Psyche und Bewegung (Psychomotorik)

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 15. April 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Psychomotorik definiert ein breites Feld des Zusammenspiels von Körper, Geist und Seele. Ist auch nur ein Bereich gestört, kann es zu Verhaltensdefiziten sowie Bewegungs- und Wahrnehmungsdefiziten mit unterschiedlichen Intensitäten und Auswirkungen kommen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Psychomotorik?

Die Psychomotorik definiert ein breites Feld des Zusammenspiels von Körper, Geist und Seele.

Die Psychomotorik ist ein Teilgebiet der Psychologie. Sie ist bis heute nicht ganz klar definiert. Sie befasst sich mit den willkürlichen und zielgerichteten Bewegungen. Die Verknüpfung von Bewegung mit Wahrnehmung und den kognitiven Prozessen, die sogenannte Kognition, liegt im Fokus.

Begrifflich schwer abzugrenzen sind die Begriffe Sensomotorik bzw. Motorik, die eher die elementaren Bewegungsleistungen kennzeichnen. Die motorischen Fertigkeiten, auch motor skills genannt, stehen eher im Bezug zu den komplexen Bewegungsmustern.

Die Psychomotorik bezeichnet in der Pädagogik und der Heilpädagogik auch motorische Übungs- und Behandlungsverfahren. Die Psychomotorik hat sich seit Mitte der 1970er Jahre zu einem aktiven Forschungsgebiet mit Anbindung an europäische und außereuropäische Universitäten als Kinesiologie oder movement science entwickelt. Die Studienbereiche Psychologie und Physiologie werden ergänzt durch Biologie, Neurologie, Robotik, Physik und Sportwissenschaft. Theoretische bzw. metatheoretische Entwicklungen sowie bessere Möglichkeiten für eine Registrierung und Analyse der Bewegungen spielen eine tragende Rolle in der Studienzeit.

Anders ausgedrückt kann gesagt werden, dass sich die Psychomotorik mit der Bewegung des Menschen befasst. Im Vordergrund stehen dabei die bewussten Prozesse, die Ausdrucksprozesse sowie die Prozesse des Willens. Dazu gehört beispielsweise die Emotionalität und Konzentration aber auch die höchst individuelle Persönlichkeitsstruktur.

Als Urvater der Psychosomatik gilt Ernst Kiphard mit seinem Sportangebot für Kinder, die aggressiv und verhaltensauffällig sind. Sein Sportangebot bezog sich positiv auf die emotionale kindliche Entwicklung.

Funktion & Aufgabe

In der Psychomotorik gelten bezüglich der Bewegungssteuerung unterschiedliche Funktionsprinzipien. So ruhen die psychomotorischen Untersuchungen auf zwei Säulen. Einerseits sind die grundlegenden Leistungen im Alltag wie Greifen, Reichen, Stehen, Schreiben und Sprechen sowie die Lokomotion angesprochen. Andererseits sind die allgemeinen Funktionsprinzipien einzubeziehen.

Es gilt immer wieder, die eigenen Bewegungen an die Umwelt anzupassen. Zum Beispiel eine Sache an einer bestimmten Stelle berühren. Dafür wird zuerst eine räumliche Koordinate, bezogen auf die Zielposition, erforderlich. Dann müssen bestimmte Gelenkstellungen eingenommen werden, was nicht ohne kombinierte Muskelkräfte und bestimmte Muskelinnervationen gelingt. Die Transformation umfasst also motorisch die Muskelinnervation, die Muskelkräfte und die Gelenkstellung der Fingerspitzen.

Eine Bewegungssteuerung kann somit nicht auf einzelne Gliedmaßen beschränkt sein. Beim Heben des Armes wird zum Beispiel der Körperschwerpunkt verlagert. Dadurch kommt es zu Aktivitäten in der Beinmuskulatur, um das Gleichgewicht weiterhin halten zu können. Beim Gehen besteht eine wechselseitige Abhängigkeit zwischen den gleichzeitig ausgeführten Bewegungen verschiedener Gliedmaßen, die zu koordinieren ist.

Die Entstehung von beeinträchtigten Bewegungsabläufen wird auf ein Zusammenspiel von psychischem Erleben aber auch der Entwicklung von Wahrnehmungen und Motorik zurückgeführt. Eine Zusammenfassung erfolgt unter den Fachbegriffen Motopädie, Mototherapie sowie Motopädagogik aber auch Bewegungstherapie bzw. Bewegungspädagogik.

Vom Grundsatz her beschreibt die Psychomotorik eine Persönlichkeitsentwicklung immer unter einem ganzheitlichen Aspekt. Psyche und Physis sind also immer miteinander verbunden und Bewegungsabläufe basieren auf Selbsterfahrung. Deswegen sagt die Körperhaltung des Menschen auch immer etwas über seinen seelischen Zustand aus. Gleichzeitig wirken sich Bewegungen nicht nur auf die eigenen motorischen Kompetenzen aus, sondern auch auf die Wahrnehmung der eigenen Fähigkeiten.

Ganz besonders stark ausgeprägt und miteinander verbunden sind rationale und emotionale sowie seelische Abläufe bei Kindern. Damit wird klar, warum Emotionen auch durch Bewegungen bzw. durch Bewegungsabläufe ausgedrückt werden. Therapeutisch werden deshalb Bewegungsspiele genutzt, um den Kontakt zu Kindern zu erleichtern. Bewegung ist also bestens geeignet, um Bewegungskompetenzen zuerst aufzubauen und anschließend zu festigen.

Die Einheit aus motorischen und psychischen Vorgängen beschreibt im Ergebnis den Begriff "psychomotorisch". An Bedeutung gewinnt in der modernen Medizin der Terminus "Psychomotorik", der die Entwicklungsförderung mit Hilfe von Bewegung beschreibt.


Krankheiten & Beschwerden

Es kann zu motorische Auffälligkeiten in Verbindung mit Verhaltensdefiziten im Kindesalter kommen. Diese basieren lt. Kiphard auf einer “minimalen cerebralen Dysfunktion“. Es kommt zu Defiziten in der Bewegung bzw. Wahrnehmung und im weiteren Verlauf zu Hyperaktivität, einer motorischen Unruhe aber auch zu Konzentrationsstörungen oder einem gehemmten Verhalten. Mit einer motorischen Betätigung ist es lt. Kiphard möglich, eine Stabilisierung und Harmonisierung der kindlichen bzw. jugendlichen Persönlichkeit zu erreichen. Das Trampolin ist etwa sehr gut geeignet, um Koordination und Bewegung zu schulen.

Körperliche, geistige und oder seelische Behinderungen können mit den Elementen der Psychomotorik positiv behandelt werden. Dies gilt für Beeinträchtigungen im Bereich Kognition und Kommunikation genauso wie für die Bereiche Emotion, Motorik und Sensorik.

Bereits die frühkindliche Entwicklung kann zum Beispiel in den Bereichen Kognition, Sprachentwicklung aber auch Emotionalität und den prägenden fundamentalen Strukturen für das spätere Sozialverhalten gestört sein. Im Einzelnen kann es sich um eine gestörte Selbst- und Körpererfahrung durch unzureichende Möglichkeiten des körperlichen Ausdrucks und unzureichender Fähigkeit für die Wahrnehmung und Umsetzung von Sinneserfahrungen gehen. Auch die fehlende Bereitschaft oder Möglichkeit, Regeln anzuerkennen, gehört in diesen Bereich.

Eine Enuresis (Bettnässen nach Beendigung des 4. Lebensjahres) kann ebenfalls auf eine gestörte Psychomotorik zurückgehen. Bei der primären Form war das Kind noch nie trocken, bei der sekundären hat später die Kontrolle der Blase wieder aufgehört.

Zu den bereits erwähnten psychomotorischen Störungen können in manchen Fällen auch Wachstumsverzögerungen in Bezug auf die Längen- und Gewichtszunahme auftreten. Depressive Verhaltensmuster sind zudem nicht selten zu beobachten.

Quellen

  • Arolt, V., Reimer, C., Dilling, H.: Basiswissen Psychiatrie und Psychotherapie. Springer, Heidelberg 2007
  • Davison, G.C., Neale, J.M., Hautzinger, M.: Klinische Psychologie. Beltz PVU, München 2007
  • Möller, H.-J., Laux, G., Deister, A.: Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. Thieme, Stuttgart 2015

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