Tiefenpsychologie

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 19. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Das Vorhandensein eines Unbewusstseins ist umstritten. In der Tiefenpsychologie wird vorausgesetzt, dass es neben bewussten Vorgängen auch unbewusste gibt, die eine starke Wirkung auf das menschliche Verhalten haben, obwohl sie nicht wahrgenommen werden.

Diese unbewusst seelischen Vorgänge sollen nach und nach aufgedeckt werden, um Erkenntnisse über das Verhalten und die Bedürfnisse eines Menschen zu gewinnen. Daher möchte die Tiefenpsychologie so weit wie möglich unter die Oberfläche des Bewusstseins dringen, um unbewusste Vorgänge zu analysieren, die das bewusste Leben beeinflussen könnten.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Tiefenpsychologie?

Die Tiefenpsychologie möchte so weit wie möglich unter die Oberfläche des Bewusstseins dringen, um unbewusste Vorgänge zu analysieren, die das bewusste Leben beeinflussen könnten.

Philosophen wie Nietzsche, Leibniz oder Schopenhauer setzten in diesem Sinne eine Psyche voraus, die verborgen liegt. Der erste wissenschaftliche Ansatz einer systematischen Untersuchung erfolgte durch Sigmund Freud, der die Psychoanalyse begründete. Er beschäftigte sich ausführlich mit dem Verhalten und Erleben des Menschen, um darin bestimmte Muster zu entdecken, für die er eine entsprechende Behandlungsmethode entwickelte.

Er stellte dabei die These auf, dass verdrängte und unbewusste Gefühle krank machen, sogar körperliche Symptome hervorrufen können. Freud führte die Konflikte besonders stark auf die Unterdrückung sexueller Bedürfnisse zurück, die dann in anderweitige Energie umgewandelt werden. Erfolgt das allerdings nicht, treten körperliche und geistige Störungen auf, von denen seelische Symptome wie Angst und Depression nur einige sind. Die Behandlung, die er vorschlug, beinhaltet, dass der Psychotherapeut hinter dem Patienten sitzt, für diesen nicht sichtbar ist, damit dieser sich ganz auf sich selbst konzentrieren kann.

Den Begriff der Tiefenpsychologie selbst entwickelte Eugen Bleuler, ein Schweizer Psychiater, der auch die Begriffe der Schizophrenie und des Autismus prägte. Er ging dabei von keiner Trennung zwischen Krankheit und geistiger Gesundheit aus. Einer der größten Vertreter der Tiefenpsychologie war dann Carl Gustav Jung, der Archetypen voraussetzte, die unbewusst in jedem Menschen das Verhalten lenken. Schließlich wurde von Prozessen der Triebregulation und Konfliktverarbeitung ausgegangen, die dem bewussten Verhalten immer zugrunde liegen.

Damit teilte sich die Tiefenpsychologie bald in drei größere Schulen. Neben der von Freud entwickelte Jung die Analytische Psychologie und Alfred Adler rief bald darauf die Individualpsychologie ins Leben. Alle Schulen folgen der These, dass in der Tiefe des Unbewussten psychische Prozesse von Trieben und ähnlichen motivationalen Vorgängen vorhanden sind, die sich als die jeweilige Triebkraft von Schule zu Schule unterscheiden. Freud ging vom Sexualtrieb aus, Jung, ein Schüler Freuds, setzte eine unspezifische Triebenergie voraus und Adler das simple Machstreben des Menschen.

Behandlungen & Therapien

Tiefenpsychologie ist demnach nicht gleichbedeutend mit der Psychoanalyse. Sie unterscheiden sich in der Behandlung und dementsprechend in der Form, im Ziel und in der Dauer. Während die Psychoanalyse die gesamte Persönlichkeit verändern möchte, die Behandlung häufig im Liegen, auf der bekannten Couch stattfindet und über mehrere Jahre andauert, findet die tiefenpsychologische Behandlung im Sitzen statt und dauert nicht mehr als zwei Jahre. Dabei verfolgt sie das Ziel, Konflikte zu entdecken, die z. B. zu Depressionen führen, ohne den Patienten umformen zu wollen oder von Grund auf zu verändern.

Der Mensch entwickelt zumeist in der Kindheit so bezeichnete Beziehungsmuster. Diese bestimmen, wie er auf andere Menschen zugeht oder die Umwelt wahrnimmt. Zu der Zeit, in der er diese Muster entwickelt hat, gaben sie Sinn und bestimmten die Reaktionen. Sie werden erst dann zu einem Problem, wenn das Verhalten auf einmal unpassend ist.

Auseinandersetzungen und Erziehung durch die Eltern, als in der Kindheit wichtigste Bezugspersonen, werden insbesondere nach einem bestimmten Muster beibehalten und bestimmen im späteren Leben den Kontakt zu anderen Menschen und ebenso die Beziehungen, die ein Mensch eingeht. Häufig werden dann immer wieder die gleichen Fehler gemacht, ohne dass der Mensch dieses Verhalten selbst deuten kann.

Ähnlich ist dabei auch die Beziehung, die der Patient dann zum Psychotherapeuten aufbaut, der durch die Behandlung versucht, diese Muster aufzudecken und bewusst zu machen. Das nennt sich Übertragung. Sie ist eines der wichtigsten Mittel einer solchen Therapie.

Eine Übertragung ist immer dort zu suchen, wo Vorstellungen, Erwartungen, Befürchtungen oder Wünsche bestehen, die sich zuvor gebildet haben und wie eine Schablone immer wieder belebt werden. Diese Muster und Ängste werden in der Therapie mit Absicht wiederbelebt und hervorgerufen. Dabei achtet der Psychotherapeut verstärkt auf das eigene Verhalten, auf seine emotionale Reaktion auf den Patienten. Das nennt sich in der Psychoanalyse Gegenübertragung. Sie wird ebenso zur Behandlung genutzt.

Ziel ist dann auch keine vollständige Analyse des bisherigen Lebens eines Patienten, sondern alleine die Veränderung bestimmter ungünstiger Lebensumstände, damit Beschwerden und Symptome verschwinden. Die Symptome werden demnach nicht direkt behandelt, sondern in der Behandlung der tieferen Schichten in ihren Ursachen aufgelöst.


Diagnose & Untersuchungsmethoden

Die Tiefenpsychologie findet Anwendung bei Menschen, die z. B. an Schlafstörungen, Depressionen, Konzentrationsstörungen, Zwangsvorstellungen, akuten Krisen, an Erschöpfungszuständen oder Störungen der Sexualfunktionen leiden. Auch Menschen, die belastende Erlebnisse hinter sich haben, im Sinne eines Traumas, können in der Tiefenpsychologie Hilfe finden. Wissenschaftlich erwiesen sind diese Verfahren äußerst erfolgreich. Patienten mit Ess- oder akuten Angststörungen eignen sich dagegen eher weniger für eine tiefenpsychologische Behandlung.

Die meisten Therapien erfolgen nach dem üblichen Mustern. Ab und an rät der Psychotherapeut allerdings auch zu einer vorübergehenden medikamentösen Einnahme, die auf Geist und Psyche wirken und immer ärztlich verordnet werden müssen. Dazu gehören verschiedene Psychopharmaka, die bei besonders starken Krisen sinnvoll sind, um den Patienten vorab stabiler zu machen und eine Behandlung zu ermöglichen, die nicht Gefahr läuft, von psychischen Schüben und Zusammenbrüchen blockiert zu sein.

Die Tiefenpsychologie kann als Therapie ambulant, aber auch stationär stattfinden. Für letztere Bedingungen gibt es Psychosomatische Kliniken, die darauf spezialisiert sind. Solche Maßnahmen sind angebracht, wenn der Betroffene z. B. einen gewissen Abstand zu seinem Alltagsleben, Beruf oder zu seiner Familie benötigt. In der Therapie kann sich der Patient dann ganz in Ruhe auf die Behandlung konzentrieren und Mut zur Veränderung schöpfen.

Quellen

  • Davison, G.C., Neale, J.M., Hautzinger, M.: Klinische Psychologie. Beltz PVU, München 2007
  • Elhardt, S.: Tiefenpsychologie. Eine Einführung. 16. Auflage. Kohlhammer, Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 2006
  • Mackenthun, G.: Grundlagen der Tiefenpsychologie. Psychosozial, Gießen 2013

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