Dissoziative Konversionsstörung

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die dissoziative Konversionsstörung ist eine Gruppe aus psychosomatischen Erkrankungen, bei denen nach einer psychisch traumatisierenden Situation körperliche Symptome auftreten. Zur Diagnose bedarf es des Ausschlusses etwaiger Erkrankungen mit organischem Ursprung, die die Symptome erklären könnten. Die Behandlung erfolgt durch Psychotherapie und Formen der Verhaltenstherapie.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine dissoziative Konversionsstörung?

Die Ausprägung und Manifestation von Symptomen ist im Kontext der dissoziativen Konversionsstörung extrem variabel. Oft liegt ein einzelnes Symptom vor, so zum Beispiel partielle Amnesie.
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Psychosomatische Störungen sind rein psychisch verursachte Störungen, die aufgrund der Zusammenhänge zwischen Psyche und Körper körperliche Symptome hervorrufen. Einige Störungen aus dem Bereich der Psychosomatik sind transient, das heißt sie liegen nur vorübergehend vor. In diese Kategorie fällt die dissoziative Konversionsstörung.

Bei dem Begriff handelt es sich um einen Oberbegriff unterschiedlicher Störungen, die mit unterschiedlichen Symptomen einhergehen. Obgleich sich die Symptome mehr oder weniger stark voneinander unterscheiden können, weisen sie ein gemeinsames Merkmal auf. Statt einer körperlichen Krankheit ist ein belastendes Ereignis die Ursache aller Symptome von dissoziativen Konversionsstörungen.

Wie alle anderen psychosomatischen Störungen ist die Form der Konversionsstörung vom den Zusammenhang zwischen mentalen Prozessen oder Gefühlen und körperlichen Reaktionen geprägt. Fassbare Veränderungen der Morphologie treten auf. Der Ausschluss einer körperlichen Erkrankung ist für die Diagnose jeder dissoziativen Konversionsstörung die relevanteste Bedingung.

Ursachen

In den meisten Fällen liegen dissoziativen Konversionsstörungen psychische Konflikte zugrunde, die vom Patienten nicht oder nur schwer bewältigt werden können. Die relevantesten Konflikte dieser Art entsprechen traumatischen Ereignissen. Ein solches Ereignis kann zum Beispiel den Tod eines Nahestehenden sein. Um zusätzlichen Belastungen zu entgehen, filtert der Betroffene auf unbewusste Art und Weise die begleitenden Stressoren aus.

Statt der Auseinandersetzung mit dem traumatischen Ereignis wird lieber eine scheinbare Krankheit mit psychosomatischen Symptomen in Kauf genommen. Prinzipiell erlebt der Betroffene im Rahmen dieses Vorgehens zunächst einen primären Krankheitsgewinn. Dass der Patient die körperliche Symptomatik über Monate oder gar Jahre aufrechterhält, liegt Forschern zufolge vor allem an der gesteigerten Aufmerksamkeit, die der Betroffene aufgrund der scheinbaren Erkrankung von Seiten der Mitmenschen erhält.

Patienten mit dissoziativer Konversionsstörung erleben damit zusätzlich zum primären Krankheitsgewinn einen sekundären Krankheitsgewinn, der sie unbewusst in der Aufrechterhaltung ihrer Beschwerden ermutigt.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die Ausprägung und Manifestation von Symptomen ist im Kontext der dissoziativen Konversionsstörung extrem variabel. Oft liegt ein einzelnes Symptom vor, so zum Beispiel partielle Amnesie. In wieder anderen Fällen ist die Motorik der Patienten beeinträchtigt, Krampfanfälle treten auf, oder Sensibilitätsstörungen und sogar Paresen manifestieren sich. Die Amnesie ist eines der Leitsymptome.

Vor allem erinnert sich der Patient nicht an das ursächlich belastende Ereignis. Zusätzlich zu diesem Phänomen kann dissoziativer Stupor auftreten, der sich auf die Körperhaltung, die Muskelspannung und die Reaktionsfähigkeit auf Umweltreize auswirkt. Neben Trance und Besessenheitszuständen können dissoziative Bewegungsstörungen vorliegen, so vor allem eine Bewegungsminderung oder eine Koordinationsstörung bis hin zur Ataxie, Dystonie oder Myoklonie.

Dissoziative Krampfanfälle mit Ähnlichkeit zur Epilepsie sowie Sensibilitäts- oder Empfindungsstörungen der Haut, des Sehens, Hörens oder Riechens sind ebenso symptomatisch. In Kombination zur Konversionsstörung können dissoziative Störungen wie das Ganser-Syndrom vorliegen. Außerdem treten begleitend oft Persönlichkeitsstörungen oder Angststörungen auf.

Diagnose

In der Regel führt der erste Gang Patienten mit dissoziativer Konversionsstörung zum Neurologen. Im Rahmen der Anamnese oder Fremdanamnese schließt der Neurologe organische Ursachen für die neurologischen Ausfallserscheinungen oft bereits aus. Nur in den seltensten Fällen wirken die Ausfälle so echt, dass eine Bildgebung angeordnet wird.

Nach dem Ausschluss organischer Erkrankungen liegt bei entsprechender Symptomatik der Verdacht auf eine dissoziative Konversionsstörung nahe. Für die weitere Diagnostik können Fragebögen zur Selbst- und Fremdbeurteilung zum Einsatz kommen. Somatisierungserkrankungen müssen differentialdiagnostisch ausgeschlossen werden, um die Diagnose einer dissoziativen Konversionsstörung zu stellen.

Außerdem wird im Rahmen der Diagnostik idealerweise das traumatische Erlebnis bestimmt, das die Erscheinungen ausgelöst hat. Die Prognose hängt für Betroffene vor allem vom Zeitpunkt der Diagnose und dem Chronifizierungsgrad der Störung ab.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Ein Arzt ist zu konsultieren, sobald sich körperliche sowie psychische Unregelmäßigkeiten entwickeln. Nach einem traumatischen Erlebnis oder bei Problemen im Zusammenspiel von Körper und Psyche, wird eine ärztliche Unterstützung benötigt.

Kommt es zu Sensibilitätsstörungen oder Krampfanfällen, einem anhaltenden Unwohlsein oder dem Verlust der Lebensfreude, wird ein Arzt benötigt. Können die alltäglichen privaten wie beruflichen Verpflichtungen nicht mehr wie gewohnt wahrgenommen werden, weil das allgemeine Leistungsniveau herabgesetzt ist, sollte ein Arztbesuch erfolgen.

Bei Kopfschmerzen, einem diffusen Schmerzerleben, Lethargie, Lust- und Antriebslosigkeit, herrscht Grund zur Besorgnis. Probleme des Verdauungssystems, starke Änderungen des Körpergewichts und eine allgemeine Schwäche müssen untersucht und behandelt werden. Ein Arzt sollte die Symptome abklären, wenn sie über mehrere Tage oder Wochen anhalten sowie an Intensität und Umfang zunehmen. Störungen der Konzentration oder Aufmerksamkeit, motorische Probleme sowie Koordinationsschwierigkeiten, sind untersuchen und behandeln zu lassen.

Bei Angst, einem Gefühl der Vernebelung, Veränderungen der Muskulatur wie auch der Persönlichkeit, ist ein Arzt zu konsultieren. Ein sozialer Rückzug, eine herabgesetzte Stimmung und ein fortdauerndes Stresserleben sollten mit einem Arzt besprochen werden. Treten die Beschwerden nach dem Erleben eines intensiven und prägenden Lebensereignisses auf, ist es empfehlenswert, die Zusammenarbeit mit einem Arzt oder Therapeuten in Anspruch zu nehmen.

Behandlung & Therapie

Patienten mit dissoziativer Konversionsstörung werden kausal behandelt. Das heißt, dass der Therapeut mit der Behandlung an der Ursache der Störung ansetzt. Sobald die Belastung des Ereignisses nicht mehr als belastend empfunden wird und das Trauma so weitestgehend bewältigt ist, gehen die einzelnen Symptome der Erkrankung zurück.

Eine symptomatische Therapie würde lediglich die Symptome behandeln. Symptomatische Therapieschritte zur Linderung der einzelnen Symptome stehen zum Beispiel in Form von konservativ medikamentösen Behandlungen mit Substanzen wie Benzodiazepinen zur Verfügung. Bei dem Medikament handelt es sich um ein Beruhigungsmittel, das den hohen Leidensdruck von Patienten mit dissoziativer Konversionsstörung momentan verringert.

Die medikamentöse Therapie kommt in der modernen Therapie allerdings höchstens begleitend zum Einsatz, um die Beunruhigung des Patienten bis zu seiner ursächlichen Heilung kontrollierbar zu machen und damit seine momentane Lebensqualität zu verbessern. Das Hauptaugenmerk der Behandlung ist für Patienten der dissoziativen Konversionsstörung die Verhaltenstherapie, die dem Patienten eine neue Beurteilung von Situationen und eigenen Verhaltensweisen ermöglicht.

In psychotherapeutischen Gesprächen wird außerdem versucht, den Patienten so früh wie möglich aus der selbst verursachten Isolation zu befreien und zurück in die Realität zu führen. Andernfalls droht eine Chronifizierung der Störung, die eine längerfristige Behandlung erfordert und die Heilung wesentlich erschwert.

Aussicht & Prognose

Die Prognose der Dissoziativen Konversionsstörung gilt als ungünstig. Bei vielen Patienten treten mehrere psychische Störungen auf, die eine Heilungsaussicht verschlechtern. Wird die Dissoziative Konversionsstörung zusammen mit einer affektiven Störung, einer Abhängigkeits-, Ess- sowie Persönlichkeitsstörung diagnostiziert, ist mit einem Krankheitsverlauf über mehrere Jahre oder Jahrzehnte zu rechnen. In einigen Fällen tritt keine Heilung ein.

Die Symptome der Dissoziativen Konversionsstörung können sich nach einem auslösenden Ereignis plötzlich ausbilden und auch im weiteren Verlauf vollständig zurückbilden. Dennoch ist eine dauerhafte Linderung oftmals nicht gegeben. Bei dem Erleben eines neuen lebenskritischen Ereignisses oder der Verarbeitung von verdrängten traumatischen Gegebenheiten, treten die Beschwerden erneut auf. Diese können sich in ihrem Umfang sowie ihrer Intensität von den bekannten Beschwerden unterscheiden.

Grundsätzlich gilt, dass eine späte Diagnosestellung zu einer ungünstigeren Prognose führt. Bei Patienten, die keine Heilung der Symptome erleben, wird das Behandlungsziel auf die Integration der Beschwerden im Alltag ausgerichtet. Die Entscheidung des Therapieziels ist abhängig von der Ursache der Konversionsstörung sowie von der Persönlichkeit des Patienten.

Durch die Integration wird insgesamt eine Verbesserung des Wohlbefindens erreicht, da ein Umgang mit der Erkrankung in einer Verhaltenstherapie aufgebaut und trainiert wird. Der Betroffene lernt, wie er auf Situationen des Lebens sowie die Bedürfnisse seines Körpers gut reagieren kann.


Vorbeugung

Der dissoziativen Konversionsstörung lässt sich vorbeugen, indem psychisch belastende Situationen und Traumata in der Begleitung eines Fachmannes prophylaktisch aufgearbeitet werden.

Nachsorge

Bei dieser Krankheit erweist sich eine Nachsorge in den meisten Fällen als sehr schwierig. Die Erkrankung muss dabei in erster Linie umfassend durch einen Psychologen untersucht und weiterhin auch behandelt werden, wobei es nicht zu einer Selbstheilung kommen kann. Je früher diese Konversionsstörung dabei erkannt wird, desto besser ist meistens auch der weitere Verlauf.

Aus diesem Grund ist bei der Konversionsstörung eine frühzeitige Diagnose wichtig. Weiterhin ist ebenfalls wichtig, dass die Angehörigen oder Freunde sich auch mit dieser Krankheit beschäftigen und sich über die Symptome und ihre Auswirkung informieren. Nur durch eine umfassende Kenntnis der Erkrankung können sie dem Betroffenen helfen.

Dabei sind auch intensive und vor allem liebevolle Gespräche mit dem Betroffenen sehr wichtig, um die Beschwerden zu lindern. In vielen Fällen sind die Patienten bei der Konversionsstörung auch auf die Einnahme von Medikamenten angewiesen. Dabei ist auf eine richtige Dosierung und weiterhin auch auf eine regelmäßige Einnahme zu achten. Bei schwerwiegenden Beschwerden können die Angehörigen den Betroffenen auch zu einer Behandlung in einer geschlossenen Anstalt überreden. In der Regel wird die Lebenserwartung des Patienten durch diese Krankheit nicht verringert.

Das können Sie selbst tun

Da es sich bei der Dissoziativen Konversionsstörung um eine psychische Störung handelt, sind die Möglichkeiten der Selbsthilfe für den Betroffenen sehr überschaubar. Zu der Symptomatik der Erkrankung gehört die mangelnde Krankheitseinsicht. Es ist nicht möglich, die Gedanken und die Handlungen aus eigener Initiative so zu verändern, dass eine Linderung erfolgen kann. Daher sollte der Betroffene fachmännische Hilfe in Anspruch nehmen.

Sobald die Diagnose gestellt wurde, empfiehlt es sich, umfassende Informationen über den Verlauf der Krankheit in Erfahrung zu bringen. Durch die Aufklärungsarbeit können Veränderungen und Verbesserungen erzielt werden. Da häufig die Menschen aus dem engen sozialen Umfeld direkt mit den Beschwerden des Erkrankten konfrontiert werden, sollten auch diese Personen sich ausreichend über die Dissoziative Konversionsstörung informieren.

Das Wissen um die Eigenschaften der psychischen Störung hilft allen Beteiligten des näheren Umfeldes im Alltag, um Konflikte zu vermeiden. Das Verständnis für gezeigtes Verhalten steigt und es wird nachvollziehbarer für die Angehörigen oder Freunde. Persönliche emotionale Verletzungen verringern sich, sobald der Umgang mit der Störung erlernt wurde.

Trotz aller Widrigkeiten ist ein stabiles soziales Umfeld für die Aufrechterhaltung der Lebenszufriedenheit wichtig. Aus diesem Grund empfiehlt sich ein offener Umgang mit der psychischen Störung. Ein Rückzugsverhalten ist nicht förderlich, da es weitere Probleme auslöst.

Quellen

  • Arolt, V., Reimer, C., Dilling, H.: Basiswissen Psychiatrie und Psychotherapie. Springer, Heidelberg 2007
  • Davison, G.C., Neale, J.M., Hautzinger, M.: Klinische Psychologie. Beltz PVU, München 2007
  • Lieb, K., Frauenknecht, S., Brunnhuber, S.: Intensivkurs Psychiatrie und Psychotherapie. Urban & Fischer, München 2015

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