Scheidenvorfall
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Ein Scheidenvorfall bezeichnet eine Ausstülpung der Vagina nach außen. Er wird auch als Scheidenprolaps bezeichnet und stellt medizinisch eine Scheidensenkung vierten Grades dar.
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Was ist ein Scheidenvorfall?
Ein Scheidenvorfall ist das Ausstülpen der Vagina nach außen. Es kommt mindestens zu einem mehr oder weniger sichtbaren Austritt der Vaginalschleimhaut. Im Genitalbereich der Frau ist dieser Austritt zu erkennen. So stülpt die Vagina sich aus dem Körper aus und tritt damit zwischen die Schamlippen.
Weiterhin kann der Vaginalvorfall durch den Austritt weiterer Organe erweitern sein. Diese Organe nehmen dann den Raum ein, den vorher die Vagina innehatte. Ob dies geschieht, hängt unter anderem davon ab, welcher Teil der Vagina austritt. So können etwa der Gebärmutterhals (seltener die Gebärmutter), die Harnröhre und die Blase zusätzlich betroffen sein. Seltener tritt auch die hintere Scheidenwand aus, was zu einer Beteiligung des Rektums führen kann.
Der Vaginalprolaps lässt sich ferner noch unterteilen, wobei das Ausmaß festgestellt werden muss. Ein vollständiger Scheidenvorfall wird als Prolapsus vaginae completus sive totalis bezeichnet, eine Beteiligung des Gebärmutterhalses als Prolapsus vaginae et cervicis. Partielle Formen, bei denen die Absenkung der inneren weiblichen Geschlechtsorgane nicht zu einem stark sichtbaren Vorfall führen, werden entsprechend auch als Prolapsus vaginae incompletus sive partialis bezeichnet.
Für die Definition ist die Unterscheidung zwischen einer Scheidensenkung und einem Scheidenvorfall von Relevanz: Die Scheidensenkung meint eine Veränderung der Lokalisation der inneren Organe, während ein Scheidenvorfall explizit den Austritt meint. Die Scheidensenkung kennt insgesamt vier Schweregrade und der Scheidenvorfall stellt den eine Scheidensenkung vierten Grades dar. Bei den anderen drei Graden kommt es nicht zu einem Austritt der Organe.
Eine Beteiligung der Harnblase wird in diesem Zusammenhang als Zystozele, eine Beteiligung der Harnröhre als Urethrozystozele und eine Beteiligung des Darms als Rektozele bezeichnet. Meist ist dies an den Grad des Scheidenvorfalls gebunden. Ist das untere Drittel betroffen, kommt es fast zwingend zu einer Urethrozystozele. Bei zwei Dritteln folgt die Zystozele und wenn die hintere Scheidenwand sich gelöst hat, kann es zu einer Rektozele kommen. Die entsprechenden Organe treten dann in den nicht genutzten Raum ein und verdrängen mitunter die Komponenten der Vagina zusätzlich.
Ursachen
Die Ursachen eines Scheidenvorfalls sind im Halteapparat der Scheide sowie den Belastungen, die eine Frau erlebt, begründet. Der Halteapparat selbst, der größtenteils aus Bändern und Muskeln besteht, wird im Laufe der Jahre beansprucht. Jede Geburt stellt eine besondere Herausforderung dar, insbesondere bei großen Kindern und Mehrlingsgeburten. Entsprechend erholt sich eine Scheide selten komplett von einem Geburtsvorgang, ist aber noch funktional.
Selten ist eine einzige Geburt der Grund für einen Vaginalprolaps. Vielmehr können vaginale Geburten - in Abhängigkeit von der Gesundheit, dem Alter und dem Körperbau der Gebärenden - sehr unterschiedlich ausfallen. Es kommt teils zu Verletzung in der Scheide selbst und am Halteapparat durch Überdehnungen. Die sogenannten Mutterbänder werden bei Geburten besonders beansprucht.
Die Wechseljahre und die Alterung spielen auch eine Rolle. So verliert der Halteapparat aufgrund der Alterung an Elastizität und kann entsprechend Positionsänderungen der inneren Organe begünstigen. Fast jede Frau jenseits der Wechseljahre weist zudem eine leichte Scheidensenkung auf. Dies ist als normal zu erachten.
Der Lebensstil ist stark für die Gesundheit der vaginalen Strukturen verantwortlich zu machen. So wirkt sich Übergewicht durch den andauernd erhöhten Druck etwa kontraproduktiv aus. Gleichsam verhält es sich mit chronischen Verstopfungen und oftmals auftretendem, starken Husten. Das unsachgemäße Heben schwerer Lasten stellt ebenfalls einen Risikofaktor für das Auftreten von Prolapsen aller Art dar.
Auch eine Entfernung der Gebärmutter (Hysterektomie) kann zu einem Scheidenvorfall führen, insofern der entstehende Scheidenblindsack nicht ausreichend befestigt wird. Er kann schwerkraftbedingt seinen Weg nach unten finden und austreten. Es kommt insgesamt häufig vor, dass der Vaginalprolaps erst graduell entsteht und das Austreten der Vagina durch ein einziges Ereignis ausgelöst und somit sichtbar wird.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Anzeichen für einen nahenden Scheidenvorfall sind mitunter schwierig festzustellen, da bis zum eigentlichen Prolaps eine Beschwerdefreiheit die Norm darstellt. Jedoch lassen sich zuweilen durch Blickinspektionen schon Veränderungen der Vagina feststellen.
Der Scheidenvorfall selbst verursacht nur wenige Symptome. Es kann zu einem Fremdkörpergefühl in der Vagina kommen. Die meisten Frauen erleben ein Druck- oder Zuggefühl, welches nach unten hin zu streben scheint. Zudem kommt es zu Rückenschmerzen, die sich im Laufe des Tages verschlimmern können. Starke Schmerzen sind allerdings selten in diesem Zusammenhang. Der Scheidenvorfall ist zudem sichtbar, spätestens nach einer leichten Spreizung der Schamlippen.
Zudem kommt es bei der Beteiligung von Blase und Rektum auch zu entsprechenden Symptomen in diesem Bereich. Eine Urethrozele mit Zystozele kann zu einer Inkontinenz führen, eine weitreichende Zystozele hingegen zu Harnverhalt und eine Rektozele kann das Defäkieren behindern.
Komplikationen
Die Komplikationen im Zusammenhang mit einem Scheidenvorfall ergeben sich vor allem aus den beteiligten Organen. So ist zuweilen nicht mehr die Möglichkeit gegeben, den Scheidenprolaps ohne operative Maßnahmen rückgängig zu machen. Dies birgt die gewöhnlichen Risiken einer Operation. In diesem Zusammenhang wird häufig die Gebärmutter entfernt, was eine Fruchtbarkeit auf natürlichem Wege verhindert.
Gefährlich werden kann allenfalls noch ein möglicherweise auftretender Harnverhalt. Dieser kann nach einer gewissen Zeit die Nieren in Mitleidenschaft ziehen, was im Endeffekt zu einer lebensgefährlichen Sepsis führen kann, wenn die Blase nicht entlastet wird.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Ein Scheidenvorfall wird betroffene Frauen in der Regel schnell zum Arzt bewegen. Die starke Veränderung der Geschlechtsorgane ist spürbar und sichtbar.
Zudem lässt sich ein Scheidenvorfall in der Regel nicht einfach manuell von der Betroffenen selbst korrigieren. Der Gang zum Gynäkologen ist hier angeraten. Sollte ein Harnverhalt aufgetreten sein, sollte zudem eine Notfallstation aufgesucht werden, damit die Blase schnell entlastet werden kann und die Nieren nicht in Mitleidenschaft gezogen werden.
Insgesamt ist jeder Scheidenvorfall begutachtenswert und behandlungsbedürftig. Während es bei einigen Tierarten gelegentlich zu einem solchen Scheidenvorfall kommt und dieser sich auch selbst wieder umkehrt, ist dies beim Menschen in den seltensten Fällen so.
Diagnose
Die Diagnose erfolgt primär durch eine äußere Begutachtung der Vagina. Dabei kann der Arzt recht schnell feststellen, ob es sich um einen ganzen Scheidenvorfall oder um eine hartnäckige Scheidensenkung handelt. Der Scheidenprolaps ist leichter zu erkennen. Steht die Diagnose diesbezüglich fest, wird auch der untere Bauchraum kontrolliert (beispielsweise mittels Ultraschall), um eine mögliche Verlagerung sonstiger Organe zu überprüfen.
Ein Teil der Diagnose besteht zudem in einer Anamnese, in welcher die Patienten und Arzt Momente aufarbeiten, die zum Prolaps geführt haben könnten. Dies ist relevant, um die genaue Ursache des Scheidenvorfalls auszumachen. Daraus ergeben sich spezifische Handlungsanleitungen für die Nachsorge nach der Behandlung.
Behandlung & Therapie
Die Behandlung eines Scheidenvorfalls besteht in einer akuten Behandlung und der Nachsorge. Die akute Behandlung hat es zum Ziel, die Vagina wieder in ihren ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen. Dabei kommen operative und nicht-operative Verfahren in Betracht. Das nicht-operative Verfahren besteht im Wesentlichen im Verwenden von Pessaren. Diese Objekte werden in die Vagina eingeführt und dienen primär der Stützung der Gebärmutter. Sie werden also vor allem dann verwendet, wenn die Gebärmutter durch die Scheide nach außen gelangt ist.
Ein Pessar kann dabei aus verschiedenen Materialien bestehen und sehr unterschiedlich geformt sein. Es ist für einen langfristigen Einsatz gedacht. Ansonsten sind noch operative Verfahren zu nennen, die allesamt als unkompliziert gelten.
Dabei kann eine Straffung der Vagina erfolgen (an der vorderen oder hinteren Wand), wobei oftmals der Gebärmutterhals operativ verändert oder entfernt wird. Dieses Verfahren wird bei einem gewöhnlichen Scheidenvorfall oftmals angewandt. Ist die Gebärmutter ebenfalls ganz oder teilweise beteiligt, ist eine Hysterektomie vorzuziehen.
Sollten aufgrund des Vorfalls Organe in den entstandenen Raum eingedrungen sein, werden diese händisch reponiert. Mitunter ist eine Befestigung der Organe nötig, die oftmals über kleine Schnitte durch die Bauchdecke erfolgt. Die Nachsorge besteht im Wesentlichen aus Beckenbodenmuskulaturtraining und dem Vermeiden bestimmter Tätigkeiten.
Aussicht & Prognose
Die Prognose bei einem Scheidenvorfall gilt als günstig. Operativ lassen sich fast alle Vorfälle dieser Art zufriedenstellend beheben. Zuweilen genügt auch das Einsetzen eines Pessars. Die Frauen, die einen Scheidenvorfall durchlebten, haben keinerlei Einschränkungen bezüglich der Sensationen im Geschlechtsbereich zu befürchten.
Auch auf Geburten und Schwangerschaften haben Scheidenprolapse keinerlei Auswirkungen, insofern die Gebärmutter nicht entfernt wird. Es ist allerdings anzumerken, dass eine Frau auch mehr als einen Scheidenvorfall erleben kann. Dies hängt sehr von der Intaktheit ihres inneren Stützapparates ab.
Vorbeugung
Dem Scheidenvorfall kann indirekt vorgebeugt werden. Die hier aufgeführten Maßnahmen dienen der Gesunderhaltung der Scheide und der sie stützenden Strukturen. Es ist dahingehend sinnvoll, bestimmte Dinge schlichtweg gar nicht oder selten zu tun. So ist es etwa beim Heben schwerer Lasten so, dass nicht aus dem Rücken gehoben werden sollte, sondern aus den Knien heraus. Es ergibt sich bei dieser Hebetechnik ein gerader Rücken, der weniger Druck auf die Vagina bedeutet.
Ausdauersport, wie beispielsweise das Schwimmen oder das Radfahren, helfen insgesamt dabei, die inneren und äußeren Muskeln zu stärken. Beckenbodenmuskulaturtraining ist jedoch die beste vorbeugende Maßnahme. Hier kann gezielt auf das Halteverhalten und das Spannungsgefühl im Scheidenbereich eingewirkt werden. Nicht nur, dass die Achtsamkeit und die Selbstkontrolle hierdurch gesteigert werden: Auch wird der Halteapparat der Vagina hierdurch gestärkt.
Das Beckenbodenmuskulaturtraining stellt eine vorbeugende Maßnahme sowie eine Maßnahme zur Nachsorge dar. Übergewicht sollte zudem reduziert werden. Wer zudem schon einen Scheidenvorfall durchlebt hat, sollte auf ein übermäßiges Trainieren der Bauchmuskeln verzichten. Dies kann unter ungünstigen Umständen den Druck auf die Vagina erhöhen.
Nachsorge
Nach erfolgter Operation ist es für die Patientinnen ratsam, das Heben von schweren Lasten zu vermeiden. Zudem empfiehlt es sich, die Beckenbodenmuskulatur durch ein kontinuierliches Beckenbodentraining nachhaltig zu stärken. Dieses wirkt gezielt auf das Halteverhalten und die Spannung im Bereich der Scheide ein. Das korrekte Erlernen des Beckenbodentrainings sollte im Idealfall unter krankengymnastischer Anleitung erfolgen und täglich eingeübt werden.
Somit stellt es gleichzeitig eine Präventions- sowie eine Nachsorgemaßnahme dar. Unterstützend dazu ist regelmäßiger Sport, zum Beispiel Fahrradfahren oder Schwimmen hilfreich, um die allgemeine körperliche Fitness zu verbessern und einen erneuten Scheidenvorfall zu vermeiden. Auf das übermäßige Trainieren der Bauchmuskeln ist jedoch zu verzichten, da dadurch unter Umständen der Druck auf die Vagina erhöht wird.
Da auch starkes Übergewicht, eine chronische Verstopfung und chronischer Husten Risiken darstellen, sollte diesen Faktoren im Rahmen der Nachsorge entgegengewirkt werden. Ein erfolgreich behandelter Scheidenvorfall bringt in der Regel keine weiteren gesundheitlichen Folgen mit sich. Sofern die Gebärmutter nicht entfernt wurde, hat er auf weitere Schwangerschaften und Geburten keine Auswirkungen.
Auch das Sexualleben ist nach abgeschlossener Heilungsphase im Normalfall nicht eingeschränkt. Jedoch erhöht sich durch mangelnde Nachsorge das Risiko, erneut einen Scheidenvorfall zu erleiden.
Das können Sie selbst tun
Bei einem Scheidenvorfall gibt es kaum Möglichkeiten der Selbsthilfe, die eine Veränderung der optischen Gegebenheiten bewirken können. Die enge Zusammenarbeit mit einem Arzt ist bei dieser Störung daher notwendig.
Zur Bewältigung der Erkrankung können verschiedene Techniken verwendet werden, die eine Verbesserung des allgemeinen Wohlbefindens verschaffen. Ein gezieltes Training der Muskulatur im Beckenbodenbereich kann helfen, um eine Straffung der Muskulatur und dadurch eine Linderung der Beschwerden zu erwirken. Die Bauchdecke verfestigt sich durch bestimmte regelmäßig durchgeführte Trainingseinheiten und verbessert die Gesundheit der Betroffenen. Die Übungen können in eigener Regie oder gemeinsam in einer physiotherapeutischen Behandlung erlernt und durchgeführt werden.
Wird ein operativer Eingriff vorgenommen, sollte eine ausreichende Schonung stattfinden. Zudem ist eine ausgewogene Ernährung für eine optimale Wundheilung zu empfehlen. Sexuelle Praktiken sind auf die Bedürfnisse des Organismus abzustimmen. Ein vollständiger Verzicht auf körperliche Nähe ist jedoch nicht anzuraten, da dieser Studien zufolge grundsätzlich Wohlbefinden und Lebensqualität unterstützt.
Um Komplikationen und Nebenwirkungen zu vermeiden, sollte auf die Einnahme von nicht verschriebenen Medikamente zu Linderung von Schmerzen verzichtet werden. Kognitive Trainings können bei der Bewältigung der Schmerzes ebenso helfen, wie die Nutzung verschiedene Naturheilmittel. Eine ausreichende Wärmezufuhr des Unterleib verschafft vielen Betroffenen eine Reduzierung der aufgetretenen Beschwerden.
Quellen
- Beckermann, M.J.: Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Schwabe, Basel 2004
- Goerke, K., Steller, J., Valet, A.: Klinikleitfaden Gynäkologie. Urban & Fischer, München 2003
- Kaufmann, M., Costa, S.-D., Scharl, A. (Hrsg.): Die Gynäkologie. Springer, Berlin 2013