Orientierungssinn

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 10. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Der Orientierungssinn ist keine einzelne der sechs menschlichen Sinneswahrnehmungen. Er setzt sich vielmehr aus mehreren dieser Sinneswahrnehmungen zusammen.

Anders als alle anderen Sinne ist der Orientierungssinn trainier- und erlernbar. Seit der Moderne hat sich die allgemeine Orientierungsfähigkeit des Menschen jedoch zurückentwickelt.

Inhaltsverzeichnis

Was ist der Orientierungssinn?

Der Orientierungssinn ist auch als Raumsinn oder räumliche Orientierung bekannt. Er ist nur indirekt ein Teil der sechs menschlichen Sinneswahrnehmungen.

Der Orientierungssinn ist auch als Raumsinn oder räumliche Orientierung bekannt. Er ist nur indirekt ein Teil der sechs menschlichen Sinneswahrnehmungen. Es handelt sich bei der Struktur nicht um einen eigenständigen Sinn, sondern um ein Zusammenspiel von mehreren Sinnen. Sowohl der Sehsinn, als auch der Hörsinn, der Geruchssinn, der Tastsinn, der Gleichgewichtssinn und der Muskelsinn (Tiefensensibilität) sind am Orientierungssinn beteiligt.

Neben dem Menschen verfügen auch Tiere über einen Raumsinn, der ihnen erst die Orientierung und koordinierte Bewegung im Raum ermöglicht. Anders als der Mensch sind viele Tiere mit einem zusätzlichen Sinn für Erschütterungen, Magnetfelder und Polarisationsmuster ausgestattet. Diese zusätzlichen Wahrnehmungen gehen für sie mit in den Orientierungssinn ein.

Anders als alle anderen Sinne ist die räumliche Orientierung bis zu einem hohen Grad erlernbar und trainierbar. Die Grundstruktur ist durch die anatomischen Strukturen der Augen, Muskeln und Ohren angeboren. Da aber auch das Gedächtnis und die Aufmerksamkeit eine Rolle für die räumliche Orientierung spielen, lässt sich der Orientierungssinn über bestimmte Übungen verbessern.

Funktion & Aufgabe

Ohne den Orientierungssinn wäre dem Menschen die Orientierung im Raum nicht mehr möglich. Auch die koordinierte Fortbewegung durch den Raum hängt an dieser Sinnesstruktur. Ein Großteil der räumlichen Orientierung wird erst durch die gezielte Fortbewegung im Raum erlernt.

Die kleinräumige Orientierung erlernt der Mensch so in den ersten Jahren seines Lebens. Später folgt das Lernen geographischer Orientierung, die danach als Gedächtnisinhalt zum allgemeinen Orientierungssinn beiträgt. Für die Nahorientierung spielt vor allem die Raumlage eine Rolle, das heißt die Position und Haltung des eigenen Körpers im Raum.

Insbesondere der Sehsinn und der Gleichgewichtssinn lassen die Einschätzung der eigenen Raumlage zu. Der Gleichgewichtssinn dient im Speziellen der Feststellung und Aufrechterhaltung der eigenen Haltung und der Miteinberechnung von Umgebungskräften wie der Gravitation. Über das Zusammenspiel dieser Sinneswahrnehmung mit den visuellen Wahrnehmungen lassen sich die Winkel und Neigungen sowie Lotrichtungen der eigenen Raumlage einschätzen.

Auch der Tastsinn spielt für die Ermittlung der eigenen Raumlage eine Rolle, da er unter anderem den eigenen Körperschwerpunkt berechnet. Diese Berechnung findet anhand der Druckrezeptoren auf den Fußsohlen statt und wird in die Raumlage einbezogen.

Die enge Verknüpfung der genannten Sinnesstrukturen mit der Tiefensensibilität schützt den Menschen schließlich vor Stürzen und Stolpern. Die Tiefensensibilität ist einer der rasantesten Sinne und wird über das Kleinhirn gesteuert, sodass das Gehirn automatisch eine schützende Muskelantwort in Gang bringen kann, sobald das Gleichgewichtsorgan eine abrupt veränderte Körperhaltung meldet. So fällt der Mensch beispielsweise nicht automatisch zu Boden, wenn er stolpert, sondern kann sich oft noch abfangen, indem er automatisch den Fuß vorstellt.

Die Raumlagewahrnehmung wird vorwiegend unterbewusst gesteuert. Die großräumliche Wahrnehmung verläuft dagegen schon bewusster. Bei dieser Art der Orientierung spielen das Denkvermögen und die Aufmerksamkeit eine gesteigerte Rolle.

In die Raumlage wird hierbei die Erinnerung an markante Raumpunkte, wie Landschaftsphänomene, Gebäude oder Wegesmarken eingearbeitet. Großräumliche Orientierung ist damit ausschließlich erlernt.


Krankheiten & Beschwerden

Da der Orientierungssinn der Übung und des Trainings bedarf, ist die Fortbewegung im Raum für diese Sinnesstruktur unverzichtbar. Wie beschrieben wird ein Großteil des Orientierungssinnes erlernt. Wenn der Mensch sich schon in frühen Jahren nicht ausreichend im Raum fortbewegt, kann sich der Orientierungssinn dementsprechend zurückbilden.

Die Wissenschaften haben daher mittlerweile eine abnehmende Orientierungsfähigkeit am modernen Menschen ausmachen können. Diese Abnahme ist der modernen Zeit zu verschulden, die Orientierung und unmotorisierte Fortbewegung kaum mehr erforderlich macht.

Beschwerden kann der Orientierungssinn bei ungewöhnlichen oder ungewohnten Raumbewegungen bereiten. Beim Tauchen und Fliegen kann der Orientierungssinn daher zum Beispiel nur noch schwer die Raumlage ermitteln und die allgemeine Orientierung ist gestört. Unter Wasser ist die veränderte Raumwahrnehmung für die Beschwerden verantwortlich. Beim Fliegen gehen die Probleme dagegen auf die Drehbewegungen zurück. Insbesondere der für den Orientierungssinn relevante Gleichgewichtssinn kann sich in diesen Situationen nicht mehr glatt einstellen. Die Folgen sind Vertigo, Schwindel, Übelkeit und Verwirrung.

Längerfristige Orientierungsstörungen können sowohl psychisch als auch organisch bedingt sein. Chemikalienbelastungen, Medikamentengaben und andere Intoxikationen können beispielsweise eine Orientierungsstörung auslösen, da sie das Orientierungszentrum des Gehirns belasten.

Andererseits können auch tatsächliche Schädigungen des Gehirns vorliegen, so zum Beispiel durch Alzheimer, Parkinson oder Hirnläsionen anderer Ursache. Je nachdem, welche Gehirnzentren oder einzelne Wahrnehmungszentren des Gehirns von der Schädigung betroffen sind, kann sich eine Orientierungsstörung auf verschiedene Art und Weise äußern. Auch anhaltender Schwindel kann so zum Beispiel bereits eine Orientierungsstörung sein.

Quellen

  • Benninghoff/Drenckhahn: Anatomie. Urban & Fischer, München 2008
  • Lang, F., et al.: Basiswissen Physiologie. Springer Verlag, Berlin Heidelberg 2007
  • Probst, R., Grevers, G., Iro, H.: Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde. Thieme, Stuttgart 2008

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