Integration

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Integration ist ein Teilschritt der Wahrnehmungsverarbeitung und gibt dem Menschen ein sinnvolles Bild von seiner Umwelt. Sensorische Integration umfasst verschiedene Sinnessysteme und unterschiedliche Sinnesqualitäten. Bei Integrationsstörungen ist die Integration wegen mangelnder Neuronen-Verknüpfung gestört.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Integration?

Die Integration ist ein Teilschritt der Wahrnehmungsverarbeitung und gibt dem Menschen ein sinnvolles Bild von seiner Umwelt.

Mit seinen Sinnen nimmt der Mensch die Welt wahr. Ein äußerer Reiz trifft auf spezielle Sinneszellen, die die Information über das Rückenmark ans Gehirn weitergeben. Was der Mensch aus allen Reizen der Umwelt erkennt und wahrnimmt, entscheidet sich nicht in den Sinnesorgangen, sondern erst mit den Erkennungsprozessen im Gehirn.

Die Erkennung eines Reizes ist eines der letzten Elemente in der Wahrnehmungskette. Auf dem Weg zwischen Empfindung und Erkennung liegen viele perzeptive Teilschritte. Einer davon ist die sensorische Integration. Mit diesem medizinischen Terminus ist das Zusammenspiel verschiedener Sinnessysteme und Sinnesqualitäten gemeint. Erst durch diese koordninierte Integration ist der Mensch zur Erkennung und Interpretation von Perzepten als Situation in der Lage. So gibt beispielsweise die sensorische Integration von vestibulären Reizen und Reizen der Tiefensensibilität Auskunft über die eigene Lage im Raum und beeinflusst das Gleichgewicht.

Das Feld der Propriozeption ist besonders stark auf sensorische Integration angewiesen, jedoch gilt der integrative Teilschritt der Wahrnehmung in verschiedenem Maß für alle Sinnessysteme. Ziel jeder sensorischen Integration ist die angemessene Auseinandersetzung mit der Umwelt, die durch geordnete Verarbeitungswege der einzelnen Sinnessysteme möglich wird. Ohne die sensorische Integration sind dem Menschen keine zielgerichteten oder geplanten Handlungen auf Umweltreize hin möglich. Die Integration einzelner Sinneswahrnehmungen schafft erst das Bild von einer Situation und damit die Möglichkeit der situativen Reaktion.

Funktion & Aufgabe

Die Integration schafft eine Ordnung aller momentan einwirkenden Sinneseindrücke und entspricht so der Nutzbarmachung von Reizen als situatives Gesamtbild. Dank der Propriozeption erreichen das menschliche Gehirn beispielsweise permanent Informationen über den eigenen Körperzustand und die eigene Haltung oder Bewegung. Diese interozeptive Wahrnehmung wird von dem Gehirn mit der exterozeptiven Wahrnehmung von Reizen aus der Umgebung integriert, so zum Beispiel mit denen des Seh- oder Hörsinns.

Die Exterozeption informiert den Menschen permanent über die Gegebenheiten seiner Umwelt. Erst durch sensorische Integration stellt das Gehirn Bezüge zwischen den Reizen her und setzt so beispielsweise exterozeptive mit interozeptiven Informationen in Beziehung. Ein Beispiel dafür ist die Wahrnehmung der Schwerkraft, die mit den Bewegungen des eigenen Körpers integriert wird und so in Beziehung zum Erdboden gebracht wird.

So kann der Mensch auf seine Umwelt und die Reize aus seinem Körper adäquat reagieren. Die Reize fließen dem Gehirn als Empfindungen auf bestens organisierte Weise zu, sodass der Mensch aus den einzelnen Empfindungen Gesamtwahrnehmungen formen kann. Auf diese Gesamtwahrnehmungen kann er seine Verhaltensweisen abstimmen.

Nur Menschen mit geordneter Wahrnehmung können sich angemessen in der Umgebung bewegen, sämtliche Reize erfolgreich verarbeiten oder die Kraft und das Ausmaß ihrer Bewegungen angemessen koordinieren. Die Fähigkeit zur Integration beeinflusst so zum Beispiel das Körperbewusstsein.

Integration erfordert und bedingt gleichzeitig eine angemessene Konzentrationsfähigkeit und Handlungsfähigkeit. Dank der Integration mündet ein Schwerkraftreiz auf dem vestibulären System des Innenohrs beispielsweise in einer Bereitstellung propriozeptiver Muskelaktivitäten. Auf ähnliche Weise stimulieren Gleichgewichtsreize dank der Integration verschiedene Rezeptoren in den Bogengängen des menschlichen Ohrs und münden damit in einer Haltungsanpassung, die den Menschen vom Stürzen bewahrt.

Auch im Zusammenhang mit dem Sehsinn und dem Tastsinn ist sensorische Integration ein wichtiger Prozess. Beim Schreiben steuert der Sehsinn dank der Integration beispielsweise die Hand, indem seine Wahrnehmungen mit den taktilen Berührungsreizen der Hautrezeptoren und den propriozeptiv tiefensensiblen Reizen der Gelenk-, Muskel- und Sehnenrezeptoren integriert werden.


Krankheiten & Beschwerden

Als sensorische Integrationsstörung ist ein gestörtes Zusammenspiel einzelner Sinnesmodalitäten bekannt. Wenn vestibuläre Reiz beispielsweise keine Haltungsanpassung auslösen, ist die Integration im vestibulären System gestört. Die Betroffenen dieser Störung leiden oft an einer niedrigen Grundspannung der Muskulatur, sodass zur Aufrechterhaltung von Haltungsstabilität eine bewusste Anstrengung erforderlich ist. Da sie dem Akt bewusst Aufmerksamkeit entgegenbringen müssen, fehlt ihnen diese Aufmerksamkeit für andere Aktionen.

Patienten mit sensorischen Integrationsstörungen wirken teils, als hätten sie eine Aufmerksamkeitsdefizitstörung. Der Grund für ihre Unruhe ist jedoch anders als bei einer Aufmerksamkeitsdefizitstörung keine generelle Aufmerksamkeitsschwäche. Stattdessen wird die Unruhe durch den Hypotonus der Mukulatur bedingt, der die Aufmerksamkeit und Konzentration der Betroffenen vollends absorbiert.

Andere Integrationsstörungen äußern sich in taktilen oder propriozeptiven Unterempfindlichkeiten, die mangelnde Bewegungsplanung zur Folge haben können und sich häufig als Ungeschicklichkeit bemerkbar machen.

Ebenso möglich sind taktile und vestibuläre Überempfindlichkeiten, die meist die Folge einer unzureichenden Reizmodulation durch das zentrale Nervensystem sind. Die Betroffenen zeigen oft eine taktile Abwehr gegenüber Berührungen.

Alle sensorischen Integrationsstörungen sind hirnphysiologische Dysfunktionen, die durch die mangelnde Verknüpfung von Neuronen oder Hirnstrukturen bedingt werden. Teils bestehen sie von Geburt an, teils entwickelt sich die Integration nur mangelhaft auf Grund zu geringer körperlicher Bewegungen – insbesondere im Kindesalter. Auch daher ist das physische Spielen enorm wichtig.

Manchmal stören auch neurologische Erkrankungen wie Multiple Sklerose oder Schlaganfälle die sensorisch-integrative Funktion in der Wahrnehmungskette. Solcherlei Integrationsstörungen durch morphologische Gehirnveränderungen werden in der Fachsprache allerdings nicht sensorische Integrationsstörungen genannt.

Bestehende Störungen der Integration lassen sich mittels sensorischer Integrationstherapie abschwächen, wenn auch nicht völlig aufheben. Für Fehlintegrationen nach morphologischen Hirnveränderungen im Rahmen neurologischer Erkrankungen gilt eine weitaus schlechtere Prognose. Oft ist die gestörte Integration nach der Zerstörung von Hirngewebe und Nervengewebe irreversibel.

Quellen

  • Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
  • Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010
  • Poeck, K., Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010

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