Pneumokokken
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 21. September 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Unter den Mikroorganismen, den Bakterien, nehmen die Pneumokokken eine gesonderte Position ein. Pneumokokken sind auf natürliche Art und Weise im menschlichen Organismus vorhanden. Unter verschiedenen Umständen lösen Pneumokokken Erkrankungen aus.
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Was sind Pneumokokken?
Die Bezeichnung Pneumokokken wird aufgrund deren morphologischen Gestalt gewählt. Alle Bakterien, die unter dem Mikroskop eine semmelartige Kugelform besitzen, gehören zu den sogenannten Kokken. Der Zusatz Pneumokokken ist darüber hinaus zutreffend, weil diese Bakterien sich hauptsächlich in der Lunge ansiedeln. In medizinischen Fachkreisen wird häufig die Bezeichnung Streptococcus pneumoniae benutzt.
Innerhalb der Pneumokokken sind über 80 unterschiedliche Arten bekannt, welche eine krankheitserregende Bedeutung besitzen. Ein markantes Abgrenzungsmerkmal der einzelnen Typen ist durch den Vergleich der kapselartigen Umhüllung der Bakterien unter dem Mikroskop möglich. Die Pneumokokken durch verschiedene Übertragungswege in den menschlichen Organismus eindringen.
Bedeutung & Funktion
Grundsätzlich sind Pneumokokken wie eine Vielzahl anderer Bakterienarten permanent in einigen Organsystemen des menschlichen Körpers "beheimatet". Bei einem gesunden Menschen sind diese in einer begrenzten Anzahl in der Schleimhäuten des Nasen-Rachen-Raumes und der sich anschließenden Atemwege angesiedelt.
Kommt es durch eine gesundheitliche Beeinträchtigung oder durch eine Schwächung des Immunsystems jedoch zu einer Vermehrung der Pneumokokken, entstehen ernsthafte Erkrankungen, welche durchaus ein lebensbedrohliches Ausmaß annehmen können. Die Pneumokokken sind die Auslöser für die bekannte Lungenentzündung, welche insbesondere für Kleinkinder und geschwächte ältere Menschen ein besonders hohes gesundheitliches Risiko darstellt.
Pneumokokken als Unterart der Streptokokken gilt zudem als krankheitserregender Keim für die Meningitis, die Hirnhautentzündung, und die Otitis media, die Innenohrentzündung. Zu den weiteren Erkrankungen, welche durch Pneumokokken begründet werden können, gehören Schädigungen der Herzinnenhaut, die Entzündungen des Bauchfells sowie der Gelenke. In diesem Zusammenhang wird angenommen, dass Pneumokokken auch bei einer Arthritis bedeutsam sind.
Typisch für die Infektion mit Pneumokokken ist das Auftreten von Eiter. Die Pneumokokken sind bei einem gesunden Menschen nicht gefährlich, sodass diese nicht unweigerlich nicht zu einer Erkrankung führen. Daher gelten die Pneumokokken nicht direkt als krankheitsauslösend, weil das intakte Immunsystem deren ungehinderte Vermehrung unterbindet.
Obwohl diese Bakterien in einem Schleimhautabstrich aus dem Nasen-Rachen-Raum enthalten sind, besteht kein Anlass zur Sorge. Eine komplette Beseitigung der Pneumokokken ist daher auch nicht erforderlich. Die Übertragung der Pneumokokken von Mensch zu Mensch kann sowohl ausgehend von erkrankten als auch von gesunden Personen nachgewiesen werden.
Biologische Eigenschaften
Pneumokokken, wissenschaftlich als Streptococcus pneumoniae bekannt, sind grampositive, kapseltragende Bakterien aus der Familie der Streptococcaceae. Sie gehören zur Klasse der Bacilli und zur Ordnung der Lactobacillales. Ihre Klassifikation basiert auf ihrer Fähigkeit, eine Polysaccharidkapsel zu bilden, die in über 90 verschiedene Serotypen unterteilt ist, die für ihre Virulenz und Immunreaktionen entscheidend sind.
Morphologisch sind Pneumokokken kugelförmig (kokkenartig) und typischerweise als Diplokokken angeordnet, also paarweise gelagert. Sie sind fakultativ anaerob und wachsen bevorzugt unter CO₂-reichen Bedingungen. Auf Blutagarplatten zeigen sie eine charakteristische α-Hämolyse, die durch eine partielle Zerstörung von Erythrozyten entsteht und einen grünlichen Hof um die Kolonien herum verursacht.
Das Genom von Streptococcus pneumoniae besteht aus einem einzigen, zirkulären Chromosom mit etwa 2 Millionen Basenpaaren. Es enthält Gene, die für Kapselproduktion, Antibiotikaresistenz und verschiedene Virulenzfaktoren wie Pneumolysin und Autolysin codieren. Genetisch bemerkenswert ist ihre Fähigkeit zur natürlichen Kompetenz, das heißt, sie können freie DNA aus ihrer Umgebung aufnehmen und integrieren. Dies ermöglicht die schnelle Anpassung an veränderte Umweltbedingungen und die Entwicklung von Antibiotikaresistenzen, was sie zu einem klinisch relevanten Pathogen macht. Außerdem haben Pneumokokken eine hohe Variabilität in ihren Kapselpolysacchariden, was zu vielen Serotypen führt.
Vorkommen & Verbreitung
Pneumokokken (Streptococcus pneumoniae) kommen natürlicherweise als Teil der menschlichen Mikrobiota vor, insbesondere im Nasen-Rachen-Raum von Kleinkindern und gesunden Erwachsenen. Sie können in bis zu 60 % der Kinder und etwa 5-10 % der Erwachsenen als asymptomatische Kolonisatoren vorhanden sein, ohne eine Krankheit auszulösen. Das Bakterium ist in der Umwelt nicht stabil, sodass es hauptsächlich im menschlichen Wirt oder in engen Gemeinschaften verbreitet wird.
Der primäre Übertragungsweg von Pneumokokken erfolgt durch Tröpfcheninfektion, etwa beim Niesen oder Husten. Da Pneumokokken sich im Nasen-Rachen-Raum ansiedeln, können sie leicht durch engen Kontakt von Person zu Person weitergegeben werden, insbesondere in Gemeinschaftseinrichtungen wie Kindergärten oder Pflegeheimen.
In der Umwelt überleben Pneumokokken nur kurzzeitig, da sie keine Sporen bilden und empfindlich auf Austrocknung und UV-Licht reagieren. Ihre Verbreitung ist daher stark an menschliche Populationen gebunden, wobei die Dichte und Nähe der Menschen das Infektionsrisiko erhöht.
In ökologischer Hinsicht spielen Pneumokokken vor allem in menschlichen Gemeinschaften eine Rolle, da sie selten in anderen Organismen oder außerhalb des menschlichen Körpers vorkommen. Ihr Vorkommen in der Natur ist begrenzt, und sie haben keine bedeutende Rolle in nicht-menschlichen Ökosystemen. Ihr Verhalten und ihre Verbreitung hängen weitgehend von menschlichen sozialen und gesundheitlichen Bedingungen ab.
Krankheiten
Tritt eine Erkrankung durch Pneumokokken auf, ist meist die Immunkompetenz des Körpers gestört oder liegt unzureichend vor. Die Bakterien werden vom Immunsystem nicht in ausreichendem Maße bekämpft und durch die körpereigenen Abwehrmechanismen bekämpft. Sie können sich ungehindert ausbreiten.
Recht häufig kommt dies bei Menschen vor, deren körperliche Konstitution eingeschränkt ist. Dies ist der Fall durch altersspezifische Gegebenheiten oder eine bestehende Vorerkrankung. Auch durch eine Verschlechterung der Abwehrfunktion durch eine medizinische Behandlung wie eine Chemotherapie oder einen operativen Eingriff sind unter Umständen Infektionen mit Pneumokokken möglich.
Die Zeit, welche von der Aufnahme der Erreger bis zum Ausbruch der Erkrankung verstreicht, wird in der Medizin als Inkubation bezeichnet. Im Gegensatz zu anderen bakterioziden Erkrankungen ist diese bei einer Pneumokokkenerkrankung sehr unterschiedlich. Die Inkubationszeit hängt im Wesentlichen von der Verfassung der Person ab.
Eine enorm hohe Gefährdung besteht bei Neugeborenen und Kleinkindern sowie bei älteren Menschen. Das Immunsystem ist bei diesen Gruppen entweder unzureichend entwickelt oder geschwächt. Ein weiteres Problem, welches sich in Bezug auf die gezielte Behandlung von Infektionen durch Pneumokokken ergibt, ist häufig deren sogenannte invasive Ausbreitung im Körper.
Darüber hinaus führen Pneumokokken zu örtlich begrenzten Erkrankungen, die extrem schmerzhaft sind und meist durch einen wiederkehrenden Verlauf gekennzeichnet sind. Bei Erwachsenen können Pneumokokken beispielsweise zu einer Bakteriämie oder Blutvergiftung beitragen, welche den gesamten Körper betrifft.
Pneumokokken ist außerdem schwer beizukommen, weil eine ganze Reihe von Bakterienstämmen unempfindlich gegenüber Antibiotika geworden ist. Es besteht bei speziellen Pneumokokkenarten eine Gewöhnung an die antibiotischen Wirkstoffe, was eine Therapie extrem erschwert. Diese Resistenz nimmt ständig zu.
Behandlungsmöglichkeiten
Die Standardtherapie bei einer Infektion mit Pneumokokken (Streptococcus pneumoniae) basiert in der Regel auf Antibiotika. Penicillin war lange Zeit das Mittel der Wahl. Aufgrund zunehmender Resistenzen greifen Ärzte jedoch häufig auf Breitbandantibiotika wie Cephalosporine der dritten Generation (z. B. Ceftriaxon) oder Makrolide (z. B. Azithromycin) zurück, insbesondere bei schwereren Verläufen wie Lungenentzündung oder Meningitis.
Die Behandlung von Infektionen mit resistenten Pneumokokkenstämmen stellt eine wachsende Herausforderung dar. Penicillin-resistente Pneumokokken (PRSP) sowie multiresistente Stämme erschweren die Therapie erheblich. In solchen Fällen werden oft alternative Antibiotika wie Vancomycin oder Linezolid eingesetzt. Diese Antibiotika wirken auch bei schwer resistenten Bakterien, allerdings sind sie aufgrund ihrer Nebenwirkungen und ihres begrenzten Wirkspektrums meist nur die zweite Wahl.
Neue und experimentelle Ansätze konzentrieren sich auf Immuntherapien und bakterielle Phagen, um gezielt resistente Stämme zu bekämpfen. Auch die Entwicklung neuer Antibiotika, die auf weniger anfällige Zielstrukturen abzielen, wird vorangetrieben. Zudem sind Impfungen ein entscheidender präventiver Ansatz. Der pneumokokkale Konjugatimpfstoff (PCV13 oder PCV15) deckt viele der häufigsten und gefährlichsten Stämme ab und reduziert das Risiko von Infektionen, was indirekt auch die Verbreitung resistenter Stämme mindert. Forschungen konzentrieren sich zudem auf die Erweiterung der Impfstoffe, um mehr Serotypen abzudecken.
Pneumokokken und ihre Impfstoffprävention
Die Prävention von Pneumokokkeninfektionen durch Impfungen hat in der öffentlichen Gesundheit enorme Fortschritte erzielt. Da Pneumokokken weltweit zu den führenden Erregern von Lungenentzündungen, Meningitis und Mittelohrentzündungen gehören, sind präventive Maßnahmen essenziell, um schwere Krankheitsverläufe und Todesfälle zu verhindern. Besonders gefährdet sind Kleinkinder, ältere Menschen und Personen mit geschwächtem Immunsystem.
Es gibt zwei Haupttypen von Pneumokokken-Impfstoffen: den Pneumokokken-Konjugatimpfstoff (PCV) und den Pneumokokken-Polysaccharidimpfstoff (PPSV23). Der Konjugatimpfstoff (wie PCV13 oder der neuere PCV15) ist besonders wirksam bei Säuglingen und Kleinkindern, da er das Immunsystem stärker aktiviert. Dieser Impfstoff deckt 13 bzw. 15 der häufigsten Pneumokokken-Serotypen ab, die schwere Infektionen verursachen. PCV13 ist mittlerweile in den meisten Ländern Teil des Standardimpfplans für Säuglinge und wird in mehreren Dosen verabreicht. Auch Erwachsene mit Risikofaktoren wie chronischen Erkrankungen oder Immunsuppression profitieren von dieser Impfung.
Der Pneumokokken-Polysaccharidimpfstoff (PPSV23) richtet sich hauptsächlich an Erwachsene über 65 Jahre oder Personen mit erhöhtem Risiko, da er 23 Serotypen abdeckt. Im Gegensatz zum Konjugatimpfstoff ist dieser Impfstoff weniger geeignet für Kleinkinder, da deren Immunsystem auf Polysaccharidantigene weniger stark reagiert. Er bietet jedoch einen breiteren Schutz gegen eine größere Zahl von Serotypen und wird auch zur Auffrischung bei älteren Menschen empfohlen.
Die Impfungen haben nicht nur direkte Auswirkungen auf die geimpften Personen, sondern führen auch zu einem sogenannten Herdenimmunitätseffekt. Da geimpfte Personen weniger Pneumokokken im Nasen-Rachen-Raum tragen, wird die Verbreitung der Bakterien in der Gemeinschaft reduziert, was indirekt auch ungeimpfte Personen schützt. Besonders bei Kleinkindern zeigt sich dieser Effekt deutlich, da sie häufig Träger und Verbreiter von Pneumokokken sind.
Trotz der Erfolge der Impfprogramme bleibt die Herausforderung bestehen, neue Stämme zu bekämpfen. Während die aktuellen Impfstoffe gegen viele der häufigsten Serotypen wirksam sind, gibt es immer noch Serotypen, die nicht abgedeckt werden und zu Infektionen führen können. Diese sogenannte Serotypenverschiebung tritt auf, wenn durch den Impfdruck nicht geimpfte Stämme an Häufigkeit zunehmen. Deshalb werden kontinuierlich neue Impfstoffformulierungen entwickelt, um mehr Serotypen einzuschließen und die Effektivität der Impfprogramme zu verbessern.
Neben den Standardimpfungen wird auch die Rolle von Auffrischimpfungen untersucht, insbesondere bei älteren Menschen, deren Immunsystem weniger robust ist. Es wird erforscht, wie häufig Auffrischungen notwendig sind, um einen anhaltenden Schutz zu gewährleisten. Die Entwicklung neuer Impfstoffe, die breiter wirken und auch resistente Stämme gezielt bekämpfen können, bleibt ein zentrales Forschungsfeld in der Bekämpfung von Pneumokokkeninfektionen.
Quellen
- Hahn et al.: Medizinische Mikrobiologie und Infektiologie. Springer, Berlin 2009
- Kayser et al.: Medizinische Mikrobiologie. Thieme, Stuttgart 2010
- Knipper, R.: Molekulare Genetik. Thieme, Stuttgart 2006