Tumorlyse-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 10. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Das Tumorlyse-Syndrom ist eine Komplikation von Chemo- und Strahlentherapien, die in kürzester Zeit bösartige Tumorzellen zum Zerfall bringen. Die Zellen setzen Stoffe wie Harnsäure ins Blut frei, die eine metabolische Entgleisung und Nierenversagen zur Folge haben können. Speziell Chemotherapien werden typischerweise nur langsam in Gang gesetzt, um dem Syndrom vorzubeugen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Tumorlyse-Syndrom?

Dem Tumorlyse-Syndrom geht der rasche Zerfall von bösartigen Tumoren voraus. Beim Zerfall geben die Tumore Inhaltsstoffe wie Harnsäure, Phosphat und Kalium in die Blutbahnen frei.
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Bestimmte Tumore wachsen besonders schnell und gelten zugleich als außerordentlich empfindlich gegenüber Chemotherapie. Zu den Tumorerkrankungen mit solchen Tumoren zählen zum Beispiel akute Leukämien wie die akut lymphatische Leukämie oder die akut myeloische Leukämie. Auch maligne Lymphome wachsen schnell und zeigen sich empfindlich, so zum Beispiel das Burkitt-Lymphom oder das diffus-großzellige Lymphom.

Darüber hinaus gelten die beiden Merkmale für kleinzellige Bronchialkarzinome. Tumorerkrankungen begegnet die Medizin wegen der Empfindlichkeit gegenüber Chemotherapeutika typischerweise mit Chemotherapie, die in kürzester Zeit viele der Tumorzellen zum Zerfall bringt. Wenn innerhalb einer nur kurzen Zeitspanne zu viele Tumorzellen zerfallen, tritt das Tumorlyse-Syndrom auf.

Beim Zerfall setzen die Tumore bestimmte Stoffe in die Blutbahnen frei, die die Ausscheidungsarbeit der Nieren überfordern können. Aus diesem Grund kann sich bei der Behandlung ein akut lebensbedrohlicher Zustand einstellen, der zum Beispiel Nierenversagen begünstigen kann. Das Phänomen wird auch als tumorzerfallsbedingte Stoffwechselentgleisung bezeichnet und begünstigt neben den Negativauswirkungen auf die Nieren weitere metabolische Störungen.

Ursachen

Dem Tumorlyse-Syndrom geht der rasche Zerfall von bösartigen Tumoren voraus. Beim Zerfall geben die Tumore Inhaltsstoffe wie Harnsäure, Phosphat und Kalium in die Blutbahnen frei. Wenn solcherlei Stoffe aus den Tumorzellen in großen Mengen anfallen, sinkt das Kalzium ab. Der Stoffwechsel entgleist und die Nierenfunktion kann geschädigt werden.

Der Haushalt der anfallenden Stoffe unterliegt einer wesentlichen Regulation durch die Niere, sodass die Ausscheidungsorgane mit dem plötzlichen Substanzanfall überlasten können. Besonders bedenklich ist das Anfallen von großen Mengen an Harnsäure. Wenn dieser Stoff in großer Menge und kürzester Zeit gebildet wird, kann er über die Nieren nicht mehr ausreichend aus dem Organismus gefiltert werden.

Harnsäure kristallisiert sich daraufhin in den Nieren aus und führt zu einer Urat-Nephropathie, die im Extremfall in akutes Nierenversagen mündet. In der Regel wird der schnelle Zerfall von Tumoren und damit das Tumorlyse-Syndrom durch chemotherapeutische Behandlung verursacht. Bei Strahlentherapie ist das Syndrom vergleichsweise seltener. Diese Behandlungsoption lässt bösartige Zellen in der Regel weniger schnell zugrunde gehen.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Wie normale Körperzellen bestehen Tumorzellen aus einer Vielzahl an Elektrolyten, Metaboliten und anderweitig stoffwechselaktiven Teilchen. Die plötzliche Zerstörung der Tumorzellen durch ein Zytostatikum hat die Freisetzung der Inhaltsstoffe ins Blut zur Folge, sodass der Organismus mit den genannten Verbindungen überflutet wird und der Stoffwechsel entgleist.

Patienten mit Tumorlyse-Syndrom leiden vor allem an Symptomen der Niere, die die Ausscheidung von Metaboliten reguliert. Ein gänzlicher Verlust der Nierenfunktion kann sich einstellen. Das Nierenversagen kann von Symptomen wie Pruritus, Foetor uraemicus und Anämie begleitet sein. Renale Osteopathie mit Knochenschmerzen kann sich einstellen. Außerdem gelten Polyneuropathien mit Schläfrigkeit, Gefühlsstörungen undLähmungen zu den Begleitsymptomen.

Dasselbe gilt für hormonelle Störungen, Ödeme, Kopfschmerzen, Depressionen, Müdigkeit, Schwindel und Erbrechen. Im Einzelfall können auch Krampfanfälle auftreten, die mit einer metabolischen Azidose, Herzinsuffizienz, Arrhythmien oder Hypertonie vergesellschaftet sein kann. Zusätzlich können Stauungen der Lunge und gastrointestinale Störungen auftreten.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Die Diagnose auf ein Tumorlyse-Syndrom wird weitestgehend über die Blutwerte gestellt. Eine Entgleisung der Werte bei Chemotherapie oder Strahlentherapie spricht für das Syndrom. Meist sind sich die behandelnden Ärzte über das Risiko eines Tumorlyse-Syndroms bewusst.

Darum werden während der Behandlungen zum Zerfall von Tumorzellen werden die Blutwerte der Patienten in der Regel engmaschig überwacht. Meist werden Maßnahmen zur Prophylaxe eingeleitet. Je früher das Syndrom erkannt wird, desto eher lässt sich dem akuten Nierenversagen noch entgegenwirken.

Komplikationen

Das Tumorlyse-Syndrom kann beim Betroffenen im schlimmsten Fall zum Tod führen. Ob es dazu kommt, kann nicht im Allgemeinen vorhergesagt werden. Der weitere Verlauf hängt stark von der genauen Ausprägung der Erkrankung ab. Die Betroffenen leiden dabei an verschiedenen Lähmungen und ebenso an Gefühlsstörungen.

Diese können den Alltag deutlich einschränken und die Lebensqualität des Patienten verringern. Es kommt weiterhin auch zu Schwindelgefühlen und zu Erbrechen. Auch starke Kopfschmerzen oder Gliederschmerzen können im Zusammenhang mit dem Tumorlyse-Syndrom auftreten und den Alltag des Betroffenen ebenso erschweren.

Sollte die Krankheit nicht behandelt werden, leiden die Patienten an einer Herzinsuffizienz und können an dieser auch versterben. Auch Beschwerden im Bereich des Bauches oder des Magens können dabei eintreten. In vielen Fällen leiden die Betroffenen dabei an Krämpfen, die mit starken Schmerzen verbunden sind. Die Behandlung des Tumorlyse-Syndroms erfolgt mit Hilfe von Medikamenten.

Dabei kommt es nicht zu Komplikationen. Ein vollständig positiver Krankheitsverlauf wird dabei allerdings nicht erreicht. In schwerwiegenden Fällen sind die Patienten auf die Transplantation einer Niere angewiesen. Bis zur Transplantation erfolgt die Linderung der Beschwerden mit Hilfe einer Dialyse. Sollte das Tumorlyse-Syndrom mit Hilfe einer Chemotherapie behandelt werden, so treten dabei in vielen Fällen starke Nebenwirkungen auf.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Da es beim Tumorlyse-Syndrom nicht zu einer selbstständigen Heilung kommen kann, muss diese Komplikation auf jeden Fall durch einen Arzt behandelt werden. Es kann dabei im schlimmsten Fall zum Tod durch ein Nierenversagen kommen, falls dieses Syndrom nicht richtig oder nicht rechtzeitig behandelt wird. Eine frühzeitige Diagnose mit der anschließenden Behandlung wirken sich sehr positiv auf den weiteren Verlauf dieser Krankheit aus. Ein Arzt ist beim Tumorlyse-Syndrom dann zu kontaktieren, wenn der Betroffene im Rahmen einer Chemotherapie an Beschwerden wie Kopfschmerzen oder an starken Depressionen leidet.

Es kommt dabei häufig auch zu einer dauerhaften Müdigkeit oder zu Durchfall und Erbrechen. Auch eine Blutarmut oder starke Lähmungen und Störungen der Gefühle können dabei auf die Krankheit hinweisen. Sie dürfen nicht mit den gewöhnlichen Nebenwirkungen einer Chemotherapie verwechselt werden und sollten immer von einem Mediziner kontrolliert werden. In der Regel sollte sich der Betroffene beim Tumorlyse-Syndrom an den Arzt wenden, der den Krebs behandelt. Die weiteren Maßnahmen hängen stark von den genauen Beschwerden und ihrer Ausprägung ab.

Behandlung & Therapie

Sobald das Tumorlyse-Syndrom eingetreten ist, steht der Erhalt der Nierenfunktion im Mittelpunkt aller Therapiebestrebungen. Regelmäßig werden die Blutwerte der Patienten genommen, wobei ein Ausgleich der entgleisten Werte angestrebt wird. Ein akut erhöhter Harnsäurespiegel kann durch Rasburicase gesenkt werden. Dabei handelt es sich um ein harnsäureabbauend rekombinantes Enzym.

Wenn akutes Nierenversagen eintritt, handelt es sich dabei um eine Kontraindikation für die Gabe von Allopurinol. Die Behandlung einer einsetzenden Niereninsuffizienz hängt immer vom Grad des Funktionsausfalls ab. Bei leichten oder noch moderaten Funktionsverlusten wird die Verschlechterung der Nierenfunktion durch die Elimination von etwaigen Risikofaktoren verhindert.

Eine fortgeschrittene Niereninsuffizienz erfordert eine Nierenersatztherapie wie Peritonealdialyse, Hämofiltration oder Hämodialyse. Zusätzliche können Erythropoetin und Phosphatbinder gegeben werden. Wenn das Nierengewebe durch die metabolische Entgleisung irreversibel geschädigt wurde, bleibt die Dialysepflicht das gesamte Leben des Patienten über bestehen.

In diesem Fall kann auf lange Sicht die Transplantation einer Spenderniere erforderlich werden. Da sich die behandelnden Ärzte bei einer Chemotherapie über das Risiko des Tumorlyse-Syndroms bewusst sind, werden gemeinsam mit einer Chemotherapie in der Regel prophylaktische Maßnahmen durchgeführt, damit es gar nicht erst zur metabolischen Entgleisung kommt.


Vorbeugung

Um einem Tumorlyse-Syndrom vorzubeugen, beginnt eine Chemotherapie idealerweise nur langsam und mit geringer Durchflussrate oder einer Vorphase-Therapie. Allopurinol wird vorbeugend gegeben, um die Synthese von Harnsäure zu kontrollieren. Durch Harn-Alkalisierung wird Harnsäure wasserlöslicher, sodass die Ausscheidung erleichtert wird. Eine verstärkte Flüssigkeitszufuhr des Patienten unterstützt die Nierenfunktion und verstärkt damit die Diurese.

Nachsorge

Dem Betroffenen stehen beim Tumorlyse-Syndrom in den meisten Fällen nur sehr wenige und auch nur sehr eingeschränkte Maßnahmen oder Möglichkeiten der direkten Nachsorge zur Verfügung. Aus diesem Grund sollte der Betroffene bei dieser Krankheit schon sehr früh einen Arzt aufsuchen, um dadurch auch mögliche andere Komplikationen und Beschwerden zu verhindern, da es dabei auch nicht zu einer selbstständigen Heilung kommen kann.

Da es sich beim Tumorlyse-Syndrom um eine genetisch bedingte Krankheit handelt, kann diese nicht vollständig wieder geheilt werden. Daher sollte bei einem Kinderwunsch zuerst eine genetische Untersuchung und Beratung durchgeführt werden, um ein erneutes Auftreten der Krankheit bei den Nachfahren zu verhindern. Die meisten Betroffenen des Tumorlyse-Syndroms sind dabei auf die Einnahme von Medikamenten angewiesen.

Dabei sollten alle Anweisungen des Arztes beachtet werden. Ebenso ist die richtige Dosierung und auch die regelmäßige Einnahme zu beachten. Häufig kann sich dabei auch der Kontakt zu anderen Betroffenen der Erkrankung positiv auf den weiteren Verlauf auswirken. Die Lebenserwartung der Betroffenen ist durch diese Krankheit in vielen Fällen eingeschränkt.

Das können Sie selbst tun

Zur Vermeidung des Tumorlyse-Syndroms ist zunächst eine enge ärztliche Überwachung notwendig. Sollten nach oder während einer Chemotherapie typische Symptome wie Schwäche oder Harnverhalt auftreten, muss der Arzt konsultiert werden. Das Syndrom ruft unbehandelt lebensbedrohliche Komplikationen hervor und kann schließlich zum Tod durch Nierenversagen oder Hirnödeme führen. Deshalb muss der Körper während der Chemotherapie gut beobachtet werden.

Der Mediziner kann geeignete Medikamente verordnen, durch welche der Harnsäurewert absinkt und einer lebensgefährlichen Harnvergiftung vorgebeugt wird. Nach der Diagnose Krebs sollten sich die Patienten selbstständig über die Risiken einer Chemotherapie informieren, um über etwaige Symptome und Beschwerden im Bilde zu sein. Medizinische Fachbücher vermitteln das notwendige Wissen, um im Falle eines Tumorlyse-Syndroms die richtigen Maßnahmen ergreifen zu können.

Begleitend zur ursächlichen Behandlung lassen sich die einzelnen Symptome lindern, indem nach der ärztlichen Behandlung auf Schonung geachtet wird. Das Tumorlyse-Syndrom stellt eine große Belastung für den Körper dar, weshalb weiterer Stress unbedingt zu vermeiden ist. Die Diät und insbesondere die Nahrungsaufnahme sollte mit dem Arzt besprochen werden, um die medikamentöse Therapie optimal zu unterstützen.

Quellen

  • Pfeifer, B., Preiß, J., Unger, C. (Hrsg.): Onkologie integrativ. Urban & Fischer, München 2006
  • Preiß, J. et al.(Hrsg.): Taschenbuch Onkologie. Zuckschwerdt, München 2014
  • Sauer, R.: Strahlentherapie und Onkologie. Urban & Fischer, München 2009

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