismus. Über Laboruntersuchungen wird die Parathormonkonzentration untersucht. Wenn dieser normal ist, handelt es sich meist um einen Pseudohypoparathyreoidismus.
Allerdings muss dieser wiederum differenzialdiagnostisch gegen den sogenannten Pseudopseudohypoparathyreoidismus abgegrenzt werden. Beim Pseudopseudohypoparathyreoidismus ist zwar der Kalziumstoffwechsel normal, aber die Aktivität des Gsa-Proteins ist vermindert.
Komplikationen
In schweren Fällen kommt es zu Herzrhythmusstörungen und Herzinsuffizienz, die ein großes Risiko für einen Herzstillstand mit Versagen des Herzkreislaufsystems darstellen. Bei der Tetanie handelt es sich um Krämpfe in Händen und Füßen, die bis zur Pfötchenstellung der Hände und Spitzfußstellung der Füße führen können. Wenn die Hypokalziämie länger besteht, treten häufig psychische Probleme auf, die sich durch solche Symptome wie Depressionen, Verstimmtheit oder Angstzustände äußern.
Da neben Kalzium auch verstärkt Phosphat gebildet wird, kommt es in den Gefäßen zu Ausfällungen von Kalziumphosphat, wobei sich durch Regelungsmechanismen schließlich erniedrigter Kalzium- und erhöhter Phosphatgehalt im Blut herausbilden. Die bei dieser Reaktion ausgefällten Kalziumphosphate führen besonders zur Verkalkung des Gehirns.
Die Kalkablagerungen im Gehirn rufen schwere Kopfschmerzen hervor und können im Extremfall auch Demenz entwickeln. Die Kalzium- und Phosphatwerte lassen sich im Rahmen einer Therapie zwar gut einstellen. Allerdings ist ein Pseudohypoparathyreoidismus nicht heilbar, weil er genetisch bedingt ist. Die Gestaltanomalien der Gelenke und der Kleinwuchs sind therapeutisch nicht beeinflussbar.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Ein Pseudohypoparathyreoidismus sollte immer durch einen Arzt behandelt werden. Die Erkrankung kann zu verschiedenen Komplikationen führen, wobei es auch nicht zu einer Selbstheilung des Betroffenen kommt. Eine Behandlung durch einen Arzt ist daher unerlässlich. In der Regel ist der Arzt dann aufzusuchen, wenn der Betroffene unter einem Kleinwuchs leidet.
Dabei sind verschiedene Gliedmaßen stark verkürzt, sodass es im Alltag zu starken Einschränkungen und zu Beschwerden kommen kann. Der Kleinwuchs wird meist im Laufe der kindlichen Entwicklung bemerkt. Ebenso muss der Pseudohypoparathyreoidismus dann behandelt werden, wenn der Betroffene an verschiedenen Muskelbeschwerden leidet. Es kann zu Schmerzen an den Muskeln kommen, die ohne einen besonderen Grund auftreten.
Ebenfalls ist der Besuch bei einem Arzt dann notwendig, wenn die Erkrankung zu Herzbeschwerden, zu Demenz oder zu einer trockenen Haut führt. Sollten die Herzbeschwerden nicht rechtzeitig behandelt werden, so kann es auch zu einer eingeschränkten Lebenserwartung des Patienten kommen. In den meisten Fällen kann der Pseudohypoparathyreoidismus durch einen Kinderarzt oder durch einen Allgemeinarzt diagnostiziert werden. Bei der weiteren Behandlung ist jedoch die Mithilfe von Fachärzten notwendig.
Behandlung & Therapie
Da der Pseudohypoparathyreoidismus genetisch bedingt ist, kann diese Erkrankung nicht kausal behandelt werden. Es sind nur symptomatische Therapien zur Einstellung des Kalziumstoffwechsels möglich. Die körperlichen Beeinträchtigungen wie Kleinwuchs und Gestaltanomalien sind aber nicht behandelbar. Ein normaler Kalziumspiegel kann nur medikamentös eingestellt werden.
Das erfolgt durch die orale Verabreichung von Kalziumpräparaten in Kombination mit Vitamin D. Bei einem Tetanieanfall muss Kalzium zuweilen intravenös gespritzt werden. Dabei ist eine ständige Kontrolle des Kalzium- und Phosphatspiegels erforderlich. Die dauerhafte Kalziumgabe kann zur Bildung von Nierensteinen führen. Um eine erhöhte Kalziumkonzentration im Urin zu vermeiden, kann die Gabe eines Thiazid-Diuretikums notwendig werden. Dabei ist die Kalziumausscheidung ebenfalls regelmäßig zu prüfen.
Vorbeugung
Der Pseudohypoparathyreoidismus ist eine genetisch bedingte Erkrankung. Aus diesem Grund kann es keine Empfehlung zu dessen Vorbeugung geben. Bei familiärer Häufung können allerdings humangenetische Beratungen und Untersuchungen in Anspruch genommen werden, um das Risiko für die Nachkommen abzuschätzen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die genetische Grundlage nicht für alle Formen des Pseudohypoparathyreoidismus bekannt ist.
Nachsorge
Bei Pseudohypoparathyreoidismus handelt es sich um eine genetische Erkrankung, wodurch die Nachsorge der Beschwerden nur symptomatisch erfolgt und eine Heilung ausgeschlossen ist. Eine medikamentöse Behandlung hilft den Kalziumstoffwechsel einzustellen. Hierzu werden Kalziumpräparate in Kombination mit Vitamin D eingenommen, in Fällen von Tetanieanfällen muss Kalzium zeitweise intravenös gesetzt werden.
Durch die Kalziumeinnahme kann es zur Bildung von Nierensteinen kommen. Um dies zu vermeiden, kann zusätzlich die Einnahme von harntreibenden Medikamenten notwendig sein. Die Kalziumausscheidung sollte hierbei stets kontrolliert werden. Kontrolluntersuchungen in regelmäßigen Abständen beim Facharzt sind empfohlen. Diese dienen, den Kalzium- und Phosphatspiegel zu kontrollieren und Medikamente gegebenenfalls anzupassen.
Nach der Diagnose sollte ein gesunder Lebensstil geführt werden. Eine gesunde Ernährung mit kalziumreichen Lebensmitteln hilft, den Mangel auf natürliche Art zu verringern. Auch wirkt sich die Aufnahme von Vitamin D über Lebensmittel wie Steinpilze, Haferflocken oder Süßkartoffeln positiv auf den Körper aus. Es sollte zudem eine phosphatarme Ernährung angestrebt werden durch eine Reduktion von eiweißhaltigen Produkten, Hülsenfrüchten und Nüssen.
Körperliche Beeinträchtigungen wie Kleinwuchs oder verkürzte Mittelhand- oder Mittelfußknochen sind nicht behandelbar und können zu starken Einschränkungen im Alltag führen. Die Übererregbarkeit der Muskeln kann durch Physiotherapie trainiert werden. Auch Entspannungstechniken wie Yoga oder Meditation helfen die Krankheit besser zu bewältigen.
Das können Sie selbst tun
Die Möglichkeiten der Selbsthilfe sind bei dem Pseudohypoparathyreoidismus sehr begrenzt. Die Beschwerden der Erkrankung sind umfangreich und können mit eigenen Handlungen nicht ausreichend minimiert werden.
Der Betroffene kann durch die Optimierung der Nahrungsmittelzufuhr seinen Organismus positiv unterstützen. Lebensmittel, die Calcium enthalten, sollten verstärkt aufgenommen werden. Ziel ist es, den vorhandenen Mangel an Calcium auf natürlichem Weg zu verringern. Täglich sind daher über den Tag verteilt verschiedene calciumhaltige Produkte zu verzehren. Gleichzeitig sind phosphathaltige Nährstoffe zu vermeiden. Auf eiweißhaltige Produkte, Hülsenfrüchte und Nüsse ist daher bei der Menüzubereitung zu verzichten. Der bereits vom Körper produzierte Überschuss an Phosphat würde andernfalls zusätzlich verstärkt werden. Zur weiteren Verbesserung der Gesundheit ist eine Aufnahme von Vitamin D zu empfehlen. Champignons oder Pfifferlinge enthalten das Vitamin und sollten regelmäßig auf dem Speiseplan stehen.
Der Umgang mit der Übererregbarkeit der Muskeln kann durch gezielte Trainings oder Entspannungstechniken gefördert werden. In einer Physiotherapie erlernt der Betroffene verschiedene Übungen, die eigenverantwortlich außerhalb der Therapietermine weiter verfolgt werden sollten. Zusätzlich helfen Methoden wie Yoga, Meditation oder autogenes Training, um die mentale Kraft zu stärken. Im Alltag kann dies bei der Bewältigung der Erkrankung hilfreich sein. Das Wohlbefinden wird stabilisiert und Stressoren werden abgebaut.
Quellen
- Braun, J., Dormann, A .J.: Klinikleitfaden Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2013
- Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
- Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013