Faktor-XI-Mangel

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Bei dem Faktor-XI-Mangel handelt es sich um eine Gerinnungsstörung. Der Faktor XI ist ein Gerinnungsfaktor, ein Teil in der Gerinnungskaskade, der wiederum andere Teile aktiviert und dessen Ausfall deshalb den Ablauf der gesamten Gerinnungskaskade beeinträchtigt.

Inhaltsverzeichnis

Was ist ein Faktor-XI-Mangel?

Der angeborene Faktor-XI-Mangel ist selten, tritt aber gehäuft in bestimmten ethnischen Gruppen auf, beispielsweise bei den Ashkenazi-Juden oder bei Japanern. Der Mangel wird rezessiv vererbt.
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Faktor XI ist ein Proenzym der Serinprotease Faktor XIa und spielt eine Rolle in der Blutgerinnung. Dort steht es gemeinsam mit Präkallikrein, High-Molekular-Weight-Kininogen (HMWK) und Faktor XII am Anfang der Gerinnungskaskade. Das Enzym wird in der Leber synthetisiert und hat eine Halbwertszeit von 52 Stunden.

Es zirkuliert als inaktive Form im Blut und ist in den Blutplättchen vorhanden. Im Plasma liegt es in einer Konzentration von fünf Milligramm pro Deziliter vor. Die Aktivierung erfolgt über negativ geladene Oberflächen. In vitro kann die Aktivierung beispielsweise über Kaolin oder Silicium erfolgen. Im Körper erfolgt sie wahrscheinlich über Proteoglykane aus freigelegten Gefäßwänden oder RNA, das ist jedoch noch nicht genau nachgewiesen.

Während der Faktor XI im Blut zirkuliert, ist er an HMWK gebunden. Dadurch wird eine Bindung an negativ geladene Oberflächen ermöglicht, hier besonders an die Phospholipidoberfläche von aktivierten Blutplättchen. Unter Anwesenheit von Calcium und Phospholipiden wird durch Faktor XIa Faktor IX zu Faktor Xa aktiviert. Außerdem wird der TAFI (Thrombin activable fibrinolysis inhibitor) von Faktor XIa aktiviert.

Der Faktor XIa wiederum wird aktiviert von Faktor XII, Thrombin oder er kann sich auch selbst aktivieren. Inaktiviert wird der Faktor XI durch Antithrombin, Alpha-1-Antitrypsin, durch Alpha-2-Antiplasmin Plasmininhibitor, C1 Inhibitor und Protein-Z abhängige Proteaseinhibitoren (ZPI). Liegt der Faktor XI nicht in ausreichender Menge vor, tritt eine Gerinnungsstörung ein, die als Faktor-XI-Mangel bezeichnet wird.

Ursachen

Der Faktor-XI-Mangel kann entweder erworben oder angeboren sein. Erworben werden kann er durch eine Lebererkrankung, die die Leber an einer ausreichenden Synthetisierung der Gerinnungsfaktoren hindert. Ebenso durch einen Vitamin-K-Mangel, der oft durch Medikamente zur Gerinnungshemmung hervorgerufen wird.

Bei Autoimmunerkrankungen durch Antikörper gegen Gerinnungsfaktoren oder durch Eiweißverlust bei Nierenerkrankungen. Eine weitere Ursache für den Mangel sind Verbrauchskoagulopathien. Eine Verbrauchskoagulopathie entsteht durch eine intravasale Aktivierung der Blutgerinnung.

Dadurch kommt es zu einem hohen Verbrauch von Gerinnungsfaktoren und Thrombozyten, wodurch ein Mangel hervorgerufen wird. Als Auslöser kommt ein Schock jeder Art in Frage, beispielsweise durch Polytraumata nach Unfällen, ebenso wie durch geburtshilfliche oder Schwangerschaftskomplikationen wie Präeklampsie und Eklampsie.

Auch ausgedehnte Nekrosen, beispielsweise bei Verbrennungen können einen Faktor-XI-Mangel begünstigen. Auch massive Hämolysen, wie sie nach einem Transfusionszwischenfall auftreten können, eine Sepsis durch gramnegative Bakterien oder Vergiftungen durch Schlangenbisse gelten als Ursachen.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Der angeborene Faktor-XI-Mangel ist selten, tritt aber gehäuft in bestimmten ethnischen Gruppen auf, beispielsweise bei den Ashkenazi-Juden oder bei Japanern. Der Mangel wird rezessiv vererbt. Es können Genmutationen im für den Faktor XI zuständigen Gen auftreten oder manchmal kann es auch zu einem vollständigen Fehlen dieses Gens kommen.

Diese angeborene Variante wird als Hämophilie C, PTA-Mangelsyndrom oder Rosenthal-Syndrom bezeichnet. Bei dem Faktor-XI-Mangel treten unterschiedliche Schweregrade auf. Die normale Aktivität von Faktor XI liegt bei siebzig bis hundertfünfzig Prozent. Bei einem partiellen Mangel fällt dieser Wert auf zwanzig bis siebzig Prozent.

Ein partieller Mangel wird von einer heterozygoten Mutation des entsprechenden Gens verursacht. Bei einer homozygoten Vererbung kommt es zu einem schweren Mangel. Hier liegt die Aktivität von Faktor XI manchmal unter fünfzehn Prozent.

Der Faktor-XI-Mangel kann einmal als Typ I auftreten. Das bedeutet eine Verminderung der Aktivität und der Proteinkonzentration der Gerinnungsfaktoren im Blut. Typ II dagegen hat die normale Proteinkonzentration vorliegen, aber die Aktivität ist vermindert. Das nennt man eine Funktionsstörung des Gerinnungsfaktors.

Diagnose & Verlauf

Der Faktor-XI-Mangel führt zu einer erhöhten Blutungsneigung, im Vergleich zu gesunden Menschen kann es leichter und schneller zu Blutungen kommen. Die Erkrankung kann aber auch völlig symptomlos verlaufen. Treten Symptome auf, so sind es überwiegend moderate Blutungen.

Diese Blutungen erfolgen meist nach Verletzungen oder chirurgischen Eingriffen. Insbesondere Zirkumzisionen, Zahnextraktionen und Eingriffe im HNO- und Urogenitalbereich sind für höhere Blutungsneigungen bei dieser Mangelerkrankung bekannt. Zu Spontanblutungen kommt es normalerweise nicht, aber bei Frauen kann eine verlängerte Regelblutung auftreten.

Nach chirurgischen Eingriffen werden bei unbehandelten Patienten mit Faktor-XI-Mangel gelegentlich signifikante Hämatome beobachtet. Bei einem Faktor-XI-Mangel kann man allerdings nur eine geringe Korrelation zwischen dem Schweregrad der Blutungen und dem Faktor XI Spiegel feststellen.

Komplikationen

In der Regel ist die Gerinnung bei einem Patienten mit dem Faktor-XI-Mangel gestört. Dies kann sich vor allem bei Unfällen negativ auf die Gesundheit auswirken und zu Blutungen führen, die nicht einfach gestoppt werden können. Schon leichte Verletzungen können beim Faktor-XI-Mangel relativ starke Blutungen begünstigen.

In den meisten Fällen kommt es bei dieser Krankheit zu keinen weiteren Komplikationen, wenn sich der Patient keinen besonderen und unnötigen Gefahren aussetzt. Es kann allerdings zu Problemen kommen, wenn eine Operation durchgeführt wird. Dies ist zum Beispiel beim Besuch des Zahnarztes der Fall, wenn die Blutung nicht einfach gestoppt werden kann. Bei einer richtigen Behandlung verläuft die Krankheit allerdings ohne weiterer Symptome.

Nur in sehr seltenen Fällen treten die Blutungen spontan auf. Frauen sind dabei von einer stärkeren und länger anhaltenden Regelblutung betroffen, was sich negativ auf den Alltag auswirken kann. Eine richtige Behandlung wird in der Regel nicht durchgeführt. Der Betroffene muss nur mehr Acht bei Blutungen geben und gegebenenfalls Ärzte informieren, wenn es bei der Behandlung zu Blutungen kommen kann. Durch den Faktor-XI-Mangel kommt es nicht zu einer verringerten Lebensdauer.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Bei einem Faktor-XI-Mangel ist immer ein Besuch bei einem Arzt notwendig. Der Arzt sollte dann aufgesucht werden, wenn der Patient an einer deutlich erhöhten Blutungsneigung leidet. Dabei können schon sehr leichte Verletzungen oder Schnitte zu starken Blutungen führen. Die Blutungen selbst können nur schwer gestoppt werden und dauern sehr lange an. Auch eine lange und starke Regelblutung der Frau kann auf den Faktor-XI-Mangel hindeuten und sollte immer untersucht werden.

In der Regel sollte der Arzt dann aufgesucht werden, wenn die Symptome das erste Mal erkannt werden. Da die Krankheit nicht kausal oder ursächlich therapiert werden kann, wird sie nur mit Hilfe von Medikamenten gelindert. Damit können die Blutungen direkt gestoppt werden. In Notfällen kann auch ein Notarzt gerufen werden.

Beim Faktor-XI-Mangel sollte ein behandelnder Arzt immer gewarnt werden, wenn es um einen operativen Eingriff geht, um Komplikationen zu vermeiden. Die Diagnose und Behandlung der Krankheit kann meistens bei einem Kinderarzt oder bei einem Allgemeinarzt erfolgen. Weiterhin sind in der Regel keine Besuche beim Arzt notwendig, falls Blutungen vorgebeugt werden können.

Behandlung & Therapie

Um einen Faktor-XI-Mangel festzustellen, muss der Faktor XI Spiegel überprüft werden. Eine Verlängerung der aktivierten partiellen Thromboplastinzeit (aPTT) führt in die gleiche Richtung. Bei einem schweren Defekt liegt der Faktor XI Spiegel unter zwanzig Einheiten pro Deziliter. Ein partieller Mangel wird bei einem Wert zwischen zwanzig und siebzig Einheiten pro Deziliter diagnostiziert.

Die Diagnose muss gegen die Diagnosen von Mangelzuständen der anderen Gerinnungsfaktoren, II, V, VII, VIII, IX, X oder XIII abgegrenzt werden, gegen kombinierte Mangelerkrankungen von Faktro V und VIII, gegen das von-Willebrand-Syndrom und eine Thrombozyten-Funktionsstörung.

Aussicht & Prognose

Der Faktor-XI-Mangel kann durch die Gabe von Tranexamsäure, Aminocapronsäure und andere Antifibrinolytika sehr gut behandelt werden. Insofern keine Begleiterkrankungen vorliegen, ist eine Genesung wahrscheinlich. Schlechter ist die Prognose, wenn der Patient begleitend zu dem Faktor-XI-Mangel an einer Autoimmunschwäche oder an einem Hautleiden erkrankt ist.

Dies kann innere und äußere Blutungen begünstigen und dadurch die Prognose verschlechtern. Auch bei Kindern, Schwangeren und älteren Menschen sowie Patienten, die im Beruf einer erhöhten Unfallgefahr ausgesetzt sind, fällt die Prognose generell etwas schlechter aus.

Da der Faktor-XI-Mangel vorwiegend nach Zahnextraktionen und chirurgischen Eingriffen auftritt, kann das Risiko für Blutungen gezielt verringert werden, indem nach entsprechenden Eingriffen die geeigneten Arzneimittel verordnet werden und der Patient engmaschig von einem Arzt überwacht wird. Dadurch kann die Prognose langfristig verbessert werden.

Da bei dem Faktor-XI-Mangel für gewöhnlich keine Spontanblutungen auftreten, sind ernste Komplikationen unwahrscheinlich. Die Lebenserwartung wird durch einen Faktor-XI-Mangel nicht reduziert. Der zuständige Internist kann die Diagnose anhand einer Anamnese und regelmäßiger Verlaufskontrollen stellen. Im Allgemeinen ist die Aussicht auf eine Heilung gut, da die Blutungssymptome zumeist moderat sind.


Vorbeugung

Eine Dauerbehandlung ist nicht notwendig, da es zu keinen Spontanblutungen kommt. Im Fall von Blutungen oder Situationen, bei denen mit Blutungen gerechnet werden muss, ist eine Behandlung erforderlich. Vor einer Zahnextraktion oder einem chirurgischen Eingriff werden die Patienten mit Faktor-XI-Mangel mit einem Faktor XI Konzentrat oder frisch gefrorenem Plasma behandelt. Manchmal werden auch Antifibrinolytika wie Aminocapronsäure und Tranexamsäure gegeben, denn der Faktor-XI-Mangel führt zu einem hyperfibrinolytischen Status.

Nachsorge

Beim Faktor-XI-Mangel sind die Möglichkeiten zur Nachsorge in den meisten Fällen sehr stark eingeschränkt. Dabei ist der Betroffene in erster Linie auf die medizinische Untersuchung und Behandlung dieser Krankheit angewiesen, damit es nicht zu weiteren Komplikationen kommt. In der Regel sollte der Betroffene bei ärztlichen Untersuchungen den Arzt immer auf den Faktor-XI-Mangel hinweisen, damit es nicht zu starken Blutungen kommt.

Die Behandlung selbst erfolgt durch die Gabe von Medikamenten, die die Beschwerden lindern können. Dabei ist auf eine richtige Dosierung und auf eine regelmäßige Einnahme zu achten, um dem Faktor-XI-Mangel richtig entgegenzuwirken. Besondere Komplikationen treten in der Regel nicht auf und es kommt auch nicht zu einer verringerten Lebenserwartung, falls der Faktor-XI-Mangel richtig und rechtzeitig behandelt wird.

Ebenfalls ist es ratsam, eine Karte dabei zu haben, die auf den Faktor-XI-Mangel hindeutet, damit bei Unfällen oder bei anderen starken Verletzungen die Ärzte ebenfalls über die Krankheit benachrichtigt sind. Der Betroffene sollte sich vor Blutungen und vor anderen Verletzungen schützen, wobei vor allem Eltern auf ihre Kinder bei einem Faktor-XI-Mangel besonders aufpassen sollten. Dabei kann auch der Kontakt zu anderen Betroffenen der Erkrankung sinnvoll sein.

Das können Sie selbst tun

Je detaillierter das soziale Umfeld der Betroffenen über Hämophilie C informiert ist, desto selbstverständlicher ist der tägliche Umgang. Familienangehörige, Freunde oder Lehrer und Kollegen sollten über die Krankheit aufgeklärt sein. Dies ermöglicht im Notfall eine routinierte und besonnene Vorgehensweise aller Beteiligten.

So sind Schulkinder mit Hämophilie C im Sportunterricht dem Risiko von Gelenk- und Muskelblutungen ausgesetzt. Ein eingeweihter Sportlehrer weiß, wann die Verabreichung der Faktorenpräparate angezeigt ist oder eine Kühlung ausreicht.

Regelmäßiger Ausdauersport wie Schwimmen, Radfahren oder Wandern eignet sich für Menschen mit Faktor-XI-Mangel, da auf diese Weise Muskeln und Gelenke gleichmäßig gestärkt werden. Die Gefahr für Spontanblutungen sinkt. Abgeraten wird von Sportarten, bei denen Muskeln und Gelenke sehr beansprucht werden oder Verletzungsgefahr besteht. Dazu zählen Mannschaftssportarten mit häufigem Körperkontakt wie Basketball oder Fußball.

Unterwegs ist der mitgeführte Hämophilie-Ausweis Voraussetzung, dass im Notfall der gerufene Arzt den Patienten korrekt behandelt. Auf Auslandsreisen dient der internationale Patientenausweis der besseren Kommunikation. Die Haltbarkeit von Faktorenpräparaten ist auf Reisen gewährleistet, wenn sie gekühlt transportiert werden. Jederzeit griffbereite Medikamente erhöhen die Sicherheit, wobei ein Vorrat von mindestens einer Woche empfohlen wird.

Quellen

  • Burkhardt, D.: Gesund leben. Laborwerte deuten. Müller Verlag, Köln 2005
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Luther, B. (Hrsg.): Kompaktwissen Gefäßchirurgie. Springer, Berlin 2011

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