Pflanzenheilkunde
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 13. November 2021Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Die Pflanzenheilkunde, auch Phytotherapie genannt, ist die Lehre der Anwendung von Heilpflanzen zur Heilung und Linderung von Krankheiten. Sie gehört zu den ältesten medizinischen Therapien und ist Teil der Heilkunde auf allen Kontinenten.
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Was ist die Pflanzenheilkunde?
Bei der Pflanzenheilkunde kommen ausschließlich Bestandteile von Pflanzen zur Behandlung von Erkrankungen zum Einsatz. So können Blätter, Wurzeln, Blüten, Rinden oder Samen arzneilich verwendet werden. Isolierte Wirkstoffe kommen hingegen nicht zur Anwendung.
Die Pflanzenbestandteile werden pharmakologisch auch als Drogen bezeichnet und können frisch, als Teeaufguss, Auskochung, Kaltauszug, Saft, Tinktur, Pulver, ätherisches Öl oder Extrakt zubereitet werden. Heilpflanzen sind Naturprodukte und somit unterliegen ihre Inhaltsstoffe natürlichen Schwankungen. Standort, Klima, Ernte und Lagerung beeinflussen den Gehalt an Inhaltsstoffen. Zu den bekannten Wirkstoffen in der Pflanzenheilkunde gehören ätherische Öle, Alkaloide, Bitterstoffe, Cumarine, Gerbstoffe, Glykoside, Schleimstoffe und Saponine.
Funktion, Wirkung & Ziele
Spezielle Formen der traditionellen europäischen Pflanzenheilkunde sind die Spagyrik und die Aromatherapie. Auf der traditionellen Phytotherapie basiert die rationale Phytotherapie. Die Wirksamkeit der Pflanzen wird hier nach naturwissenschaftlichen Bewertungsmaßstäben überprüft. Auch in Japan gibt es eine traditionelle Pflanzenheilkunde.
Diese wird auch als Kampo bezeichnet. Ebenso wie die traditionelle japanische Medizin greift auch die traditionelle chinesische Medizin bei der Therapie auf Pflanzen zurück. In der chinesischen Heilpflanzenkunde ist es üblich, dass jeder Patient eine Mixtur erhält, die nach den Prinzipien der traditionellen chinesischen Medizin individuell auf ihn zugeschnitten ist. Auch in der Tradition des indischen Ayurveda werden Heilpflanzen eingesetzt.
Die Anwendungsmöglichkeiten der Pflanzenheilkunde sind sehr breit gefächert. Ätherische Öle, Saponine, Schleimstoffe, Gerbstoffe und Flavonoide haben sich als wirksam bei der Therapie von Atemwegserkrankungen erwiesen. Pflanzen wie Thymian, Efeu, Spitzwegerich, Fenchel, Anis, Eibisch, Fichte, Primel oder Süßholz beruhigen gereizte Atemwege, wirken schleimlösend, hustenstillend und teilweise sogar antibakteriell oder antiviral.
Gewächse wie Löwenzahn, Mariendistel, Artischocke, Schöllkraut, Boldo oder Erdrauch haben eine positive Wirkung auf Leber und Galle. Sie können eine Regeneration des Lebergewebes bewirken, stabilisieren die Leberzellen und können Begleiterscheinungen von Lebererkrankungen wie Übelkeit, Appetitlosigkeit oder Druckgefühl im Oberbauch lindern. Zudem regen einige dieser Arzneipflanzen die Galleproduktion an und/oder beschleunigen den Gallefluss. Dadurch wird auch die Verdauung stimuliert. Ebenfalls verdauungsanregend wirken die sogenannten Bitterstoffdrogen.
Bitterstoffe regen die Speichel- und Magensaftsekretion an. Auch die Sekretion von Verdauungssäften aus der Bauchspeicheldrüse wird gefördert. Bitterstoffdrogen wie Enzian, Wermut, Tausendgüldenkraut, Schafgarbe, Kalmus, Ingwer oder Pfeffer wirken appetitanregend, krampflösend, gallefördernd und verhindern Blähungen. Deshalb werden sie am besten eine halbe Stunde vor dem Essen verabreicht.
Weißdorn ist eine bekannte Pflanze zur Stärkung des Herz-Kreislauf-Systems. Die im Weißdorn enthaltenen Procyanidine und Flavonoide wirken kontraktionssteigernd und gefäßerweiternd. Weißdorn wird deshalb gerne zur Behandlung von Herzinsuffizienz, Herzschwäche oder Bluthochdruck eingesetzt. Auch der Fingerhut (Digitalis) enthält herzwirksame Inhaltsstoffe. Die Herzglykoside sind in der Lage die Schlagkraft des Herzens zu steigern und die Herzfrequenz zu senken. Auch die Herzglykoside kommen bei der Behandlung der Herzinsuffizienz zum Einsatz. Streng genommen gehört die Therapie mit Herzglykosiden aber nicht zur Pflanzenheilkunde, da für die Therapie in der Regel nicht die gesamte Pflanze oder Teile der Pflanze genutzt werden, sondern der Wirkstoff isoliert wird.
Auch zur Steigerung der Immunabwehr kommen Mittel aus der Pflanzenheilkunde zum Einsatz. Die bekannteste immunstimulierende Pflanze ist sicherlich der Sonnenhut (Echinacea). Aber auch Pflanzen wie die Kapland-Pelargonie oder der Wasserdost haben eine positive Wirkung auf das Immunsystem. Weiteres Anwendungsgebiet der Heilpflanzenkunde sind Erkrankungen des Urogenitaltraktes. Hier kommen insbesondere pflanzliche Diuretika wie Birke, Goldrute, Brennnessel oder Ackerschachtelhalm zum Einsatz. Bei Entzündungen der Harnwege oder der Blase haben sich zudem antibiotisch wirkende Pflanzen wie Kapuzinerkresse oder Meerrettich als hilfreich erwiesen.
Risiken, Nebenwirkungen & Gefahren
Aus arzneimittelrechtlichen Gründen und aufgrund fehlender klinischer Studien sollte die Pflanzenheilkunde in der Schwangerschaft, während der Stillzeit und bei Kindern unter 12 Jahren nur mit äußerster Bedacht ausgeübt werden. Ein verantwortungsvoller Einsatz mit Phytotherapeutika zeigt hier allerdings auch oft große Erfolge, sodass eine Therapie zwar durchaus empfehlenswert ist, aber nur durch erfahrene Ärzte oder Heilpraktiker erfolgen sollte.
Für einige Heilpflanzen oder Inhaltsstoffe gibt es spezielle Beschränkungen und Gegenanzeigen. Vorsicht ist immer bei Allergien gegen Korbblütler geboten. Viele der bekannten Heilpflanzen gehören zur Familie der Korbblütler. Kommen Allergiker mit den Pflanzen in Kontakt, kann dies schlimmstenfalls zu einem allergischen Schock führen. Auch bei der Verwendung von ätherischen Ölen sollten Personen, die gegen Korbblütler allergisch sind, vorsichtig sein. Absolute Kontraindikation für eine Behandlung mit Pflanzen die Anthranoide beinhalten, sind Darmverschluss oder akut-entzündliche Erkrankungen des Darms.
Anthranoide wirken abführend und sind unter anderem in der Kap-Aloe, in Sennesfrüchten oder in der Rhabarberwurzel enthalten. Da Bitterstoffe die Produktion von Verdauungssäften anregen, dürfen sie nicht bei Magen- und Darmgeschwüren verwendet werden. Durch die vermehrt produzierte Magensäure würde die Schleimhaut von Magen und Darm nur zusätzlich gereizt werden.
Quellen
- Beer, A.-M., Adler, M.: Leitfaden Naturheilverfahren für die ärztliche Praxis. Elsevier, München 2012
- Kraft, K., et al.: Lehrbuch Naturheilverfahren. Thieme, Stuttgart 2010
- Melchart, D. et al.: Naturheilverfahren. Schattauer, Stuttgart 2007