Antifibrinolytika

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 18. Juni 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Unter dem Begriff Antifibrinolytika werden in der Pharmakologie und Humanmedizin verschiedene Wirkstoffe zusammengefasst, die zu einer Auflösung von Fibrin führen. Hierdurch hindern Antifibrinolytika die Entstehung von Blutungen, weswegen sie auch als Blutungs- oder Plasminhemmer bezeichnet werden.

Inhaltsverzeichnis

Was sind Antifibrinolytika?

Antifibrinolytika kommen aber auch im Rahmen der Geburtshilfe zum Einsatz. Hier sollen sie die Gerinnung bei postpartalen Blutungen verbessern.
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Die Wirkstoffklasse der Antifibrinolytika setzt sich aus den Wirkstoffen Tranexamsäure und Aprotinin zusammen. Während letzteres einen Plasminhemmer darstellt, gilt ersteres als Aminosäure. Beiden gemein ist, dass sie zu einer Hemmung von Blutungen führen. Antifibrinolytika gelten deshalb auch als Plasminhemmer oder Blutungsstopper. Sie bewirken eine Inhibition von Fibrin, sodass es zu einer verstärkten Blutgerinnung kommt. Zu den bekanntesten Antifibrinolytika zählen die Präparate Cyklokapron® und Trasylol®.

Antifibrinolytika werden typischerweise oral eingenommen. Eine intravenöse Vergabe ist auch möglich. Sie unterliegen der Apotheken- und Verschreibungspflicht, sind also nur aufgrund vorheriger ärztlicher Verordnung in einer lizensierten Apotheke erhältlich.

Pharmakologische Wirkung auf Körper & Organe

Der Wirkmechanismus sämtlicher Antifibrinolytika beruht auf einer Beeinflussung des körpereigenen Fibrin. Hierbei handelt es sich um das aktivierte, vernetzte Protein, das für die plasmatische Gerinnung des menschlichen Blutes verantwortlich ist.

Antifibrinolytika verursachen nach der Einnahme eine Hemmung von Plasmin. Hierbei handelt es sich um den für die Auflösung von Fibrin verantwortlichen Stoff. Durch die geringere Auflösung von Fibrin steigt der Gehalt des Proteins im Blut. Hierdurch wird ein Blutverlust vermindert. Antifibrinolytika gelingt es damit, eine Fibrinolyse auf pharmakologischem Wege zu unterdrücken.

Medizinische Anwendung & Verwendung zur Behandlung & Vorbeugung

Antifibrinolytika können sowohl zu therapeutischen Zwecken als auch im Rahmen einer Prophylaxe präventiv verwendet werden. Sinn und Zweck der Vergabe ist dabei stets, Blutungen, die sich als Folge einer Hyperfibrinolyse ereignen, zu behandeln. Eine Hyperfibrinolyse liegt vor, wenn die enzymatische Spaltung des körpereigenen Proteins Fibrin (Fibrinolyse) pathogen erhöht ist.

Einige Antifibrinolytika wie z. B. Tranexamsäure sind auch zum Einsatz als Antidot geeignet. Als Antidot gelten solche Stoffe, die die Wirkungen einer toxischen Substanz inaktivieren oder deren Wirkungen zumindest herabsetzen bzw. mildern. Das Einsatzgebiet als Antidot bleibt jedoch auf das Behandeln von Blutungen, die während einer fibrinolytischen Therapie auftreten, beschränkt.

Antifibrinolytika kommen aber auch im Rahmen der Geburtshilfe zum Einsatz. Hier sollen sie die Gerinnung bei postpartalen Blutungen verbessern. Darüber hinaus besteht auch eine Indikation bei zahnmedizinischen Eingriffen und chirurgischen Maßnahmen mit gesteigertem Blutungsrisiko (z. B. bei Operationen der Prostata oder des Gastrointestinaltrakts). In diesen Fällen werden Antifibrinolytika als Prophylaxemittel verabreicht.

Weitere Anwendungsfelder der Antifibrinolytika stellen anhaltendes Nasenbluten, hereditäre angioneurotische Ödeme, Fibrinogen-Gaben sowie besonders ausgeprägte Menstruationsblutungen (Hypermenorrhö) dar.

Antifibrinolytika können sowohl intravenös als auch oral (als Brause- oder Filmtabletten) verabreicht bzw. eingenommen werden. Sämtliche Vertreter dieser Wirkstoffklasse unterliegen der Apotheken- und Verschreibungspflicht.


Verabreichung & Dosierung

Bei der Verabreichung und Dosierung von Antifibrinolytika, wie Tranexamsäure und Aminocapronsäure, sind mehrere wichtige Faktoren zu beachten, um ihre Wirksamkeit sicherzustellen und Nebenwirkungen zu minimieren.

Indikationen und Kontraindikationen: Antifibrinolytika werden zur Behandlung und Prävention von übermäßigen Blutungen eingesetzt, insbesondere bei chirurgischen Eingriffen, Zahnextraktionen bei Hämophilie-Patienten und schweren Menstruationsblutungen. Es ist entscheidend, dass die Indikation für die Anwendung korrekt gestellt wird. Kontraindikationen umfassen unter anderem akute Thrombosen, schwere Nierenerkrankungen und bekannte Überempfindlichkeit gegenüber dem Medikament.

Dosierung: Die Dosierung variiert je nach Indikation, Alter und Gesundheitszustand des Patienten. Tranexamsäure wird häufig in einer Dosierung von 1-1,5 g dreimal täglich verabreicht, kann aber auch als intravenöse Injektion verabreicht werden, insbesondere in akuten Situationen. Die genaue Dosierung muss individuell angepasst werden und richtet sich nach dem Schweregrad der Blutung und der klinischen Situation.

Überwachung und Nebenwirkungen: Während der Behandlung sollten Patienten engmaschig überwacht werden, um Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen, Durchfall und Hypotension zu erkennen. In seltenen Fällen können schwerwiegendere Nebenwirkungen wie Thrombosen auftreten. Daher ist eine regelmäßige Kontrolle der Blutgerinnungsparameter und der Nierenfunktion wichtig.

Interaktionen: Antifibrinolytika können mit anderen Medikamenten interagieren, die die Blutgerinnung beeinflussen. Bei gleichzeitiger Einnahme von Antikoagulanzien oder Thrombozytenaggregationshemmern ist besondere Vorsicht geboten, da dies das Risiko für Thrombosen erhöhen kann.

Patientenaufklärung: Patienten sollten über die korrekte Anwendung, mögliche Nebenwirkungen und die Notwendigkeit regelmäßiger Kontrollen informiert werden. Es ist wichtig, dass Patienten verstehen, wann und wie sie die Medikamente einnehmen sollen, um die bestmögliche Wirkung zu erzielen und Komplikationen zu vermeiden.

Durch sorgfältige Beachtung dieser Aspekte kann die Verabreichung und Dosierung von Antifibrinolytika sicher und effektiv gestaltet werden.

Risiken & Nebenwirkungen

Antifibrinolytika können – wie andere medizinisch aktive Stoffe auch – nach der Einnahme zu unerwünschten Nebenwirkungen führen. Zunächst ist zu prüfen, ob eine Allergie gegen Antifibrinolytika bekannt ist. Ist dies der Fall, so hat die Einnahme zwingend zu unterbleiben, da eine Kontraindikation besteht. Hiermit wird beschrieben, dass eine medizinische Gegenanzeige vorliegt, welche die Behandlung aus ärztlicher Sicht untersagt.

Eine Kontraindikation besteht zudem während der Stillzeit, da Antifibrinolytika in die Muttermilch gelangen können. Auch Patienten, die an einer Thrombose leiden oder einem erhöhten Thromboserisiko unterliegen, dürfen keine Antifibrinolytika einnehmen. Während einer Schwangerschaft ist eine umfassende Risikoabwägung durch den Arzt durchzuführen.

Zu den üblichen Nebenwirkungen gehören Reaktionen der Haut (Juckreize, Ausschläge, Rötungen), Vorhofflimmern und Sehstörungen. Für Patienten, die an einem Thromboserisiko leiden, besteht zudem die Gefahr eines Schlaganfalls, eines Herzinfarkts oder einer Lungenembolie.

Wenn Antifibrinolytika zur Behandlung von Harnblutungen eingesetzt werden, können sich zudem Koagel bilden, die zu weiteren Gefahren führen können. Im Voraus der Einnahme ist deshalb eine umfassende Chancen-Risiko-Abwägung durchzuführen, da eine Gegenanzeige bestehen kann.

Kontraindikationen

Typische Kontraindikationen bei der Verwendung von Antifibrinolytika, wie Tranexamsäure und Aminocapronsäure, umfassen eine Reihe von gesundheitlichen Zuständen und Risiken, die die Anwendung dieser Medikamente unsicher oder potenziell schädlich machen können.

Thromboembolische Erkrankungen: Patienten mit einer Vorgeschichte von Thrombosen, tiefen Venenthrombosen, Lungenembolien oder anderen thromboembolischen Ereignissen sollten Antifibrinolytika nicht einnehmen. Diese Medikamente können das Risiko von Blutgerinnseln erhöhen und zu schwerwiegenden Komplikationen führen.

Niereninsuffizienz: Antifibrinolytika werden über die Nieren ausgeschieden, daher kann bei Patienten mit schwerer Niereninsuffizienz eine Akkumulation des Medikaments auftreten, was das Risiko von Nebenwirkungen erhöht. Eine Dosisanpassung oder alternative Therapien sollten in Betracht gezogen werden.

Akute disseminierte intravasale Koagulation (DIC): In Fällen von akuter DIC, bei der das Gerinnungssystem des Körpers überaktiv ist und gleichzeitig Blutungen und Thrombosen auftreten, können Antifibrinolytika das Thromboserisiko weiter erhöhen und sind daher kontraindiziert.

Überempfindlichkeit oder Allergie: Patienten mit bekannter Überempfindlichkeit oder Allergie gegen Tranexamsäure, Aminocapronsäure oder einen der sonstigen Bestandteile der Präparate sollten diese Medikamente nicht einnehmen, um allergische Reaktionen zu vermeiden.

Kardiovaskuläre Erkrankungen: Personen mit bestimmten Herzerkrankungen, insbesondere solchen, die das Risiko von Thrombosen erhöhen, sollten Antifibrinolytika nur unter strenger ärztlicher Überwachung einnehmen.

Schwangerschaft und Stillzeit: Die Sicherheit von Antifibrinolytika während der Schwangerschaft und Stillzeit ist nicht vollständig geklärt. Sie sollten nur angewendet werden, wenn der potenzielle Nutzen das Risiko für den Fötus oder das gestillte Kind überwiegt.

Krampfanfälle: Es gibt Berichte über Krampfanfälle im Zusammenhang mit der Anwendung von Antifibrinolytika, insbesondere bei hohen Dosen. Patienten mit einer Vorgeschichte von Krampfanfällen sollten diese Medikamente mit Vorsicht verwenden.

Durch sorgfältige Berücksichtigung dieser Kontraindikationen kann das Risiko von Nebenwirkungen und Komplikationen bei der Verwendung von Antifibrinolytika minimiert werden.

Interaktionen mit anderen Medikamenten

Bei der Verwendung von Antifibrinolytika wie Tranexamsäure und Aminocapronsäure können verschiedene Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten auftreten, die berücksichtigt werden müssen, um die Sicherheit und Wirksamkeit der Behandlung zu gewährleisten.

Antikoagulanzien: Die gleichzeitige Anwendung von Antifibrinolytika und Antikoagulanzien wie Warfarin, Heparin oder neueren oralen Antikoagulanzien (NOAKs) kann die Wirksamkeit der Blutverdünnung beeinträchtigen. Diese Kombination erhöht das Risiko für Blutgerinnsel und sollte daher nur unter strenger ärztlicher Aufsicht erfolgen.

Thrombozytenaggregationshemmer: Medikamente wie Aspirin, Clopidogrel und andere Thrombozytenaggregationshemmer, die die Blutplättchenfunktion hemmen, können ebenfalls das Risiko von Thrombosen erhöhen, wenn sie zusammen mit Antifibrinolytika eingenommen werden. Dies erfordert eine sorgfältige Abwägung und Überwachung durch den Arzt.

Östrogenhaltige Präparate: Die Kombination von Antifibrinolytika mit östrogenhaltigen Präparaten, wie sie in oralen Kontrazeptiva und Hormonersatztherapien vorkommen, kann das Risiko von thromboembolischen Ereignissen weiter erhöhen. Frauen, die diese Medikamente einnehmen, sollten alternative Verhütungsmethoden oder Hormonersatztherapien in Betracht ziehen.

Prothrombinkomplexkonzentrate und rekombinanter Gerinnungsfaktor VIIa: Die gleichzeitige Verabreichung dieser Gerinnungsfaktoren und Antifibrinolytika kann die Thromboseneigung verstärken. Eine enge Überwachung der Gerinnungsparameter ist notwendig, um Komplikationen zu vermeiden.

Thrombolytika: Die Wirkung von thrombolytischen Medikamenten, die zur Auflösung von Blutgerinnseln verwendet werden (z.B. Streptokinase, Alteplase), kann durch Antifibrinolytika antagonisiert werden. Diese Medikamente sollten daher nicht gleichzeitig angewendet werden.

Orale Retinoide: Es gibt Berichte über erhöhte Thromboserisiken bei gleichzeitiger Einnahme von Tranexamsäure und oralen Retinoiden, die zur Behandlung von Hauterkrankungen wie Akne verwendet werden.

Anästhetika: Bestimmte Anästhetika, insbesondere solche, die eine gerinnungshemmende Wirkung haben, sollten mit Vorsicht verwendet werden, da die Kombination mit Antifibrinolytika die Blutungs- oder Thromboserisiken beeinflussen kann.

Die Berücksichtigung dieser Wechselwirkungen ist entscheidend für die sichere Anwendung von Antifibrinolytika und erfordert eine sorgfältige Überwachung und Anpassung der Therapie durch den behandelnden Arzt.

Alternative Behandlungsmethoden

Wenn Antifibrinolytika nicht vertragen werden oder kontraindiziert sind, stehen mehrere alternative Behandlungsmethoden und Wirkstoffe zur Verfügung, um Blutungen zu kontrollieren und die Blutgerinnung zu fördern:

Desmopressin (DDAVP): Desmopressin ist ein synthetisches Analogon des antidiuretischen Hormons Vasopressin und wird verwendet, um die Freisetzung von von-Willebrand-Faktor und Faktor VIII aus den Endothelzellen zu stimulieren. Es ist besonders nützlich bei Patienten mit milden Formen der Hämophilie A und von-Willebrand-Krankheit.

Gerinnungsfaktoren: Bei schweren Blutungsstörungen können spezifische Gerinnungsfaktoren, wie rekombinanter Faktor VIII oder IX für Hämophilie-Patienten, verabreicht werden. Prothrombinkomplexkonzentrate (PCCs) und aktivierter Faktor VII (rFVIIa) sind ebenfalls Optionen zur schnellen Kontrolle schwerer Blutungen.

Fibrinogen-Konzentrate: Diese werden eingesetzt, wenn es zu einem Mangel an Fibrinogen kommt, wie bei massiven Blutungen oder bestimmten angeborenen Fibrinogenstörungen. Sie helfen, die Gerinnung zu stabilisieren und Blutungen zu kontrollieren.

Antifibrinolytische Proteine: Aprotinin ist ein Proteaseinhibitor, der in der Vergangenheit zur Reduzierung von Blutverlusten bei Operationen, insbesondere Herzoperationen, verwendet wurde. Aufgrund von Sicherheitsbedenken wird es jedoch nur noch eingeschränkt eingesetzt.

Topische Hämostatika: Bei oberflächlichen Blutungen können topische Hämostatika wie Gelfoam, Surgicel oder Trombinpulver angewendet werden. Diese Produkte fördern die lokale Gerinnung und sind besonders nützlich in chirurgischen oder zahnmedizinischen Settings.

Plasmaexpanders und Bluttransfusionen: In Fällen massiver Blutverluste können Bluttransfusionen und die Verabreichung von Plasmaexpandern notwendig sein, um das Volumen und die Gerinnungsfaktoren wieder aufzufüllen.

Hormonelle Therapie: Bei Frauen mit Menorrhagie (starker Menstruationsblutung) können hormonelle Therapien wie kombinierte orale Kontrazeptiva oder Levonorgestrel-freisetzende Intrauterinpessare helfen, die Blutung zu reduzieren.

Diese alternativen Behandlungsmethoden bieten unterschiedliche Ansätze zur Kontrolle und Prävention von Blutungen und können je nach spezifischer medizinischer Situation des Patienten eingesetzt werden. Die Wahl der Methode sollte immer in Absprache mit einem Arzt erfolgen, um die sicherste und effektivste Therapie zu gewährleisten.

Quellen

  • "Goodman & Gilman's The Pharmacological Basis of Therapeutics" von Laurence Brunton, Randa Hilal-Dandan, und Bjorn Knollmann
  • "Rang & Dale's Pharmacology" von Humphrey P. Rang, Maureen M. Dale, James M. Ritter, und Rod J. Flower
  • "Basic and Clinical Pharmacology" von Bertram Katzung, Anthony Trevor

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