Raynaud-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 2. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Das Raynaud-Syndom ist eine anfallartig auftretende Minderdurchblutung der Akren (äußerste Extremitäten) infolge von Vasokonstriktionen (Gefäßkrämpfe), von welcher Frauen etwa vier- bis fünfmal häufiger betroffen sind als Männer. In Abhängigkeit von der jeweiligen Erkrankungsform ist ein Raynaud-Syndrom gut therapierbar und weist einen guten Verlauf auf.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Raynaud-Syndrom?

Bei einem schweren Verlauf werden die Endglieder von Zehen und Finger nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt. Dadurch kann das Gewebe erkranken oder sogar absterben.
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Als Raynaud-Syndrom werden durch Vasokonstriktionen bzw. Vasospasmen (Gefäßkrämpfe) verursachte anfallartige Ischämiezustände (Minderdurchblutung) bezeichnet, von welchen vor allem die Arterien der Finger und Zehen betroffen sind.

Die Anfälle sind gekennzeichnet durch Ischämie (Blässe infolge der Minderdurchblutung), im weiteren Verlauf Zyanose (bläuliche Hautveränderungen) sowie schmerzhafte reaktive Hyperämie (übermäßige Blutansammlung) infolge der Reizung von Gefäßabschnitten.

Im weiteren Verlauf wird das Raynaud-Syndrom zudem von Schädigungen der Gefäßwände wie eine Verdickung der Intima (innerste Schicht der Gefäßwand) und/oder ein Kapillaraneurysma (Gefäßausweitung) mit anschließender Nekrose (Zelltod) und Gangrän (Selbstauflösung abgestorbenen Gewebes) begleitet.

Prinzipiell werden zwei Formen des Raynaud-Syndroms differenziert. Während ein primäres Raynaud-Syndrom nicht auf eine Grunderkrankung zurückgeführt werden kann, geht ein sekundäres Raynaud-Syndrom mit bestimmten Erkrankungen wie Thrombangiitis (chronisch-entzündliche Gefäßerkrankung), Sklerodermie (Bindegewebserkrankung) sowie Traumen (z.B. Arbeit mit Presslufthammer) oder Intoxikationen (z.B. Schwermetalle, bestimmte Medikamente) einher.

Ursachen

Die Ursachen für ein primäres Raynaud-Syndrom sind bislang nicht abschließend geklärt. Vermutlich liegt der Erkrankung eine genetisch bedingte Prädisposition für vasospastische Erkrankungen zugrunde, da sie in vielen Fällen mit anderen durch Gefäßkrämpfe bedingte Erkrankungen wie Migräne oder Angina pectoris (Prinzmetal-Angina) assoziiert werden kann.

Auch eine Beteiligung hormoneller Faktoren wird für die Manifestierung eines primären Raynaud-Syndroms diskutiert. Das sekundäre Raynaud-Syndrom ist dagegen auf verschiedene Erkrankungen zurückzuführen, die eine Manifestierung des Raynaud-Syndroms bedingen. Etwa 40 Grunderkrankungen (u.a. Thrombangiitis obliterans, Kollagenosen, rheumatoide Arthritis, Arteriosklerose, Kryoglobulinämie, Kälteagglutininsyndrom) sind bekannt, die ein sekundäres Raynaud-Syndrom auslösen können.

Zudem können bestimmte Medikamente (Betablocker, Ergotamin), übermäßiger Drogen- und Nikotinkonsum sowie Vergiftungen mit Schwermetallen oder Vinylchlorid ein sekundäres Raynaud-Syndrom bewirken.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Das Raynaud–Syndrom zeigt sich anfallsartig bei Kälte oder (emotionalem) Stress. Während eines solchen Anfalles sind Verfärbungen der Haut symptomatisch, die vor allem in Händen und Füßen auftreten. In seltenen Fällen sind auch Nase, Ohren, Stirn und Kinn betroffen.

Bei schwangeren Frauen können in sehr seltenen Fällen auch die Brustwarzen betroffen sein. Am häufigsten handelt es sich um eine Weißverfärbung oder eine Blauverfärbung (Zyanose) der Haut. In anderen Fällen kann eine zweiphasig auftretende Verfärbung beobachtet werden, von einer Weißverfärbung in eine Blauverfärbung.

Die Verfärbung der Haut kann auch als Trikolore – Phänomen beobachtet werden, bei dem zunächst eine Weißverfärbung, dann eine Blauverfärbung und schließlich eine Rotverfärbung eintritt. Die Rotverfärbung erklärt sich durch eine verstärkte Durchblutung der Haut(Hyperämie), die meist mit einem Kribbel- oder Klopfgefühl einhergeht.

Der Raynaud Anfall kann von wenigen Minuten bis zu einer Stunde betragen. Während der Einfärbungen können Schmerzen oder ein Kribbeln auftreten. Die Einfärbungen können symmetrisch auftauchen (primäres Raynaud–Syndrom), hier vor allem bei dem Zeigefinger, Mittelfinger, Ringfinger und kleinen Finger zu beobachten oder asymmetrisch (sekundäres Raynaud–Syndrom). Die Durchblutungsstörungen können in wenigen Fällen zu Sekundärschädigungen führen, beispielsweise einer Nekrose der Haut, also dem Absterben einzelner Zellen.

Diagnose & Verlauf

Ein Raynaud-Syndrom kann in aller Regel bereits anhand der charakteristischen Symptome wie Schmerzen sowie Verfärbungen infolge der Minderdurchblutung diagnostiziert werden. Hierbei deutet ein symmetrisches Befallsmuster des zweiten bis fünften Fingers auf ein primäres Raynaud-Syndrom.

Wird ein Anfall durch Kältezufuhr (Eiswasser) provoziert, kann durch die Zufuhr von Wärme oder gefäßerweiterndem Nitroglycerin eine Linderung erreicht werden. Liegt hingegen ein asymmetrisches Befallsmuster einzelner Finger vor und ist durch Wärme- und/oder Nitroglycerinzufuhr keine Beschwerdereduzierung erreichbar, ist eher von einem sekundären Raynaud-Syndrom auszugehen.

Zudem kann im Rahmen einer Oszillographie die Durchblutung der betroffenen Finger oder Zehen kontrolliert werden, während eine Dopplersonographie Aussagen über Verschlüsse oder Verengungen in den Gefäßen ermöglicht. Verlauf und Prognose sind bei einem primären Raynaud-Syndrom sehr gut. Beim sekundären Raynaud-Syndrom hängt der Verlauf maßgeblich von der zugrunde liegenden Erkrankung ab.

Komplikationen

Bei einem schweren Verlauf werden die Endglieder von Zehen und Finger nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt. Dadurch kann das Gewebe erkranken oder sogar absterben. In der Folge müssen die Fingerkuppen oder sogar ganze Finger amputiert werden.

Bleiben die Verkrampfungen über eine längere Zeit bestehen, führt dies auf Dauer ebenfalls zu Gefäßschäden. Tritt die Erkrankung in Folge einer Sklerodermie auf, besteht ebenfalls das Risiko dauerhafter Veränderungen der Blutgefäße. Auch hier muss das betroffene Gewebe amputiert werden. Bei starken Beschwerden ist eine medikamentöse Therapie erforderlich, die immer mit Komplikationen verbunden ist. Wird Glyceroltrinitrat verordnet, kann es zu den sogenannten „Nitratkopfschmerzen“ kommen.

Bei der Erstanwendung besteht außerdem das Risiko von Blutdruckabfall, Pulsanstieg, Schwindel und Schwächegefühlen. Gelegentlich kommen allergische Hautreaktionen hinzu oder der Patient erleidet einen Kollaps. Eine schwere Komplikation ist Schälrötelsucht. Diese schwere Hautreaktion tritt in Einzelfällen auf und führt oft zum Verlust von Haaren und Nägeln. Ist eine Infusion – etwa mit Prostaglandinen – notwendig, kann dies mit Infektionen, Verletzungen und gelegentlich auch mit der Entstehung von Thrombosen verbunden sein.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Da es sich beim Raynaud-Syndrom um eine unheilbare Erkrankung handelt, muss bei dieser Krankheit immer ein Arzt aufgesucht werden. Es kommt nicht zu einer Selbstheilung, wobei die Beschwerden nur rein symptomatisch und nicht kausal behandelt werden können. Je früher die Behandlung der Krankheit eingeleitet wird, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit eines positiven Krankheitsverlaufes.

Ein Arzt ist dann aufzusuchen, wenn der Betroffene durch das Raynaud-Syndrom unter Verfärbungen an der Haut leidet. Diese treten dabei vor allem in starken Stresssituationen auf, wobei sie auch durch Wärme oder durch Kälte ausgelöst werden können. Dabei kann sich auch die Haut blau verfärben. Sollten diese Symptome über einen längeren Zeitraum auftreten, so muss unbedingt ein Arzt aufgesucht werden. In der Regel deuten auch Störungen der Durchblutung auf das Raynaud-Syndrom hin und sollten immer durch einen Arzt untersucht werden. Das Raynaud-Syndrom kann durch einen Allgemeinarzt oder durch einen Hautarzt untersucht und behandelt werden.

Behandlung & Therapie

Die therapeutischen Maßnahmen für ein Raynaud-Syndrom können lediglich auf eine Reduzierung der vorliegenden Beschwerden zielen, da die Erkrankung selbst nicht heilbar ist. Zum Einsatz kommen bei einem Raynaud-Syndrom physikalische Maßnahmen, systemisch und topisch (lokal) zu applizierende Medikamente sowie Akupunktur und alternative Heilmethoden.

Neben einer Aufklärung zu prophylaktischen Maßnahmen wie beispielsweise frühzeitiges Tragen von Handschuhen oder Nutzung von Taschenwärmern zur Vermeidung von Kälte-Expositionen, die die Symptomatik eines primären Raynaud-Syndroms verschlechtern würden, wird ein Training der Fingermuskulatur empfohlen. Zudem ist bei einer Einnahme von Medikamenten, die ein Raynaud-Syndrom (Betablocker, bestimmte Antidepressiva, Hormone, Ergotamine) bedingen können, eine medikamentöse Umstellung zu erwägen.

Im Rahmen einer medikamentösen Therapie eines Raynaud-Syndroms werden, insbesondere bei bereits häufigen schweren Anfällen, ACE-Hemmer und Ca-Antagonisten (Kalzium-Antagonisten wie Felodipin, Nifedipin, Amlodipin ) verabreicht, wobei Betroffenen mit saisonalen Anfallsschüben bei Beschwerdefreiheit eine Medikamentenkarenz empfohlen wird.

Darüber hinaus kann Nitroglycerin bei schweren Anfällen zur Linderung der Beschwerden topisch appliziert werden. Im fortgeschrittenen Stadium eines sekundären Raynaud-Syndroms können Prostaglandine (Iloprost, Alprostadil) intravenös infundiert werden, um Nekrosen zu vermeiden bzw. zu therapieren.

Eine Studie konnte darüber hinaus aufzeigen, dass klassische, chinesische Akupunkturverfahren zu signifikanten Verbesserungen hinsichtlich der Schwere und Häufigkeit der Anfälle bei einem primären Raynaud-Syndrom führen können.


Vorbeugung

Da die Ursachen eines primären Raynaud-Syndroms nicht bekannt sind, existieren keine direkten vorbeugenden Maßnahmen. Allerdings sollten bestimmte Faktoren, die eine Manifestierung oder neue Anfälle auslösen können, vermieden werden. Zu diesen Faktoren gehören beispielsweise die Vermeidung von Kälte-Expositionen, Nikotinkarenz sowie eine Reduzierung der Arbeit mit stark vibrierenden Arbeitsgeräten (z.B. Presslufthammer). Eine frühzeitige und konsequente Therapie der zugrunde liegenden Erkrankung kann unter Umständen einem sekundären Raynaud-Syndrom vorbeugen.

Nachsorge

Regelmäßige Kontrollen einmal im Jahr beim behandelnden Arzt oder in einer Fachambulanz sind Pflicht. Wunden sind unverzüglich von einer kompetenten Person zu behandeln, damit sie gut verheilen. Eine gewissenhafte Nachsorge ist insbesondere bei neu aufgetretenen Wundheilungstörungen unabdinglich. Patienten, die am Raynaud-Syndrom leiden oder in der Vergangenheit damit zu kämpfen hatten, sollten gewissenhaft alle empfohlenen Vorsichtsmaßnahmen befolgen.

Damit verhindern sie im Idealfall ein Wiederaufkommen der Symptome. Zur Nachsorge gehört auch, sich weiterhin möglichst gesund ernähren. Mit koffeinhaltigen Genussmitteln gilt es sparsam umzugehen. Eine vitaminreiche Kost hingegen kann die Gefäße schützen. Gleichzeitig ist es wichtig, das Rauchen zu unterlassen und verrauchte Räume zu meiden. Dasselbe gilt für Stress. Bewegung ist der Genesung zuträglich, da sie die Durchblutung anregt.

Es ist ratsam, Schmerz- und Erkältungsmedikamente erst nach Rücksprache mit einem über die Krankheitsgeschichte des Patienten informierten Arzt einzunehmen, da diese Mittel könnten Stoffe enthalten, die die Gefäße verengen. Betroffene sollten bei Kälte stets warme Handschuhe tragen und kalte Gegenstände besser nicht ungeschützt angreifen.

Falls es trotz aller Vorsichts- und Nachsorgemaßnahmen erneut zu einer Raynaud-Attacke kommt: als Sofortmaßnahme die Hände unter warmes Wasser oder in die Achselhöhlen zu halten, zu massieren und zu bewegen. Auf diese Weise weiten sich die Gefäße schnell wieder.

Das können Sie selbst tun

Beim Raynaud-Syndrom gilt es, zunächst die Auslöser zu vermeiden. Die Hände und Finger müssen vor Kälte und Nässe besonders geschützt werden. Im Winter ist es wichtig, stets gut isolierende Handschuhe zu tragen, z.B. mit Neoprenschicht. Eventuell helfen nur beheizbare Handschuhe oder Taschenwärmer. Druck auf die Handfläche verstärkt die Symptome. Dies tritt z.B. beim Fahrradfahren oder Arbeiten mit den Händen bei Kälte auf. Falls sich solche Auslöser nicht vermeiden lassen, helfen vorbeugende Maßnahmen, wie Fingergymnastik, Bewegung der Arme und Hände und regelmäßige Druckentlastung.

Gefäßverengende Substanzen sollten vermieden werden. Hierunter fällt vor allem Nikotin, aber auch einige Medikamente. Den Arzt über die Krankheit zu informieren ist daher äußerst wichtig, auch wenn die aktuellen Beschwerden augenscheinlich nichts mit dem Raynaud-Syndrom zu tun haben.

Insgesamt verbessert ein gesunder Lebensstil auch die Gesundheit der Gefäße. Der Abbau von Stress und Unruhe, sowie eine ausgewogene, vitaminreiche Ernährung wirken protektiv und können das Voranschreiten der Krankheit verzögern. Insbesondere Sport mit Ausdauertraining ist wichtig, da es die Durchblutung im gesamten Körper optimiert und beruhigend auf das Nervensystem einwirkt.

Alle genannten Maßnahmen können die Krankheit nicht heilen, jedoch die Lebensqualität verbessern und das Voranschreiten verzögern.

Quellen

  • Arasteh, K., et. al.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • I care Krankheitslehre. Thieme, Stuttgart 2015

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