Kleine-Levin-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 14. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Das Kleine-Levin-Syndrom ist eine episodisch wiederkehrende Hypersomnie, die von erhöhter Schläfrigkeit, Wahrnehmungsstörungen und paradoxen Verhaltensweisen in Wachphasen gekennzeichnet ist. Vermutlich liegt eine zentralnervöse Ursache vor. Bislang gibt es wegen der geringen Prävalenz keine etablierte Therapiemöglichkeit.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Kleine-Levin-Syndrom?

Das Kleine-Levin-Syndrom ist von wiederkehrenden Perioden des erheblich verlängerten Schlafbedarfs gekennzeichnet. Die Perioden variieren in ihrer Dauer zwischen Tagen bis ganzen Monat.
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Als Kleine-Levin-Syndrom kennt der Mediziner eine periodische Hypersomnie in kindlichem oder jugendlichem Alter. Mehr als zwei Drittel der Erkrankten männlich. Wiederkehrende Perioden der Schläfrigkeit gehören zu den Leitsymptomen des Syndroms. Die Perioden des erhöhten Schlafbedarfs halten je rund zwei Wochen an und werden von Wahrnehmungsstörungen oder Verhaltensstörungen begleitet.

Das Kleine-Levin-Syndrom ist mit einer Prävalenz von 1:1.000.000 bis 2.000.000 eine eher seltene Erkrankung, deren Ursache bislang nicht vollständig geklärt ist. Wegen der geringen Prävalenz gibt es kaum Studien oder handfeste Forschungsergebnisse. Das Syndrom wird den Hypersomnien mit zentralnervösem Ursprung zugeordnet. #

Bei der weiterführenden Einordnung der Erkrankung ist sich die Wissenschaft bislang uneinig. Während die einen das Syndrom als infektiös bedingte Autoimmunerkrankung verstehen, gehört das Kleine-Levin-Syndrom für andere zu den genetisch bedingten Erbkrankheiten.

Ursachen

Die Ursache des Kleine-Levin-Syndroms ist umstritten. Über autoimmunologischen Ursache wird zum Beispiel spekuliert. Der Ausbruch der Erkrankung wird oft mit einer Infektion in Verbindung gebracht. Welche Infektion die Erkrankung genau verursachen könnte, ist bislang aber unbekannt.

Da in der Vergangenheit eine familiäre Häufung zu beobachten war, ist auch eine genetische Komponente denkbar. Betroffene mit den entsprechenden Genen müssen aber nicht zwingend auch erkranken. Die genetische Disposition für die Erkrankung könnte in Kombination mit einer Infektion allerdings zum Ausbruch der autoimmunologischen und zentralnervösen Hypersomie führen.

Die Erblichkeit gilt bisher aber nicht als gesichert. Ebenso wenig ist eine primär infektiöse Ursache abschließend gesichert. Auch ein Schädel-Hirn-Trauma oder Alkoholsucht konnten in Zusammenhang mit der Erkrankung beobachtet werden. Inwieweit und inwiefern die vermehrte Erkrankung von männlichen Jugendlichen mit der Ursache in Zusammenhang steht, bleibt bislang ebenfalls unklar.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Das Kleine-Levin-Syndrom ist von wiederkehrenden Perioden des erheblich verlängerten Schlafbedarfs gekennzeichnet. Die Perioden variieren in ihrer Dauer zwischen Tagen bis ganzen Monat. Durchschnittlich sind sie zwei Wochen lang. Die Betroffenen schlafen in diesen Perioden einen Großteil des Tages und sind in Akutphasen lediglich zwei Stunden pro Tag im Wachzustand anzutreffen.

In den Wachphasen leidet die Kommunikativität und die Orientierungsfähigkeit. Die Betroffenen wirken apathisch und lethargisch und leiden an Heißhungerattacken. Aus dem Schlaf sind sie aufweckbar, schlafen aber umgehend wieder ein. Gegenüber Geräuschen und Licht reagieren sie hypersensibel. Hypersexuelle Verhaltensstörungen vergesellschaften sich oft mit den Leitsymptomen.

Während Akutphasen haben die Patienten nach eigenen Aussagen das Gefühl, eigentlich zu träumen. Oft tritt in den Wachphasen Gedächtnisverlust ein oder Halluzinationen zeigen sich. Falls es in der Akutphase zu strafrechtlichen Handlungen kommt, ist die Diagnose daher von strafmindernder Relevanz.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Der Multiple Sleep Latency Test (MSLT) ist das Hauptwerkzeug zur Diagnose des Kleine-Levin-Syndroms. Neben einer verkürzten Einschlaflatenz zeigt sich die Erkrankung bei diesem Test als verlängerte Gesamtschlafzeit und speziell als eine Verlängerung der Tiefschlafphasen und des ersten Schlafstadiums. An SWS-Phasen besteht ein Mangel.

Im SPECT zeigen sich Hypoperfusionen des Thalamus, der Basalganglien und in den frontotemporalen Gehirnregionen. Trotz neurologischer Ursache bleiben die Befunde des CT oder MRT unauffällig. Differentialdiagnostisch muss die Erkrankung von anderen Hypersomnien zentralnervösen Ursprungs abgegrenzt werden. Auch psychiatrische oder internistische Hypersomnien der sekundären Form sind auszuschließen. Die Prognose gilt als günstig. Die Hypersomnie klingt im Erwachsenenalter meist ab und nimmt im Verlauf nur in seltenen Fällen symptomatisch zu.

Komplikationen

Leider kann das Kleine-Levin-Syndrom nicht kausal behandelt werden. Es kommt dabei zu erheblichen Einschränkungen im Leben des Patienten und auch zu einer verringerten Lebensqualität. Die meisten Betroffenen leiden dabei an Schlafbeschwerden, Störungen der Wahrnehmung und an einem unausgeglichenen Verhalten. Das Verhalten kann vor allem für Außenstehende komisch und bizarr wirken, wodurch es nicht selten zu Ausgrenzungen und anderen sozialen Beschwerden kommt.

Vor allem bei Kindern kann dies zu Mobbing oder zu Hänseleien führen. In den meisten Fällen sind die Auswirkungen des Kleine-Levin-Syndroms nur an einigen Tagen im Monat für einige Stunden spürbar. Dabei kann es auch zu Heißhunger kommen und die Betroffenen sind extrem lichtempfindlich. Ebenfalls können starke sexuelle Störungen und Triebe auftreten.

Die meisten Patienten leiden dabei an einem Gedächtnisverlust und an Halluzinationen. Dabei kann es auch unwillkürlich zu Verletzungen oder Unfällen kommen. Mit Hilfe von Medikamenten können einige Beschwerden eingeschränkt werden. Die Einnahme der Medikamente kann allerdings mit Nebenwirkungen verbunden sein. Nicht selten sind auch die Eltern und Angehörigen der Betroffenen von psychischen Beschwerden betroffen und benötigen dabei eine psychologische Behandlung. Eine allgemeine Voraussage des Krankheitsverlaufes und der Lebenserwartung ist allerdings nicht möglich.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Menschen, die in wiederkehrenden Abständen Phasen einer erhöhten Müdigkeit oder eines erheblich verlängerten Schlafbedürfnisses haben, sollten einen Arzt aufsuchen. Beträgt die Zeit der Wachphase weniger als 3 Stunden täglich, besteht Anlass zur Besorgnis. Wirken die Betroffenen lethargisch, sind sie wenig kommunikativ oder zeigen sie sich desorientiert, benötigen sie Hilfe. Ein Arztbesuch ist zu empfehlen, damit die Ursache der Verhaltensauffälligkeiten diagnostiziert werden kann.

Können die alltäglichen Aufgaben nicht mehr wie gewohnt erfüllt werden, sollte ein Arzt konsultiert werden. Bei einer Apathie, einer Appetitlosigkeit oder einer verminderten Nahrungszufuhr ist ein Arzt aufzusuchen. Es droht eine Unterversorgung des Organismus, die zu weiteren Komplikationen führen kann. Alternativ können in wachen Phasen bei den Erkrankten Heißhungerattacken beobachtet werden. Können die betroffenen Personen nur mit Mühe geweckt werden und schlafen sie anschließend unvermittelt wieder ein, ist eine ärztliche Abklärung der Beobachtungen anzuraten.

Eine Überempfindlichkeit gegenüber Geräuschen oder Lichteinflüssen sind weitere Hinweise einer gesundheitlichen Beeinträchtigung. Häufig können die Patienten Traum und Wirklichkeit nicht voneinander unterscheiden. Meist tritt eine vorübergehende Spontanheilung der Beschwerden ein. Da die Beschwerden in periodischen Abständen erneut auftreten, ist auch bei einer bereits eingetretenen Beschwerdefreiheit ein Arzt aufzusuchen.

Behandlung & Therapie

Eine einheitliche Therapie gibt es gegen das Kleine-Levin-Syndrom wegen der geringen Fallzahl und Forschungsmöglichkeit bislang nicht. Da die Ursache unbekannt ist, kann vor allem nicht von einer ursächlichen Therapie die Rede sein. Die Symptome lassen sich unter Umständen medikamentös bekämpfen und lindern. Verschiedene Medikamente stehen dazu zur Auswahl.

Zu den stimmungsstabilisierenden Substanzen zählen zum Beispiel Lithium und Carbamazepin oder Phenytoin. Auch Psychostimulanzien kommen in Frage, da ihr stimulierender Einfluss aufs Nervensystem unter Umständen die allgemeine Schläfrigkeit des Patienten mindern kann. Substanzen wie Methylphenidat kommen mit diesem Ziel in Frage. Die Medikamente werden off-label und damit versuchsweise eingesetzt.

Dem Patienten und den Eltern muss die Versuchsbasis bewusst gemacht werden. Wie Studien erwiesen haben, sind Neuroleptika und Antidepressiva keine vielversprechenden Therapieoptionen. Therapeutische Wirkung zeigten sie beim Kleine-Levin-Syndrom in der Vergangenheit kaum. Die Wirkung von Stimulantien wie Amphetaminen konnte das allgemeine Schlafbedürfnis in Studien dagegen zurückgehen lassen.

Auch unter der Gabe von Lithium wurde oft eine Unterdrückung der Schlafepisoden. Wenn von den Patienten oder ihren Eltern keine medikamentöse Therapie gewünscht wird, dann kann eine supportive Therapie stattfinden. Vor allem den Angehörigen, aber auch den Betroffenen selbst wird im Rahmen dieser Therapie ein Psychotherapeut zur Verfügung gestellt. Die psychotherapeutische Betreuung der Patienten kann in der Regel allerdings nicht in Akutphasen stattfinden.


Aussicht & Prognose

Die Prognose des Kleine-Levin-Syndroms ist ungünstig. Trotz des medizinischen Fortschritts und unterschiedlicher Therapieansätze, wurde bislang keine optimale Behandlungsmöglichkeit für die Erkrankung gefunden. Eine Heilung findet daher unter den aktuellen Gegebenheiten nicht statt.

Die Patienten werden nach der Diagnosestellung individuell betreut. Der Fokus einer Behandlung liegt zum einen in der Aufklärung der möglichen Symptome und zum anderen in einer bedarfsgerechten Vorgehensweise beim Ausbruch von Beschwerden. Die Schwierigkeit für eine optimierte Prognosestellung liegt in der bis zum heutigen Tag nicht geklärten Ursache der gesundheitlichen Störung.

Als Grund für die Erkrankung konnten verschiedene Beobachtungen dokumentiert werden. Da die Erkrankung nur in einem geringen Maß auftritt, können offene Fragen, deren Klärung zu einem Fortschritt der Lösungsfindung beiträgt, nur zögerlich beantwortet werden. Dieser Umstand erschwert es Wissenschaftlern und Forschern, konkretere Ansätze einer umfassenden Heilung zu finden.

Bislang gesichert gilt, dass eine gesunde Lebensweise zu einer Verbesserung der Entwicklung beiträgt. Das seelische und psychische Wohlbefinden sollte stabil sein, damit eine Abnahme der Beschwerden montiert werden kann. Eine Genesung ist dennoch nicht gegeben. Hilfreich und unterstützend ist für den weiteren Krankheitsverlauf, wenn die Konsultation eines Arztes bereits frühzeitig und damit bei den ersten Beschwerden erfolgt. Dies ermöglicht ein schnelles Eingreifen zu Linderung vorhandener Beschwerden.

Vorbeugung

Die Ätiologie des Kleine-Levin-Syndroms ist unbekannt. Da sich die Medizin über die Ursachen im Unklaren ist, lässt sich dem Syndrom bislang auch nicht vorbeugen.

Nachsorge

Dem Betroffenen stehen beim Kleine-Levin-Syndrom in den meisten Fällen keine direkten Maßnahmen einer Nachsorge zur Verfügung, sodass bei dieser Krankheit in erster Linie eine frühe Diagnose durch einen Arzt notwendig ist. Es kann dabei in der Regel auch nicht zu einer Selbstheilung kommen, sodass der Betroffene schon bei den ersten Beschwerden einen Arzt aufsuchen sollte. Eine vollständige Heilung ist in vielen Fällen nicht möglich, da die Erkrankung noch weitgehend unerforscht ist.

Die Betroffenen sind in der Regel auf die Einnahme von verschiedenen Arzneimitteln angewiesen. Dabei ist immer auf eine regelmäßige und richtige Einnahme zu achten, wobei auch die angemessene Dosierung beachtet werden sollte. Bei Unklarheiten oder bei Fragen sowie bei unerwünschten Nebenwirkungen sollte zuerst ein Arzt kontaktiert werden, damit sich die Beschwerden nicht weiterhin verschlechtern.

Auch der Kontakt zu anderen Betroffenen des Kleine-Levin-Syndroms kann sehr sinnvoll sein, da es nicht selten zu einem Austausch an Informationen kommt, welcher die Beschwerden weiterhin lindern kann. Ebenso wirkt sich die liebevolle Unterstützung und die Hilfe der eigenen Familie und der Freunde positiv auf den Verlauf des Syndroms aus. Es kann nicht universell vorhergesagt werden, ob das Kleine-Levin-Syndrom die Lebenserwartung des Betroffenen verringert.

Das können Sie selbst tun

Patienten mit dem Kleine-Levin-Syndrom können ihren Alltag weitgehend normal bewältigen, wenn die mit der Erkrankung einhergehenden Symptome ausbleiben. Ohne akute Symptome können Erkrankte beschwerdefrei leben und sind im Fühlen, Denken und Sozialverhalten völlig unauffällig.

Während der exzessiven Schlafphasen jedoch können die Patienten bis zu 20 Stunden schlafen, was den Alltag erheblich einschränkt. Sie stehen dann nur zum Essen und Trinken auf. Damit sind die Betroffenen in der Regel auf Hilfe angewiesen. Um die Phasen der Symptome zu lindern, können die Patienten konkrete Auslöser vermeiden. Dazu gehören starker Alkoholkonsum und Schlafmangel. Auch Stress und körperliche Anstrengungen können die Symptome auslösen. Ebenfalls zu vermeiden sind fieberhafte Infekte, somit gilt es das Immunsystem zu stärken. Ein gesunder Lebensstil mit ausreichend Schlaf und einer ausgewogenen Ernährung helfen dabei.

Das Medikament Lithium kann vielen Patienten helfen, die Häufigkeit und Schwere der Symptome in der Schlafphase zu minimieren. Für Angehörige und Freunde ist es zudem wichtig, die Betroffenen in den Schlafphasen nicht allein zu lassen. Das ist auch wichtig, um Depressionen, Frustration und Isolation der Patienten zu vermeiden. Von großem Nutzen kann der Austausch mit anderen Betroffenen sein.

Quellen

  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Murken, J., Grimm, T., Holinski-Feder, E., Zerres, K. (Hrsg.): Taschenlehrbuch Humangenetik. Thieme, Stuttgart 2011
  • Witkowski R., Prokop O., Ullrich E.: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. Springer, Berlin 2003

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