Dejerine-Sottas-Krankheit

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 10. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Bei der Dejerine-Sottas-Krankheit handelt es sich um eine Erbkrankheit, die die peripheren Nerven betrifft. Die Dejerine-Sottas-Krankheit zählt zur Gruppe der vererbten sensiblen und motorischen Neuropathien. Oftmals bezeichnen Ärzte die Erkrankung als HMSN Typ 3.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Dejerine-Sottas-Krankheit?

Die Dejerine-Sottas-Krankheit ist durch ein relativ langsames, aber beständiges Fortschreiten gekennzeichnet. Jedoch entwickelt sich die Krankheit in der Phase der Pubertät mitunter schneller als davor.
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Die Dejerine-Sottas-Krankheit ist auch unter den Synonymen Hypertrophe Neuropathie der Kindheit und Charcot-Marie-Tooth-Krankheit Typ 3 bekannt. Die Dejerine-Sottas-Krankheit wurde im Jahr 1893 zum ersten Mal von den Neurospezialisten Dejerine und Sottas in Frankreich beschrieben und zu Ehren dieser beiden Mediziner benannt.

Die Dejerine-Sottas-Krankheit kommt in den meisten Fällen sporadisch als vererbte Krankheit vor. Dabei erfolgt entweder ein autosomal-rezessiver oder ein autosomal-dominanter Vererbungsgang. Es handelt sich um eine angeborene Störung der Nerven, wobei die peripheren Nerven geschädigt sind. In der Folge davon bauen sich die Muskeln zunehmend ab. Die Krankheit resultiert aus verschiedenen genetischen Mutationen, sodass bisher keine Heilung möglich ist.

Ursachen

Die Dejerine-Sottas-Krankheit entsteht in der Folge von bestimmten Genmutationen. Dabei sind meist die Proteine Axonen oder Myelin betroffen, die Defekte aufweisen. Die entsprechenden Mutationen ereignen sich bisherigen Erkenntnissen zufolge besonders häufig auf dem EGR2- und dem PRX-Gen.

Die Dejerine-Sottas-Krankheit ist auf zwei Wegen vererbbar. Zum einen ist ein autosomal-dominanter Vererbungsgang möglich, zum anderen ein autosomal-rezessiver. Die Dejerine-Sottas-Krankheit tritt in der Regel sporadisch auf.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die Dejerine-Sottas-Krankheit manifestiert sich erstmalig bei Patienten im Kindesalter. Meist zeigen sich die ersten Anzeichen der Erkrankung schon bei Kleinkindern, die das dritte Lebensjahr noch nicht überschritten haben. Die Dejerine-Sottas-Krankheit ist durch ein relativ langsames, aber beständiges Fortschreiten gekennzeichnet.

Jedoch entwickelt sich die Krankheit in der Phase der Pubertät mitunter schneller als davor. Dadurch besteht für viele Patienten die Gefahr, ernsthafte Behinderungen zu erleiden. Grundsätzlich schreitet die Dejerine-Sottas-Krankheit in den meisten Fällen schneller voran als bei anderen Krankheiten des Charcot-Marie-Tooth-Typs. Zudem sind die Symptome in der Regel schwerwiegender.

So sind zahlreiche von der Dejerine-Sottas-Krankheit betroffenen Personen auf einen Rollstuhl angewiesen, da sie nicht zum eigenständigen Laufen in der Lage sind. Bei anderen Erkrankten ist die Dejerine-Sottas-Krankheit mitunter schwächer ausgeprägt. So benötigen diese Patienten lediglich Gehhilfen wie Krücken oder Rollatoren, um sich selbstständig fortzubewegen.

Die Dejerine-Sottas-Krankheit ist durch eine stark ausgeprägte Schwäche der Muskulatur in den unteren Gliedmaßen ausgeprägt. Der Schweregrad der Muskelschwäche variiert dabei von Person zu Person und entscheidet über die Notwendigkeit von Gehhilfen oder Rollstühlen. Neben den Beinen sind in der Regel auch die Arme von den schwachen Muskeln betroffen.

Am häufigsten zeigen sich die typischen Beschwerden an den Unterarmen und Händen sowie den Unterschenkeln und Füßen. Neben der Muskelschwäche leiden die Patienten zusätzlich an Störungen der Sensorik in den entsprechenden Bereichen. Die Symptome ergeben sich aus einem kontinuierlichen Abbau des Muskelgewebes sowie einem herabgesetzten Tonus der Muskulatur.

Zudem leiden zahlreiche Personen mit der Dejerine-Sottas-Krankheit an Schmerzempfindungen in den Gliedmaßen, gekrallten Händen, einer gekrümmten Wirbelsäule und Fehlbildungen der Füße. Darüber hinaus zeigen einige Personen eine periphere Areflexie, eine Ataxie und verbessern ihre Motorik in der frühen Kindheit nur langsam.

Seltener leiden die Patienten an einer Einschränkung der Augenbewegungen, einem leichten Rückgang des Hörvermögens, Anisokorie und Nystagmus. Mit zunehmendem Alter verlieren die Patienten ihre Fähigkeit zu Laufen zunehmend. Die Betroffenen leiden an Krämpfen und Faszikulationen. Teilweise entstehen eine Trichterbrust und Skoliose sowie die Sudeck-Störung.

Diagnose

Die Diagnose der Dejerine-Sottas-Krankheit ist von einem medizinischen Spezialisten zu stellen. Da sich die Erkrankung üblicherweise schon bei Kindern manifestiert, suchen Sorgeberechtigte zunächst den Kinderarzt auf. Dieser überweist den Patienten an einen geeigneten Facharzt, der nach einer Anamnese die klinischen Untersuchungen durchführt.

Typische Anzeichen der Dejerine-Sottas-Krankheit bestehen in reduzierten bis nicht vorhandenen Reflexen, einer verringerten Geschwindigkeit der Nervenleitung sowie einer reduzierten Sensibilität, die sich bei einer Elektromyographie zeigt. Das Liquor cerebrospinalis weist oft erhöhte Anteile an Proteinen auf.

Zudem ist eine Verdickung der Nerven in den Gliedmaßen erkennbar, die teilweise durch Tastuntersuchung feststellbar ist. Andernfalls sind die Veränderungen der Nerven in der MRT-Untersuchung erkennbar. Bei histologischen Untersuchungen erscheinen die Schwann-Zellen hypertroph, außerdem sind die Markfasern reduziert und weisen sogenannte Zwiebelschalen-Formationen auf. Der Arzt führt eine Differenzialdiagnose durch, die weitere Typen der hereditären sensomotorischen Neuropathien ausschließt.

Komplikationen

Da die Dejerine-Sottas-Krankheit relativ langsam voranschreitet und sich entwickelt, ist leider nur eine späte Diagnose möglich. Die Komplikationen sind relativ unterschiedlich, allerdings kommt es in den meisten Fällen zu starken Behinderungen des Patienten. Bei der Dejerine-Sottas-Krankheit ist der Betroffene oft auf einen Rollstuhl oder auf andere Gehhilfen angewiesen.

Ein selbstständiges Laufen ist nicht möglich, was den Alltag extrem einschränkt und die Lebensqualität herabsetzt. Auch Eltern sind durch die psychische Belastung der Krankheit oft betroffen. Darüber hinaus kommt es auch zu einer nur schwach ausgeprägten Muskulatur, sodass eigenständige körperliche Anstrengungen in der Regel nicht möglich sind.

Dabei kann auch der Fall auftreten, dass der Betroffene seinen Rollstuhl nicht mehr selbst in Bewegung bringen kann, wenn die Armmuskulatur nicht mehr hundertprozentig ausgeprägt ist. Auch die Patienten selbst leiden oft an Depressionen und Minderwertigkeitskomplexen. Neben den Bewegungseinschränkungen kommt es auch zu Schmerzen in den Extremitäten.

Eine Heilung der Dejerine-Sottas-Krankheit ist nicht möglich. Aus diesem Grund können nur die Symptome mit Krankengymnastik oder Physiotherapie behandelt werden, sodass die Bewegungseinschränkungen bekämpft werden. Es ist allerdings nicht möglich, die Dejerine-Sottas-Krankheit komplett zu heilen.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Eltern, die bei ihrem Kind erste Anzeichen einer Muskelschwäche in den unteren Gliedmaßen bemerken, sollten mit dem Kinderarzt sprechen. Auch mögliche Begleitsymptome der Dejerine-Sottas-Krankheit – etwa Schmerzempfindungen in den Beinen und Fehlbildungen an den Füßen – sollten rasch abgeklärt werden. In jedem Fall muss die Dejerine-Sottas-Krankheit diagnostiziert und behandelt werden – möglichst, bevor sich ernsthafte Bewegungseinschränkungen und andere Beschwerden einstellen.

Ist die Diagnose einmal gestellt, müssen weitere Maßnahmen in die Wege geleitet werden. Das Kind muss in jedem Fall eine physiotherapeutische Begleitung erhalten. Daneben sind regelmäßige ärztliche Untersuchungen und eine psychologische Frühförderung angezeigt, um dem Kind trotz Erkrankung einen normalen Alltag zu ermöglichen.

Eltern, die sich durch die Krankheit des Kindes psychisch belastet fühlen, sollten mit einem Therapeuten sprechen. Falls das Kind einmal stürzen sollte oder aber über ungewöhnliche Symptome klagt, wird am besten der Notarzt konsultiert. Das gilt insbesondere dann, wenn ein Knochenbruch, Durchblutungsstörungen und andere schwerwiegende Komplikationen der Dejerine-Sottas-Krankheit vermutet werden.

Behandlung & Therapie

Momentan ist es nicht möglich, die Dejerine-Sottas-Krankheit ursächlich zu behandeln oder zu heilen. Eine Therapie fokussiert daher lediglich auf die Linderung der Symptome und darauf, den Patienten einen weitgehend selbstbestimmten Lebensalltag zu ermöglichen. So erhalten die betroffenen Personen üblicherweise eine regelmäßige physiotherapeutische Betreuung mit auf den Einzelfall abgestimmter Krankengymnastik.

Die Übungen stärken Muskulatur und Motorik der Patienten. Zudem bewegen sich die meisten Personen mit der Dejerine-Sottas-Krankheit mit Gehhilfen fort. In zahlreichen Fällen ist ein Rollstuhl erforderlich, zudem besuchen die erkrankten Kinder mit der Dejerine-Sottas-Krankheit häufig eine Sonderschule.

Aussicht & Prognose

Da es sich bei der Dejerine-Sottas-Krankheit um eine erbliche Erkrankung handelt, kann diese nicht durch eine kausale Therapie behandelt werden. Die Betroffenen sind dabei in jedem Fall auf eine symptomatische Behandlung angewiesen, um die Beschwerden zu lindern.

In der Regel sind die Patienten dabei auf einen Rollstuhl angewiesen und leiden an einer deutlich eingeschränkten Entwicklung. Das Laufen und Gehen ist dabei nur noch mit Gehhilfen möglich, wobei auch die gesamte Muskulatur am Körper extrem abgeschwächt ist. Weiterhin treten an den Gliedmaßen starke Schmerzen auf, die nicht von alleine verschwinden und daher behandelt werden müssen. Die Lebensqualität des Patienten wird ohne Behandlung der Dejerine-Sottas-Krankheit sehr stark eingeschränkt und verringert.

Bei der Behandlung dieser Erkrankung kommt es nicht zu besonderen Komplikationen oder zu anderen Beschwerden. Mit Hilfe einer Physiotherapie und durch verschiedene Übungen können viele der Beschwerden eingeschränkt werden, sodass der Patient an einer gewöhnlichen Entwicklung teilnehmen kann. Viele Patienten bleiben trotzdem auf einen Rollstuhl angewiesen und können sich nicht eigenständig bewegen.

Eine vollständige Heilung der Dejerine-Sottas-Krankheit tritt daher nicht ein. In der Regel wird jedoch die Lebenserwartung des Patienten durch die Erkrankung nicht negativ beeinflusst.


Vorbeugung

Es ist derzeit noch nicht möglich, der Dejerine-Sottas-Krankheit effektiv vorzubeugen. Die Entstehungshintergründe der Erkrankung sind zwar überwiegend geklärt, entziehen sich allerdings bisher einem Einfluss. Denn die Ursachen der Dejerine-Sottas-Krankheit finden sich vor allem in genetischen Mutationen, zu deren Prävention derzeit zahlreiche Forschungsvorhaben laufen.

Nachsorge

Dem Betroffenen stehen bei der Dejerine-Sottas-Krankheit in den meisten Fällen keine oder nur sehr wenige Möglichkeiten einer Nachsorge zur Verfügung. Bei dieser Krankheit muss in erster Linie eine frühzeitige Untersuchung und eine anschließende Behandlung durchgeführt werden, damit es zu keinen weiteren Komplikationen kommt. Da es sich dabei um eine genetisch bedingte Krankheit handelt, kann bei einem Kinderwunsch auch eine genetische Untersuchung und Beratung durchgeführt werden, damit es nicht zu einem erneuten Auftreten der Dejerine-Sottas-Krankheit kommt.

Die Beschwerden der Krankheit können in vielen Fällen durch Maßnahmen einer Krankengymnastik eingeschränkt werden. In der Regel können dabei einige der Übungen auch im eigenen Zuhause wiederholt werden, wodurch die Heilung eventuell beschleunigt wird. Weiterhin kann auch eine psychologische Betreuung notwendig sein. Die betroffenen Kinder sind bei der Dejerine-Sottas-Krankheit auf die Hilfe und die Pflege ihrer Eltern angewiesen, um die Beschwerden richtig zu lindern.

Dabei können auch liebevolle und intensive Gespräche sehr wichtig sein, um psychische Verstimmungen oder Depressionen zu vermeiden. Auch eine intensive Förderung in der Schule ist bei der Dejerine-Sottas-Krankheit sehr wichtig. Ob es durch die Erkrankung zu einer verringerten Lebenserwartung des Patienten kommt, kann dabei nicht universell vorhergesagt werden.

Das können Sie selbst tun

Die Dejerine-Sottas-Krankheit ist eine erblich bedingte Neuropathie, die vorwiegend die peripheren Nerven betrifft. Die Krankheit ist nicht heilbar. Der Patient kann keine Selbsthilfemaßnahmen ergreifen, die die Störung ursächlich bekämpfen.

Die größten Beschwerden resultieren für die Betroffenen meist aus der für die Krankheit charakteristischen Muskelschwäche, die Motorik und die Sensorik stark beeinträchtigen kann. Aufgrund der Schädigung der peripheren Nerven bauen sich das Muskelgewebe und der Muskeltonus beständig ab. Dieser Prozess kann meist nicht völlig gestoppt werden. Eine gezielte Physiotherapie und patientenspezifische Krankengymnastik kann den Muskelschwund aber deutlich verlangsamen. So wird die Motorik der Patienten verbessert und möglichst lange erhalten.

Betroffene, die sich trotzdem nicht ohne Gehhilfe fortbewegen können, sollten sich rechtzeitig an den Umgang mit diesen Hilfsmittel gewöhnen. Je nach Ausprägung der Muskelschwäche und der dadurch bedingten Beeinträchtigung der Motorik, können bereits Krücken oder ein Rollator ausreichen, um die Mobilität des Betroffenen aufrecht zu erhalten. Viele Patienten sind aber auf einen Rollstuhl angewiesen.

Die Dejerine-Sottas-Krankheit zeigt sich bereits bei Kleinkindern. Damit diese sich dennoch bestmöglich entwickeln, sollten Eltern sowohl auf eine pädagogische, als auch auf eine psychologische Frühförderung achten und zudem eine professionelle physiotherapeutische Begleitung ihres Kindes sicherstellen.

Quellen

  • Masuhr K., Masuhr, F., Neumann, M.: Duale Reihe Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013
  • Mattle, H., Mumenthaler, M.: Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013
  • Witkowski R., Prokop O., Ullrich E.: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. Springer, Berlin 2003

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