Katzenaugen-Syndrom
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 6. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Als Katzenaugen-Syndrom wird eine seltene Erbkrankheit bezeichnet. Dabei entstehen unter anderem Veränderungen an den Augen.
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Was ist das Katzenaugen-Syndrom?
In der Medizin ist das Katzenaugen-Syndrom auch unter den Bezeichnungen Kolobom-Analatresie-Syndrom oder Schmid-Fraccaro-Syndrom bekannt. Bei dieser Erbkrankheit liegen Augenveränderungen (Kolobom) sowie Fehlbildungen am Enddarm (Analatresie) vor.
Die Bezeichnung Katzenaugen-Syndrom lässt sich auf das typische Erkrankungsmuster zurückführen. So bestehen an der Regenbogenhaut (Iris) des Auges vertikal-ovale Spaltbildungen, die bereits angeboren sind. Die Augen der Erkrankten verfügen daher über ein katzenähnliches Aussehen. Die Beschreibung eines Syndroms, das sich aus einer Analatresie und einem Iriskolobom zusammensetzt, fand schon im Jahr 1878 durch den Schweizer Augenarzt Otto Haab (1850-1931) statt.
Dadurch kam es zu der Bezeichnung Kolobom-Analatresie-Syndrom. Als eigenständige Erkrankung gilt das Katzenaugen-Syndrom aber erst seit 1969. Seit 1965 war bereits die Existenz eines Extrachromosoms bekannt. Einen bedeutenden Anteil an dieser Entdeckung hatten der Schweizer Genetiker Werner Schmid (1930-2002) sowie der italienische Wissenschaftler Marco Fraccaro (1926-2008). Auf sie ist die Bezeichnung Schmid-Fraccaro-Syndrom zurückzuführen.
Die Erkenntnis, dass die Abstammung des Extrachromosoms aus dem Chromosom 22 hervorging, gelang Erica Bühler 1972. Dadurch wurde klar, dass eine partielle Trisomie 22 vorlag. Das Katzenaugensyndrom kommt nur sehr selten vor. So liegt die Häufigkeit der Erbkrankheit pro 100.000 Menschen bei 1,35 Fällen. Bekannt sind insgesamt etwa 105 Fälle.
Ursachen
Einige Mediziner vermuten, dass das Extrachromosom durch eine Inversions-Duplikation zustande kommt. Aus diesem Grund ist es bizentrisch und verfügt an seinen beiden Enden über Satelliten. In den betroffenen Bereichen liegen die Erbinformationen mehr als zweifach im Erbgut der betroffenen Personen vor. Daher bezeichnen Ärzte das Katzenaugen-Syndrom auch als Trisomie oder Tetrasomie. Allerdings ist nicht bei jedem Patienten ein Extrachromosom nachweisbar. In diesen Fällen werden eine Genmutation oder nicht erkannte Translokationen als Ursachen vermutet.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Die genetischen Symptome des Katzenaugen-Syndroms fallen von Mensch zu Mensch unterschiedlich aus. So kommt es nicht bei jedem Patienten automatisch zu den angeborenen vertikal-ovalen Spaltbildungen an der Regenbogenhaut. Eine Kombination der Leitsymptome tritt nur bei etwa 40 Prozent aller Erkrankten auf.
Typische Beschwerden des Katzenaugen-Syndroms sind eine Analatresie, bei der der Durchbruch der Aftergrube in Richtung Enddarm ausbleibt, sowie weitere anorektale Fehlbildungen. Außerdem bilden sich ein- oder beidseitige Iriskolobome und Präaurikularanhänge. Damit sind läppchenähnliche Anhängsel unmittelbar vor der Ohrmuschel gemeint. Sie bestehen aus Haut oder Bindegewebe.
Ein weiteres Merkmal der Erbkrankheit stellt eine schräg in die äußere und untere Richtung verlaufende Augenlidachse dar. In vielen Fällen liegt zudem eine geistige Behinderung vor. Bei manchen Patienten treten außerdem Fehlbildungen am Harn- und Geschlechtsapparat auf. Dabei kann es sich um eine verlagerte Mündung der Harnröhre, eine Wassersackniere oder doppelt angelegte Harnleiter handeln.
Auch das Skelettsystem der Erkrankten wird mitunter in Mitleidenschaft gezogen, was sich durch fehlende Daumen, Kleinwuchs, Spina bifida (Neuralrohrfehlbildung), ein Meerjungfrauensyndrom (Sirenomelie) oder verformte Rippen bemerkbar macht. Außerdem zeigen sich an den Augen verschiedene Symptome wie eine Mongolenfalte, Schielen, ein großer Abstand zwischen den Augen, eine pathologische Augapfelverkleinerung, eine retinale Dysplasie sowie der Graue Star (Katarakt).
In einigen Fällen sind Herzfehler wie ein isolierter Septumeffekt von Vorhof und Kammer oder eine Fallot-Tetralogie möglich. Des Weiteren können das Gallengangsystem durch eine Gallenblasenatresie, der Dickdarm durch Morbus Hirschsprung sowie das Gehirn durch eine Oligophrenie in Mitleidenschaft gezogen werden.
Diagnose & Krankheitsverlauf
Eine Diagnose des Katzenaugen-Syndroms lässt sich in der Regel bereits durch die charakteristischen Leitsymptome wie dem Iris-Kolobom und der Analatresie stellen, ohne dass eine Erbgutanalyse erforderlich wäre. Darüber hinaus ist eine Chromosomenanalyse im Bereich des Möglichen. Als sicherstes Kriterium für die Diagnose des Katzenaugen-Syndroms gilt der Nachweis des Extrachromosoms.
Die Diagnose kann auch bei Patienten erfolgen, bei denen keine nachweisbaren Veränderungen des Erbguts vorliegen, jedoch typische Symptome bestehen. Als wichtige Hinweise gelten dann anormale Hand- und Fußstellungen oder ungewöhnlich lange Daumen.
Der Verlauf des Katzenaugen-Syndroms richtet sich nach dem Schweregrad der Erbkrankheit und in welchem Umfang sich die Fehlbildungen an den Nieren, dem Herzen und dem Rektum korrigieren lassen. Ebenso spielt der psychomotorische Entwicklungsstand eine entscheidende Rolle. Zeigen sich nur leichte Symptome, besteht keine Einschränkung der Lebenserwartung.
Komplikationen
Die meisten Patienten leiden weiterhin auch an einer geistigen Behinderung und können dabei verschiedene Dinge des Alltages nicht mehr ausführen. Sie sind dabei meistens auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen. Auch die Harnwege oder die Geschlechtsteile können dabei von Fehlbildungen betroffen sein. Die Lebensqualität des Patienten wird durch das Katzenaugen-Syndrom ehrlich eingeschränkt und verringert.
Weiterhin leiden die Betroffenen an Schielen und im weiteren Verlauf des Lebens an einem Grauen Star. Ebenfalls tritt bei den meisten Patienten ein Kleinwuchs auf. Durch einen Herzfehler kann es zu einer Verringerung der Lebenserwartung kommen. Die Behandlung des Katzenaugen-Syndroms kann nur symptomatisch erfolgen.
Viele Beschwerden können korrigiert oder eingeschränkt werden, wobei es allerdings nicht zu einem vollständigen positiven Krankheitsverlauf kommt. In vielen Fällen ist auch eine psychologische Behandlung der Patienten und ihrer Angehörigen oder Eltern notwendig.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Menschen, die eine optische Veränderung der Augen wahrnehmen, sollten zur Abklärung der Ursache einen Arzt konsultieren. Die Spaltbildung des Auges gilt als ungewöhnlich und ist ein Anzeichen für das Vorliegen einer genetischen Erkrankung. Die ersten Unregelmäßigkeiten können bereits nach der Geburt festgestellt werden. Da Neugeborene unmittelbar nach der Niederkunft von Geburtshelfern sowie Kinderärzten intensiv untersucht werden, fallen die Unregelmäßigkeiten oftmals bereits in dieser Lebensphase auf.
Findet eine Hausgeburt ohne die Anwesenheit einer Hebamme statt, ist unmittelbar nach der Geburt ein Arzt zur allgemeinen Untersuchung des Gesundheitszustandes des Kindes zu konsultieren. Alternativ sind die optischen Veränderungen in der Wachstums- und Entwicklungsphase des Kindes zu erkennen und sollten unverzüglich von einem Arzt untersucht werden. Da das Katzenaugen-Syndrom ebenfalls zu einer Fehlbildung des Enddarms führt, ist ein Arztbesuch bei anhaltenden Störungen der Verdauung notwendig.
Werden Entwicklungsprobleme des Kindes bemerkt, sind die Beobachtungen ebenfalls mit einem Arzt zu besprechen. Zeigt das Kind im direkten Vergleich zu Gleichaltrigen eine verminderte geistige Leistungsfähigkeit, eine Lernschwäche oder Störungen der Merkfähigkeit, ist ein Arztbesuch notwendig. Treten Besonderheiten des Skelettsystems auf, ist ein Arzt zur Abklärung der Ursache zu konsultieren. Ein Minderwuchs, Verformungen des Skeletts oder Störungen der natürlichen Bewegungsmöglichkeiten müssen ärztlich untersucht werden.
Behandlung & Therapie
Zur Behandlung des Katzenaugen-Syndroms werden chirurgische Eingriffe durchgeführt, um die erreichbaren Fehlbildungen so weit wie möglich zu korrigieren. Dazu gehören die Fehlbildung des Anus und der Nieren sowie angeborene Herzfehler. Vor allem die operative Korrektur der Analatresie ist überaus wichtig, weil diese sonst den frühen Tod des Kindes zur Folge hat.
Lassen sich die Fehlbildungen nicht korrigieren, wirkt sich dieser Umstand erheblich auf die Lebenserwartung des Erkrankten aus. Darüber hinaus können krankengymnastische und heilpädagogische Maßnahmen erfolgen. Wichtig sind zudem eine konsequente Frühförderung des Kindes sowie eine ausführliche Beratung der betroffenen Eltern. Weitere Behandlungsmöglichkeiten befinden sich derzeit noch in der Forschungsphase.
Aussicht & Prognose
Für viele Betroffene bedeutet Alltag, dass sie häufig auf die Unterstützung ihrer Familie angewiesen sind. Glücklicherweise gibt es Möglichkeiten das Leben im Alltag und damit auch die Lebensqualität langfristig zu verbessern.
Allen voran stehen hier frühzeitige operative Korrekturen eventuell vorhandener Fehlbildungen im Bereich des Urogenitaltrakts und des Afters. Regelmäßige Besuche beim Facharzt bewirken eine optimale Unterstützung. Für die psychomotorische Entwicklung können therapeutische Massagen und Physiotherapie wahrgenommen werden, welche teilweise auch von Angehörigen im heimischen Umfeld vertieft werden können.
Engmaschige Besuche beim Augenarzt ermöglichen das frühzeitige Erkennen einer möglichen Verschlechterung der Sehkraft und die Verordnung einer entsprechenden Therapie. Insofern diese einen chirurgischen Eingriff erforderlich macht, muss der Patient in der Nachsorge einige Punkte beachten. In den ersten Wochen muss jede direkte Sonneneinstrahlung vermieden werden, ebenso wie möglicherweise reizende Gesichtscremes oder andere Pflegeprodukte. Eine gute Handhygiene verringert zudem die Gefahr einer Keimübertragung auf die Augen. Kommt es dennoch zu einer entzündlichen Reaktion, ist der Arzt umgehend zu informieren.
Da bei jedem operativen Eingriff Narben zurückbleiben, kommt es in der Folge nicht selten zu psychischen Leiden. Eine frühzeitig begonnene Psychotherapie bringt jedoch meist rasche Erfolge. Auch der Kontakt zu anderen Betroffenen kann, durch den Erfahrungsaustausch, sowohl Angehörigen als auch dem Patienten selbst helfen.
Vorbeugung
Das Katzenaugen-Syndrom zählt zu den bereits angeborenen Erbkrankheiten. Aus diesem Grund ist keine wirkungsvolle Vorbeugung möglich. Als sinnvoll gilt eine Familienberatung, die nach einer Chromosomenanalyse stattfindet.
Nachsorge
Betroffenen stehen beim Katzenaugen-Syndrom in den meisten Fällen nur sehr wenige oder sogar gar keine besonderen Möglichkeiten einer Nachsorge zur Verfügung. Dabei sind sie in erster Linie auf eine schnelle Diagnose mit der anschließenden Behandlung angewiesen, damit keine weiteren Komplikationen oder Beschwerden auftreten. Schon bei den ersten Anzeichen oder Beschwerden des Katzenaugen-Syndroms sollte daher ein Arzt kontaktiert werden, damit keine weitere Verschlechterung der Beschwerden eintreten kann.
Eine Selbstheilung kann beim Katzenaugen-Syndrom nicht erfolgen. Da es sich dabei um eine erblich bedingte Krankheit handelt, kann diese nicht vollständig geheilt werden. Im Falle eines Kinderwunsches sollte dabei immer zuerst eine genetische Untersuchung und Beratung erfolgen, um das erneute Auftreten der Krankheit zu verhindern. Die verschiedenen Fehlbildungen werden dabei durch operative Eingriffe gelindert.
Nach den Eingriffen sollte sich Betroffene auf jeden Fall ausruhen und seinen Körper schonen. Von anstrengenden oder körperlichen Tätigkeiten sollte abgesehen werden, damit der Körper nicht unnötig stark belastet wird. Ebenso sind Betroffene aufgrund des Katzenaugen-Syndroms auf die Hilfe und die Pflege durch die Eltern und durch Angehörige angewiesen. Dabei kann auch der Kontakt zu anderen Patienten des Syndroms sehr sinnvoll sein, da es dabei zu einem Austausch an Informationen kommen kann.
Das können Sie selbst tun
Personen, die am Katzenaugen-Syndrom leiden, sind oft auf die Unterstützung von Angehörigen und Freunden angewiesen. Einige Maßnahmen erleichtern den Betroffenen das alltägliche Leben und verbessern langfristig auch Lebensqualität und Wohlbefinden.
Zunächst ist beim Katzenaugen-Syndrom eine umfassende ärztliche Behandlung angezeigt. Patienten müssen regelmäßig den Augenarzt aufsuchen und diesen über ungewöhnliche Symptome informieren. So kann die Therapie zeitnah an eine etwaige Verschlechterung der Sehkraft und neu auftretende Beschwerden angepasst werden. Viele Probleme können operativ behandelt werden. Da es sich bei einer Augenoperation immer um einen komplizierten Eingriff handelt, muss der Patient unbedingt die Vorgaben des Arztes bezüglich präoperativen Maßnahmen einhalten. Der Mediziner muss frühzeitig über die Einnahme von Medikamenten, etwaige Allergien und andere Faktoren informiert werden, insofern dies noch nicht geschehen ist.
Nach der Operation gelten Schonung und Bettruhe. Die Augen dürfen einige Tage bis Wochen nach dem Eingriff keinen größeren Belastungen ausgesetzt werden. Direkte Sonneneinstrahlung und der Kontakt mit möglicherweise reizenden Pflegeprodukten ist zu vermeiden. Sollte sich das betroffene Auge entzünden, muss der zuständige Arzt umgehend darüber informiert werden. Auch bei einem positiven Verlauf bleiben oft äußerliche Auffälligkeiten zurück, die im Gespräch mit einem Therapeuten besprochen werden sollten. So kann dem Auftreten eventueller psychischer Probleme vorgebeugt werden.
Quellen
- Augustin, A.J.: Augenheilkunde. Springer, Berlin 2007
- Murken, J., Grimm, T., Holinski-Feder, E., Zerres, K. (Hrsg.): Taschenlehrbuch Humangenetik. Thieme, Stuttgart 2011
- Witkowski R., Prokop O., Ullrich E.: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. Springer, Berlin 2003