Achondroplasie

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 7. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Achondroplasie stellt die häufigste Form des erblich bedingten Kleinwuchses dar. Dabei kommt es zu Störungen des Knorpel- und Knochenwachstums. Es besteht eine normale Lebenserwartung.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Achondroplasie?

Die Achondroplasie stellt die häufigste Form des erblich bedingten Kleinwuchses dar. Der Defekt wird autosomal dominant vererbt. Das heißt also, dass ein Gen für den Ausbruch der Krankheit reicht.

Die Achondroplasie ist die klassische Form des Kleinwuchses. Auf ungefähr 20.000 Geburten kommt ein Kind mit Achondroplasie. Die Erkrankung ist genetisch bedingt und kommt in 80 Prozent der Fälle sporadisch vor. Bei den anderen 20 Prozent erfolgt eine autosomal dominante Vererbung. So wird der Kleinwuchs zu 50 Prozent weitervererbt, wenn ein Elternteil davon betroffen ist. Ein mit dem defekten Gen homozygoter Fetus ist nicht lebensfähig.

Bei den Neumutationen korreliert die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer Achondroplasie bei den Nachkommen mit dem Alter des Vaters. Die Intelligenz und die Lebenserwartung der Betroffenen sind normal. Das Wachstum verzögert sich erst nach der Geburt. Die betroffenen Kinder kommen mit einer normalen Größe auf die Welt. Durch eine Störung des Knorpelwachstums verschließen sich die Epiphysenfugen zu früh.

Dabei kommt das Wachstum zum Stillstand. Menschen mit Achondroplasie erreichen eine durchschnittliche Körpergröße von 120 bis 130 Zentimetern. Die betroffenen Frauen erreichen in der Regel eine Körpergröße von 120 Zentimetern und Männer 130 Zentimeter.

Ursachen

Die Ursache für die Achondroplasie ist ein genetischer Defekt im Fibroblasten Wachstumsfaktor-Rezeptor-Gen (FGFR-3). Bei Ausfall oder einem Defekt dieses Gens wird der Rezeptor für die Fibroblasten-Wachstumsfaktoren unwirksam. Diese Wachstumsfaktoren sind für die normale Fibroblastenproduktion verantwortlich. Wenn ihr Rezeptor fehlt, kommt es zur Störung der Produktion von Fibroblasten.

Der Defekt wird autosomal dominant vererbt. Das heißt also, dass ein Gen für den Ausbruch der Krankheit reicht. Wenn die entsprechenden Gene beider Elternteile den Defekt aufwiesen, wäre der Embryo nicht lebensfähig. Die Punktmutation, welche zur Achondroplasie führt, ist sehr gut definiert. So kommt es in 97 Prozent aller Fälle im codierten Protein an der Position 380 zu einem Austausch von Glyzin durch Arginin, wobei im Gen an der entsprechenden Stelle ein G-A-Austausch (Guanin zu Adenin) stattfindet.

In drei Prozent der Fälle ist an dieser Stelle ein G-C-Austausch (Guanin zu Cytosin) zu verzeichnen. Im codierten Protein findet jedoch der gleiche Aminosäureaustausch statt.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die Achondroplasie ist durch eine Vielzahl von körperlichen Auffälligkeiten gekennzeichnet. Das Hauptmerkmal ist der disproportionierte Kleinwuchs. Oberschenkel und Oberarme sind verkürzt. Der Oberkörper zeigt eine normale Körpergröße. Auffällig sind die kurzen Finger, der vergrößerte Schädel mit Balkonstirn und die Mittelgesichtshypoplasie mit flacher Nasenwurzel.

Die Mittelgesichtshypoplasie ist bereits bei der Geburt erkennbar. Im Gegensatz zu den Extremitäten ist der Rumpf lang und schmal. Durch die zu kurzen Extremitäten, kurzen Fingern, dem großen Kopf und dem zu kurzen Hals werden die grobmotorischen Fähigkeiten nur sehr langsam erlernt. Durch die Hypoplasie des Mittelgesichts und den gleichzeitig vergrößerten Mandeln leidet der Patient oft an obstruktiver Schlafapnoe. Sehr häufig liegt auch eine chronische Mittelohrentzündung vor, die zu Hörproblemen führen kann.

Auch ein Zahnengstand kommt oft vor. Der obere Abschnitt der Wirbelsäule ist in Form einer Kyphose verkrümmt. Die Verkrümmung tritt schon sehr früh auf. Gleichzeitig liegt auch ein Hohlkreuz vor. Die Betroffenen haben häufig O- oder X-Beine. Auffällig sind auch die Überstreckbarkeit der Gelenke und die breiten, kurzen und dreizackförmigen Hände. Im frühen Säuglings- oder Kleinkindalter kann es zuweilen durch die Rückenmarkskompression zu Atemstillständen kommen.

Des Weiteren sind darauf hin Entwicklungsverzögerungen und weitere langfristige Symptome zurückzuführen. Im Erwachsenenalter führt eine Spinalkanalstenose häufig zu neurologischen Problemen. Gleichzeitig treten Herz-Kreislauf-Probleme auf. Ein häufiges Problem ist auch das Auftreten von Adipositas. Schwangerschaften sind möglich, aber die betroffenen Frauen müssen aufgrund des engen Beckens durch einen Kaiserschnitt entbunden werden.

Diagnose & Verlauf

Die Diagnose der Achondroplasie erfolgt zunächst aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes. Allerdings müssen andere Formen des Kleinwuchses differenzialdiagnostisch ausgeschlossen werden. Der große Kopf mit Balkonstirn und flacher Nase ist sehr charakteristisch und dient als wichtiges Merkmal zur Abgrenzung. Des Weiteren erfolgen noch radiologische Untersuchungen, die typische Veränderungen des Skelettes aufspüren. Bestätigt wird die Diagnose jedoch abschließend durch die molekulargenetische Untersuchung des FGFR3-Gens.

Komplikationen

Als mögliche Komplikation der Achondroplasie ist neben einer abnormen Schädelbasis auch eine Mittelgesichtshypoplasie zu nennen. Bei Frauen kann im Zuge von deutlichem Übergewicht (Adipositas) auch eine Problematik im Rahmen der Geburtshilfe auftreten. Im Zuge der abnormen Schädelbasis kann es zudem zu einem engen Foramen occipitale magnum (Verengung des großen Hinterhauptlochs) kommen, das mit einem erhöhten intrakraniellen Druck verbunden ist (Erhöhung des Hirndrucks).

Oftmals gesellt sich bei Vorliegen dieser Komplikation auch eine zervikomedulläre Kompression hinzu, die im günstigsten Fall als Halswirbelsäulentrauma zutage tritt, in ihrer gesteigerten Form auch mit einer Halswirbelsäulenmarkverletzung auftritt. In einzelnen Fällen kann es bei Vorliegen der Komplikation eines engen Foramen occipitale zu einer zentralen Apnoe (Atemaussetzer) kommen.

Bei Auftreten einer Mittelgesichtshypoplasie (Verkleinerung des Mittelgesichts) kann es zu Zahnentwicklungsstörungen kommen, zu Schwerhörigkeit, dem Auftreten einer Otitis media (Mittelohrentzündung), zu Sprachproblemen und einem relativen Anschwellen der Tonsillen (Mandeln). Weitere Komplikationen der Achondroplasie sind Spinalkanalstenosen, also Verengungen im Bereich des Rückenmarkkanals.

Bedingt hierdurch können sich Sensibilitätsstörungen in den Beinen entwickeln und im schlimmsten Fall eine Parese (Lähmung) der Beine auftreten. Auch können sich Störungen im Bereich der Blase und des Mastdarms entwickeln. Im Bereich der Knies kann die Achonroplasie eine Instabilität der Kniebänder bewirken. Als psychosoziale Komplikation können neben der Manifestation einer Depression auch ein vermindertes Selbstwertgefühl und Probleme in der Partnerschaft auftreten.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Mit einer Achondroplasie muss nicht unbedingt zum Arzt gegangen werden. Eine medizinische Behandlung ist nur dann erforderlich, wenn körperliche oder seelische Beschwerden auftreten. Kommt es aufgrund der typischerweise verengten Eustachi-Röhre beispielsweise immer wieder zu Mittelohrentzündungen, muss dies operativ behandelt werden. Auch körperliche Fehlbildungen wie O-Beine oder X-Beine bedürfen nur bei gesundheitlichen Problemen einer Behandlung. Häufig leiden Kleinwüchsige unter Rückenschmerzen, Knie- und Hüftgelenkschmerzen und unter Mittelohr- und Nasennebenhöhlenentzündungen.

Diese Erkrankungen müssen bei einem entsprechenden Facharzt diagnostiziert und behandelt werden. Selten treten auch Lähmungserscheinungen und Funktionsstörungen der Finger und Zehen auf. Sobald die Achondroplasie Beschwerden dieser Art hervorruft, muss ebenfalls ein Arzt konsultiert werden. Weitere Ansprechpartner sind Chiropraktiker, Neurologen und Orthopäden.

Sollte der Kleinwuchs psychische Probleme verursachen, kann ein Therapeut konsultiert werden. Eltern, deren Kinder kleinwüchsig sind, können in Rücksprache mit dem Kinderarzt zudem entsprechende Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen aufsuchen. Durch einen frühzeitigen Umgang mit der Achondroplasie können psychische, aber auch körperliche Beeinträchtigungen im späteren Leben reduziert werden.

Behandlung & Therapie

Die Behandlung der Achondroplasie ist symptomatisch. Funktionelle Behinderungen durch Wirbelsäulenanomalien und beginnende Lähmungen können nur durch stabilisierende chirurgische Eingriffe an der Wirbelsäule behoben werden. Bei Säuglingen ist oft eine Dekompression an der Wirbelsäule durch einen chirurgischen Eingriff notwendig. Manchmal wird auch versucht, eine operative Gliedmaßenverlängerung durchzuführen.

Die ständigen Mittelohrentzündungen erfordern auch eine kontinuierliche Behandlung. Wenn eine obstruktive Schlafapnoe vorliegt, kann es sinnvoll sein, die Mandeln zu entfernen und im Falle von Adipositas eine Gewichtsreduzierung anzustreben. Chirurgische Maßnahmen können zur Behandlung von Beinfehlstellungen, Wirbelsäulenverkrümmungen und Wirbelkanalverengungen durchgeführt werden.

Wichtig ist auch das Angebot einer psychologischen und sozialen Unterstützung. Durch die gute Behandelbarkeit der einzelnen Symptome ist die Lebenserwartung normal oder nur leicht reduziert.

Aussicht & Prognose

In den meisten Fällen wird die Lebenserwartung durch die Achondroplasie nicht beeinflusst. Allerdings treten Fehlbildungen und Wachstumsstörungen auf, die das Leben des Patienten einschränken können. So treten etwa verkürzte Finger auf, die das Greifen erschweren.

Ebenso leiden die Betroffenen an Hörbeschwerden und Entzündungen in den Ohren. Dabei kann es im schlimmsten Falle auch zum kompletten Hörverlust kommen. Die Gelenke werden oft überstreckt, was vor allem für andere Menschen bizarr wirken kann. Damit kommt es bei Kindern zu Mobbing und zu Hänseleien. Weiterhin können auch Atembeschwerden durch die Achondroplasie auftreten, sodass es im schlimmsten Falle zum Atemstillstand kommen kann. Auch das Herz ist von den Fehlbildungen betroffen und der Patient leidet an einer verzögerten Entwicklung.

Im weiteren Verlauf der Krankheit treten auch Störungen der Sensibilität und Lähmungen auf. Diese können die Bewegung des Patienten einschränken, sodass dieser gegebenenfalls auf die Hilfe anderer Menschen im Alltag angewiesen ist. Oft wird eine psychologische Unterstützung benötigt.

Die Behandlung erfolgt meistens nur symptomatisch und kann die Beschwerden lindern. Viele der Fehlbildungen und Fehlstellungen können dadurch korrigiert werden.


Vorbeugung

Die Vererbung der Achondroplasie erfolgt autosomal dominant. Deshalb ist zur Prophylaxe der Vererbung des Kleinwuchses eine humangenetische Beratung sinnvoll. Denn diese Form des Kleinwuchses kann nur von einem Elternteil auf die Nachkommen vererbt werden. Das ist dann der Fall, wenn das defekte Gen weitergegeben wird.

In betroffenen Familien besteht daher eine 50-prozentige Wahrscheinlichkeit für das Kind, auch an Achondroplasie zu leiden. Allerdings besteht gegen ein spontanes Auftreten der Erkrankung keine Vorbeugemöglichkeit.

Nachsorge

Achondroplasie-Patienten bedürfen einer umfassenden Nachsorge. Der Kleinwuchs kann sich auf verschiedene Regionen des Körpers auswirken und hat bisweilen auch Auswirkungen auf die psychische Verfassung der Betroffenen. Der zuständige Orthopäde wird dementsprechend eine umfassende Untersuchung vornehmen, um sicherzustellen, dass keine neuerlichen Beschwerden auftreten.

Mit steigendem Alter der Betroffenen kann es zu weiteren Einschränkungen im Bereich der Wirbelsäule, der Gelenke und der Knochen kommen, die frühzeitig erkannt werden müssen. Die Nachsorge sollte alle drei bis sechs Monate stattfinden, immer abhängig von der Gesundheit des Patienten und etwaigen Begleiterscheinungen. Bei einem positiven Krankheitsverlauf können die Verlaufskontrollen nach und nach reduziert werden.

Achondroplasie-Patienten benötigen jedoch dauerhaft ärztliche Unterstützung. Die Nachsorge konzentriert sich dementsprechend meist darauf, nach den Operationen sicherzustellen, dass die Wunden gut verheilen und keine Probleme beim Bewegen der betroffenen Körperteile auftreten. Vor allem muss Funktion bzw. Bewegungsfähigkeit der betroffenen Körperteile überprüft werden.

Bei Beteiligung der Organe sind regelmäßige Ultraschalluntersuchungen empfehlenswert. Da die Achondroplasie ganz unterschiedliche Ausprägungen haben kann, variiert die Nachsorge von Patient zu Patient erheblich. Betroffene sollten sich strikt an die Vorgaben des Arztes halten, damit langfristig eine Besserung der Beschwerden erreicht werden kann.

Das können Sie selbst tun

Die genetisch bedingte Achondroplasie ist zwar eine sehr seltene Erbkrankheit, stellt aber den größten Anteil innerhalb der Gruppe der Kleinwüchsigen. Da die Kleinwüchsigkeit bereits bei Neugeborenen erkannt werden kann, werden die Kinder recht früh mit ihrer Andersartigkeit konfrontiert. Selbsthilfemaßnahmen, die den Krankheitsverlauf beeinflussen könnten, sind nicht bekannt.

Um die Kinder bestmöglich an den Alltag heran zuführen, empfiehlt es sich für die Eltern, mit einer der Selbsthilfegruppen Kontakt aufzunehmen, in denen sie mit anderen betroffenen Eltern reden und ihre Erfahrungen untereinander austauschen können. Eine der wichtigsten Selbsthilfemaßnahmen für Eltern besteht darin, bei den Kindern trotz ihres Kleinwuchses und möglicher weiterer körperlicher Beeinträchtigungen ein stabiles Selbstwertgefühl aufzubauen. Nicht zuletzt gewinnen Selbsthilfegruppen auch für die Betroffenen mit zunehmendem Alter an Bedeutung, weil sie über eigene Erfahrungen berichten können und mit den Erfahrungen anderer Kinder mit Achondroplasie konfrontiert werden.

Eine weitere wichtige Maßnahme bzw. Aufgabe der Eltern besteht darin, Wohnung oder Haus mit kleinen technischen Hilfsmitteln wie die Installierung von elektrischen Zugschaltern, Kordeln an den Türklinken, niedrige Garderobenhaken und vielem mehr so zu verändern, dass dem betroffenen Kind möglichst früh eine gewisse Selbständigkeit ermöglicht. Ebenso sollte darauf geachtet werden, dass das Kind bei sportlichen Betätigungen wie Skifahren, Radfahren oder Skating einen Helm trägt, um der leichteren Verletzungsgefahr vorzubeugen.

Quellen

  • Breusch, S., Mau, H., Sabo, D., Clarius, M. (Hrsg.): Klinikleitfaden Orthopädie, Unfallchirurgie. Urban & Fischer, München 2013
  • Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Witkowski R., Prokop O., Ullrich E.: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. Springer, Berlin 2003

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