Analgetikanephropathie
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 22. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Zu einer Analgetikanephropathie kommt es durch den jahrelangen Gebrauch von bestimmten Schmerzmitteln. Im schlimmsten Fall hat die chronisch interstitielle Nephritis komplettes Nierenversagen zur Folge.
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Was ist eine Analgetikanephropathie?
Die Analgetikanephropathie trägt in der Medizin auch die Bezeichnung Phenacetin-Niere. Gemeint ist damit eine chronische tubolo-interstitielle Nephropathie, die durch einen längeren Missbrauch von verschiedenen Schmerzmitteln entsteht. Bedeutendster Bestandteil dabei ist der Wirkstoff Phenacetin.
Darüber hinaus gelten auch nicht-steroidale Antiphlogistika wie Acetylsalicylsäure (ASS) und Paracetamol als mögliche Auslöser. Der Anteil der Analgetikanephropathie an einer terminalen Niereninsuffizienz liegt zwischen ein und drei Prozent. Beim weiblichen Geschlecht zeigt sich die Erkrankung deutlich häufiger als beim männlichen Geschlecht.
So greifen Frauen häufiger auf Schmerzmittel zurück als Männer. Bei Menschen, von denen in regelmäßigen Abständen Phenacetin oder Mischanalgetika eingenommen werden, fällt das Risiko, an einer Analgetikanephropathie zu erkranken, zwanzig Mal höher aus als bei anderen Personen. Im Jahr 1986 wurde Phenacetin in Deutschland verboten. Seitdem ist die Erkrankung in der Bundesrepublik fast vollständig verschwunden.
Ursachen
Die Ursache für eine Analgetikanephropathie war in früheren Jahren die ständige Einnahme von Arzneimitteln, die den Wirkstoff Phenacetin enthielten. Diese wurden nicht selten als Mischpräparate angeboten. So war in ihnen neben Phenacetin auch Koffein oder Codein enthalten. Durch die Verwendung von Mischpräparaten mit Paracetamol bestand ein zwei bis drei Mal höheres Risiko an einer Analgetikanephropathie zu erkranken.
Besondere Verbreitung fand die Analgetikanephropathie in der DDR, Australien, der USA, der Schweiz, Belgien, Schweden sowie in Osteuropa. In Westdeutschland betrug der Anteil von Menschen mit einer Analgetikanephropathie zwischen vier und neun Prozent bei dialysepflichtigen Patienten.
Trotz der weiteren Verwendung von Paracetamol-Mischanalgetika verschwand die Analgetikanephropathie nach dem Verbot von Phenacetin fast vollständig. Phenacetin sowie sein Metabolit Paracetamol haben die Eigenschaft, das Hemmen der Prostaglandinsynthese zu bewirken. Bei Prostaglandinen handelt es sich um Gewebshormone, die Schmerzen und Entzündungen induzieren.
Dabei wird das Prostaglandin E2 gehemmt, das zum Beispiel für eine Erweiterung und Mehrdurchblutung des Nierenmarks verantwortlich ist. Das ständige arzneimittelinduzierte Hemmen bewirkt das Entfallen der Gefäßerweiterung (Vasodilatation), was wiederum eine dauerhafte Minderdurchblutung des Nierenmarks zur Folge hat. Dadurch kommt es zur Entstehung von Ischämien sowie Papillennekrosen.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Im Anfangsstadium der Analgetikanephropathie lassen sich zunächst keine Symptome wahrnehmen. Im weiteren Verlauf der Erkrankung kommt es dann zu Beschwerden wie Abgeschlagenheit und Kopfschmerzen. Die Haut der betroffenen Personen weist eine braun-graue Färbung auf. Ferner machen sich die Anzeichen einer Blutarmut (Anämie) bemerkbar.
Sie werden durch Magen-Darm-Blutung, eine Hämolyse sowie die Entstehung von Sulf- und Methämoglobin hervorgerufen. Gehen spontan nekrotische Papillenanteile ab, besteht die Gefahr einer Harnleiterkolik. Weitere Anzeichen einer Analgetikanephropathie können eine Hypokaliämie, eine Hyponatriämie, sich ständig wiederholende Harnwegsinfekte sowie eine distale renal-tubuläre Azidose sein.
Aufgrund einer verminderten Harnkonzentrationsfähigkeit sind zudem tubuläre Funktionsstörungen im Bereich des Möglichen. Im schlimmsten Fall zeigt sich eine terminale chronische Niereninsuffizienz. Als mögliche Spätkomplikation eines Missbrauchs von Phenacetin kommt ein erhöhtes Urothelkarzinom-Risiko infrage.
Diagnose & Verlauf
Besteht der Verdacht auf eine Analgetikanephropathie, befasst sich der Arzt zunächst ausführlich mit der Anamnese (Krankengeschichte) des Patienten. Dabei kann es erforderlich sein, einen möglichen Missbrauch von Schmerzmitteln festzustellen. Als wegweisend gilt ein Gesamtverbrauch von mehr als 1000 Gramm Phenacetin.
Bei Verdacht auf einen Missbrauch des Arzneistoffs lässt sich das Abbauprodukt N-Acetyl-Paraminophenol (NAPAP) innerhalb des Urins bestimmen. Als Untergrenze für das Entstehen einer Analgetikanephropathie wurde eine tägliche Einnahme von einem Gramm Phenacetin pro Tag über einen Zeitraum von ein bis drei Jahren festgelegt. Gleiches gilt für eine Gesamtmenge von einem Kilogramm Phenacetin zusammen mit anderen Schmerzmitteln.
Die Diagnostik einer Analgetikanephropathie umfasst verschiedene Untersuchungsmethoden. Dazu zählen der 24-Stunden-Sammelurin, das Nachweisen einer normochromen Anämie, das Nachweisen einer Hämaturie, ein Ausscheidungsprogramm sowie das Messen des Blutdrucks. Im Rahmen einer Ultraschalluntersuchung (Sonographie) oder einer Computertomographie (CT) lassen sich im fortgeschrittenen Stadium Verkleinerungen der Nieren, Verkalkungen an den Papillen sowie Papillennekrosen diagnostizieren.
Im Befund der Urinprobe kann eine Leukozyturie vorhanden sein. Von Bedeutung ist außerdem die Differentialdiagnose von anderweitigen chronisch tubolo-interstitiellen Nierenentzündungen. Gleiches gilt für eine diabetische Nephropathie, eine Sichelzellanämie oder eine Urogenital-Tuberkulose.
Wird der schädigende Wirkstoff abgesetzt, bevor es zu einer terminalen Niereninsuffizienz kommt, nimmt die Analgetikanephropathie zumeist einen positiven Verlauf. So wird die Erkrankung in diesem Fall rechtzeitig gestoppt.
Komplikationen
Eine Analgetikanephropathie entsteht durch den Missbrauch von Schmerzmitteln, welches unterschiedlichste Komplikationen hat. Allgemein können Analgetika zu einer Suchtentwicklung führen, der Betroffene kann von den Schmerzmitteln abhängig werden und zeigt eine Entzugssymptomatik nach Absetzen des Medikaments, wodurch sowohl körperliche als auch psychische Symptome entstehen. Durch bestimmte Analgetika kann das Blut auch übersäuern. Zudem ist das Risiko von Geschwüren (Ulcera) im Magen-Darm-Bereich erhöht.
Die Nephropathie kann zu einem Versagen der Niere führen. Dies führt zu einer starken Beeinträchtigung der Lebensqualität. Zunächst kommt es dabei zu einem erhöhten Durchfluss (Polyurie), welcher schnell wieder versiegt (Oligurie). Daneben kommt es zu einer Erhöhung der Konzentration von harnpflichtigen Substanzen im Blut wie zum Beispiel Kreatinin, aber auch Giftstoffe wie Ammoniak. Ammoniak kann zu einer Blutvergiftung (Urämie) führen.
Zudem kann es zu einem Übertritt des Ammoniak ins Zentrale Nervensystem kommen und zu einer Enzephalopathie. In den schlimmsten Fällen muss eine Dialyse interveniert werden. Des Weiteren geht Nierenversagen mit einer verminderten Ausscheidung von Kalium (Hyperkaliämie)einher, was zu Herzrhythmusstörungen führen kann. Störung des Säure-Base-Haushalts aufgrund einer verminderten Ausscheidung von Säuren durch die Niere begünstigen nochmals die Hyperkaliämie. Daneben kommt es aufgrund der verminderten Ausscheidung von Flüssigkeiten zu einer Erhöhung des Risikos von Ödemen.
Wann sollte man zu einem Arzt gehen?
Eine Analgetikanephropathie sollte in jedem Fall von einem Arzt untersucht und auch behandelt werden. Der Arzt sollte vor allem dann aufgesucht werden, wenn der Betroffene schon seit einem längeren Zeitraum Schmerzmittel einnimmt. In der Regel leiden die Patienten dabei an starken Kopfschmerzen, Müdigkeit und Abgeschlagenheit. Sollte sich weiterhin auch die Haut des Betroffenen braun oder grau färben, so muss auf jeden Fall ein Arzt aufgesucht werden.
Auch bei den Symptomen einer Blutarmut ist eine sofortige Behandlung notwendig. Die Betroffenen können im weiteren Verlauf eine Niereninsuffizienz erleiden. Sollten dabei Beschwerden an den Nieren oder an den Harnwegen auftreten, so muss ebenso dringend ein Arzt konsultiert werden. Auch Blutungen im Bereich des Magens und des Darms können Symptome einer Analgetikanephropathie sein und sollten untersucht werden. In der Regel kann sich der Betroffene anfangs an einen Allgemeinarzt wenden. Sollten die Beschwerden akut sein, so kann auch ein Notarzt gerufen werden.
Behandlung & Therapie
Eine Analgetikanephropathie ist stets behandlungsbedürftig. Den wichtigsten Therapieschritt stellt das Absetzen der auslösenden Medikamente dar. Darüber hinaus gilt es, die Blutarmut sowie vorliegende Harnwegsinfektionen wie eine Nierenbeckenentzündung konsequent zu behandeln. Dazu können zum Beispiel die Gabe von Antibiotika sowie das Ausschalten der Risikofaktoren gehören.
Wichtig ist zudem eine ausreichende Zufuhr an Flüssigkeit. Liegt bereits eine Niereninsuffizienz vor, muss diese ebenfalls behandelt werden. Sind nur leichte oder mittlere Funktionseinschränkungen zu verzeichnen, soll einer weiteren Verschlechterung entgegengewirkt werden. Dazu gehören unter anderrem eine Verminderung von Kochsalz sowie eine eiweißreduzierte Ernährung.
Im Falle von chronischem Nierenversagen können im fortgeschrittenen Stadium nur noch eine Dialyse (Blutwäsche) oder sogar eine Transplantation der Nieren helfen. In letzterem Falle bedarf es eines geeigneten Spenderorgans.
Aussicht & Prognose
Im schlimmsten Falle führt die Analgetikanephropathie zu einem vollständigen Nierenversagen des Patienten. Der Betroffene ist dann in der Regel auf Dialyse und auf die Transplantation einer Niere angewiesen, um weiterhin zu überleben.
Im Fortlaufen der Krankheit kommt es nicht selten zu Infekten an den Harnwegen, die zu relativ starken und vor allem brennenden Schmerzen beim Wasserlassen führen. Die Schmerzen im Allgemeinen können sich negativ auf die Psyche des Betroffenen auswirken und dabei möglicherweise zu Depressionen oder zu anderen psychischen Verstimmungen führen.
Ebenso führt die Analgetikanephropathie zu Blutungen im Bereich des Magens und des Darms, sodass es zu relativ starken Schmerzen kommt. Die Betroffenen leiden dabei an Kopfschmerzen und auch an einer starken Abgeschlagenheit. Durch die Blutarmut sinkt auch die Belastbarkeit des Betroffenen deutlich ab, sodass es zu verschiedenen Einschränkungen im Alltag des Patienten kommt.
In der Regel muss die Analgetikanephropathie mit Hilfe von Medikamenten behandelt werden, um verschiedene Entzündungen einzuschränken. Die Betroffenen müssen sich weiterhin auch schonen und dürfen keine anstrengenden Tätigkeiten durchführen. Ob es dabei zu einer Verringerung der Lebenserwartung durch die Analgetikanephropathie kommt, kann nicht im Allgemeinen vorausgesagt werden.
Vorbeugung
Als beste Vorbeugemaßnahme gegen eine Analgetikanephropathie gilt das Vermeiden eines Schmerzmittelmissbrauchs. Eine Einnahme von Phenacetin kann in der heutigen Zeit allerdings nicht mehr vorkommen, weil das Mittel seit 1986 verboten ist.
Nachsorge
Die Nachsorge soll unter anderem das Wiederauftreten einer Erkrankung verhindern. Dieses lässt sich bei einer Analgetikanephropathie am besten durch die Vermeidung der auslösenden Stoffe erreichen. Seit dem Jahr 1986 gibt es ein Verbot von Phenacetin. Dadurch ist die Erkrankung in Deutschland kaum noch existent.
Ärzte wissen um die negativen Folgen und verschreiben entsprechende Präparate nicht mehr. Grundsätzlich leiden Patienten immer wieder an den typischen Beschwerden, nachdem die auslösenden Stoffe eingenommen wurden. Eine Immunität baut sich nicht auf. Wird eine Therapie vor einer Niereninsuffizienz aufgenommen, ergibt sich eine gute Aussicht auf Heilung.
Mögliche Komplikationen betreffen die Niere. Diese versagt regelmäßig, insofern keine akute Behandlung stattfindet und sich die auslösenden Stoffe lange im Blutkreislauf befinden. Dann müssen Patienten eine regelmäßige Dialyse durchführen. Zur Verbesserung der Lebensqualität empfiehlt sich meist eine Transplantation. Planmäßige Nachkontrollen beinhalten eine Anamnese, Urinproben, Blutmessungen und eine Sonographie.
Mit zunehmender Zeit müssen Betroffene Medikamente einnehmen, um Entzündungen zu verhindern. Im Alltag empfiehlt es sich, eine Reihe an Vorsorgemaßnahmen durchzuführen. Dazu zählen eine hohe Flüssigkeitszufuhr, Muskelentspannungstechniken und eine zumindest leichte körperliche Aktivität. Diese und andere Maßnahmen wirken schmerzlindernd. Ein Arzt kann übergangsweise eine Therapie anordnen.
Das können Sie selbst tun
Patienten mit einer Analgetikanephropathie können zur Verbesserung ihrer Erkrankung selber maßgeblich beitragen. Dies gilt insbesondere, wenn die Niereninsuffizienz in einem noch reversiblen Stadium diagnostiziert wurde.
An erster Stelle steht die Verhaltensänderung. Die Einnahme von Schmerzmitteln ist vollständig zu unterlassen. Denkbar ist eine alternative Behandlung der Grunderkrankung, die ohne die Einnahme von Schmerzmitteln auskommt. Zusätzlich können Verhaltensweisen eingeübt werden, mit denen auch chronische Schmerzen beherrschbar werden, ohne dass Analgetika eingenommen werden müssen.
Autogenes Training und progressive Muskelentspannung können zur Linderung von Schmerzen beitragen. Ratsam ist auch die Integration von Bewegung und Sport in den Alltag. Hierdurch werden Folgeerkrankungen durch Bewegungsmangel vermieden. Körperliche Aktivität und Sport wirken auch selber durch die Ausschüttung von Glückshormonen schmerzlindernd. Ideal ist Sport in der Gruppe mit Menschen ähnlicher körperlicher Leistungsfähigkeit.
Zusätzlich ist eine angepasste Ernährung wichtig. So hilft eine hohe Flüssigkeitszufuhr den Nieren bei der Regeneration. Wasser, Blasen- und Nierentees oder sehr stark verdünnte Säfte sind als Getränke gut geeignet. Kalium- und kochsalzreiche Nahrungsmittel sind zu meiden. Vitamine sollten aber substituiert werden, wenn sie nicht ausreichend mit der Nahrung aufgenommen werden können. Aufgrund ungünstiger Nährstoffzusammensetzung und der hohen Dichte an Salzen ist der Verzehr von Fertiggerichten nicht angezeigt. Eine Reduzierung von Proteinen unterstützt die Therapie ebenfalls.
Quellen
- Braun, J., Dormann, A.J.: Klinikleitfaden Innere Medizin. Urban & Fischer München 2013
- Hautmann, R.: Urologie. Springer, Heidelberg 2010
- Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013