Interesse

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Ein Interesse basiert auf der kognitiv starken Anteilnahme an und der emotional positiven Bewertung von bestimmten Tätigkeiten, Objekten oder Personen. Interessen stehen in Wechselwirkung mit der Aufmerksamkeit und werden im Gehirn, vor allem vom Frontalhirn und dem limbischen System gesteuert. Bei der Apathie besteht an der Außenwelt keinerlei Interesse mehr.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Interesse?

Das Interesse steuert die Aufmerksamkeit eines Menschen. Es entspricht der kognitiven Anteilnahme, die einer Sache oder einer Person entgegengebracht wird.

Das Interesse steuert die Aufmerksamkeit eines Menschen. Es entspricht der kognitiven Anteilnahme, die einer Sache oder einer Person entgegengebracht wird. Die Höhe der Anteilnahme korreliert mit der Stärke des Interesses. Desinteresse kann sich bis hin zu einer krankhaften Apathie steigern.

In der Psychologie ist das Interesse ein mehrdimensionales Konstrukt. Die Interessen definieren sich über konkrete Objekte, als Wissensbereiche oder in bestimmten Tätigkeitsklassen. Der Grad von Interessen an einer bestimmten Sache oder einem anderen Menschen definiert sich wiederum über die jeweils subjektive Wertschätzung im Einzelfall. Diese positive Wertschätzung hängt meist mit der Intensität der positiv emotional erlebten Zustände in Zusammenhang mit einer bestimmten Person, Tätigkeit oder einem bestimmten Objekt zusammen.

Für die pädagogische Psychologie ist das Interesse ein Resultat aus dem motivational emotionalen und kognitiven Zusammenhang zwischen einer bestimmten Person und einem Gegenstand, einer Tätigkeit oder einer anderen Person. Das Interesse Neues kennenzulernen und vielen Dingen offen gegenüber zu sein, kann dabei im Kindesalter stimuliert werden. Ermöglichen die Eltern es dem Kind viele Erfahrungen zu machen, besitzt das Kind durchschnittlich mehr Interesse daran weiterhin vielfältige Erfahrungen zu machen.

Bei der Bildung von Interessen handelt es sich um spezifisch menschliche Fähigkeiten der Kognition, die neurophysiologisch vor allem im Frontalhirn angesiedelt sind und darüber hinaus vor allem die Gehirnbereiche für Emotionen und emotionale Verarbeitung betreffen.

Funktion & Aufgabe

Jedes Interesse hat für den einzelnen Menschen eine stark emotionale Konnotation. Diese emotionale Konnotation ist überwiegend positiv und damit nach der persönlichen Erfahrung mit positiven Erlebnissen verknüpft. Interesse spielt außerdem für den willkürlichen Teil der Aufmerksamkeitszuwendung und für automatische Muster der Wahrnehmung eine Rolle. Die menschliche Wahrnehmung ist selektiv. Sie betont bestimmte Reize aus der Umwelt und schwächt andere ab oder filtert sie sogar aus.

Zu den wichtigsten Wahrnehmungsfiltern zählen die emotionale Verbindung und die Interessen einer Person. Über diese Filter wird noch vor der Verarbeitung der eintreffenden Reize entschieden, welche davon überhaupt relevant genug zur Verarbeitung sind. Aus diesem Grund tritt beispielsweise in das Bewusstsein von Menschen mit einem großen Interesse an Tieren zum Beispiel auch ein noch so winziger Käfer ein. Menschen mit einem weniger ausgeprägten Interesse an Tieren würden diesen Käfer zwar sehen, wegen der automatischen Filterfunktion der Wahrnehmung aber nicht bewusst wahrnehmen.

Neurowissenschaftlich betrachtet spielen Interessen und mit ihnen vernetzte Aufmerksamkeit also eine zentrale Rolle bei der Arbeit des zentralen Nervensystems. Was das Ich und die spezifisch menschliche Kognition ausmacht, ist neurophysiologisch vor allem im Frontalhirn angesiedelt. Zusätzlich spielen die Formatio reticularis im Hirnstamm und der Thalamus eine Rolle für Interessen und Aufmerksamkeit.

Die rechte Hirnhälfte regelt darüber hinaus die allgemeine Wachheit. Die linke Hirnhälfte erbringt spezifische Konzentrationsleistungen, wie sie in Zusammenhang mit einem bestimmten Interesse stattfinden. Das limbische System ist das „Gefühlssystem“, dessen Mandelkerne für die emotionale Bewertung eine entscheidende Rolle spielen und somit auch für Interessen relevant sind.

Interessen entstehen vorwiegend durch Exekutivfunktionen, die mentalen Prozessen höherer Ordnung entsprechen. Dazu zählt zum Beispiel die willkürliche Aufmerksamkeitslenkung, wie sie vorrangig im Frontalhirn gesteuert wird. Das Frontalhirn hat wiederum zu allen weiteren Hirnregionen eine enge Verbindung. Da in diesem Bereich des Gehirns auch die Persönlichkeit angesiedelt ist, können hier auf Basis des Charakters bestimmte Interessen entstehen. Das limbische System als emotionales Zentrum und das Spiegelneuronensystem als Basis von Empathie gegenüber anderen Personen tragen mit dazu bei. Dasselbe gilt für motivationswirksame Neurotransmitter, die das körpereigene Belohnungssystem aktivieren und den Hippocampus, der als Neuigkeitsdetektor aktiv ist und so zum Beispiel bewertet, was überhaupt interessant ist.

Die Psychologie unterscheidet zwischen situational neu entstehendem Interesse nach der situativen Aufnahme eines Reizes und aktualisiertem Interesse, das aufgrund eines bereits individuell bestehenden Interesses geweckt wird. Dauerhafte und konstante Interessen einer Personen sind über verschiedene psychologische Interessenmodelle erklärbar. Ein bekanntes Modell ist Hollands RIASEC-Modell.


Krankheiten & Beschwerden

Interessen beruhen zu großen Teilen auf der Erregbarkeit der Aufmerksamkeit und der emotionalen Beteiligung und Bewertungsfähigkeit von Situationen. Alles davon ereignet sich auf Basis der abgespeicherten Erfahrungen des Menschen. Die Apathie beschreibt in der medizinischen Praxis eine allgemeine Teilnahmslosigkeit, eine mangelnde Erregbarkeit und eine Unempfindlichkeit gegenüber Reizen aus der äußeren Umwelt. Apathie kann eine Folge verschiedener, neurologischer Erkrankungen sein. Vor allem eine fortgeschrittene Demenz äußert sich in zunehmender Apathie. Für Alzheimer beträgt die Prävalenz von Apathie rund 60 Prozent. Vaskuläre Demenz ist sogar in mehr als 70 Prozent der Fälle mit Apathie assoziiert. Die frontotemporale Demenz lässt das Frontalhirn ihre Funktion verlieren. Aus diesem Grund ist diese Art der Demenz in mehr als 90 Prozent aller Fälle mit Apathie verbunden.

Darüber hinaus kann die Apathie auch psychische Krankheiten symptomatisch kennzeichnen. Bei Depressionen empfindet der Patient die Umwelt kaum mehr. Wenn eine derartige Empfindungslosigkeit gegenüber äußeren Reize besteht, kann es auch keine Interessen mehr geben. Denn eines der Basiselemente von Interessen ist die emotionale Positivbewertung. Körperliche Ursachen für einen solchen Zusammenhang können Gehirnverletzungen, Entzündungen, Degenerationen oder im Extremfall Tumore im limbischen System darstellen.

Auch wenn die Projektionsbahnen des limbischen Systems nicht mehr funktionsfähig sind, nimmt das Interesse an der Außenwelt und die allgemeine Fähigkeit zur Interessenbildung ab. Dasselbe gilt beim Frontalhirnsyndrom, wie es im Rahmen verschiedener Infektionskrankheiten auftreten kann. Eine Apathie kann begleitsymptomatisch mit Appetitlosigkeit, Niedergeschlagenheit und Schläfrigkeit oder Veränderungen des Charakters und der Urteilskraft vergesellschaftet sein.

Quellen

  • Becker-Carus, C., Wendt, M.: Allgemeine Psychologie. Springer 2. Auflage, Berlin 2017
  • Faller, H.: Kurzlehrbuch Medizinische Psychologie und Soziologie. Springer, Berlin 2019
  • Poeck, K., Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010

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