Vigilanz

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

Sie sind hier: Startseite Körperprozesse Vigilanz

Bei der Vigilanz handelt es sich um eine ungerichtete, permanente Wachheit, die verschiedene Ausprägungen annehmen kann. Klinische Symptome und Syndrome, die sich in Gestalt von stark verringerter Vigilanz äußern, heißen quantitative Bewusstseinsstörungen und treten im Rahmen zahlreicher neurologischer, psychischer und anderer Erkrankungen auf.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Vigilanz?

Bei der Vigilanz handelt es sich um eine ungerichtete, permanente Wachheit.

Die Neurowissenschaften definieren Vigilanz als eine Form von Aufmerksamkeit, die einen Bestandteil der neuronalen Informationsverarbeitung darstellt. Die Vigilanz beschreibt den Aktivierungszustand des Nervensystems und ist nicht kategorial entweder vorhanden oder abwesend, sondern unterschiedlich stark ausgeprägt.

Vigilanz grenzt sich von anderen Formen der Aufmerksamkeit ab, da sie tonisch ist, das heißt permanent andauert und nicht nur in kurzen Phasen auftritt. Darüber hinaus ist Vigilanz stets ungerichtet.

Im Rahmen von körperlichen und psychischen Erkrankungen kann eine stark verringerte Vigilanz sich unter anderem als Somnolenz, Sopor oder Koma manifestieren.

Funktion & Aufgabe

Eine gesunde Person, die sich auf keine spezifische Arbeit konzentriert, befindet sich im bewussten Bereitschaftszustand: Spezifische Reize können die Aufmerksamkeit der Person erregen, plötzlich auftretende Gefahren lösen einen Alarmzustand aus und ganz allgemein steht das Bewusstsein den verschiedenen Sinneseindrücken offen.

Wenn die Person sich bewusst entspannt, geht sie in den bewussten Ruhezustand über und möglicherweise in eines der verschiedenen Schlafstadien. Ein Schlaflabor kann die Vigilanz im Schlaf bestimmen und aufzeichnen; vor allem im EEG können Diagnostiker erkennen, wie stark die tonische ungerichtete Aktivierung eines Menschen ausgeprägt ist.

Die Vigilanz unterliegt natürlichen Schwankungen im Verlauf eines Tages, die von Mensch zu Mensch abweichen können. Die kognitiven Neurowissenschaften bezeichnen solche Zyklen auch als zirkadiane Rhythmen; sie unterliegen der biologischen bzw. molekularen Uhr und basieren auf biochemischen Wechselwirkungen, die genetisch bedingt sind: Ein Individuum erlernt diese Zyklen nicht, sondern richtet sich intuitiv nach ihnen.

Üblicherweise erreicht die neuronale Aktivierung im Verlauf des Vormittags ihren Höhepunkt: Ärzte und Psychologen führen kognitive Funktionstests häufig in diesem Zeitraum durch, um die Leistungsfähigkeit einer Person einschätzen zu können und Störfaktoren durch tageszeitabhängige Schwankungen der Vigilanz so weit wie möglich auszuschließen.

Darüber hinaus variiert die Vigilanz auch im Rahmen von kürzeren Zyklen, sogenannten ultradianen Rhythmen. Dazu gehört auch der Basic Rest-Activity Cycle, kurz BRAC. Ein Durchlauf des BRAC dauert etwa 90 Minuten und ist durch unterschiedliche Ausprägungen der Vigilanz gekennzeichnet, die sich am Ende dieses Ablaufs wiederholen.

Das aufsteigende retikuläre Aktivationssystem (ARAS) stellt jenen Teil des Nervensystems dar, der sich unter anderem für die Steuerung der Vigilanz verantwortlich zeichnet. Das ARAS besitzt weitreichenden Einfluss auf den menschlichen Körper: Die Vigilanz beeinflusst nicht nur die neuronale Informationsverarbeitung, sondern wirkt sich auch auf das Hormonsystem und andere Bereiche des Organismus aus.


Krankheiten & Beschwerden

Störungen der Vigilanz bezeichnet vor allem die Psychiatrie als quantitative Bewusstseinsstörungen, Bewusstseinsverminderung oder -eintrübung. Im Gegensatz dazu bleibt bei qualitativen Bewusstseinsstörungen oder Bewusstseinsverschiebungen die Vigilanz erhalten. Quantitative Bewusstseinsstörungen können u. a. auf eine Beeinträchtigung der Hirnfunktionen hindeuten, die möglicherweise auf organische, toxikologische oder psychische Ursachen zurückgeht.

Die Medizin unterteilt quantitative Bewusstseinsstörungen in verschiedene Schweregrade, wobei Somnolenz, Sopor, Präkoma und Koma zu den wichtigsten gehören. Die Somnolenz zeichnet sich durch klinisch bedeutsame Schläfrigkeit aus und geht über das Maß normaler Müdigkeit hinaus. Sie kann beispielsweise im Rahmen eines Deliriums bei Alkoholentzug, akuter Intoxikation (beispielsweise mit psychotropen Drogen) auftreten. Somnolente Personen wirken und fühlen sich schläfrig und erwecken für Außenstehende den Eindruck geistiger Abwesenheit. Sie sind jedoch weckbar, zeigen (eventuell eingeschränkt) Reaktionen auf externe Reize und ihre Reflexe sind in der Regel noch vorhanden. Bei Somnolenz ist häufig eine intensivmedizinische, stationäre Behandlung notwendig.

Geiches gilt auch für den Sopor. Diese Bezeichnung bezieht sich auf das lateinische Wort für „Schlaf“, bezeichnet jedoch ebenfalls einen klinisch relevanten Zustand im Sinne einer quantitativen Bewusstseinsstörung. Personen im Sopor sind nicht nur schläfrig, sondern bewusstlos und wirken wie schlafend. Durch übliche Mittel wie Rütteln an den Schultern, lautes Ansprechen und ähnliche Maßnahmen sind Betroffene jedoch oft nicht zu erwecken. In der Regel ist ein starker Schmerzreiz oder ein vergleichbar starkes Signal notwendig, um eine Reaktion hervorzurufen.

Das Koma ist die stärkste Ausprägung der Bewusstseinseintrübung, da in diesem Zustand keine Wachheit mehr vorhanden ist: Betroffene scheinen zu schlafen, lassen sich jedoch nicht wecken und sind nicht ansprechbar. Darüber hinaus reagieren sie nicht mehr auf externe Reize und zeigen oft keine oder nur noch verringerte Reflexe. Beim Koma ist eine enge medizinische Überwachung auf eine Intensivstation notwendig.

Menschen, die unter Epilepsie leiden, erleben während eines Krampfanfalls ebenfalls eine Verminderung der Vigilanz, welche die kognitiven Neurowissenschaften zum Teil auch als epileptische Bewusstseinsänderung bezeichnen. Diese Form der Vigilanzstörung ist vorübergehend und klingt in der Regel nach dem Krampfanfall ab. Komplikationen führen in einigen Fällen zu eventuell länger andauernden Einschränkungen der ungerichteten tonischen Aufmerksamkeit.

Die Narkose, zum Beispiel im Zusammenhang mit einer Operation, beschreibt eine künstliche, mit Medikamenten herbeigeführte Verminderung der Vigilanz.

Quellen

  • Becker-Carus, C., Wendt, M.: Allgemeine Psychologie. Springer 2. Auflage, Berlin 2017
  • Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010
  • Poeck, K., Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010

Das könnte Sie auch interessieren