Parasympathikotonus

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 25. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Der Parasympathikotonus ist ein Maß für den Erregungszustand des parasympathischen vegetativen Nervensystems als Gegenspieler zum Sympathikus. Ein hoher Parasympathikotonus wirkt auf die inneren Organe beruhigend, ermöglicht die Regeneration und dient dem Aufbau von Reserven. Der Körper wird von der sympathisch gesteuerten Ausnahmesituation, in der der Körper auf Höchstleistungen und auf Flucht oder Angriff vorbereitet ist, wieder in den Normalmodus zurückgeführt.

Inhaltsverzeichnis

Was ist der Parasympathikotonus?

Der Parasympathikotonus ist ein Maß für den Erregungszustand des parasympathischen vegetativen Nervensystems als Gegenspieler zum Sympathikus.

Das vegetative oder autonome Nervensystem, über das die meisten Körper- und Organfunktionen unabhängig vom Willen gesteuert werden, besteht aus dem sympathischen, parasympathischen und enterischen Nervensystem (dem Nervensystem für den Verdauungstrakt, das zwar ebenfalls autonom ist, aber durchaus auch auf Signale des Sympathikus und des Parasympathikus reagiert).

Parasympathikus und Sympathikus können als Antagonisten verstanden werden, arbeiten aber bei plötzlich auftretenden Stresssituationen auch gleichzeitig synergistisch zusammen, indem sie den Körper bestmöglich in den Alarmmodus versetzen.

Während ein hoher Sympathikotonus mit einer erhöhten Konzentration von Stresshormonen verbunden ist und den Körper auf körperliche Höchstleitung und Flucht oder Kampf einstellt, holt der Parasympathikotonus den Körper durch Blockieren der Stresshormone wieder zurück aus der Ausnahmesituation. Er leitet ein Stoffwechselprogramm ein, das der Regeneration, dem Aufbau und dem Stressabbau dient.

Für die vielfältige Steuerung der inneren Organe, des Stoffwechsels und des Hormonhaushalts besteht ein ausgeklügeltes Wechselspiel zwischen Sympathiko- und Parasympathikotonus. Eine direkte Messung des Parasympathikotonus ist nicht möglich, weil das parasympathische System hauptsächlich inhibitorisch auf die Konzentration an Stresshormonen wirkt. Einen gewissen Hinweis auf den Parasympathikotonus gibt die Konzentration von Acetylcholin an, einem Neurotransmitter, der inhibitorische Wirkung auf das Stresshormon Cortisol hat. Es kann so über die Messung der Cortisolkonzentration und über die Herzratenvariabilität auf den jeweiligen Parasympathikotonus rückgeschlossen werden.

Funktion & Aufgabe

Der Parasympathikotonus liefert einen Hinweis auf die momentane Aktivität des parasympathischen autonomen Nervensystems, das immer im Zusammenhang mit Funktion und Aufgaben des sympathischen Nervensystems gesehen werden muss. Einerseits wirkt der Parasympathikotonus als Antagonist des Sympathikotonus, andererseits kann das parasympathische Nervensystem auch synergistisch, also ergänzend, mit dem sympathischen System zusammen arbeiten.

Das geschieht vor allem bei plötzlich auftretenden Stresssituationen, in denen der Stoffwechsel mit einer Vielzahl von Einzelreaktionen den Körper auf größtmögliche Leistungsfähigkeit bei gleichzeitig reduzierter Blutungsgefahr bei Verletzungen programmiert. Der Stoffwechsel wird kurzfristig auf Flucht oder Angriff vorbereitet. Die Umstellung der Körperfunktionen durch ein hohes Stresslevel kann z. T. schädlich sein, wie beispielsweise der Anstieg des Blutdrucks. Daher dient die Erhöhung des Parasympathikotonus nach Beendigung einer akuten Stresssituation den Zweck, Kreislauf und Stoffwechsel baldmöglichst wieder in den Normalmodus zurückzuversetzen. So hat das Körper- und Muskelgewebe Gelegenheit zur Regeneration und zum Aufbau von Reserven.

Abgesehen von der globalen Stoffwechselumstellung nimmt der Parasympathikotonus Einfluss auf die Funktion einiger innerer Organe wie Herz, Bronchien, Verdauungstrakt, Gallenblase, Leber, Bauchspeicheldrüse, Harnleiter und andere.

Im Herzen bewirkt eine Erhöhung des Parasympathikotonus eine Verlangsamung der Herzfrequenz, eine Verlangsamung der Erregungsleitung vom Sinusknoten in der rechten Vorkammer zum AV-Knoten und innerhalb des AV-Knotens, so dass das Signal zur Kontraktion der beiden Kammern ein wenig verzögert wird.

In den Bronchien führt ein erhöhter Parasympathikotonus zu einer Erweiterung der Blutgefäße (Vasodilatation), so dass eine stärkere Durchblutung stattfindet und deshalb auch eine stärkere Schleimsekretion sowie eine Verengung der Bronchien erfolgt. Im Verdauungstrakt beeinflusst der Parasympathikus dessen eigenes autonomes Nervensystem, das enterische Nervensystem und veranlasst es zu höherer Aktivität.

Männer benötigen neben sexueller Erregung einen gewissen Parasympathikotonus für das Zustandekommen einer Erektion. Die glatte Ringmuskulatur, die die Schwellkörperarterien umklammert, erschlafft unter dem parasympathischen Einfluss, so dass Blut in die Schwellkörper einschießen kann und eine Erektion verursacht.


Krankheiten & Beschwerden

Eine Veränderung des Parasympathikotonus im Wechselspiel mit dem Sympathikotonus unterliegt vielen Einflüssen und kann durch Krankheiten, Medikamente oder Toxine empfindlich gestört werden. Die häufigsten Beschwerden, die aus einer Störung der Balance zwischen den beiden Antagonisten resultieren, werden der veränderten Lebensweise gegenüber antiken Gesellschaften zugeschrieben. Besonders Menschen, die häufig Stressbedingungen erleben, die nicht durch eine erhöhte körperliche Aktivität abgebaut werden können, leiden unter permanent erhöhten Konzentrationen an Stresshormonen.

Der Parasympathikotonus kann unter derartigen Bedingungen zu niedrig sein, so dass der Stoffwechsel vom Sympathikotonus dominiert wird und sich entsprechende Beschwerden wie primärer Bluthochdruck, Schlafstörungen, Unruhezustände oder ähnliche Symptome einstellen können. Auch der Verdauungstrakt kann durch einen zu niedrigen Parasympathikotonus funktionale Störungen aufgrund fehlender oder zu schwacher Impulse vom parasympathischen System aufweisen.

Vor einigen Jahrzehnten wurde bei unspezifischen Beschwerden, die auf eine offensichtliche Fehlsteuerung des vegetativen Nervensystems zurückzuführen waren, häufig die Diagnose vegetative Dystonie gestellt. Dieser Begriff ist heute umstritten, weil es sich häufig „nur“ um eine gestörte Balance zwischen Sympathiko- und Parasympathikotonus handelt.

Primäre Nervenerkrankungen, die zu ähnlichen Symptomen führen, sind sehr selten. Allerdings können empfindliche Störungen durch Neurotoxine ausgelöst werden, die auch in der Natur in Form von giftigen Spinnen, Schlangen, Würfelquallen und anderen Tieren synthetisiert und für Beutefang oder zur Abwehr von Angriffen genutzt werden.

Falls Störungen des Parasympathikotonus diagnostiziert werden, stehen Medikamente zur Verfügung, die das parasympathische System stimulieren oder die Aktivität hemmen.

Quellen

  • Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
  • Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016

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