Stammzelltherapie

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 18. Juni 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Stammzelltherapie wird in der Medizin seit einigen Jahren vermehrt angewendet und wird auch innerhalb der Forschung immer wichtiger. Sie dient in erster Linie der Behandlung bestimmter Krankheiten, wie zum Beispiel Krebs. Somit spielt die Stammzelltherapie in der Medizin eine immer größere Rolle.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Stammzelltherapie?

Bei der Stammzelltherapie werden Stammzellen eingesetzt. Sie findet schon seit vielen Jahren bei der Behandlung verschiedener Krebserkrankungen, wie zum Beispiel bei Leukämien, Anwendung. Klicken, um zu vergrößern.

Von Stammzelltherapie spricht man, wenn Stammzellen bei der Behandlung bestimmter Erkrankungen eingesetzt werden. Diese Stammzellen sind Zellen, die noch nicht auf bestimmte Aufgaben und Funktionen im Körper spezialisiert sind.

Aus ihnen können sich verschiedene Zelltypen entwickeln. Diese Eigenschaft der Stammzellen nutzt man in der Stammzelltherapie ganz bewusst aus. Dabei werden Stammzellen aus dem Gewebe entnommen, um sie durch die Zugabe bestimmter Stoffe so umzuwandeln und zu reproduzieren, dass sie anschließend die gewünschte Funktion im Körper übernehmen können.

Zurzeit wird die Stammzelltherapie noch weiter erforscht. Bei einigen Krankheiten ist die Stammzelltherapie bereits etabliert. Jedoch sehen die Forscher noch ein großes Potential bei der Stammzellenforschung, das mit Hilfe der Biomedizin noch weiter entwickelt werden soll.

Geschichte & Entwicklung

Die Entdeckung und Entwicklung der Stammzelltherapie hat eine lange und faszinierende Geschichte. Bereits in den 1960er Jahren legten die kanadischen Wissenschaftler Ernest McCulloch und James Till den Grundstein für die moderne Stammzellforschung, als sie die Existenz von Stammzellen im Knochenmark nachwiesen. Diese bahnbrechende Entdeckung zeigte, dass Stammzellen in der Lage sind, sich selbst zu erneuern und zu differenzieren, was neue Möglichkeiten für die Medizin eröffnete.

In den 1970er Jahren wurden die ersten erfolgreichen Knochenmarktransplantationen durchgeführt, um Patienten mit Blutkrebs zu behandeln. Diese Transplantationen nutzten hämatopoetische Stammzellen aus dem Knochenmark, um das Blut- und Immunsystem der Patienten wiederherzustellen. Dies war ein bedeutender Fortschritt und etablierte die Grundlage für die klinische Anwendung von Stammzellen.

Die 1980er und 1990er Jahre brachten weitere Durchbrüche, insbesondere die Entdeckung embryonaler Stammzellen bei Mäusen und später bei Menschen. Diese Zellen besitzen die Fähigkeit, sich in nahezu alle Zelltypen des Körpers zu entwickeln, was großes Potenzial für regenerative Medizin und Gewebereparatur versprach.

Im Jahr 1998 isolierte der Wissenschaftler James Thomson erstmals menschliche embryonale Stammzellen, was die Forschung erheblich vorantrieb. Diese Entdeckung führte jedoch auch zu ethischen Kontroversen, da die Gewinnung embryonaler Stammzellen die Zerstörung von Embryonen erforderte.

Im Jahr 2006 gelang dem japanischen Forscher Shinya Yamanaka ein weiterer Meilenstein, als er induzierte pluripotente Stammzellen (iPS-Zellen) entwickelte. Diese Zellen können aus erwachsenen Körperzellen reprogrammiert werden und bieten ähnliche Eigenschaften wie embryonale Stammzellen, ohne die ethischen Probleme.

Seitdem hat sich die Stammzelltherapie weiterentwickelt, mit klinischen Anwendungen in Bereichen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, neurologischen Störungen und orthopädischen Verletzungen. Forschung und klinische Studien setzen sich fort, um das Potenzial von Stammzellen zur Behandlung einer Vielzahl von Krankheiten voll auszuschöpfen.

Einsatz & Indikation

Eine Stammzelltherapie wird durchgeführt, wenn herkömmliche Behandlungsmethoden nicht ausreichen oder wenn spezifische Erkrankungen und Zustände vorliegen, die von der regenerativen Kapazität der Stammzellen profitieren können. Stammzelltherapien sind insbesondere bei folgenden Situationen notwendig:

Blut- und Knochenmarkserkrankungen: Stammzelltransplantationen sind eine bewährte Behandlung für Leukämie, Lymphome und andere Blutkrebsarten. Sie werden auch bei aplastischer Anämie und bestimmten genetischen Blutkrankheiten wie Sichelzellenanämie und Thalassämie eingesetzt. Durch die Transplantation von hämatopoetischen Stammzellen kann das blutbildende System des Patienten wiederhergestellt werden.

Immunerkrankungen: Bei schweren Autoimmunerkrankungen wie Multipler Sklerose oder systemischem Lupus erythematodes kann eine Stammzelltherapie das Immunsystem „zurücksetzen“ und so die Erkrankung kontrollieren.

Gelenk- und Knochenprobleme: Stammzelltherapien werden zunehmend bei orthopädischen Problemen wie Osteoarthritis, Meniskusschäden und Knochenbrüchen erforscht. Stammzellen können die Heilung fördern und das beschädigte Gewebe regenerieren.

Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Nach einem Herzinfarkt oder bei chronischer Herzinsuffizienz können Stammzellen dazu beitragen, geschädigtes Herzgewebe zu reparieren und die Herzfunktion zu verbessern.

Neurologische Erkrankungen: Stammzelltherapien werden auch bei neurologischen Erkrankungen wie Parkinson, Amyotropher Lateralsklerose (ALS) und Rückenmarksverletzungen erforscht. Sie bieten das Potenzial, Nervenzellen zu regenerieren und Funktionen wiederherzustellen.

Augenerkrankungen: Bei bestimmten Augenerkrankungen wie Makuladegeneration oder Hornhautschäden können Stammzellen zur Regeneration des Augengewebes eingesetzt werden.

Stammzelltherapien werden in der Regel dann notwendig, wenn die Erkrankung schwerwiegend ist, andere Behandlungsoptionen ausgeschöpft sind oder wenn eine Regeneration und Reparatur des Gewebes notwendig ist, die durch konventionelle Therapien nicht erreicht werden kann.

Vorteile & Nutzen

Eine Stammzelltherapie bietet mehrere Vorteile gegenüber traditionellen Behandlungs- und Untersuchungsmethoden. Einer der größten Vorteile ist das Potenzial zur Regeneration und Reparatur geschädigter Gewebe und Organe. Im Gegensatz zu herkömmlichen Behandlungen, die oft nur Symptome lindern oder das Fortschreiten einer Krankheit verlangsamen, können Stammzellen aktiv zur Heilung beitragen, indem sie neue, gesunde Zellen bilden.

Ein weiterer Vorteil ist die Vielseitigkeit der Stammzellen. Sie können sich in verschiedene Zelltypen differenzieren, was sie für eine Vielzahl von Erkrankungen einsetzbar macht, von Blut- und Knochenmarkserkrankungen bis hin zu neurologischen, kardiovaskulären und orthopädischen Problemen. Diese Vielseitigkeit eröffnet neue Möglichkeiten für personalisierte Medizin, bei der Behandlungen auf die spezifischen Bedürfnisse des einzelnen Patienten zugeschnitten werden können.

Stammzelltherapien können auch weniger invasiv sein als traditionelle chirurgische Eingriffe. Beispielsweise können sie bei Gelenkproblemen verwendet werden, um den Bedarf an Gelenkersatzoperationen zu reduzieren oder zu verzögern. Dies bedeutet kürzere Erholungszeiten und geringere Risiken für die Patienten.

Ein weiterer bedeutender Vorteil ist die Möglichkeit der Autotransplantation, bei der die eigenen Stammzellen des Patienten verwendet werden. Dies minimiert das Risiko von Abstoßungsreaktionen und die Notwendigkeit lebenslanger Immunsuppressiva, wie sie bei Organtransplantationen erforderlich sind.

Schließlich bietet die Stammzellforschung das Potenzial für innovative Therapieansätze, die bisher unheilbare Krankheiten behandeln könnten. Durch die Erforschung und Anwendung von Stammzelltherapien könnten in Zukunft zahlreiche chronische und degenerative Erkrankungen effektiver behandelt oder sogar geheilt werden.

Funktion, Wirkung, Anwendung & Ziele

Die Stammzelltherapie könnte sich bald auf immer mehr Anwendungsgebiete ausweiten, da die medizinische Forschung auf diesem Gebiet zurzeit sehr aktiv ist. Bei den Stammzellen unterscheidet man zunächst die embryonalen von den adulten Stammzellen.

Die embryonalen Stammzellen können sich zu allen Zelltypen weiterentwickeln, die adulten Stammzellen lassen sich nur noch eingeschränkt differenzieren und teilen sich auch nicht so schnell wie die embryonalen Stammzellen. Die embryonalen Stammzellen bieten somit zwar mehr Möglichkeiten für die Stammzelltherapie. Die höhere Teilungsrate erhöht allerdings auch das Risiko unerwünschter Wirkungen, wie etwa die Entwicklung tumoröser Zellen.

Innerhalb der Gesellschaft ist die Forschung an embryonalen Stammzellen bzw. die Stammzelltherapie außerdem nicht ganz unumstritten. In Deutschland lehnt es die Mehrheit der Gesellschaft ethisch ab, dass zur Gewinnung embryonaler Stammzellen menschliche Embryonen zerstört werden müssen. Daher gibt es durch den Gesetzgeber strenge Auflagen bei der Stammzelltherapie. Zurzeit wird auf dem Gebiet der embryonalen Stammzellen nur geforscht, die Stammzelltherapie findet überwiegend mit adulten Stammzellen statt.

Die Stammzelltherapie findet unter anderem in der Krebstherapie Anwendung. Hier wurde sie in den vergangenen Jahrzehnten vor allem bei der Therapie der Leukämie und von Lymphomen erfolgreich eingesetzt. Die Stammzelltherapie erfolgt hier durch eine Stammzelltransplantation aus dem Knochenmark. Dazu werden Stammzellen aus dem Knochenmark eines Spenders gewonnen und dem Erkrankten zugeführt. Zuvor wurden die Tumorzellen durch Bestrahlung oder Chemotherapie bereits weitestgehend zerstört.

Die injizierten Stammzellen haben eine blutbildende Funktion und stellen neue weiße und rote Blutkörperchen her. Dadurch werden die noch vorhandenen erkrankten Zellen durch gesunde ersetzt und eine Heilung der Leukämie möglich. Weitere Einsatzmöglichkeiten der Stammzelltherapie soll es bei der Parkinsonschen Krankheit sowie Wirbelsäulenverletzungen geben.

Vor allem bei Lähmungen konnte die Stammzelltherapie in einigen Studien bereits erfolgreich eingesetzt werden. Auch bei Herzinfarkten und Multiple Sklerose soll die Stammzelltherapie zum Einsatz kommen, um die Regeneration durch eine Erneuerung der Zellen zu unterstützen. In diesem Bereich wird noch weiter geforscht, die Medizin erhofft sich von der Stammzelltherapie hier jedoch neue Behandlungsansätze.

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Durchführung & Ablauf

Eine Stammzelltherapie umfasst mehrere Schritte, die sorgfältig geplant und durchgeführt werden müssen. Der genaue Ablauf hängt von der Art der Erkrankung und der Art der verwendeten Stammzellen ab.

Der erste Schritt ist die Gewinnung von Stammzellen. Stammzellen können aus verschiedenen Quellen stammen, wie Knochenmark, peripherem Blut oder Nabelschnurblut. Bei einer Knochenmarkentnahme wird unter Vollnarkose eine Nadel in den Beckenknochen eingeführt, um Stammzellen zu entnehmen. Bei der peripheren Blutentnahme wird der Patient zuvor mit Medikamenten behandelt, die die Freisetzung von Stammzellen aus dem Knochenmark ins Blut fördern. Diese Stammzellen werden dann durch eine Apherese, ein spezielles Verfahren zur Bluttrennung, gesammelt.

Nach der Gewinnung werden die Stammzellen gereinigt und aufbereitet. In einigen Fällen werden sie im Labor vermehrt oder modifiziert, um die Therapie effektiver zu machen. Währenddessen wird der Patient auf die Transplantation vorbereitet. Dies kann eine Chemotherapie oder Strahlentherapie beinhalten, um das bestehende Knochenmark zu zerstören und Platz für die neuen Stammzellen zu schaffen.

Die eigentliche Transplantation erfolgt in der Regel durch eine Infusion, ähnlich einer Bluttransfusion. Die aufbereiteten Stammzellen werden intravenös verabreicht und finden ihren Weg ins Knochenmark, wo sie beginnen, neue, gesunde Blutzellen zu produzieren.

Nach der Transplantation folgt eine Überwachungsphase, in der der Patient engmaschig auf Komplikationen überwacht wird. Dazu gehören mögliche Abstoßungsreaktionen, Infektionen und andere Nebenwirkungen. Der Patient erhält oft Medikamente, um das Immunsystem zu unterdrücken und die neuen Stammzellen zu unterstützen.

Im Verlauf der nächsten Wochen und Monate wird die Integration der Stammzellen und die Wiederherstellung des Blutsystems kontinuierlich überwacht, um sicherzustellen, dass die Therapie erfolgreich ist und keine langfristigen Komplikationen auftreten.

Risiken, Nebenwirkungen & Gefahren

Wie bei den meisten Therapien und Medikamenten gibt es auch bei der Stammzelltherapie Risiken und Nebenwirkungen. Da die Stammzelltherapie ein relativ neues Verfahren ist und sich noch in der Erforschung befindet, gibt es noch nicht zu allen Behandlungsformen Langzeitstudien.

Zwar wurden in den vergangenen Jahren eine große Anzahl Studien und Versuche zur Stammzelltherapie durchgeführt, die sich als durchaus vielversprechend erwiesen haben. Trotzdem sollte bei neuen Behandlungswegen innerhalb der Stammzelltherapie immer zusammen mit dem behandelnden Arzt Nutzen und Risiko gegeneinander abgewogen werden, um mögliche Nebenwirkungen bei der Stammzelltherapie zu vermeiden.

Vor allem von einer Stammzelltherapie, die in Staaten mit weniger strengen Auflagen für experimentelle Medizin durchgeführt wird und eine schnelle Heilung schwerer Erkrankungen verspricht, ist dringend abzuraten. Das Risiko für schwere Nebenwirkungen und Langzeitfolgen einer solchen Stammzelltherapie ist hier deutlich erhöht.

Alternativen

Es gibt mehrere alternative Verfahren zur Stammzelltherapie, die in Betracht gezogen werden können, wenn eine Stammzelltherapie nicht möglich ist oder nicht geeignet erscheint. Hier sind einige der wichtigsten Alternativen:

Medikamentöse Therapie: Für viele Erkrankungen gibt es wirksame medikamentöse Behandlungen. Zum Beispiel können Chemotherapie und zielgerichtete Therapien bei Krebs eingesetzt werden, um Tumorzellen zu bekämpfen. Immunsuppressiva und biologische Medikamente werden häufig bei Autoimmunerkrankungen verwendet.

Organ- und Gewebetransplantationen: Bei schwerwiegenden Organversagen können Organtransplantationen, wie Herz-, Leber- oder Nierentransplantationen, lebensrettend sein. Gewebetransplantationen, wie Haut- oder Knorpeltransplantationen, werden zur Reparatur von beschädigtem Gewebe verwendet.

Gen-Therapie: Diese innovative Methode zielt darauf ab, genetische Defekte zu korrigieren oder fehlende Gene zu ersetzen. Gen-Therapie wird zunehmend bei genetischen Erkrankungen und bestimmten Krebsarten erforscht und angewendet.

Immuntherapie: Insbesondere bei Krebs wird die Immuntherapie eingesetzt, um das Immunsystem des Patienten zu stärken und gezielt gegen Tumorzellen vorzugehen. CAR-T-Zelltherapie ist ein prominentes Beispiel, bei dem T-Zellen des Patienten genetisch modifiziert werden, um Krebszellen anzugreifen.

Regenerative Medizin mit Wachstumsfaktoren: Diese Therapieform nutzt Wachstumsfaktoren und Proteine, um die Regeneration und Heilung von Gewebe zu fördern. Platelet-Rich Plasma (PRP) ist eine Technik, bei der konzentrierte Blutplättchen des Patienten verwendet werden, um Heilungsprozesse zu stimulieren.

Physikalische Therapie und Rehabilitation: Bei muskuloskelettalen Erkrankungen oder Verletzungen kann eine Kombination aus physikalischer Therapie, Rehabilitation und orthopädischen Eingriffen eine effektive Behandlung darstellen. Diese Ansätze helfen, die Mobilität wiederherzustellen und Schmerzen zu lindern.

Hormonersatztherapie: Bei bestimmten endokrinen Erkrankungen kann die Hormonersatztherapie helfen, das Gleichgewicht der Hormone im Körper wiederherzustellen. Dies ist beispielsweise bei Schilddrüsenunterfunktion oder Nebenniereninsuffizienz der Fall.

Diese Alternativen bieten vielfältige Möglichkeiten zur Behandlung verschiedener Erkrankungen und können je nach spezifischer Situation des Patienten angepasst werden.

Quellen

  • Ganten, D., Ruckpaul, K. (Hrsg.): Grundlagen der Molekularen Medizin. Springer, Berlin 2008
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch. 265. Auflage, de Gruyter, Berlin 2014

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