Ruvalcaba-Myhre-Smith-Syndrom
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. November 2021Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Das Ruvalcaba-Myhre-Smith-Syndrom (RMSS) wird von einer autosomal-dominant erblichen Mutation im PTEN-Gen verursacht und geht mit Darmpolypen sowie Hautveränderungen einher. Patienten des Syndroms leiden häufig an weiteren PTEN-assoziierten Syndrome mit einem vielgestaltigen klinische Bild. Den Fokus der Behandlung bilden Kontrolluntersuchungen, die dem erhöhten Krebsrisiko der Patienten entgegenwirken.
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Was ist das Ruvalcaba-Myhre-Smith-Syndrom?
Meist gutartige Schleimhautausstülpungen innerhalb von Körperhohlräumen werden als Polypen bezeichnet. Polypen-Erkrankungen sind vor allem im Bezug zum Magen-Darm-Trakt bekannt und unterliegen in diesem Zusammenhang oft familiärer Disposition. Eine Untergruppe der Polypen-Syndrome bildet die Gruppe der harmartösen Polypen-Syndrome, zu denen das Ruvalcaba-Myhre-Smith-Syndrom zählt.
Die Erkrankung zeichnet sich durch harmartöse Dünndarmpolypen aus und wird auch als Bannayan-Riley-Ruvalcaba-Syndrom bezeichnet. Die Krankheit wird in der Literatur oft auch multiple Hemangiomata, Makrozephalie oder Pseudopapilledema genannt. Ebenso verbreitet sind Bezeichnungen wie Cowden-Riley-Ruvalcaba überlappendes Syndrom sowie Ruvalcaba-Myhre-Syndrom und Bannayan-Zonana-Syndrom.
Obgleich keine genaue Prävalenz bekannt ist, wird das Syndrom für eine eher seltene Erkrankung gehalten. Das Ruvalcaba-Myhre-Smith-Syndrom wird zu den PTEN-Hamartom-Tumor-Syndromen gezählt, die in ihrem Phänotypen miteinander überlappen. Die Basis aller PTEN-Hamartom-Tumor-Syndrome sind genetische Defekte mit autosomal-dominantem Erbgang. Aufgrund der altersabhängigen Penetranz und der unterschiedlichen Genexpression liegt für die einzelnen Krankheitsbilder eine große Symptom-Vielfalt vor.
Ursachen
Das PTEN-Gen und das davon kodierte Enzym fungieren in einem gesunden Körper als Tumorsuppressor und verhindern dementsprechend die unkontrollierte Teilung bestimmter Zelltypen. Die PTEN-kodierte Lipid-Phosphatase reguliert andere Proteine, indem sie als Enzym Phosphatgruppen abspaltet. Durch die Dephosphorylierung werden Proteine deaktiviert. Der so erreichte Eingriff in den Zellzyklus wirkt tumorsuppressiv.
Aufgrund der krankheitsassoziierten Mutation im PTEN-Gen erfüllt das Enzym seine Funktionen nur noch unvollständig. Der tumorsuppressive Schutzmechanismus verliert so an Wirksamkeit. Eine unkontrollierte Vermehrung von Geweben ist die Folge. Familiäre Häufung wurde für das Ruvalcaba-Myhre-Smith-Syndroms beobachtet. Die Vererbung erfolgt unabhängig vom Geschlecht durch Autosome. Ein autosomal-dominanter Erbgang wurde dokumentiert. Auch heterozygote Träger der ursächlichen Mutation erkranken am Ruvalcaba-Myhre-Smith-Syndrom.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Patienten mit Ruvalcaba-Myhre-Smith-Syndrom leiden unter gewissen Umständen zeitgleich an mehreren PTEN-assoziierten Erkrankungen. Die Symptome der Patienten unterscheiden sich abhängig davon, wie viele und welche PTEN-assoziierten Syndrome vorliegen. Neben einer Skoliose können Hämangiome symptomatisch sein.
Darüber hinaus treten oft Pigmentstörungen im Genitalbereich auf. Komplexe Bewegungsabläufe wie das Laufen werden aufgrund von verminderter Gelenkigkeit, Muskelschwäche oder allgemeiner Entwicklungsstörung oftmals nur schwer erlernt. Außerdem bilden sich meist zahlreiche Lipome am Körper der Patienten.
Neben Makrozephalie, Hashimoto-Struma und Gefäßfehlbildungen ist eine fleckförmige Lentiginose im Bereich des Penis oder der Vulva denkbar. Hamartöse Polypen des Magen-Darm-Trakts mit bevorzugter Lokalisation innerhalb des Dünndarms gelten als Leitsymptom der Erkrankung. Bislang ist nicht abschließend geklärt ob beobachtete Anomalien wie ein erhöhtes Geburtsgewicht der Patienten tatsächlich auf das Syndrom zurückzuführen waren.
Auch Skoliose und beobachtete Überstreckbarkeit der Gelenke können in der Vergangenheit theoretisch als unabhängige Erscheinungen vorgelegen sein und sind dementsprechend als diagnostikrelevante Symptome zu vernachlässigen.
Diagnose & Krankheitsverlauf
Für die Diagnose des RMSS existieren bisher keine spezifischen Diagnose-Kriterien. Meist führt das klinische Bild zur Verdachtsdiagnose. Pädiatrischen Kriterien des PTEN-Scores stehen für die erste Verdachtsdiagnose zur Verfügung. Zur Diagnosesicherung wird eine molekulargenetische Analyse durchgeführt, die das Vorliegen einer PTEN-Mutation bestätigt.
Falls PTEN-Mutationen im Kreis der Familie bereits bekannt sind, findet oft eine vorgeburtliche Diagnostik statt. Dieser molekulargenetische Nachweis einer PTEN-Mutation sichert zwar das Vorliegen einer PTEN-assoziierten Erkrankung, erbringt allerdings keine klare Abgrenzung zwischen einzelnen PTEN-Syndromen. Differentialdiagnostisch ist das Ruvalcaba-Myhre-Smith-Syndrom im Rahmen der Diagnostik von Syndromen wie dem Lhermitte-Duclos-, dem juvenilen Polypose- und dem Peutz-Jeghers-Syndrom abzugrenzen.
Ebenso relevant ist eine Abgrenzung gegenüber dem Birt-Hogg-Dube-Syndrom, dem Proteus-Syndrom, dem Cowden-Syndrom und dem Gorlin-Syndrom. Auch mit der Neurofibromatose Typ 1 kann das Ruvalcaba-Myhre-Smith-Syndrom unter Umständen verwechselt werden. Die Prognose hängt für Patienten mit Ruvalcaba-Myhre-Smith-Syndrom vorwiegend von den anfänglichen Symptomen und dem möglichen Genotypen der Erkrankung ab.
Komplikationen
In vielen Fällen leiden die Patienten dabei an Minderwertigkeitskomplexen oder an Depressionen und anderen psychischen Beschwerden. Auch eine Muskelschwäche stellt sich häufig ein und es kommt zu einer verlangsamten Entwicklung. Weiterhin leiden die Betroffenen an Fehlbildungen an den Gefäßen und auch am Dünndarm, sodass es bei der Verdauung zu Beschwerden kommen kann. Die Gelenke und Finger sind überstreckbar und können leicht ausgerenkt werden.
Aufgrund der verlangsamten Entwicklung sind die Patienten in ihrem Alltag häufig auf die Hilfe der Eltern oder anderer Menschen angewiesen und können den Alltag nicht alleine meistern. Ob es aufgrund des Ruvalcaba-Myhre-Smith-Syndroms zu einer verringerten Lebenserwartung kommt, kann nicht im Allgemeinen vorausgesagt werden. Die Betroffenen sind auf regelmäßige Untersuchungen angewiesen. Da die Krankheit nicht kausal behandelt werden kann, treten dabei auch keine weiteren Komplikationen auf.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Das unter diversen Bezeichnungen bekannte, aber extrem selten auftretende Ruvalcaba-Myhre-Smith-Syndrom beruht auf einer Genmutation. Dieser Defekt wird der Gruppe der hereditären Hamartoma-Polyposis-Syndrome zugerechnet. Die charakteristischen Symptome des Ruvalcaba-Myhre-Smith-Syndroms werden meist schon bei der Geburt registriert. Sie müssen dann durch eine Genuntersuchung verifiziert werden.
Problematisch ist beim Ruvalcaba-Myhre-Smith-Syndrom, dass die Symptome bei dieser Erkrankung nicht einheitlich auftreten. Sie können unterschiedliche Ausprägungen haben. Einige der typischen Symptome können jedoch als Leitsymptome angesehen werden, da sie gehäuft oder mit hoher Wahrscheinlichkeit auftreten.
Regelmäßige Arztbesuche sind jedoch auch nach der Diagnosestellung anzuraten. Die vom Ruvalcaba-Myhre-Smith-Syndrom Betroffenen haben wegen der genetisch bedingten Tumorsuppression ein höheres Risiko, an verschiedenen Krebsformen zu erkranken. Infrage kommen vor allem Schilddrüsenkrebs oder Darmkrebs. Bei den betroffenen Frauen steigt zudem das Brustkrebsrisiko. Daher sind früh einsetzende Vorsorgeuntersuchungen unverzichtbar.
Die möglichen medizinischen Maßnahmen beschränken sich auf symptomatische Erleichterungen. Dabei ist meist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Spezialisten mehrerer Fachrichtungen sinnvoll. Außerdem kann neben medizinischer Unterstützung auch eine psychische Betreuung sinnvoll sein. Wegen der Vielzahl und der Art der Symptome kommt es bei den Betroffenen oft zu Minderwertigkeitsgefühlen oder Depressionen.
Verdauungsbeschwerden oder Fehlbildungen an den Extremitäten können eine Behandlung erfordern. Das Ruvalcaba-Myhre-Smith-Syndrom schränkt die Lebensqualität ein. Die meisten Betroffenen benötigen lebenslang Unterstützung und Hilfe.
Behandlung & Therapie
Eine ursächliche Therapie steht für Patienten mit PTEN-assoziierten Syndromen so lange nicht zur Verfügung, wie gentherapeutische Ansätze die klinische Phase nicht erreichen. Auch für das Ruvalcaba-Myhre-Smith-Syndrom existieren bislang nur symptomatische und supportive Behandlungsmaßnahmen. Die Betreuung und Behandlung der Patienten erfolgt in einem multidisziplinären Team.
Im Mittelpunkt steht die Überwachung der Patienten, die Komplikationen der Polypose vorbeugen soll. Schwer verlaufende Komplikationen wie Blutungen werden durch engmaschige Überwachung oft noch früh genug erkannt, um intervenieren zu können. Bei PTEN-Keimbahnmutationen erfolgen außerdem regelmäßige Überwachungssonographien der Schilddrüse.
Darüber hinaus werden minderjährige Patienten jährlich auf Hautveränderungen kontrolliert. Ab einem Alter von 30 Jahren werden jährliche Koloskopien empfohlen. Alle zwei Jahre sind außerdem bildgebende Untersuchungen der Nieren anzuraten. Weiblichen Patientinnen wird ab 30 eine monatliche Brust-Kontrolle empfohlen.
Ein Mammografie-Screening sollte zumindest jährlich stattfinden. Auch transvaginale Ultraschalluntersuchungen oder Endometrium-Biopsien werden angeraten. Dasselbe gilt für Kontrolluntersuchungen auf neurologische oder vaskuläre Anomalien. Dem erhöhten Krebsrisiko der Patienten wird über die genannten Kontrollen entgegengewirkt. Entwicklungsstörungen und Muskelschwächen kann durch Physiotherapie begegnet werden.
Vorbeugung
Dem Ruvalcaba-Myhre-Smith-Syndrom und anderen PTEN-Syndromen lässt sich bislang nur durch genetische Beratung in der Phase der Familienplanung vorbeugen. Die Entscheidung gegen ein eigenes Kind kann bei entsprechender Genetik eine Überlegung wert sein.
Nachsorge
Das Ruvalcaba-Myhre-Smith-Syndrom ist eine genetische Mutation und hat zur Folge, dass leider keine kausale Nachsorge möglich ist. Der Fokus liegt somit auf der Reduzierung der verschiedenen Beschwerden durch eine symptomatische Nachsorge. Die Krankheit führt zu Muskelschwäche sowie verlangsamter Entwicklung, daher sollte hier unterstützend Physiotherapie genutzt werden.
Da die Erkrankung sich negativ auf die gesamte Lebensqualität des Patienten auswirkt, ist in einigen Fällen eine psychologische Behandlung notwendig. Die lebenslange Abhängigkeit von anderen Menschen im Alltag, aber auch die Pigmentstörungen können den Erkrankten sehr belasten.
Nach der Erkrankung mit Ruvalcaba-Myhre-Smith-Syndrom sind Kontrolluntersuchungen in regelmäßigen Abständen notwendig. Diese fokussieren vor allem auf die Vorbeugung von Polypen und möglichen Krebserkrankungen durch die erhöhte Tumorsuppression. Auch werden die Schilddrüsenwerte geprüft und die Nieren untersucht.
Da es durch die Fehlbildungen an Gefäßen und Dünndarm zu Verdauungsproblemen kommen kann, ist auch hier eine periodische Kontrolle durch einen Facharzt wichtig. Bei weiblichen Betroffenen sollten zusätzlich frauenärztliche Kontrolluntersuchungen wie Mammografie, transvaginaler Ultraschall und Endometriumbiopsie eingeplant werden. Die Prognose beim Ruvalcaba-Myhre-Smith-Syndrom ist abhängig von den Symptomen und den möglichen Genotypen der Erkrankung. Aktuell ist nicht zu sagen, ob die Lebenserwartung durch diese Krankheit beeinflusst wird.
Das können Sie selbst tun
Da Patienten des Ruvalcaba-Myhre-Smith-Syndroms unter einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für eine Krebserkrankung leiden, sollten sie die bekannten Risikofaktoren im Alltag minimieren. Eine ungesunde Ernährung, der Konsum von Nikotin und Alkohol sowie eine Aussetzung durch anderer Schadstoffe sollte unterlassen werden. Im Mittelpunkt der Selbsthilfemaßnahmen stehen die Förderung des Wohlbefindens und die Verbesserung der Lebensqualität.
Stressoren können durch kognitive Therapien oder Entspannungstechniken abgebaut werden. Yoga, autogenes Training oder Meditation helfen nachweislich bei einer Stärkung des inneren Gleichgewichte und einer mentalen Balance. Eine gesunde und ausgewogene Ernährung ist ebenfalls anzuraten, da diese das Immunsystem unterstützt und damit das Krebsrisiko lindert. Störungen des Hautbildes führen häufig zu einem herabgesetzten Selbstbewusstsein. Auch hier helfen kognitive Trainings den Umgang mit der Pigmentstörung im Alltag besser gestalten zu können. Sofern es die Verträglichkeit zulässt, können kosmetische Produkte genutzt werden, um Verschönerung vorzunehmen.
Da es sich um eine genetische Erkrankung handelt, sollten Angehörige und Eltern den Nachwuchs bereits frühzeitig über die gesundheitliche Störung, den Verlauf und die daraus resultierenden Folgen aufklären. Die Besprechung offener Fragen ist wichtig, damit das Kind im Alltag keinen plötzlichen Situation der Überforderung ausgesetzt wird. Die Freizeitgestaltung ist an die Möglichkeiten des Patienten auszurichten und sollte neben einer Förderung des Wohlbefindens den Aufbau von Erfolgserlebnissen beinhalten.
Quellen
- Arasteh, K., et. al.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
- Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
- Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013