Propriozeption
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 28. Februar 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Die Propriozeption ist eine komplexe Interozeption, die das Gehirn über den Zustand und die Bewegung von Gelenken, Sehnen und Muskeln informiert. Gestörte Propriozeption kann sowohl durch Medikamente und Drogen, als auch durch neurologische Erkrankungen und Traumata verursacht werden.
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Was ist die Propriozeption?
Die anatomischen Sinnesstrukturen werden als Wahrnehmungsapparat bezeichnet. Meist handelt es sich bei Wahrnehmungen um Reize von außen, die vom reizspezifischen Organ mittels spezialisierter Rezeptoren aufgenommen und in bioelektrische Erregung verwandelt werden. Nach der Verarbeitung werden sie über afferente Bahnen ins zentrale Nervensystem projiziert. Erst nach den Klassifizierungsprozessen und Interpretationen des zentralen Nervensystems gehen Wahrnehmungen ins Bewusstsein über. Dieses Prinzip der Reizaufnahme von außen gibt einem Organismus ein Bild von seiner Umgebung und wird als Exterozeption bezeichnet.
Die Wahrnehmung kann sich aber auch auf eine Reizaufnahme aus dem Inneren beziehen. Wenn die aufgenommenen Reize aus dem eigenen Inneren stammen und damit die Selbstwahrnehmung ermöglichen, ist von Interoezeption die Rede.
Zwei Wahrnehmungsstrukturen prägen die Interorezeption: Die Viszerozeption und die Propriozeption. Die Viszerozeption entspricht der Wahrnehmung von Organtätigkeiten. Die Propriorepzion ist dagegen die Wahrnehmung der eigenen Körperlage und Bewegung im Raum. Diese Art der Eigenwahrnehmung wird auch als Tiefensensibilität bezeichnet und gliedert sich in den Lagesinn (Stellungssinn), den Bewegungssinn und den Kraftsinn (Widerstandssinn) auf. Die wichtigsten Rezeptoren dieser Wahrnehmungen sind die Muskelspindel, die Sehnenspindel und die sensiblen Rezeptoren der Gelenkkapsel, Bänder und Knochenhaut.
Funktion & Aufgabe
Die Tiefensensibilität sitzt dagegen im Muskelgewebe. Ihre Rezeptoren sind die Muskelspindel, die Sehnenspindel und die sensiblen Rezeptoren der Gelenke, Knochen und Bänder. Propriozeptive Reize werden über die Organellen der Propriozeptoren und der Interozeptoren vermittelt. Dabei handelt es sich meist um Mechanorezeptoren. Sie detektieren mechanische Reize und entsprechen so sensiblen Endorganen, die auf einen Zustand oder eine Zustandsänderung im Halte- und Bewegungsapparat ansprechen.
Über die Propriorezeption nimmt der Mensch sowohl den aktuellen Zustand, als auch Zustandsänderungen des eigenen Körpers wahr. Der Stellungssinn dient der Empfindung aktueller Ausgangstellungen. Der Bewegungssinn gibt Kontinuierlich Rückmeldung über das Ausmaß eigener Bewegung und ermittelt bei der Bewegung permanent die Körperlage. Der Kraft- oder Widerstandssinn dient der Dosierung und Vermittlung zwischen Zug und Druck, wie sie für jede Bewegung erforderlich ist.
Die propriozeptiven Nervenbahnen liegen in der sensorischen Rinde. Das Hauptfeld dieser Struktur ist ihre hintere Zentralwindung, wo Fasern des Trigeminus und der aufsteigenden Hinterstrangbahnen einkreuzen. In ihrer somatotopischen Gliederung entspricht die enge Nachbarschaft dieser Struktur dem Rückenmark. Wenn sensible Körperregionen gereizt werden, hält das zentrale Nervensystem automatisch die motorischen Bereiche und Thalamuskerne der Strukturen in Bereitschaft. So kann der menschliche Körper leichter zweckmäßig reaktive Bewegungen liefern. Einige afferente Bahnen zum Gyrus praecentralis dienen vermutlich ebenfalls der propriozeptiven Verarbeitung.
Vor allem die Tiefensensibilität ist eine zwingende Voraussetzung geregelter Motorik und entstammt dem Cerebellum (Kleinhirn). Einige propriozeptive Fasern gehen von Knochen, viszeralen Organen oder Gefäßen aus und erreichen zunächst den Hypothalamus. Im Hypothalamus werden sie mit den Impulsen des Hormonsystems gekoppelt und sind so an der Regulation vegetativer und animaler Körperfunktionen beteiligt.
Die Informationen der Propriorezeptoren erreichen das Gehirn über zwei verschiedene Bahnen. Die Informationen der bewussten Tiefensensibilität erreichen die somatosensorische Bahn des Thalamus und des Scheitellappens im Cortex (Großhirnrinde). Unbewusste Informationen der Tiefenwahrnehmung wandern dagegen über den Tractus spinocerebellaris ins Kleinhirn und erreichen so das Zentrum für Bewegungskontrolle.
Die Propriozeption unterscheidet sich von Mensch zu Mensch in ihrer Ausprägung. Eine allgemeine Propriozeption existiert also nicht, sondern lediglich eine spezifische.
Krankheiten & Beschwerden
Die Propriozeption im Sinne der Tiefensensibilität zeigt außerdem Reaktionen auf verschiedene Medikamente, Drogen und Alkohol. Auch einfachste Bewegungen fallen einem Betrunkenen so zum Beispiel plötzlich schwer. Die Eigenwahrnehmung ist verkrümmt und verursacht vielfältige Körperhaltungsprobleme, Beweglichkeitsstörungen und Koordinationsprobleme.
Eine Störung der Propriorezption kann somit sowohl von Störungen des Gleichgewichtorgans, als auch von solchen der Muskelspindel oder Sehnenspindel und Knochenrezeptoren verursacht werden. Auch Läsionen der vermittelnden Nervenbahnen können die Propriozption außer Gefecht setzen. Solche neuronalen Läsionen können autoimmunologische Ursachen haben und durch Entzündungen hervorgerufen werden, wie es bei der Multiplen Sklerose der Fall ist. Sie können jedoch ebenso gut auf Unfälle und damit Traumata zurückzuführen sein. Weitere Möglichkeiten sind Raumforderungen oder Einblutungen in die beteiligten Nervengebiete oder die zuständigen Gehirnregionen.
Die Ursache einer gestörten oder aufgehobenen Propriozeption wird mittels bildgebender Verfahren ermittelt. Durch ein MRT lässt sich idealerweise zum Beispiel die Lokalisation einer gegebenen Läsion bestimmen.
Sowohl der Hypothalamus, als auch das Kleinhirn oder die jeweils afferenten Bahnen können bei gestörter Propriozeption der Schädigungsort sein. Manchmal liegen Probleme mit der Tiefensensibilität auch im Innenohr, denn wenn die Propriozeption nicht mehr auf korrekte Informationen aus dem Vestibularorgan zugreifen kann, funktioniert auch sie nicht mehr einwandfrei.
Quellen
- Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
- Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
- Mattle, H., Mumenthaler, M.: Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013