Substitutionstherapie

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. September 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Eine Substitutionstherapie kann in manchen Fällen notwendig sein, um das Funktionieren des Körpers mit all seinen Organen zu gewährleisten. Dabei werden dem Körper fehlende Substanzen zugeführt, die er für eine reibungslose Funktionsweise braucht. In solchen Fällen spricht man von einer Substitutionstherapie.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine Substitutionstherapie?

Eine Substitutionstherapie ist dadurch definiert, dass dem Körper von außen Substanzen zugeführt werden, die er normalerweise selbst herstellt.

Eine Substitutionstherapie ist dadurch definiert, dass dem Körper von außen Substanzen zugeführt werden, die er normalerweise selbst herstellt. Eine Funktionsschwäche oder ein Versagen des jeweiligen Organs kann aber dazu führen, dass dies nicht mehr möglich ist.

Eine besondere Form der Substitutionstherapie ist dabei die Therapie Opioidabhängiger, die beispielsweise Methadon oder ähnliche Mittel verabreicht bekommen, um Entzugserscheinungen einzudämmen und um sie so aus dem Dunstkreis der Sucht zu lösen. Damit will man den Begleiterscheinungen der Drogensucht beikommen.

Geschichte & Entwicklung

Die Substitutionstherapie hat ihre Ursprünge in den 1960er Jahren, als in den USA das Heroinproblem eskalierte. Die Behandlung zielt darauf ab, Menschen mit Opiatabhängigkeit durch den Ersatz des illegalen Drogenkonsums mit kontrollierten, legalen Substanzen zu stabilisieren.

Der wichtigste Meilenstein in der Entwicklung der Substitutionstherapie war die Einführung von Methadon als Ersatzstoff. 1964 entwickelten die amerikanischen Forscher Vincent Dole und Marie Nyswander in New York das erste erfolgreiche Methadonprogramm. Ihr Ziel war es, das Verlangen nach Heroin zu verringern und die Risiken des Drogenkonsums, wie Überdosierungen und Infektionskrankheiten, zu minimieren.

Methadon erwies sich als wirksam, um den Suchtdruck zu reduzieren und Menschen zu ermöglichen, ein stabileres Leben zu führen. In den 1980er und 1990er Jahren breitete sich die Substitutionstherapie in Europa aus, um die wachsende HIV/AIDS-Epidemie, die durch den intravenösen Drogenkonsum verstärkt wurde, einzudämmen. In dieser Zeit wurde auch Buprenorphin als Alternative zu Methadon eingeführt, das ein geringeres Risiko für Überdosierungen aufwies.

Heute wird die Substitutionstherapie in vielen Ländern als eine der effektivsten Maßnahmen zur Schadensminderung angesehen. Sie ist Teil eines umfassenden Ansatzes zur Behandlung von Suchterkrankungen, der medizinische, psychologische und soziale Unterstützung integriert.

Einsatz & Indikation

Eine Substitutionstherapie wird durchgeführt, wenn Menschen mit einer Opioidabhängigkeit stabilisiert und von illegalen Drogen wie Heroin oder stark süchtig machenden Schmerzmitteln entwöhnt werden sollen. Sie wird notwendig, wenn der Konsum dieser Substanzen das Leben der Betroffenen gefährdet, sei es durch Überdosierungen, Infektionskrankheiten (wie HIV oder Hepatitis), oder soziale und berufliche Schwierigkeiten. Die Therapie bietet eine kontrollierte Alternative zum unregulierten Drogenkonsum und hilft, den Suchtdruck zu reduzieren.

Die Substitutionstherapie kommt oft dann zum Einsatz, wenn herkömmliche Entzugsmethoden oder Abstinenzprogramme nicht erfolgreich waren. Sie ist besonders notwendig bei Menschen, die durch ihre Sucht schwer beeinträchtigt sind und bei denen ein sofortiger Entzug zu starken Entzugserscheinungen führen würde. Ziel ist es, die Lebensqualität zu verbessern, Risiken wie Infektionskrankheiten zu verringern und die soziale und berufliche Integration zu fördern.

Darüber hinaus kann die Substitutionstherapie auch präventiv eingesetzt werden, um das Risiko von Rückfällen nach einem erfolgreichen Entzug zu verringern. Sie bietet eine langfristige Perspektive, indem sie die Dosis der Ersatzstoffe wie Methadon oder Buprenorphin schrittweise reduziert oder aufrechterhält, um ein drogenfreies Leben zu ermöglichen.

Vorteile & Nutzen

Die Substitutionstherapie bietet mehrere Vorteile gegenüber anderen Behandlungs- und Untersuchungsmethoden, insbesondere bei der Behandlung von Opioidabhängigkeit. Ein zentraler Vorteil ist die Reduktion des Risikos von Überdosierungen. Da die verabreichten Ersatzstoffe wie Methadon oder Buprenorphin in kontrollierten Dosen gegeben werden, sinkt die Gefahr schwerer Komplikationen, die beim unregulierten Konsum illegaler Drogen auftreten.

Ein weiterer Vorteil ist die Schadensminimierung. Durch die Substitutionstherapie sinkt das Risiko für Infektionskrankheiten wie HIV und Hepatitis, die oft durch den intravenösen Drogenkonsum und unsaubere Nadeln übertragen werden. Patienten erhalten eine sichere Alternative, wodurch der gefährliche Straßenhandel und die damit verbundenen Risiken vermieden werden.

Die Therapie ermöglicht zudem eine sozial-psychologische Stabilisierung. Sie verringert das Verlangen nach illegalen Substanzen, was den Betroffenen hilft, ein geordneteres Leben zu führen, Beziehungen zu stabilisieren und einer geregelten Arbeit nachzugehen. Im Gegensatz zu Entzugstherapien, die oft mit hohen Rückfallquoten verbunden sind, bietet die Substitutionstherapie eine längerfristige Stabilisierung und senkt die Rückfallgefahr.

Schließlich ist die Flexibilität der Substitutionstherapie ein weiterer Vorteil. Sie kann individuell angepasst werden und in Kombination mit psychosozialen Unterstützungsprogrammen eine nachhaltige Behandlung ermöglichen, ohne die Patienten dem abrupten Entzug auszusetzen.

Funktion, Wirkung & Ziele

Es gibt dabei verschiedene Anwendungsgebiete und Anwendungsverfahren für eine Substitutionstherapie. Ein klassisches Anwendungsgebiet ist das Beigeben von Insulin bei Diabetes mellitus, wenn die Bauchspeicheldrüse nicht mehr in der Lage ist, ausreichend Insulin für die Zuckerregulation im Körper bereitzustellen.

Dabei wird vom Betroffenen selbst Insulin in die Bauchgegend gespritzt. Andere Formen der Substitutionstherapie sind die Levothyroxin-Gabe bei Hypothyreose (Hormonbeigabe nach Schilddrüsenoperationen), die Enzymersatztherapie bei bestimmten Stoffwechselstörungen, Bluttransfusion bei Anämie oder der Volumenersatz bei Dehydratisierung.

Insbesondere nach Operationen ist eine Substitutionstherapie oft angezeigt. Neben der Insulin-Ersatztherapie ist die Levothyroxin-Gabe bei Hypothyreose eine der am häufigsten angezeigten Substitutionstherapien in der Praxis.

Die Substitutionstherapie bei Drogenabhängigkeit ist dabei eine der bekanntesten Substitutionstherapien, die auch eine gesellschaftliche Funktion hat. Bei der Methadon-Substitution bekommt der Abhängige dabei täglich eine dem Suchtgrad entsprechende Dosis Methadon verabreicht, um Entzugserscheinungen zu umgehen. Dabei wird das Methadon langsam ausgeschlichen, bis keine Abhängigkeit mehr besteht, weil auch das Methadon ein hohes Suchtpotenzial birgt.

Ziel bei allen Substitutionsverfahren ist es, dass der Körper bzw. die geschädigten Organe wieder ihre normale Funktion aufnehmen können. Die beigegebene Substation dockt dabei bei Verabreichung an den zuständigen Rezeptoren an und gewährleistet so eine normale Funktionsweise. Bei Heroinabhängigen etwa wird angestrebt, diese von der abhängig machenden Substanz befreit werden und so mögliche psychosoziale und gesundheitliche Folgewirkungen ausgeschlossen werden.

Ziel ist im Idealfall die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit und das Vermeiden von Beschaffungskriminalität. Auch die Ansteckung mit den mit dem Drogenkonsum typisch eingehenden Erkrankungen wie Hepatitis C ist eines der Ziele. Insbesondere bei der Substitutionstherapie bei Suchterkrankungen hat die Erfahrung gezeigt, dass das Prinzip funktioniert und Abhängige tatsächlich aus dem Kreislauf Abhängigkeit, Beschaffungskriminalität und Gesundheitsverfall herausgenommen werden können.

Da der „Stoff“ von der Straße zudem zu oft zu unrein oder aber zu rein ist, kann mit einer Methadon-Substitution auch vermieden werden, dass Betroffene sich eine Überdosis oder eine Vergiftung zuziehen.


Durchführung & Ablauf

Eine Substitutionstherapie beginnt in der Regel mit einer gründlichen Untersuchung und Anamnese durch einen Arzt, der den Gesundheitszustand des Patienten, den Grad der Opioidabhängigkeit und andere relevante Faktoren beurteilt. Basierend auf dieser Einschätzung wird die Entscheidung getroffen, welches Substitutionsmittel, wie Methadon oder Buprenorphin, verwendet wird und in welcher Dosierung die Therapie startet. Der Arzt erklärt dem Patienten das Vorgehen, die Ziele und den Ablauf der Therapie.

Die Substitutionsmittel werden in genau festgelegten Dosen verabreicht, meist in Form einer Flüssigkeit, Tablette oder eines Pflasters. Zu Beginn wird die Dosis oft täglich unter ärztlicher Aufsicht verabreicht, um den Körper auf die Substanz einzustellen und Entzugserscheinungen zu vermeiden. Ziel ist es, eine stabile Dosis zu finden, bei der der Patient weder Entzugserscheinungen noch ein Verlangen nach illegalen Drogen verspürt.

Im Verlauf der Therapie werden die Dosen regelmäßig überprüft und bei Bedarf angepasst. Parallel dazu erfolgt eine engmaschige Betreuung, die auch psychosoziale Unterstützung umfasst, wie Beratungsgespräche oder die Vermittlung in Selbsthilfegruppen. Bei stabilen Patienten kann die Abgabe des Substituts auch für mehrere Tage erfolgen, um mehr Flexibilität im Alltag zu ermöglichen.

In einigen Fällen wird die Dosis schrittweise reduziert, um den Patienten auf ein drogenfreies Leben vorzubereiten.

Risiken, Nebenwirkungen & Gefahren

Doch eine Substitutionstherapie birgt auch Risiken. Beim Spritzen von Insulin etwa ist genau darauf zu achten, dass die adäquate Dosis gespritzt wird, weil es sonst beispielsweise zu gefährlichem Unterzucker kommen kann. Bei einer zu niedrigen Dosis gespritztem Insulin bleibt wiederum ein zu hoher Zucker bestehen, der ebenfalls zu massiven Beschwerden führen kann.

Bei der Levothyroxin-Gabe bei Hypothyreose kommt es ebenfalls darauf an, dass der Schilddrüse und der Nebenschilddrüse die notwendigen Hormone in fachgerechter Weise und der richtigen Dosierung beigefügt werden, um Komplikationen zu vermeiden. Ähnliches gilt bei Bluttransfusionen, der Enzymersatztherapie und beim Volumenersatz bei Dehydratisierung. Es gilt, die genau richtige Dosis zu treffen und diese fachgerecht zuzuführen. Andernfalls kann es zu schwersten Nebenwirkungen kommen.

Eine Substitutionstherapie sollte daher immer von Fachleuten und unter Beobachtung des Patienten ausgeführt werden. Oft ergeben sich auch Komplikationen beim Übergang zwischen der stationären Betreuung und der ambulanten Nachbetreuung. Ein weiterer Stolperstein ist, wenn verschiedene Disziplinen der Medizin (Chirurgie, Allgemeinmedizin und Innere Medizin) beteiligt sind, weil dann eine reibungslose Interaktion gewährleistet sein muss. Bei der Drogensubstitution kommt noch eine notwendige psychosoziale Betreuung hinzu, um etwaigen Rückfallgefahren psychotherapeutisch zu begegnen.

Alternativen

Wenn eine Substitutionstherapie nicht möglich oder nicht gewünscht ist, stehen mehrere alternative Verfahren zur Behandlung der Opioidabhängigkeit zur Verfügung. Eine der häufigsten Alternativen ist der kalte Entzug (akute Abstinenztherapie), bei dem der Patient abrupt auf die Einnahme von Drogen verzichtet. Dies führt zu starken Entzugserscheinungen, die jedoch unter ärztlicher Aufsicht in spezialisierten Einrichtungen kontrolliert und gelindert werden können.

Ein medikamentengestützter Entzug (auch "medikamentöser Entzug" genannt) ist eine sanftere Form des Entzugs, bei dem Medikamente wie Clonidin oder Lofexidin eingesetzt werden, um Entzugserscheinungen zu lindern. Diese Medikamente helfen, den Entzug sicherer und erträglicher zu gestalten, indem sie die körperlichen und psychischen Symptome reduzieren.

Eine weitere Alternative ist die Entwöhnungstherapie, die in stationären Einrichtungen durchgeführt wird. Hierbei handelt es sich um ein intensives Programm, das psychologische Betreuung, Gruppentherapie und oft auch Arbeits- und Alltagstraining beinhaltet, um die Patienten auf ein drogenfreies Leben vorzubereiten. Dieses Verfahren konzentriert sich auf die langfristige Stabilisierung ohne den Einsatz von Ersatzstoffen.

Psychotherapie, wie kognitive Verhaltenstherapie (KVT), kann ebenfalls eingesetzt werden, um die zugrunde liegenden Ursachen der Sucht zu behandeln. Zusätzlich gibt es Selbsthilfegruppen, wie Narcotics Anonymous, die auf Peer-Support und den Erfahrungsaustausch setzen, um die Patienten langfristig zu stabilisieren und Rückfälle zu vermeiden.

Quellen

  • Hoslboer. D.F., et al.: Handbuch der Psychopharmakotherapie. Springer Medizin Verlag, Berlin 2007
  • Lüllmann, H. et al.: Taschenatlas Pharmakologie. Thieme, Stuttgart 2008
  • Tretter, F.: Suchtmedizin kompakt. Schattauer Verlag, Stuttgart 2008

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