Periradikuläre Therapie
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 28. August 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Unter einer periradikulären Therapie (PRT) versteht man eine Injektion zur Schmerzbehandlung um die Nervenwurzeln der Wirbelsäule. Rückenschmerzen sind weit verbreitet und oftmals chronisch. Hier verspricht die PRT - je nach Ursache der Rückenbeschwerden - eine schmerzlindernde oder schmerzbefreiende Option.
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Was ist die periradikuläre Therapie?
Bei der periradikulären Therapie wird in einem bildgebenden Verfahren - meist unter CT- der exakte Punkt der schmerzproduzierenden Stelle festegestellt und dort millimetergenau durch die Einspritzung von unterschiedlichen Medikamten die Beseitigung oder zumindest Linderung der Schmerzzustände erzielt.
Vorgesehen ist dann immer die Einspritzung eines Medikaments zur örtlichen Betäubung und/ oder eines entzündungshemmenden Mittels. Die Auswahl kommt auf die Grunderkrankung der Wirbelsäule an.
Das Verfahren kann an einem Punkt der Wirbelsäule oder auch gleichzeitig an mehreren Punkten vorgenommen werden. Meistens ist der Behandlungsbereich im Gebiet der Lendenwirbelsäule und zwar zwischen dem dritten und fünften Lendenwirbel.
Geschichte & Entwicklung
Die periradikuläre Therapie (PRT) hat ihre Wurzeln in der Entwicklung der interventionellen Schmerztherapie und bildgebender Verfahren zur gezielten Schmerzbehandlung. In den 1960er und 1970er Jahren begann man, Steroidinjektionen zur Behandlung von Rücken- und Nackenschmerzen zu nutzen, wobei der Fokus zunächst auf epiduralen Injektionen lag. Diese Techniken wurden als Möglichkeit entwickelt, die entzündungshemmenden und schmerzlindernden Wirkungen von Steroiden direkt an die betroffene Stelle zu bringen.
Mit der fortschreitenden Entwicklung bildgebender Verfahren, insbesondere der Computertomographie (CT) und später auch der Fluoroskopie, wurde es möglich, diese Injektionen präziser zu platzieren. In den 1980er Jahren entstand die PRT als spezifische Technik, die eine Injektion von Medikamenten in die Nähe der Nervenwurzel vorsieht, um gezielt radikuläre Schmerzen zu lindern, die durch Bandscheibenvorfälle oder Spinalstenosen verursacht werden.
Die PRT hat sich seitdem kontinuierlich weiterentwickelt und wird heute routinemäßig zur Behandlung von chronischen Rückenschmerzen eingesetzt. Die Anwendung von CT- oder röntgenbildgesteuerten Verfahren hat die Sicherheit und Effektivität dieser Therapie deutlich verbessert, sodass sie eine etablierte Methode in der Schmerztherapie darstellt. Die zunehmende Spezialisierung und das Verständnis der Schmerzmechanismen haben die PRT zu einer wichtigen Säule in der nicht-operativen Behandlung von Rückenschmerzen gemacht.
Einsatz & Indikation
Eine periradikuläre Therapie (PRT) wird durchgeführt, wenn chronische Rückenschmerzen oder Schmerzen in den Extremitäten vorliegen, die durch Nervenwurzelreizungen oder -entzündungen verursacht werden. Diese Schmerzen treten häufig bei Bandscheibenvorfällen, Spinalkanalstenosen oder degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule auf. Die PRT wird in der Regel dann notwendig, wenn konservative Behandlungsmethoden wie Physiotherapie, Schmerzmittel oder entzündungshemmende Medikamente nicht ausreichend wirksam sind.
Die PRT zielt darauf ab, den betroffenen Nerv direkt zu behandeln, indem eine Mischung aus Kortikosteroiden und Lokalanästhetika in die Nähe der entzündeten oder gereizten Nervenwurzel injiziert wird. Dies reduziert die Entzündung und lindert die Schmerzen, oft über einen längeren Zeitraum.
Die Therapie wird besonders in Fällen eingesetzt, bei denen der Schmerz bis in die Beine oder Arme ausstrahlt, was auf eine Nervenwurzelkompression hinweist. Auch bei Patienten, die aufgrund von Vorerkrankungen oder Alter für eine operative Behandlung nicht geeignet sind, stellt die PRT eine wichtige Alternative dar.
Die Entscheidung für eine PRT erfolgt in der Regel nach einer genauen diagnostischen Abklärung, oft mithilfe bildgebender Verfahren wie MRT oder CT, um den genauen Ort der Nervenreizung zu bestimmen und sicherzustellen, dass die Injektion zielgerichtet erfolgt.
Vorteile & Nutzen
Die periradikuläre Therapie (PRT) bietet gegenüber anderen Behandlungs- und Untersuchungsmethoden mehrere spezifische Vorteile, insbesondere bei der Behandlung von Nervenwurzelreizungen und chronischen Rückenschmerzen. Einer der größten Vorteile der PRT ist ihre gezielte Wirkung. Durch die präzise Platzierung der Injektion direkt an der betroffenen Nervenwurzel kann die entzündungshemmende und schmerzlindernde Wirkung von Kortikosteroiden und Lokalanästhetika genau dort entfaltet werden, wo sie am dringendsten benötigt wird. Dies reduziert systemische Nebenwirkungen, die bei oraler Medikation auftreten können.
Ein weiterer Vorteil ist die minimalinvasive Natur der PRT. Im Gegensatz zu chirurgischen Eingriffen, die mit längeren Erholungszeiten und höheren Risiken verbunden sind, ist die PRT ein relativ einfaches, ambulant durchführbares Verfahren mit geringen Risiken und schneller Genesung. Patienten profitieren oft schon nach wenigen Sitzungen von einer deutlichen Schmerzlinderung.
Zudem kann die PRT auch diagnostisch wertvoll sein. Wenn die Schmerzreduktion nach einer PRT eintritt, bestätigt dies, dass die Schmerzen tatsächlich von der behandelten Nervenwurzel ausgehen. Dies hilft, die Ursache der Beschwerden genauer zu bestimmen und kann die Notwendigkeit für weitere, invasivere Untersuchungen oder Behandlungen verringern.
Die PRT bietet somit eine effektive und schonende Alternative, die sowohl therapeutische als auch diagnostische Vorteile vereint.
Funktion, Wirkung & Ziele
Während der Behandlung liegt der Patient auf einem speziellen Tisch in Bauchlage und es folgt zunächst eine Bestandsaufnahme, um die Lage der Wirbel, Bandscheiben und Gelenke festzustellen und den genauen Punkt für die Einspritzung zu ermitteln.
Diese Lokalisierung erfolgt absolut exakt. Vor dem Einbringen der Punktions- bzw. Hohlnadel wird die Stelle markiert. Wird mit der Hohlnadel dann an der entsprechenden Stelle punktiert, erfolgt anschließend erneut eine Aufnahme im CT (Es handelt sich hierbei um eine Röngenröhre bzw. einen Röntgenring, denn es ist nach vorne wieder offen. In dem Ring bewegt sich sich ein Messsystem um den Körper. Aus den Ergebnissen werden dann per Computer Querschnittsbilder erstellt.
Die Strahlenbelastung durch das CT ist gering, jedoch höher als bei gewöhnlichen Röntgenuntersuchungen.) Eventuell muss die Nadel nachpositioniert werden und der Vorgang wiederholt sich. Erst wenn die Punktionsnadel exakt an der richtigen Stelle sitzt, können die entsprechenden Medikamente dort eingesporitzt werden.
Manchmal ist dort so wenig Platz, dass durch die Hohlnadel ein Kontrastmittel gespritzt wird, um Weichteile, Blutgefäße und Nerven sichtbar zu machen.
Eine einmalige Behandlung ist in diesem Verfahren nicht ausreichend. Auch nicht allen Menschen hilft es nachhaltig, jedoch einem Großteil, deren Rückenschmerzen erleichtert oder genommen werden können und damit wieder eine gewisse Lebensqualität erreicht wird. Viele Menschen spüren bereits nach der ersten Behandlung einen Erfolg. Bei etwa siebzig Prozent der Patienten kann eine nachhaltige Schmerzlinderung - oder sogar Schmerzfreiheit - erzielt werden. Irgendwann können jedoch auch hier die Schmerzzustände wieder auftreten und die Behandlung kann entsprechend wiederholt werden.
Durchführung & Ablauf
Eine periradikuläre Therapie (PRT) verläuft in mehreren gut strukturierten Schritten, um eine gezielte Schmerzlinderung zu erreichen. Der Ablauf beginnt mit einer gründlichen Vorbereitung, bei der der Patient über den Eingriff aufgeklärt wird und eine genaue Diagnose durch bildgebende Verfahren wie MRT oder CT erfolgt. Diese diagnostischen Bilder helfen, die genaue Position der betroffenen Nervenwurzel zu bestimmen.
Am Tag der Behandlung liegt der Patient in der Regel in Bauchlage, um einen optimalen Zugang zur Wirbelsäule zu gewährleisten. Die Haut an der Einstichstelle wird gründlich desinfiziert, und zur Schmerzreduktion kann ein Lokalanästhetikum verwendet werden. Unter Bildgebungskontrolle, meist mittels CT oder Fluoroskopie, führt der Arzt eine feine Nadel durch die Haut und das Weichgewebe bis in die Nähe der betroffenen Nervenwurzel ein.
Sobald die Nadel korrekt platziert ist, wird eine Mischung aus Kortikosteroiden und Lokalanästhetika langsam injiziert. Das Kortikosteroid wirkt entzündungshemmend und reduziert die Schwellung um die Nervenwurzel, während das Lokalanästhetikum eine sofortige Schmerzlinderung bietet. Nach der Injektion wird die Nadel vorsichtig entfernt, und die Einstichstelle wird versorgt.
Der gesamte Eingriff dauert in der Regel nur etwa 20 bis 30 Minuten. Nach der Behandlung bleibt der Patient noch eine kurze Zeit zur Beobachtung, um sicherzustellen, dass keine unmittelbaren Nebenwirkungen auftreten. In den meisten Fällen kann der Patient am selben Tag nach Hause gehen und seine normalen Aktivitäten meist schon nach kurzer Zeit wieder aufnehmen.
Risiken, Nebenwirkungen & Gefahren
Betäubungs - oder entzündungshemmende Mittel sowie auch das ggf. verwendete Kontrastmittel können Nebenwirkungen verursachen. Dies sind vor allem allergische Reaktionen wie Jucken, Übelkeit, Kopfschmerzen oder Erbrechen. Vor der Behandlung wird aber nach bekannten Überempfindlichkeitsreaktionen oder weiteren Vorerkrankungen gefragt.
Selten kann es auch mal zu Kreislaufreaktionen kommen, die aber meist unmittelbar auftreten und noch in der nachfolgenden Beobachtungsphase behandelt werden können. Es gibt auch die Möglichkeit von schweren Unverträglichkeitsreaktionen die sogar lebensbedrohlich sein können, z.B. durch Organschäden. Dies passiert jedoch äußerst selten. Gelangt das Lokalanästhetikum direkt in ein Blutgefäß, so kann es sich im ganzen Körper ausbreiten und im schlimmsten Fall zu Bewusstseinsstörungen oder Herz - Kreislaufreaktionen führen.
In seltenen Fällen gelangt das Betäubungsmittel auch in den Wirbelkanal, sodass es zu Gefühlsstörungen oder vorübergehenden Lähmungserscheinungen kommen kann. Bleibende oder längerfristige Lähmungen als Folge von Blutergüssen oder Infektionen im Bereich des Stichkanals bzw. durch Nervenverletzungen sind extrem selten.
Das Kortisonpräparat wird nur in geringen Mengen verwendet, sodass in aller Regel länger anhaltende Nebenwirkungen nicht zu erwarten sind. Vorübergehend kann jedoch der Blutzuckerspiegel ansteigen und es kann bei Frauen zu kurzzeitigen Zyklusstörungen kommen.
Da ein ggf. gespritztes Kontrastmittel jodhaltig ist, kann es zu Reaktionen der Schilddrüse kommen. Diese können behandelt werden und sind nicht dauerhaft. Patienten mit Schilddrüsenerkrankungen, wie Morbus Hashimoto sollten den TSH - Wert sowie die freien Schilddrüsenhormone prüfen lassen und ggf. das Medikament Levothyroxin in der Dosis anpassen lassen.
Alternativen
Wenn eine periradikuläre Therapie (PRT) nicht möglich oder nicht geeignet ist, gibt es mehrere alternative Verfahren zur Behandlung von Nervenwurzelreizungen und chronischen Rückenschmerzen. Eine gängige Alternative ist die epidurale Steroidinjektion. Dabei wird das Medikament in den Epiduralraum injiziert, der den Raum um das Rückenmark und die Nervenwurzeln umfasst. Diese Methode zielt ebenfalls darauf ab, Entzündungen zu reduzieren und Schmerzen zu lindern, jedoch mit einem breiteren Wirkungsbereich als die PRT.
Eine weitere Option ist die Radiofrequenzablation (RFA). Hierbei werden hitzeerzeugende Radiowellen verwendet, um die Nervenfasern, die Schmerzsignale übertragen, zu deaktivieren. Dies kann länger anhaltende Schmerzlinderung bieten, insbesondere bei Patienten mit Facettengelenksarthrose oder anderen chronischen Rückenschmerzen, bei denen eine PRT nicht wirksam oder nicht angezeigt ist.
Physiotherapie stellt ebenfalls eine wichtige Alternative dar, insbesondere bei Patienten, die aus medizinischen Gründen keine Injektionen erhalten können. Physiotherapie zielt darauf ab, die Muskulatur zu stärken, die Flexibilität zu verbessern und die Belastung auf die betroffenen Nervenwurzeln zu verringern, was die Schmerzen lindern kann.
Schmerzmedikation, wie orale nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR), kann ebenfalls eingesetzt werden, um Entzündungen zu reduzieren und Schmerzen zu kontrollieren, insbesondere bei Patienten, die keine invasiven Verfahren wünschen oder tolerieren können.
Für schwerwiegendere Fälle kann auch eine operative Behandlung in Betracht gezogen werden, etwa eine Mikrodiscektomie, bei der ein Teil der Bandscheibe entfernt wird, der auf den Nerv drückt. Diese invasivere Methode wird in der Regel dann erwogen, wenn alle anderen nicht-invasiven Ansätze versagen.
Quellen
- Diener, H.-C., et al.: Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Thieme, Stuttgart 2012
- Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010
- Striebel, H.W.: Therapie chronischer Schmerzen. Schattauer, Stuttgart 2002