Lyell-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 4. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Das Lyell-Syndrom ist eine lebensbedrohliche akute Hauterkrankung, die mit einer großflächigen Epidermolysis (Ablösung der Epidermis) einhergeht und auf eine ausgeprägte Medikamentenunverträglichkeit oder eine Infektion mit Staphylokokken zurückzuführen ist. Mit einer Inzidenz von etwa 1:1.000.000 stellt das Lyell-Syndrom eine seltene Erkrankung dar.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Lyell-Syndrom?

Das Lyell-Syndrom ist ursächlich auf eine ausgeprägte Medikamentenunverträglichkeit oder eine Infektion mit Staphylokokken zurückzuführen.
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Als Lyell-Syndrom (auch „Syndrom der verbrühten Haut“) wird eine seltene lebensbedrohliche akute Dermatose (Hauterkrankung) bezeichnet, die mit einer Epidermolysis (blasige Epidermisablösung) infolge einer generalisierten subepidermalen Blasenbildung einhergeht.

Beim Lyell-Syndrom wird in Abhängigkeit von der zugrundeliegenden Ursache zwischen der medikamentös induzierten (Toxische epidermale Nekrolyse oder TEN), von welcher in erster Linie Erwachsene betroffen sind, und der vor allem bei Säuglingen und Kleinkindern zu beobachtenden staphylogenen Variante (Staphylococcal scalded skin syndrome ) differenziert.

Das Lyell-Syndrom manifestiert sich anfänglich durch Appetitlosigkeit, Schleimhautentzündungen (Rhinitis) und Unwohlsein (Prodomalstadium). Im Akutstadium entwickeln sich bei anhaltendem Fieber generalisierte blasige Erytheme (Nikolski-Phänomen) sowie nekrosebedingt eine großflächige Epidermolysis.

Darüber hinaus sind in vielen Fällen die Schleimhäute (v.a. Mundschleimhaut) von der Nekrotisierung betroffen. Die für das Lyell-Syndrom charakteristischen Hauterosionen ziehen einen Flüssigkeitsverlust nach sich, durch welchen der Elektrolyt- und Wasserhaushalt entgleisen können.

Ursachen

Das Lyell-Syndrom ist ursächlich auf eine ausgeprägte Medikamentenunverträglichkeit (medikamentöses Lyell-Syndrom) oder eine Infektion mit Staphylokokken (staphylogenes Lyell-Syndrom) zurückzuführen.

Dabei wird die medikamentös induzierte Variante der Erkrankung durch eine allergisch-zytotoxische Reaktion auf bestimmte eingenommene Medikamente verursacht. Zu den Arzneimitteln, die eine solche Reaktion auslösen können, werden Hypnotika (Schlafmittel wie Barbiturate), nichtsteroidale Antirheumatika und Analgetika (Schmerzmittel wie Pyrazolonderivate), einige Antibiotika (bspw. Sulfonamide wie Cotrimaxol) sowie Antikonvulsiva (u.a. Antiepileptika wie Carbamazepin, Phenytoin, Lamotrigin) und Allopurinol (Gichtmittel) gezählt.

Das staphylogene Lyell-Syndrom wird hingegen durch ein von Staphylococcus aureus produziertes Exotoxin (Exfoliatin) hervorgerufen. In vielen Fällen geht der Erkrankung eine eitrige Haut- bzw. Bindehautinfektion, Pharyngitis (Rachenschleimhautentzündung) oder Otitis (Ohrenentzündung) voraus. Während Erwachsene in aller Regel durch das Exotoxin neutralisierende Antikörper eine Immunität aufweisen, ist diese bei Säuglingen und Kleinkindern noch nicht entwickelt, so dass sich infolge einer zytotoxischen Reaktion ein staphylogenes Lyell-Syndrom manifestieren kann.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Das Lyell-Syndrom äußert sich typischerweise durch Schnupfen, Fieber und andere Grippesymptome. Begleitend dazu verspüren die Betroffenen eine zunehmende Abgeschlagenheit. Der Appetit nimmt im Verlauf der Erkrankung ab, wodurch es zu einem Gewichtsverlust und Mangelerscheinungen kommen kann. Im Allgemeinen sind die Erkrankten weniger belastbar und ziehen sich aus dem sozialen Leben zurück.

Chronische Erkrankungen beeinträchtigen oft die psychische Verfassung und rufen beispielsweise Depressionen oder eine Angststörung hervor. Daneben können Hautveränderungen auftreten. Charakteristisch sind die sichtbaren Hautrötungen. Diese Erytheme führen schließlich zu einer großflächigen Ablösung der Epidermis.

Wird das Lyell-Syndrom nicht behandelt, kann eine Lungenentzündung auftreten, die mit ernsten Beschwerden verbunden ist. Im Verlauf der Erkrankung können sich weitere Symptome einstellen, deren Art und Ausprägung vom Gesundheitszustand des Patienten abhängt. Ist der Erkrankte bereits durch eine andere Krankheit geschwächt, kann das Lyell-Syndrom schwerwiegende Herz-Kreislauf-Erkrankungen hervorrufen.

Mögliche Symptome sind Schweißausbrüche, Herzrasen, Nervosität und Panikattacken. In schweren Fällen kann es zu einem Kreislaufkollaps oder sogar zum Herzversagen kommen. Die Symptome des Lyell-Syndroms treten plötzlich auf und verschlimmern sich mit dem Fortschreiten der Krankheit. Wird der Erkrankte umgehend ärztlich versorgt, klingen die Beschwerden nach einigen Tagen bis Wochen wieder ab.

Diagnose & Verlauf

Neben dem klinischen Bild wird das Lyell-Syndrom anhand einer Hautbiopsie mit anschließender histologischer Untersuchung diagnostiziert. Der Befund dient gleichzeitig der Bestimmung der spezifisch vorliegenden Variante. So kann beispielsweise bei der medikamentös induzierten Variante in der gesamten Epidermis eine Spaltbildung und Abhebung nachgewiesen werden, während beim staphylogenem Lyell-Syndrom eine Ablösung des Stratum corneum (äußerste Hautschicht) vom Stratum granulosum (Körnerzellenschicht der Haut) beobachtet werden kann.

Differenzialdiagnostisch sollte ein Lyell-Syndrom von einer grobblasigen Impetigo contagiosa, einem Scharlachexanthem sowie Stevens-Johnson-Syndrom abgegrenzt werden. Das medikamentöse Lyell-Syndrom weist eine Mortalität von etwa 30 bis 50 Prozent auf, wobei diese Rate bei konsequenter und adäquater Therapie auf 20 Prozent gesenkt werden kann. Bei frühzeitiger Therapie und Ausbleiben möglicher Komplikationen (Lungenentzündung, Sepsis) ist die Prognose eines staphylogenen Lyell-Syndroms günstig.

Komplikationen

Durch das Lyell-Syndrom leiden die Betroffenen nicht selten an einer Müdigkeit und an einer Abgeschlagenheit. Weiterhin tritt auch eine Appetitlosigkeit ein und die Betroffenen zeigen eine deutlich verringerte Belastbarkeit. Durch das Lyell-Syndrom wird auch das soziale Leben stark eingeschränkt, da die Betroffenen nicht mehr aktiv am sozialen Leben teilnehmen.

Daraus können sich auch verschiedene psychische Beschwerden oder Depressionen entwickeln. Weiterhin kommt es durch das Syndrom zu Fieber oder zu Schnupfen. Ohne Behandlung kann das Lyell-Syndrom auch zu einer Lungenentzündung führen, die mit schwerwiegenden Beschwerden und Komplikationen verbunden ist. Das Immunsystem der Betroffenen wird durch dieses Syndrom geschwächt, sodass es einfacher zu Entzündungen und Infekten kommen kann. Ebenso muss der Kontakt mit der Außenwelt vermieden werden, damit es nicht zu weiteren Infektionen kommt.

Die Behandlung des Lyell-Syndroms erfolgt kausal und richtet sich nach der Ursache. In den emsigen Fällen können die Beschwerden gut behandelt werden, wobei es in der Regel nicht zu besonderen Komplikationen kommt. Nicht selten wird der Betroffene allerdings in ein künstliches Koma versetzt, wenn die Schmerzen aufgrund der Hautveränderungen zu stark werden. Möglicherweise kommt es durch das Lyell-Syndrom auch zu einer Verringerung der Lebenserwartung des Patienten.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Grippesymptome wie Schnupfen oder Fieber weisen auf eine Erkrankung hin, die medizinisch abgeklärt werden muss. Betroffene Personen suchen am besten den Dermatologen auf, der das Lyell-Syndrom diagnostizieren oder ausschließen und im Anschluss eine geeignete Therapie einleiten kann. Begleitsymptome wie rote Flecken auf der Haut, Schwellungen oder Fieberschübe weisen auf eine fortgeschrittene Erkrankung hin, die umgehend behandelt werden muss. Wenn der Betroffene außerdem immer wieder einschläft oder unter offenen Wunden leidet, muss er in ein Krankenhaus gebracht werden.

Die Angehörigen sollten den Erkrankten gut beobachten und im Falle einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes den Rettungsdienst rufen. Dies gilt insbesondere bei Anzeichen einer Sepsis oder eines Leber- oder Nierenversagens. Da das Lyell-Syndrom ohne Behandlung zum Tod des Patienten führen kann, ist eine ärztliche Abklärung dringend nötig, sobald der Erkrankte körperlich oder geistig spürbar abbaut. Während und nach der Behandlung muss aufgrund der hohen Gefahr von Nebenwirkungen und Folgeschäden enge Rücksprache mit dem Arzt gehalten werden. Das Lyell-Syndrom wird je nach Beschwerdebild von einem Hautarzt, Internisten oder Organfacharzt behandelt.

Behandlung & Therapie

Bei Verdacht auf ein Lyell-Syndrom ist eine unmittelbare intensivmedizinische Therapie und ein konsequentes Monitoring des Betroffenen indiziert. Zudem benötigen die immungeschwächten Betroffenen in aller Regel eine Umkehrisolation zum Schutz vor Sekundärinfektionen, durch welche potenzielle Übertragungswege infolge des Kontaktes mit der Außenwelt unterbunden werden.

Im Rahmen einer symptomatischen Therapie kommen in aller Regel die gleichen Therapiemaßnahmen zum Einsatz, die bei großflächigen Verbrennungen Anwendung finden. Hierzu gehören eine engmaschige Überwachung der Laborparameter, Infusionen zur Kompensation des Flüssigkeits-, Elektrolyt- und Proteinverlustes über die offenen Hautläsionen, eine sterile und antiseptische Wundversorgung mit möglicher chirurgischer Sanierung der nekrotischen Hautareale, eine intensive Lokalpflege sowie die Lagerung des Betroffenen auf Luftkissen- oder Wasserbett, um eine zusätzliche druckinduzierte Ablösung der Haut zu unterbinden.

Liegt ein medikamentös induziertes Lyell-Syndrom vor, werden sämtliche Medikamente, die die Erkrankung ausgelöst haben können und nicht lebensnotwendig sind, abgesetzt sowie hochdosierte Glucocorticoide intravenös infundiert. Zur Prophylaxe weiterer Infektionen oder bei bereits stattgefundener Superinfektion kann zudem eine Therapie mit Antibiotika, die ein geringes Allergiepotenzial aufweisen, angezeigt sein.

Bei einem staphylogenen Lyell-Syndrom steht die Antibiotika-Therapie mit hochdosierten halbsynthetischen β-Lactam-Antibiotika im Vordergrund, während die Gabe von Glucocorticoiden kontraindiziert ist. Aufgrund der äußerst schmerzhaften Hautveränderungen werden viele Betroffene des Lyell-Syndroms zusätzlich in ein künstliches Koma versetzt.


Aussicht & Prognose

Wenn das Lyell-Syndrom rechtzeitig behandelt wird und keine Komplikationen wie zum Beispiel Blutvergiftung oder Lungenentzündung auftreten, ist die Prognose gut. Die Hautbeschwerden klingen dann innerhalb von zehn bis 14 Tagen ab. Narben bleiben nur in sehr seltenen Fällen zurück. Wird das Lyell-Syndrom im Frühstadium erkannt, kann ein Ausbruch der Erkrankung bisweilen noch vermieden werden. Hierzu werden dem Patienten Antibiotika verabreicht, welche die Krankheitserreger abtöten sollen. Bei einer erfolgreichen Behandlung bessert sich der Zustand des Patienten bereits innerhalb von ein bis zwei Tagen wieder.

Bei fehlender Behandlung kann das Lyell-Syndrom Komplikationen wie Narbenbildung und Nervenschäden hervorrufen. Die optischen Veränderungen werden dann häufig von chronischen Schmerzen begleitet. Um einen positiven Heilungsverlauf zu gewährleisten, muss der Patient regelmäßig ärztlich untersucht werden. Gegebenenfalls muss die Medikation angepasst oder spezifische Symptome behandelt werden.

Die endgültige Prognose kann ein Facharzt geben, der hierzu weitere Faktoren wie den Gesundheitszustand des Patienten, die Familiengeschichte und etwaige Begleiterkrankungen miteinbezieht. Bei Kindern klingt die Erkrankung in der Regel schneller ab als bei Erwachsenen, bei denen die Erkrankung oft ein bis zwei Wochen bestehen bleibt.

Vorbeugung

Einem Lyell-Syndrom kann in aller Regel nicht vorgebeugt werden. Medikamentöse Unverträglichkeiten werden oftmals erst mit Einnahme des spezifischen Präparats evident. Durch einen nachhaltigen Umgang mit Medikamenten sowie eine genaue Eigenüberwachung bei Einnahme potenziell auslösender Substanzen kann das Risiko eines Lyell-Syndroms reduziert oder zumindest die Auswirkungen der Erkrankung durch eine frühe Diagnose minimiert werden.

Nachsorge

Die Maßnahmen einer Nachsorge hängen bei Hautkrankheiten in der Regel sehr stark von der genauen Ausprägung ab, sodass in der Regel keine allgemeine Voraussage erfolgen kann. Das Lyell-Syndrom muss in erster Linie von einem Arzt untersucht und behandelt werden, damit es nicht zu weiteren Komplikationen oder Beschwerden kommt.

Auch ein hoher Standard der Hygiene kann sich positiv auf den Verlauf von solchen Krankheiten auswirken. In den meisten Fällen erfolgt die Behandlung dieser Krankheiten durch die Anwendung von Cremes oder Salben und durch die Einnahme von Medikamenten.

Der Betroffene sollte dabei auf eine regelmäßige Anwendung und auch auf die richtige Dosierung achten, um die Beschwerden dauerhaft zu lindern. Dabei sind regelmäßige Kontrollen durch einen Arzt sehr wichtig. In den meisten Fällen wirkt sich das Lyell-Syndrom nicht negativ auf die Lebenserwartung des Betroffenen aus.

Das können Sie selbst tun

Da es sich beim Lyell-Syndrom um eine lebensbedrohliche Erkrankung handelt, ist eine medizinische Behandlund und Versorgung unumgänglich. Selbsthilfemaßnahmen können sich lediglich auf Betreuung und Pflege durch Angehörige beziehen.

Im Falle einer Medikamentenunverträglichkeit sollte das jeweilige Medikament nach Rücksprache mit einem Arzt absetzt oder durch ein anderes ersetzt werden. Möglichen Symptomen wie Fieber und Abgeschlagenheit kann mit Bettruhe und dem Vermeiden von unnötigen Belastungen entgegengewirkt werden. Der Betroffene ist in aller Regel auf einen stationären Aufenthalt angewiesen. Hierbei wirkt sich eine liebevolle Pflege durch Angehörige oder Freunde sehr positiv auf den Krankheitsverlauf aus. Ausführliche Gespräche mit engen Vertrauten können dabei psychische Beschwerden verhindern und behandeln.

Sollten Kinder vom Lyell-Syndrom betroffen sein, so sollten sie immer über die möglichen Folgen und Komplikationen der Erkrankung aufgeklärt werden. Weiterhin wirkt sich in vielen Fällen auch der Kontakt mit anderen Betroffenen des Lyell-Syndroms sehr positiv auf die Krankheit aus. Hierbei ist der Austausch von Informationen und ein eventuelles gegenseitiges seelisches Stützen hervorzuheben. Ob es bei diesem Syndrom zu einer Heilung kommt, kann nicht im Allgemeinen vorhergesagt werden.

Quellen

  • Dirschka, T., Hartwig, R.: Klinikleitfaden Dermatologie. Urban & Fischer, München 2011
  • Moll, I.: Dermatologie. Thieme, Stuttgart 2010
  • Sterry, W., Paus, R.: Checkliste Dermatologie. Thieme, Stuttgart 2010

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