Fahrangst
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 16. April 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Die Hände sind schweißnass und das Herz rast. Der Kopf dreht sich nervös hin und her. So in etwa läuft es bei Menschen ab, die unter einer Fahrangst leiden.
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Was ist Fahrangst?
Manche Menschen haben einfach Angst, Auto zu fahren. Es erscheint ihnen zu riskant, denn sie haben Angst, Fehler zu machen, zu versagen oder einen Unfall zu verursachen. Hinter dem Lenkrad zu sitzen, ist für sie schlichtweg eine Qual. Bei der Fahrangst wird zwischen zwei Arten unterschieden: Der spezifischen und unspezifischen Angst.
- Spezifische Fahrangst
Die spezifische Angst bezieht sich in erster Linie auf die Angst vor dem Auto, die schwer durchschaubar und kontrollierbar ist oder vor dem Fahren selber, beispielsweise durch eine Unsicherheit oder Überforderung in bestimmten Verkehrssituationen. Sie ist meist gut und schnell zu behandeln.
- Unspezifische Fahrangst
Bei der unspezifischen Angst geht diese aus anderen Ängsten hervor. Sie tritt meistens nur in bestimmten Situationen auf, die in der Verbindung mit dem Autofahren stehen, beispielsweise die Dichte des Verkehrs, die Enge im Auto, die hohe Geschwindigkeit und die daraus resultierende Unfallgefahr.
Ursachen
Die Fahrangst hat bei jedem Menschen andere Ursachen und Hintergründe. Diese müssen dem Betroffenen zunächst einmal bewusst werden. Viele von ihnen waren bereits in einen Unfall verwickelt, wurden Zeuge eines solchen oder Unfallberichte in Zeitungen, Fernsehreportagen oder Ähnliches haben zu einer Traumatisierung geführt.
Dem Zuschauer oder Leser wird dabei bewusst, welche Risiken und Gefahren beim Autofahren bestehen, was eine Fahrangst verursachen kann. Auch die Reaktionen der anderen Verkehrsteilnehmer führt häufig dazu, beispielsweise ein ständiges Hupen an der Ampel oder ein Drängeln auf den Autobahnen. Spöttische Bemerkungen des Beifahrers über die eigenen Fahrkünste können ebenso verunsichern, Selbstzweifel aufkommen lassen und eine Fahrangst auslösen.
Überforderung ist ein weiterer häufiger Grund. Das Auto ist immerhin eine sehr komplexe Maschine. Es gibt sehr vieles zu beachten: Lenken, Schalten, Gas geben, Bremsen, Blinken, auf die Verkehrsregeln und andere Verkehrsteilnehmer zu achten, dies alles kann überfordern.
Zuletzt ist auch noch die Angst zu erwähnen, die manche Menschen vor dem Auto haben. Es gelingt ihnen nicht, der Funktionalität des Fahrzeugs zu vertrauen und daher fürchten sie sich vor einem technischen Versagen. Auch dies kann eine Fahrangst auslösen.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Je nach Intensität der Fahrangst fallen auch die Symptome unterschiedlich aus. Zu den körperlichen Beschwerden einer Fahrangst gehören feuchte Handflächen bis hin zu Schweißausbrüchen, Zittern, Konzentrationsstörungen, eine Schreckhaftigkeit bis hin zu einem Herzrasen und Schlafproblemen.
In extremen Fällen kann es sogar zu Panikattacken kommen. Dies führt dazu, dass das Autofahren immer weiter einschränkt und letztendlich komplett gemieden wird. Der Betroffene ist unfähig, in ein Auto einzusteigen, da er vor Angst regelrecht gelähmt ist. Dies schränkt nicht nur in der Mobilität ein, sondern ist auch ein Verlust an Lebensqualität.
Diagnose
Die Diagnose Fahrangst wird nur sehr selten getroffen. Der Grund hierfür ist, dass die meisten Betroffenen sich schämen, deshalb zu einem Arzt zu gehen. Wird jedoch ein Mediziner aufgesucht, kann die Diagnose anhand der geschilderten Symptome in der Regel schnell erfolgen.
Grundsätzlich gilt: Umso eher die Angst vor dem Fahren behandelt wird, umso besser. Wer unter Panikattacken leidet, könnte das Autofahrten irgendwann komplett einstellen. Diese unspezifische Angst vor dem Autofahren ist erfolgreicher behandelbar, wenn der Betroffene die Grundursache der Panikattacke therapeutisch behandeln lässt.
Komplikationen
Bei Fahrangst kommt es in der Regel zu keinen medizinischen Komplikationen, die die Gesundheit eines Menschen beeinträchtigen könnten. Allerdings wirkt sich Fahrangst sehr negativ auf das Leben des Patienten aus und kann dabei zu Problemen und Schwierigkeiten im Alltag führen. Die Mobilität der betroffenen Person ist eingeschränkt, wodurch auch die Lebensqualität abnimmt.
Es ist für den Menschen schwierig, sich ohne Hilfsmittel fortzubewegen. Dazu kann auch das Benutzen von öffentlichen Transportmitteln zählen. Freunde und soziale Kontakte werden damit negativ beeinträchtigt. Der Patient zieht sich immer mehr zurück und bricht den Kontakt mit anderen Menschen ab. Hierbei kann es zu Depressionen und anderen psychischen Problemen kommen.
Allerdings entsteht auch dann eine Komplikation, wenn die Fahrangst unbegründet entsteht oder auf andere alltägliche Dinge übertragen wird. Dadurch kann sich eine Angststörung entwickeln, welche starke psychologische Einflüsse auf den Patienten ausüben kann.
Die Behandlung richtet sich vor allem an eine Therapie und an Gespräche in Menschenkreisen, die ebenfalls an einer Fahrangst leiden. Medikamente werden in der Regel nicht eingesetzt. Hierbei kommt es zu keinen Komplikationen. Ebenso können spezielle Fahrschulen genutzt werden, welche sich auf Patienten mit Fahrangst spezialisiert haben.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Mit einer Fahrangst musst nicht immer zu einem Arzt gegangen werden. Wer zwar Angst vorm Fahren hat, dies jedoch nicht als große Einschränkung empfindet, muss die Phobie nicht unbedingt abklären oder behandeln lassen. Ärztlicher Rat ist gefragt, wenn die Fahrangst die Lebensqualität und das Wohlbefinden erheblich einschränkt oder mit anderweitigen psychischen Problemen in Verbindung steht. Sollte die Phobie mit der Zeit wachsen und Komplikationen hervorrufen, ist fachmännischer Rat gefragt.
Der Betroffene sollte dann mit dem Hausarzt sprechen oder direkt einen Therapeuten konsultieren. Bei ausgeprägten Ängsten ist es möglicherweise sinnvoll, eine Fahrschule aufzusuchen, die sich auf Patienten mit Fahrangst spezialisiert hat. Junge Menschen, die vor der Führerscheinprüfung unter akuten Ängsten leiden, lassen sich am besten ein leichtes Beruhigungsmittel verschreiben.
Bei Panikattacken muss jedoch ein Psychologe eingeschaltet werden, mit dessen Hilfe die Ursachen für die Fahrangst festgestellt und aufgearbeitet werden können. Auch der Besuch einer Selbsthilfegruppe kann helfen, eine Phobie zu überwinden.
Behandlung & Therapie
Die Fahrangst sollte unbedingt behandelt werden, denn eine Angst am Steuer kann sehr gefährlich werden. Sie verursacht Stress und lenkt ab, woraus sogar tödliche Folgen resultieren können. Die Therapie orientiert sich an der Stärke der Angst. Bei einer leichten Ausprägung kann es bereits genügen, sich die Angst mit Autosuggestion selbst auszureden.
Eine gute Unterstützung ist es, sich der Angst zu stellen, indem der Betroffene als Fahrer oder Beifahrer aktiv wird. Bei einer stärker ausgeprägten Fahrangst ist eine Psychotherapie hilfreich. Hier kann ermittelt werden, woraus die Angst resultiert und welche Reaktionen die Situation hervorruft, um damit besser umgehen zu können.
Begleitend ist es ebenso wichtig, sich der Angst zu stellen. Bei einem Fahrtraining ist es hilfreich, wenn ein Beifahrer im Auto sitzt, der Gelassenheit ausstrahlt. Auch sinnvoll ist es, einige Übungsstunden in der Fahrschule zu nehmen.
Anfangs empfiehlt es sich, in verkehrsberuhigten Bereichen und zu verkehrsarmen Zeiten zu fahren. Auf diese Weise kann die Fahrangst schrittweise in den Griff bekommen werden. Die Hypnose ist eine weitere Therapieform. In der Regel sind mehrere Sitzungen erforderlich, um von den Ängsten befreit zu werden.
Aussicht & Prognose
Die Angststörung gehört zu den Erkrankungen der Psyche, bei denen es eine Aussicht auf eine Heilung gibt. Da die Angst zu einem natürlichen Begleiter gehört und als lebensnotwendiges Warnsignal überlebenswichtig ist, wird und sollte es unter keinen Umständen zu einer dauerhaften Befreiung eines Angsterlebens kommen.
Starke Ängste sind jedoch quälend und belastend für den Menschen. Sie können in gezielten Behandlung bearbeitet und gelindert werden. Wird bei einer Fahrangst keine Therapie in Anspruch genommen, kann es zu einer stetigen Verschlechterung der Beschwerden kommen. Eine kurzfristige Linderung der Intensität der Angstzustände ist jederzeit möglich, in den meisten Fällen nehmen die Symptome jedoch allmählich zu. Treten weitere Lebensherausforderungen ein, ist mit einer starken Zunahme der Fahrangst zu rechnen.
Die Prognose verbessert sich bei Patienten, die Hilfe bei einem Therapeuten suchen. Sofern die Mitarbeit des Betroffenen vorhanden ist und ein gutes Vertrauensverhältnis zwischen dem Patienten und dem Therapeuten aufgebaut wurde, besteht eine gute Aussicht auf eine deutliche Reduzierung der Symptome. Je nach Intensität der entwickelten Beschwerden richtet sich im Normalfall die Therapiezeit.
Liegen weitere Angststörungen oder andere psychische Erkrankungen vor, kann es zu Komplikationen oder Verzögerungen des Heilungsprozesses kommen. In vielen Fällen wurde die Fahrangst durch das Erleben traumatischer Gegebenheiten ausgelöst, die unverarbeitet geblieben sind.
Vorbeugung
Menschen mit einer Fahrangst müssen eine Routine gegen die Nervosität entwickeln. Sie können während der Fahrt beispielsweise laut reden, denn dies beruhigt den Atem, bringt den Verstand schnell zurück und lässt das Gefühl entstehen, dass die Situation einfacher als vermutet ist.
Der Gedanke an schöne Erlebnisse kann die Angst ebenfalls eindämmen. Des Weiteren sind frische Luft und Übungen zur Muskelentspannung hilfreich. Letzten Endes hilft nur, regelmäßig zu üben, denn nur wer sich der Fahrangst stellt, kann sie früher oder später besiegen. Verunsicherte Fahrer sollten anfangs nicht allein im Auto sitzen.
Nachsorge
Fahrangst stellt eine Erkrankung der Psyche dar. Sie lässt sich meist durch eine Therapie erfolgreich behandeln. Dadurch liegen nach einer ersten medizinischen Begleitung nicht mehr die typischen Beschwerden vor. Dabei darf aber nicht angenommen werden, dass Angst an sich verschwindet. Der emotionale Zustand ist lebenswichtig und unverzichtbar. Fahrangst kann nach einer Genesung wieder auftreten. Es entsteht keine Immunität.
Bestimmte Erlebnisse lösen das Trauma aus. Dabei spielen nicht verarbeitete Geschehnisse eine bedeutende Rolle. Betroffene wenden sich zur Behandlung an einen Psychotherapeuten. Dieser verhilft über Muskelentspannung oder Hypnose zum Abbau der Anzeichen.
Dem Patienten kommt eine große Eigenverantwortung zu, wenn sie unter Fahrangst leiden. Das resultiert nicht nur aus dem hohen Verletzungsrisiko, das ein Auto bietet. Vielmehr werden ihnen in der Therapie auch Übungsformen gezeigt, die sie im Alltag selbstständig anwenden müssen. Nur ein langfristiges Training verspricht einen dauerhaften Erfolg.
Bewährt hat sich nach einer erneuten Angstattacke die Nutzung eines Verkehrsübungsplatzes. Dort kann man sich unter Aufsicht und ohne Gefährdung Dritter an ein Fahrzeug gewöhnen. Auch üben Patienten in der künstlichen Straßenumgebung am besten, wie sie sich bei einer Attacke verhalten. Der Psychotherapeut oder ein enger Bekannter sollte solche Ausflüge begleiten.
Das können Sie selbst tun
Für die Selbsthilfe ist es wichtig, eigenständig einen Zustand der Entspannung herbeiführen zu können. Dazu eignen sich Atemtechniken, z.B. das Atmen nach einem vorgegebenen Rhythmus, die den körperlichen Angstsymptomen entgegenwirken. Auch andere Arten der Ablenkung während des Fahrens, etwa durch Musik oder Gespräche, sind hilfreich. Hierbei muss jedoch eine Gefährdung ausgeschlossen werden, weswegen Hypnose- oder Meditationsprogramme während des Fahrens zu vermeiden sind.
Kann die Fahrt unterbrochen werden, sind kurze Bewegungsphasen zum Stressabbau sinnvoll. Auf diese Weise können auch Verkrampfungen gelöst oder gemindert werden.
Gespräche mit anderen Betroffenen helfen, ein besseres Verständnis für die eigene Angst zu erlangen und auch das Verständnis anderer zu erfahren. Dies ist besonders indiziert in Fällen, in denen die Fahrangst ein verschlechtertes Selbstbild mit sich zieht.
Langfristig empfiehlt sich ein Training unter sicheren Bedingungen, z.B. das Fahren auf einem Verkehrsübungsplatz. So lassen sich die Abläufe des Fahrens bzw. die Empfindungen als Beifahrer immer wieder durchleben, bis eine gewisse Toleranz eintritt. Das Gefühl des Kontrollverlustes geht zurück, was zu einer Abnahme der Symptome führt.
Generell ist eine Kombination aus Entspannungstechniken, Ablenkung und regelmäßigem Training zu empfehlen, um langfristige Erfolge zu erzielen.
Quellen
- Arolt, V., Reimer, C., Dilling, H.: Basiswissen Psychiatrie und Psychotherapie. Springer, Heidelberg 2007
- Davison, G.C., Neale, J.M., Hautzinger, M.: Klinische Psychologie. Beltz PVU, München 2007
- Morschitzky, H.: Angststörungen – Diagnostik, Konzepte, Therapie, Selbsthilfe. Springer, Wien 2009