Somatoforme autonome Funktionsstörung

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Das Gefühl, krank zu sein, muss nicht immer eine körperliche Ursache haben, auch wenn Beschwerden durchaus diagnostisch festzustellen sind. Es kann sich auch um ein psychosomatisches Leiden handeln, wie das bei der somatoformen autonomen Funktionsstörung der Fall ist.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine somatoforme autonome Funktionsstörung?

Häufig ist das Verdauungssystem betroffen. Typische Symptome sind Magenschmerzen, Völlegefühl, Schluckauf, Übelkeit sowie Verdauungsbeschwerden wie Blähungen, Durchfall oder Verstopfung.
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Als somatoforme autonome Funktionsstörung wird ein seelisches Krankheitsbild bezeichnet, das sich in körperlichen Beschwerden äußert, für die keine organischen Ursachen gefunden werden können. Eine Veranlagung kann eine Rolle spielen, aber auch belastende Erlebnisse. Häufig ist sie eine Begleiterscheinung von Angststörungen oder Depressionen.

Zu den wichtigsten Beschwerden gehören Beschwerden, die organische Ursachen vermuten lassen wie Magen-, Herz-, Kreislauf- und Atembeschwerden.

Ursachen

Zum einen kommt eine erblich bedingte Veranlagung in Frage, sichtbar an familiären Häufungen.

Zum anderen können biologische Gegebenheiten dazu führen, dass die Störung auftritt, z. B. veränderte Atemmuster, eine andere Körperwahrnehmung z. B. nach Unfällen, Krankheiten und ein Nachlassen der körperlichen Anpassungsfähigkeit an Umweltbedingungen.

Belastende Erlebnisse aus der Kindheit und Jugend wie Gewalt- oder Missbrauchserfahrungen können es ebenso sein wie das Miterleben von chronischen Krankheiten in der Familie, Erlebnisse von Tod, Unfall eines nahestehenden Menschen.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die somatoforme autonome Funktionsstörung kann alle Organe betreffen, die vom vegetativen Nervensystem gesteuert und kontrolliert werden. Häufig ist das Verdauungssystem betroffen. Typische Symptome sind Magenschmerzen, Völlegefühl, Schluckauf, Übelkeit sowie Verdauungsbeschwerden wie Blähungen, Durchfall oder Verstopfung.

Im Bereich des Herz-Kreislauf-Systems treten oftmals Brustschmerzen, ein Engegefühl im Brustkorb, Herzstechen und Herzstolpern auf, die Atmung kann durch subjektive Luftnot behindert sein. Durch verstärktes Einatmen (Hyperventilation) kann es zu Benommenheit, Kribbeln in den Händen und Muskelzittern kommen. Im Urogenitalbereich macht sich die somatoforme autonome Funktionsstörung durch häufigen Harndrang und Schmerzen beim Wasserlassen bemerkbar.

Charakteristisch ist, dass für alle diese Beschwerden auch nach gründlicher Untersuchung keine organische Ursache gefunden werden kann. Eine allgemeine vegetative Übererregung äußert sich durch unspezifische Symptome wie Mundtrockenheit, Schweißausbrüche und Hitzewallungen, Betroffene haben das Gefühl, ständig innerlich angespannt zu sein und ermüden schon bei leichter Belastung rasch.

Typisch ist auch eine übersteigerte Körperwahrnehmung und die Überbewertung harmloser Befindlichkeitsstörungen: Schon geringste Abweichungen von der Norm werden als bedrohlich eingestuft und lösen starke Ängste aus, die wiederum körperliche Symptome wie Herzrasen oder Atemnot hervorrufen können. Obwohl den Patienten vom Arzt körperliche Gesundheit bestätigt wird, beeinträchtigen die Beschwerden in vielen Fällen ihren Alltag stark und können die Lebensqualität deutlich herabsetzen.

Diagnose & Verlauf

Typische Symptome sind Beschwerden des vegetativen Nervensystems wie z. B. Herz-, Magen-, Kreislauf-, Atem- oder Beschwerden im Blasen-/Nierenbereich.

Zwei Symptomgruppen werden unterschieden:

  • objektiv feststellbare Veränderungen, z. B. Herzrasen, Hyperventilieren
  • subjektiv empfundene Beschwerden wie fließende Schmerzen, ein Gefühl des Aufgeblähtseins o. ä.

Typisch für die Beschwerden ist, dass Betroffene kleineren körperlichen Missempfindungen eine erhöhte Aufmerksamkeit schenken und diese als problematisch einstufen, z. B. Herzrasen als Vorbote eines Herzinfarktes.

Diese Ängste lösen Angstreaktionen aus, die wiederum als neue Beschwerden wahrgenommen werden. Es entwickelt sich ein Teufelskreis, in dem die Betroffenen zur ständigen Selbstbeobachtung neigen und bei kleinsten Anzeichen Panik entwickeln, ernsthaft krank zu sein, ohne dass eine Ursache gefunden werden kann.

Der erste Schritt zur Diagnose besteht in einer körperlichen Untersuchung, um organische Ursachen auszuschließen. Kann eine organische Ursache ausgeschlossen werden und der Arzt hat den Verdacht einer somatoformen autonomen Funktionsstörung, folgt eine psychologische Anamnese, für die es zahlreiche Tests gibt.

Für die Diagnose sind 3 Diagnose-Kriterien Voraussetzung:

1. Vorhandene Beschwerden lassen sich Organen zuordnen und werden von Betroffenen als Krankheitszeichen wahrgenommen.

2. Mindestens 2 der folgenden vegetativen Symptome müssen vorhanden sein:

3. Mindestens eines der folgenden Begleitsymptome ist vorhanden:

  • Schmerzen oder Druckgefühl in der Brust
  • Atemnot / Hyperventilation
  • rasche Ermüdung bei Anstregung
  • Schlucken von Luft, Schluckauf, Brennen im Oberbauch
  • häufiger Harn- oder Stuhldrang auch bei geringen Mengen, Entleerungsstörungen, Gefühl des Aufgeblähtseins

Selbst wenn keine körperlichen Ursachen gefunden werden, können Menschen, die an diagnostizierten somatoformen autonomen Funktionsstörungen leiden, oft nur sehr schwer annehmen, dass sie nicht organisch krank sind.

Komplikationen

Bei der somatoformen autonomen Funktionsstörung besteht eine große Herausforderung für den Arzt und für den Patienten darin, zwischen psychosomatischen und körperlichen Ursachen der Beschwerden zu unterscheiden. Nicht nur bei der Erstdiagnose ergeben sich dabei Schwierigkeiten. Verschiedene Komplikationen sind möglich, wenn eine zusätzliche körperliche Erkrankung nicht rechtzeitig erkannt wird.

Darüber hinaus ist es denkbar, dass eine tatsächliche Verschlechterung einer vorhandenen körperlichen Funktionsstörung fälschlicherweise als psychosomatisch interpretiert wird. Einige Menschen, die unter einer somatoformen autonomen Funktionsstörung leiden, verspüren Beschwerden, die auf ein bestimmtes Organ bezogen sind. Ein Beispiel dafür ist die Herzneurose.

Ein Patient mit einer Herzneurose kann nicht nur tatsächliche Herzprobleme entwickeln, sondern auch an einem anderen Organleiden erkranken. Umgekehrt kann eine Person, die an körperlichen Herzbeschwerden leidet, zusätzlich mit einer somatoformen autonomen Funktionsstörung kämpfen, die sich auf das Herz oder auf andere vegetative Funktionen bezieht.

Um körperliche Komplikationen auszuschließen, sind deshalb gründliche Untersuchungen erforderlich. Für die Behandlung der somatoformen autonomen Funktionsstörung bedeutet dies jedoch eine Zwickmühle: Die medizinischen Untersuchungen können (und müssen) körperliche Ursachen für die Beschwerden ausschließen – doch gleichzeitig können diese Untersuchungen das psychische Krankheitsempfinden verstärken.

Darüber hinaus ist es möglich, dass medizinische Untersuchungen und Behandlungen direkten Schaden hervorrufen oder der körperlich gesunde Patient sich über andere Patienten mit einem Krankheitserreger infiziert. Mögliche Komplikationen der somatoformen autonomen Funktionsstörung umfassen außerdem psychische Beschwerden wie Depressionen und Ängste.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Bei dieser Krankheit ist der Patient in der Regel immer auf eine direkte Behandlung durch einen Arzt angewiesen. Dabei kann es nicht zu einer Selbstheilung kommen, da es sich um eine schwerwiegende psychische Beschwerde handelt, die nur mit Hilfe eines Psychologen geheilt werden kann. Sollte die Störung nicht behandelt werden, so kann es zu schwerwiegenden Komplikationen kommen.

Ein Arzt sollte bei dieser Krankheit dann aufgesucht werden, wenn der Patient an starken Beschwerden im Magen leidet. Es kommt zu starken Schmerzen, zu einer Übelkeit und weiterhin auch zu Blähungen oder sogar Durchfall. Halten diese Symptome über einen längeren Zeitraum auf und verschwinden nicht wieder von alleine, so muss auf jeden Fall ein Arzt aufgesucht werden. Weiterhin können auch Schmerzen beim Wasserlassen oder eine starke Atemnot auf diese Störung hindeuten.

Bei dieser Störung kann ein Allgemeinarzt aufgesucht werden. Die weitere Behandlung wird dann von einem Facharzt durchgeführt und richtet sich nach der genauen Ausprägung der Beschwerden. Ob es durch die Krankheit zu einer verringerten Lebenserwartung kommt, kann nicht im Allgemeinen vorausgesagt werden.

Behandlung & Therapie

Um zu verhindern, dass die Störung über einen längeren Zeitraum fortbesteht, ist eine frühzeitige Therapie ratsam. Die Betroffenen müssen dabei den Zusammenhang zwischen körperlichen Beschwerden und psychischen Vorgängen zu erkennen. Für die Behandlung bewährt haben sich Entspannungsverfahren wie Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung und Biofeedback. Hier kommt es aber darauf an, das individuell richtige Verfahren zu wählen. Nicht für jeden ist jedes Verfahren geeignet.

Auch das Operante Verhaltenstraining kann Anwendung finden, besonders, bei Menschen, die ein ausgeprägtes Schonverhalten entwickelt haben. Mit Selbstsicherheitstraining und systematischen Verhaltensübungen soll ermöglicht werden, wieder normal am Tagesgeschehen teilnehmen zu können. Auch kognitive Behandlungsansätze finden Anwendung.


Vorbeugung

Eine Vorbeugung gegen somatoforme autonome Funktionsstörungen gibt es nicht. Wenn Symptome auftauchen, ist es wichtig, sich frühzeitig drüber zu informieren und verstehen zu lernen, dass psychische Ursachen zugrunde liegen können. Je früher die Behandlung einsetzt, desto weniger beeinträchtigt die Störung das Leben.

Nachsorge

Eine somatoforme autonome Funktionsstörung ist eine Krankheit, bei der kein primärer physischer Auslöser vorliegt. Die Ursache ist psychisch-neurologisch bedingt, durch innere Unruhe werden körperliche Symptome hervorgerufen. Sie reichen von allgemeinem Unwohlsein über Herzbeschwerden bis hin zu Atemnot.

Da kein tatsächlicher organischer Anhaltspunkt vorliegt, sind die Beschwerden subjektiver Natur. Der Betroffene nimmt sie dennoch als belastend wahr. Eine Nachsorge ist ratsam, um einem Wiederkehren der somatoformen Funktionsstörung entgegenzuwirken. Nachdem bei einer Untersuchung körperliche Ursachen ausgeschlossen werden konnten, verschreibt der Hausarzt dem Patienten Medikamente gegen die Symptome.

Die somatoforme Funktionsstörung ist ein Ausdruck für seelische Beschwerden. Aus diesem Grund verläuft die nachsorgende Therapie im psychotherapeutischen Rahmen. Sie setzt an, wenn der psychische Grund für die physischen Erscheinungen ermittelt werden konnte. Ziel ist ein beschwerdefreies Leben des Betroffenen sowie die nachhaltige Konfliktbewältigung. Die Nachsorge hängt von der seelischen Ursache ab.

Wurde die somatoforme Funktionsstörung durch Unzufriedenheit auf dem Arbeitsplatz ausgelöst, begleitet der Psychotherapeut den Patienten bei seiner beruflichen Neuorientierung. Das Erhalten und Wiederherstellen der Lebensqualität hat bei der Nachsorge Priorität. Mit einer wachsenden Zufriedenheit verringern sich die somatoformen Beschwerden und heilen langfristig aus. Die Nachsorge dauert bis zu diesem Zeitpunkt an, zur Prävention kann sie darüber hinaus bestehen bleiben.

Das können Sie selbst tun

Die Ursache für Beschwerden und gesundheitliche Beeinträchtigungen sind nicht immer auf der körperlichen Ebene zu finden. Sind bereits mehrere Ärzte konsultiert worden und deuten alle durchgeführten medizinischen Tests auf keinerlei Störungen des Organismus hin, sollte sich der Betroffene seine emotionalen Zustände anschauen. Unerfüllte Wünsche, Stress sowie Schicksalsschläge können derart belastend sein, dass sie zu Funktionsstörungen im Körper führen.

Bei kreisenden Gedanken, einem starken Grübeln, dem Verlust der Lebensfreude sowie einer Unzufriedenheit mit sich selbst und dem Leben gegenüber ist eine Reflexion des Innenlebens anzuraten. Im Rahmen einer Selbsthilfe kann jeder Betroffene in einer stillen Stunde über sein Leben und den eingeschlagenen Weg in Ruhe nachdenken. Zeigen sich Diskrepanzen, ist eine Aufarbeitung anzuraten. Wut und Ungerechtigkeit gegenüber einem Mediziner sind in diesem Prozess wenig hilfreich. Bei Zuständen von Angst, starker Unsicherheit oder einer geringen Lebenslust ist es hingegen zu empfehlen, mit einem Therapeuten zusammenzuarbeiten. Dieser nimmt eine neutrale Position ein und kann Gedankenanstöße bringen.

Letztlich sollte der Betroffene jedoch selbst für eine gute Psychohygiene sorgen und durch Entspannungstechniken oder anderen erholsamen Therapien eine Linderung der Beschwerden einleiten. Ein ausgewogener Lebenswandel, eine gesunde Ernährung und die Vermeidung von Alkohol sowie Nikotin sind ebenfalls hilfreich bei der Förderung der eigenen Gesundheit.

Quellen

  • Lieb, K., Frauenknecht, S., Brunnhuber, S.: Intensivkurs Psychiatrie und Psychotherapie. Urban & Fischer, München 2015
  • Morschitzky, H.: Somatoforme Störungen – Diagnostik, Konzepte und Therapie bei Körpersymptomen ohne Organbefund. Springer, Wien 2007
  • Möller. H.-J., Laux, G., Deister, A., Braun-Scharm, H., Schulte-Körne, G.: Duale Reihe Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. Thieme, Stuttgart 2013

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