Senior-Løken-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Das sehr selten auftretende Senior-Løken-Syndrom (SLSN) verkörpert eine von vielen möglichen Formen einer erblichen Ziliopathie. Das autosomal-rezessiv vererbbare Syndrom ist durch die Assoziation einer Nephronophthise, einer Sonderform der interstitiellen Nierenentzündung und einer Netzhautdegeneration (Retina-Dystrophie) gekennzeichnet. Je nach Art der genetischen Defekte treten Symptome der Netzhautdegeneration bereits während oder kurz nach der Geburt auf oder erst später im Kindesalter.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Senior-Løken-Syndrom?

Weil Nieren und Netzhaut gleichermaßen betroffen sind, manifestieren sich Anzeichen und Beschwerden parallel zueinander an beiden Organsystemen, den Nieren und den Augen (Netzhaut).
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Das Senior-Løken-Syndrom (SLSN) stellt eine von etwa 20 bekannten Formen einer Ziliopathie dar. Die Abgrenzung zu anderen Formen von Ziliopathien besteht im gleichzeitigen Auftreten einer Nephronophthise (interstitielle Nierenentzündung) und einer Netzhaut-Dystrophie mit schweren bis schwersten Beeinträchtigungen des Sehvermögens.

Eine exakte Abgrenzung des SLSN zu anderen Ziliopathien ist nicht immer möglich, weil es genetische und phänotypische Überschneidungen mit anderen Ziliopathien gibt. Zilien spielen eine große Rolle bei Bewegungen von Zellen und bei der extrazellulären „Beförderung“ fester und flüssiger Stoffe sowie bei vielen sensorischen Prozessen als Impulsauslöser.

Zilien sind Zytoplasma enthaltende Ausstülpungen der Zellmembrane. Ziliopathien, Funktionsstörungen der Zilien, wirken sich daher nahezu systemisch auf viele Stoffwechselprozesse und auf sensorische Leistungen aus. Die Netzhautdegeneration, die mit dem Senior-Løken-Syndrom assoziiert ist, hat zwei unterschiedliche Verlaufsformen.

Die Lebersche Amaurose stellt dabei die schwerwiegendere Form dar, die sich bereits während und kurz nach der Geburt durch Gesichtsfeldeinschränkungen und abgeschwächte Pupillenreaktionen sowie durch Nystagmen bemerkbar macht.

Ursachen

Das Senior-Løken-Syndrom wird wie auch die Vielzahl anderer Ziliopathien ausschließlich durch oligogene bis polygene Defekte verursacht. Insgesamt stehen Mutanten von sieben verschiedenen Genen auf unterschiedlichen Loci als Auslöser der SLNS im Fokus. Zukünftig könnten sich noch weitere Gene hinzugesellen, weil Forschungen auf diesem Gebiet noch nicht abgeschlossen sind.

Die Gene, die für Proteine der Zilien kodieren, haben wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung und damit auch auf die Funktionsfähigkeit der Photorezeptoren in der Netzhaut und auf die Zellen des Tubulusepithels der Nieren. Da die Krankheit autosomal rezessiv vererbt wird, kann sie nur auftreten, wenn die Gendefekte auf beiden Chromosomen vorhanden sind und aufeinandertreffen.

Bei der Kombination „gesundes“ Gen und mutiertes Gen setzt sich die Kodierung des nicht-mutierten Gens durch, so dass das SLNS nicht in Erscheinung tritt, obwohl die genetische Veranlagung latent vorhanden ist.

Es besteht (noch) kein vollständiges Verständnis über die Zusammenhänge der genetischen Defekte, die zum Ausbruch der Krankheit führen. In der Diskussion stehen auch epistatische Interaktionsketten bestimmter Gene, also Interaktionen bestimmter, nicht-homologer Gene untereinander.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Symptome des SLSN treten meist kurz nach der Geburt oder während der kindlichen Entwicklungsphase auf. Weil Nieren und Netzhaut gleichermaßen betroffen sind, manifestieren sich Anzeichen und Beschwerden parallel zueinander an beiden Organsystemen, den Nieren und den Augen (Netzhaut).

Typischerweise lassen sich bereits kurz nach der Geburt Anzeichen einer Polyurie, einer krankhaft vermehrten Harnausscheidung und der damit verbundenen Polydipsie, einer vermehrten Flüssigkeitsaufnahme, erkennen. Anzeichen einer Netzhautdystrophie zeigen sich meist unmittelbar nach der Geburt in Form von Gesichtsfeldeinschränkungen und schwacher Pupillenreflexe.

In vielen Fällen werden auch Nystagmen beobachtet, kaskadenartige, ruckartige Bewegungen der Augen, die normalerweise durch Impulse der Bogengänge im Innenohr bei Beschleunigungen ausgelöst werden. Die auftretenden Symptome an Nieren und Netzhaut werden durch die fortschreitenden degenerativen Prozesse der funktionalen Zellen des Nierenepithels und der Photorezeptoren in der Netzhaut der Augen verursacht.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Die Beschwerden, die sich im Zusammenhang mit SLSN herausbilden, sind nicht sehr spezifisch und könnten auch auf eine Reihe anderer Erkrankungen hindeuten. Deshalb empfehlen sich zur Abklärung umfassende Untersuchungen wie Nierenfunktionsprüfung, labortechnische Untersuchung des Urins und ein Ultraschall des Oberbauchs.

Falls die Untersuchung im Säuglingsalter stattfindet, empfiehlt sich auch ein Leberfunktionstest, um eine Leberfibrose ausschließen zu können. Hinsichtlich der Augen dienen Untersuchungen des Augenhintergrundes, der Sehschärfe, des Gesichtsfeldes und des Farbsehvermögens der Abgrenzung zu anderen Krankheiten. Ein Elektroretinogramm und die Messung der unwillkürlichen Augenbewegungen vervollständigen die Untersuchungen.

Der Verlauf des SLSN wird hauptsächlich durch den Fortschritt der Degeneration des funktionalen Nierengewebes bestimmt. Während die Abbauprozesse in der Netzhaut letztlich zur Blindheit führen, ist die Prognose des Gesamtkrankheitsverlaufs aufgrund der Abbauprozesse in den Nieren – unbehandelt – sehr ungünstig.

Komplikationen

Aufgrund des Senior-Løken-Syndroms leiden die Betroffenen in erster Linie an starken Sehbeschwerden. Diese treten dabei in der Regel schon direkt nach der Geburt auf, sodass die Betroffenen bereits im Kindesalter an deutlichen Einschränkungen im Alltag und damit auch an der Entwicklung leiden. Im schlimmsten Fall kommt es zu einer vollständigen Erblindung.

In vielen Fällen sind die Patienten damit auf die Hilfe anderer Menschen in ihrem Alltag angewiesen und können vor allem im jungen Alter viele Dinge des Alltages nicht ohne Weiteres ausführen. Dadurch kann es eventuell auch zu psychischen Beschwerden oder zu Depressionen kommen. Weiterhin treten bei diesem Syndrom auch an den Nieren Beschwerden auf, sodass die Patienten eine Niereninsuffizienz erleiden können. Dabei kann es im schlimmsten Fall auch zum Tod des Betroffenen kommen.

Die Patienten sind dann auf die Transplantation einer Niere oder auf eine Dialyse angewiesen. In der Regel führt das Senior-Løken-Syndrom immer zu einem vollständigen Verlust des Sehvermögens, welcher nicht behandelt werden kann. Die Nierenbeschwerden können mit eine gesunden Lebensweise unterstützend eingeschränkt werden. Allerdings ist in den meisten Fällen die Lebenserwartung des Patienten durch das Syndrom deutlich verringert.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Das Senior-Løken-Syndrom muss immer durch einen Arzt behandelt werden. Es kann bei dieser Krankheit in den meisten Fällen nicht zu einer Selbstheilung kommen, sodass der Betroffene immer auf eine medizinische Behandlung angewiesen ist. Da es sich beim Senior-Løken-Syndrom um eine genetische Krankheit handelt, sollte im Falle eines Kinderwunsches auch eine genetische Beratung durchgeführt werden, um das Vererben des Syndroms an die Nachfahren zu verhindern. Ein Arzt ist dann aufzusuchen, wenn der Betroffene unter Beschwerden an den Augen leidet.

Diese Beschwerden treten ohne einen besonderen Grund auf und verschwinden auch nicht wieder von alleine. Weiterhin deuten auch Beschwerden an den Nieren auf das Senior-Løken-Syndrom hin und müssen ebenso durch einen Arzt kontrolliert werden, falls sie zusammen mit den Augenbeschwerden auftreten. Sollte das Senior-Løken-Syndrom nicht behandelt werden, so kann es im schlimmsten Falle zu einer vollständigen Erblindung des Betroffenen kommen. Daher ist eine frühzeitige Erkennung des Syndroms sehr wichtig.

Beim Senior-Løken-Syndrom kann in erster Linie ein Allgemeinarzt aufgesucht werden. Die weitere Behandlung erfolgt dann durch einen Internisten oder durch einen Augenarzt.

Behandlung & Therapie

Bei positiver Diagnose auf SLSN ist es wichtig, dass sich die betroffenen Kinder in regelmäßigem Turnus einer Nierenfunktionsprüfung unterziehen, um das graduelle Fortschreiten der Krankheit erkennen zu können. Da momentan (noch) kein Arzneiwirkstoff bekannt ist, der eine juvenile Nephronophthise heilen könnte, zielen alle Behandlungsmethoden zunächst auf Symptombekämpfung ab und auf Schmerzlinderung.

Wichtig ist eine kontrollierte Zufuhr von Salzen, um den Elektrolythaushalt in einer Balance zu halten, der sich aufgrund des ständigen Flüssigkeitsverlusts verschieben kann. Falls der Krankheitsfortschritt ein kritisches Stadium erreicht hat, kann kurzfristig und wiederkehrend die Dialyse lebensrettend sein. Als Langzeittherapie kommt einzig und allein eine Nierentransplantation in Frage.

Auch zur Behandlung der parallel zu den Nierenproblemen sich entwickelnden Netzhautproblemen ist bisher keine medikamentöse oder sonstige Behandlung bekannt, die die Progression der Netzhautdystrophie verlangsamen oder gar aufhalten könnte. Für das Fortschreiten der Netzhautdystrophie ist daher nur eine schlechte Prognose möglich. Die Krankheit endet letztlich immer mit einem Totalverlust des Sehvermögens, also mit vollständiger Blindheit.


Vorbeugung

Das Senior-Løken-Syndrom ist ausschließlich auf genetische Ursachen zurückzuführen. Irgendwelche Vorsichtsmaßnahmen wie Ernährungsumstellungen oder medikamentöse Vorbeugemaßnahmen wären nicht zielführend. Prinzipiell ist eine pränatale Diagnose möglich, wenn die Gendefekte in der Familie bekannt und entsprechend dokumentiert sind.

Nachsorge

Die Therapie des Senior-Løken-Syndroms geht direkt in die Nachsorgephase über, in der die erkrankten Kinder regelmäßig untersucht werden müssen. Die Einhaltung der Termine für die Nierenfunktionsprüfung obliegt den Eltern. Diese sollten den ärztlichen Empfehlungen genau folgen, um die Symptome und Schmerzen ihrer Kinder zu lindern.

Die Erkrankung ist erblich bedingt, sodass eine Umstellung der Ernährung lediglich das Körpergefühl verbessert, aber keinen direkten Einfluss auf die Symptome hat. Dennoch sollten die Eltern auf eine gute Balance des Elektrolythaushalts achten und zu diesem Zweck die vom Arzt verschriebenen Salze zuführen. So lässt sich der verstärkte Flüssigkeitsverlust ausgleichen.

Abhängig vom Schweregrad der Erkrankung sind regelmäßige Termine für die Dialyse zu vereinbaren. Die erkrankten Kinder fühlen sich oft geschwächt und brauchen eine entsprechend fürsorgliche Unterstützung. Im Rahmen der Familienplanung ist eine genetische Beratung sinnvoll, wenn der Gendefekt bekannt ist. Auch dieser Punkt spielt bei der kombinierten Vorbeugung und Nachsorge eine relevante Rolle.

Die Miteinbeziehung der Familienmitglieder und Freunde hilft den betroffenen Kindern bei alltäglichen Problemen. Gleichzeitig erhöht sich die Sicherheit, wenn das soziale Umfeld über die Erkrankung informiert ist. Im Zusammenhang mit der negativen Auswirkung der Krankheit auf die Augennetzhaut kann eine Psychotherapie sinnvoll sein.

Das können Sie selbst tun

Kinder, die unter dem Senior-Løken-Syndrom leiden, brauchen eine besonders liebevolle Unterstützung im Alltag. Die Eltern sollten vor allem darauf achten, dass die Nieren regelmäßig auf ihre Funktion geprüft werden. Damit lässt sich der Fortschritt der Erkrankung zuverlässig erkennen. Im Rahmen der pränatalen Diagnostik lässt sich bei Bekanntheit des Gendefekts eine entsprechende Prüfung durchführen.

Die Erbkrankheit lässt sich jedoch nicht durch eine gesunde Ernährung oder durch bestimmte Medikamente verhindern oder aufhalten. Im alltäglichen Leben ist es wichtig, dass die Patienten kontrolliert Salze erhalten. Diese sorgen für einen ausbalancierten Haushalt der Elektrolyte und verhindern, dass diese durch den kontinuierlichen Flüssigkeitsverlust ausgeschwemmt werden. Zu einem fortgeschrittenen Zeitpunkt der Krankheit kommt es möglicherweise zu kritischen Situationen. Eine Dialyse ist dann unverzichtbar. Oft gewöhnen sich die Kinder schon in jungen Jahren an die wiederkehrende Dialyse. Dennoch hoffen viele Eltern auf eine Nierentransplantation, um ihren Kindern das Leben leichter zu machen.

Neben den Nierenbeschwerden spielt die negative Entwicklung der Augennetzhaut eine Rolle. Hierfür ist bisher leider keine erfolgreiche medikamentöse Therapie bekannt, sodass die Netzhautdystrophie fortschreitet. Aufgrund der schlechten Prognose der Erkrankung ist für die betroffenen Familien eine psychologische Unterstützung empfehlenswert.

Quellen

  • Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Murken, J., Grimm, T., Holinski-Feder, E., Zerres, K. (Hrsg.): Taschenlehrbuch Humangenetik. Thieme, Stuttgart 2011
  • Witkowski R., Prokop O., Ullrich E.: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. Springer, Berlin 2003

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