Bakterielle Ruhr

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 6. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die bakterielle Ruhr, Shigellose oder Shigellenruhr ist eine meldepflichtige Infektion des Darms, die in ihrer schweren Variante bei bis zu 10 Prozent der betroffenen Patienten zum Tod führen kann. Ausgelöst wird diese Dickdarminfektion durch Bakterien der Gattung Shigella. Die bakterielle Ruhr ist nicht mit der Amöbenruhr zu verwechseln, an der besonders Reisende in tropische und subtropische Regionen erkranken.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die bakterielle Ruhr?

Bei der bakteriellen Ruhr kommt es zu plötzlichen und heftigen Symptomen. Innerhalb der ersten beiden Krankheitstage tritt meist ein wässriger Durchfall mit Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen auf.
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Bei der bakteriellen Ruhr kommt es zu einem Befall mit einem der insgesamt vier verschiedenen Shigellen-Arten, wobei Typ A Shigella dysenteriae zur schwersten Verlaufsform mit einer hohen Todesrate gehört.

Die bakterielle Ruhr führt zu einer starken Entzündung des Dickdarms und verursacht nach einer Inkubationszeit von zwei bis sieben Tagen schwere Durchfälle. Es finden bis zu dreißig Darmentleerungen pro Tag statt, die die Erkrankten stark schwächen.

Die Infektion erfolgt über Blut oder Urin und es reicht der Kontakt mit kontaminierten Gegenständen, Händen, Wasser und Lebensmitteln. Da das Shigella-Bakterium säureresistent ist, wird die bakterielle Ruhr nicht durch die Magensäure aufgehalten oder die Erregerzahl auf dem Weg in den Darm vermindert.

Ursachen

Infektionsquelle einer bakteriellen Ruhr sind zumeist ein anderer Erkrankter und seine Ausscheidungen. Durch Schmierinfektion wird die bakterielle Ruhr übertragen. Nur wenige Shigellen reichen zur Neuinfektion aus.

Das Bakterium passiert weitgehend ungehindert den Magen und gelangt schließlich in den Dickdarm, wo es beim Typ A einen Giftstoff produziert, der die bakterielle Ruhr auslöst. Für bakterielle Ruhr sind die hygienischen Verhältnisse und gesundheitlichen Vorbedingungen ein wesentlicher Faktor für die Verbreitung.

Besonders in Notsituationen nach Katastrophen, bei denen viele Menschen unter schlechten hygienischen Bedingungen auf engem Raum zusammen sind, verbreitet sich die bakterielle Ruhr schnell und kann nur mit erheblichem Aufwand wieder eingedämmt werden. Körperlich geschwächte Menschen, Alte und kleine Kinder sind besonders gefährdet.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Bei der bakteriellen Ruhr kommt es zu plötzlichen und heftigen Symptomen. Innerhalb der ersten beiden Krankheitstage tritt meist ein wässriger [[Durchfall] mit Bauchschmerzen, Übelkeit] und Erbrechen auf. Je nachdem, welcher Erreger ursächlich ist, klingt die Diarrhö entweder folgenlos ab oder entwickelt sich zu blutigem oder schleimig-eitrigem Durchfall. Damit gehen Beschwerden wie Bauchkrämpfe, schmerzhafter Stuhlgang und Koliken einher.

Der Flüssigkeitsverlust äußert sich durch Bewusstseinsstörungen und äußerliche Veränderungen wie eine eingefallene Haut, Augenränder und eingerissene Mundwinkel. Meist ruft eine bakterielle Ruhr Fieber] hervor, das durch Schweißausbrüche und andere eindeutige Symptome gekennzeichnet ist. Bei einem schweren Verlauf kann die Shigellose starke Schmerzen hervorrufen.

Im Extremfall bricht der Darm durch und es kommt zu einer Blutvergiftung. Die genannten Symptome treten bei einer bakteriellen Ruhr nach ein bis zwei Tagen auf und klingen bei einem positiven Verlauf innerhalb einer Woche wieder ab. Etwaige Komplikationen verzögern den Heilungsverlauf und äußern sich durch eine rasche Zunahme des Krankheitsgefühls. Meist sind die Betroffenen sehr blass und nicht mehr leistungsfähig. Die einzelnen Symptome treten bei der Shigellose in unterschiedlichen Ausprägungen auf, können aber eindeutig auf die Infektionskrankheit zurückgeführt werden.

Diagnose & Verlauf

Kennzeichnend für eine bakterielle Ruhr sind zuerst wässrige, dann schleimig-blutige Durchfälle, die von kollikartigen Bauchschmerzen sowie dem schmerzhaften Drang zur Darmentleerung und Fieber begleitet werden. Die bakterielle Ruhr wird zunächst anhand dieser Symptome und möglicher äußerer Begleitumstände wie dem Kontakt mit bereits daran Erkrankten als Verdachtsdiagnose gestellt.

Zur gesicherten Diagnose muss eine Laboruntersuchung auf Shigella-Bakterien im Stuhl erfolgen. Dies grenzt die bakterielle Ruhr zu Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen wie eine Salmonelleninfektion oder Lebensmittelvergiftungen ab. Steht die Diagnose fest, erfolgt eine umgehende Meldung an die zuständigen Behörden, da die bakterielle Ruhr nach dem Bundesseuchengesetz eine meldepflichtige Erkrankung ist.

Komplikationen

Bei der bakteriellen Ruhr sind schwere Komplikationen selten. Bei fehlender oder unzureichender Behandlung kann die Erkrankung jedoch verschiedene Folgebeschwerden hervorrufen. Häufig kommt es in Folge der Magen-Darm-Beschwerden etwa zu Mangelerscheinungen und Dehydration, die wiederum Kreislaufbeschwerden bedingen.

Daneben kann Shigellose zur Bildung von Zysten und Geschwüren im Dickdarm führen, die oftmals eine Aufweitung des Darms zur Folge haben. Selten reißt die Darmwand in der Folge ein, was mitunter lebensbedrohliche Komplikationen zur Folge hat. Eine bakterielle Ruh kann auch Komplikationen außerhalb des Darms bedingen: wird die Schleimhautbarriere im Darm zu stark geschädigt, können sich andere Bakterien im Organismus festsetzen.

In der Folge kann es zum Reiter-Syndrom mit Bindehaut-, Harnröhren- und Gelenkentzündungen kommen. Weiterhin kann die Ruhr ein hämolytisch-urämisches Syndrom verursachen und das Risiko für arthritische Gelenkveränderungen erhöhen. Die für die Ruhr typischen Symptome wie Fieber, Bauchkrämpfe und Koliken können ihrerseits ebenfalls zu Problemen führen.

Dies ist dann der Fall, wenn die Bauchkrämpfe erwähnte Dickdarmschädigungen begünstigen. Gefährdet für Komplikationen sind vor allem Kleinkinder, ältere Menschen und Patienten mit Vorerkrankungen. Fachärztlich abgeklärt werden sollte die bakterielle Ruhr in jedem Fall.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Die bakterielle Ruhr ist hochansteckend und sollte deshalb umgehend behandelt werden. Die Durchfallerkrankung lässt sich am besten anhand der charakteristischen Symptome (Fieber, Bauchkrämpfe, schmerzhafter Stuhldrang) feststellen. Wenn eines oder mehrere dieser Symptome nach einer längeren Auslandsreise (v.a. Indien, Nordafrika und Türkei) auftreten, handelt es sich wahrscheinlich um die bakterielle Ruhr. Ein sofortiger Arztbesuch sollte dann alleine aufgrund der Meldepflicht der Erkrankung erfolgen.

Bleibt die Bakterienruhr unbehandelt, kann diese außerdem einen schweren Verlauf nehmen und in seltenen Fällen zum Tod führen. Spätestens, wenn Kreislaufbeschwerden auftreten oder Geschwüre im Darm bemerkt werden, muss ein Mediziner hinzugezogen werden. Patienten mit einer chronischen Darmerkrankung oder einer Immunschwäche sollten neue oder ungewöhnlich starke Beschwerden umgehend mit dem zuständigen Arzt besprechen.

Schwangere, ältere Menschen und Kinder müssen ebenfalls zügig untersucht werden, um einen schweren Verlauf abzuwenden. Sollten sich bereits körperliche oder geistige Ausfallerscheinungen bemerkbar machen, muss der Notarzt gerufen werden. Bei Kreislaufkollaps und Koma sind bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes Erste-Hilfe-Maßnahmen zu leisten.

Behandlung & Therapie

Unabhängig vom Typ der Shigellen wird die bakterielle Ruhr mit dafür geeigneten Antibiotika behandelt. Dabei ist bei der Wahl des Antibiotikums zwischen Erwachsenden und Kindern zu unterscheiden, da einige wirksame Medikamente nur für Erwachsene zugelassen sind.

Zu beachten ist ebenfalls, dass bakterielle Ruhr schnell Resistenzen bildet und nicht mehr auf bisher wirksame Mittel anspricht. Daneben hängt die Behandlung vom Allgemeinzustand des Patienten und dem Verlauf ab. Handelt es sich um eine milde bakterielle Ruhr beschränkt sich die Behandlung für die bakterielle Ruhr auf die Verordnung von Bettruhe und einer geeigneten Diät. Dies gilt für Patienten mit einem guten Allgemeinzustand, die die bakterielle Ruhr durch eigene Kraft bewältigen können.

Tritt ein großer Flüssigkeitsverlust durch die Durchfälle hinzu, wird die bakterielle Ruhr mit Infusionen behandelt. Wichtig ist bei bakterieller Ruhr eine strenge Einhaltung der Hygienevorschriften für Patienten und Kontaktpersonen. Kontaminierte Bekleidung und Bettwäsche ist nur mit Schutzbekleidung zu berühren und eine sorgfältige Desinfektion der Hände vor und nach jedem Kontakt einzuhalten. Bakterielle Ruhr lässt sich dadurch in ihrer Verbreitung eindämmen.

Aussicht & Prognose

Wenn eine bakterielle Ruhr frühzeitig behandelt wird, sind die Heilungsaussichten gut, nach ungefähr einer Woche hören die Beschwerden der Darminfektion auf. Wenn die Krankheit erfolgreich überstanden ist, haben Betroffene erst einmal einen zeitlich begrenzten Abwehrschutz, der sie vor einer erneuten Ansteckung schützt. Bei leichteren Formen kann die Erkrankung sogar ohne nennenswerte Symptome ablaufen.

Die Erreger werden mit dem Stuhl übertragen. In der Regel verschwinden dann die Beschwerden ca. 4 Wochen später von allein wieder. Bei manchen Menschen siedeln sich die Bakterien längere Zeit im Dickdarm an und sorgen dafür, dass sie andere Menschen anstecken, ohne dabei aber selbst Symptome zu entwickeln.

Meistens verläuft eine bakterielle Ruhr ohne weitere Probleme, kann aber bei Menschen, bei denen das Immunsystem geschwächt ist (Kinder, ältere Menschen, chronisch Kranken oder Menschen mit einer Immunschwäche) zu Komplikationen führen. So kann der anhaltende Durchfall durch den Flüssigkeits- und Elektrolytverlust Kreislaufprobleme verursachen bis hin zum Kreislaufversagen, wenn die Erkrankung nicht rechtzeitig behandelt wird.

Aufgrund der Entzündung der Darmschleimhaut kann es zur Geschwürbildung kommen, wodurch sich der Darm weiten kann. Im schlimmsten Fall reißt die Darmwand ein und kann lebensgefährliche Komplikationen verursachen.


Vorbeugung

Die bakterielle Ruhr ist eine Infektionskrankheit, die nur durch besonders strenge Hygienemaßnahmen verhindert werden kann. Personen, die sich in betroffenen Gebieten aufhalten, müssen jeden Kontakt mit den Ausscheidungen Erkrankter oder langsam wieder Genesender vermeiden. Geeignete Schutzkleidung ist wichtig. Für alle übrigen Ansteckungsmöglichkeiten gilt, dass ausgiebiges Händewaschen vor und nach dem Toilettengang das Infektionsrisiko vermindert. Gänzlich ausschließen lässt sich eine bakterielle Ruhr allerdings nicht.

Nachsorge

Die bakterielle Ruhr nimmt meist einen guten Verlauf. Die Erkrankung heilt vollkommen aus. Eine erneute Ansteckung ist zeitlich begrenzt nicht möglich. Der Körper hat eine Immunität gegen die Erkrankung gebildet. Eine Nachsorge zur Vermeidung einer Neuinfektion ist daher meist nicht sinnvoll.

Anders sieht es bei Patienten aus, die häufig in warme Länder mit unzureichenden hygienischen Bedingungen reisen. Sie sollten sich nach dem ersten Auftreten von ihrem behandelnden Arzt über Alltagstipps informieren lassen. Betroffene tragen ein hohes Maß an Eigenverantwortung. Zu den grundlegenden Verhaltensregeln gehört der Verzicht auf nicht abgekochte Lebensmittel.

Auch der Kontakt zu Fliegen kann die bakterielle Ruhr befördern. Die Erkrankung kann durch einen Sexualkontakt übertragen werden, weswegen die Nachsorge auch Dritte berücksichtigen sollte. Wenn die typischen Symptome erneut auftreten, wird der Arzt eine Stuhlprobe untersuchen.

Kommt es wieder zur Diagnose „bakterielle Ruhr“, gilt es, den Flüssigkeitsverlust aufgrund des Durchfalls auszugleichen. Antibiotika können den Fortgang der Erkrankung verkürzen und Komplikationen verhindern. Grundsätzlich sollten Kinder und alte Menschen große Vorsicht in Ländern mit geringen Hygienestandards walten lassen. Ihr Immunsystem ist deutlich anfälliger für eine Ansteckung mit der bakteriellen Ruhr.

Das können Sie selbst tun

Mit einer bakteriellen Ruhr sollte immer zum Arzt gegangen werden. Die medizinische Behandlung kann durch einige Selbsthilfe-Tipps und Hausmittel unterstützt werden.

Als erste Maßnahme muss die Ernährung angepasst werden. Lebensmittel wie Haferschleim, Weißbrot, gedämpftes Gemüse und Babybrei schonen den Darm und wirken beruhigend auf die gereizte Darmflora. Süße und fettige Speisen sowie Alkohol und Kaffee sollten dagegen vermieden werden. Generell sollte während der akuten Krankheitsphase auf blähende Lebensmittel sowie fetten Fisch und fettes Fleisch verzichtet werden. Ganz allgemein sollte ausreichend getrunken und gegessen werden, um den Flüssigkeits- und Elektrolytverlust auszugleichen.

Patienten, die bereits in schlechter körperlicher Verfassung sind, sollten zusätzlich Nahrungsergänzungsmittel und einen entsprechenden Flüssigkeitsersatz zu sich nehmen. Alternativ bieten sich natürliche Heilmittel an. Blaubeere oder Schwarzbeere etwa, wirken präventiv gegen Ruhr und Cholera und können entweder als Tee oder in Form medizinischer Präparate eingenommen werden.

Ebenso wirksam sind Anwendungen mit Salbei, Fenchel und Kamille. In Rücksprache mit dem Arzt können außerdem Heilerde oder Schüßler-Salze versucht werden. Zuletzt hilft eine gesteigerte Körperhygiene mit regelmäßigem Händewaschen dabei, die Ausbreitung der bakteriellen Ruhr zu stoppen.

Quellen

  • Arasteh, K., et. al.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Suttorp, N., et al.: Infektionskrankheiten. Thieme, Stuttgart 2004

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