Protrusio acetabuli

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 8. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Unter einer Protrusio acetabuli wird eine Vorwölbung von Hüftkopf und Hüftpfanne in Richtung kleines Becken verstanden. Sie kann sowohl angeboren sein als auch durch bestimmte Erkrankungen entstehen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist ein Protrusio acetabuli?

Zu den wichtigsten Untersuchungsmethoden gehört das Anfertigen von Röntgenbildern. Auf den Aufnahmen kann der Arzt das Eintreten des Pfannengrundes in Richtung Becken erkennen.
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Von einer Protrusio acetabuli ist in der Medizin die Rede, wenn sich Hüftpfanne (Acetabulum) und Hüftkopf zum kleinen Becken (Pelvis minor) hin vorwölben, was Ärzte als Protrusion bezeichnen. Dabei kommt es zu Bewegungseinschränkungen der Hüfte in sämtliche Richtungen. Zeigt sich die Vorwölbung nur auf einer Seite des Körpers, ist eine Beinverkürzung möglich.

Die Protrusio acetabuli zeigt sich oft im Rahmen verschiedener Erkrankungen, zu denen unter anderem das Marfan-Syndrom gehört. Bei diesem Leiden handelt es sich um eine Bindegewebebesonderheit, die durch eine Genmutation hervorgerufen wird. Erstmals beschrieben wurde die Vorwölbung der Hüftpfanne im Jahr 1824 in Breslau.

Studien zufolge muss rund ein Drittel aller Marfan-Syndrom-Patienten mit einer Protrusio acetabuli rechnen, wobei beide Hüftgelenke in Mitleidenschaft gezogen werden. Die Protrusio acetabuli ist auch als Otto-Chrobak-Becken bekannt. Als Namensgeber dienten der deutsche Anatom Adolph Wilhelm Otto (1786-1845) sowie der österreichische Frauenarzt Rudolf Chrobak (1843-1910).

Mediziner unterscheiden zwischen einer primären sowie einer sekundären Protrusio acetabuli. Bei der primären Form soll eine dominante Vererbung bestehen. Sie zeigt sich in erster Linie bei Frauen. Als sekundäre Form wird eine Protrusio acetabuli bezeichnet, die durch unterschiedliche Hüftkrankheiten entsteht. Sie wird bei beiden Geschlechtern in gleichem Maße verzeichnet.

Ursachen

Zu den Erkrankungsursachen der Protrusio acetabuli gehören die Osteomalazie, eine Coxarthrose, das Marfan-Syndrom, eine fibrose Dysplasie sowie Morbus Paget (Osteodystrophia deformans). In manchen Fällen sind auch Traumen oder Hüft-TEP-Implantationen für die Vorwölbung der Hüftgelenkspfanne verantwortlich.

Prinzipiell handelt es sich bei der Protrusio acetabuli um eine präarthrotische Deformität. Der Hüftkopf sinkt dadurch in die Hüftgelenkspfanne ein. Der Übergang zur krankhaften Form verläuft fließend. Besonders betroffen von einer Protrusio acetabuli sind Menschen über 30 Jahren. Zeigt sich die Vorwölbung schon im Kindesalter, droht ein schwerwiegender Verlauf.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Im Anfangsstadium verläuft die Protrusio acetabuli noch ohne Symptome. Dies ist auch der Grund dafür, warum die Erkrankung oft so spät festgestellt wird. Selbst im fortgeschrittenen Stadium kommt es nicht bei jedem Patienten zu schmerzhaften Beschwerden. Bei einigen Betroffenen bewirkt die Formveränderung sekundäre Abnutzungserscheinungen, wobei Knorpelabrieb sowie Deformierungen des Hüftkopfes auftreten.

In solchen Fällen ist dann von einer Protrusionscoxarthrose die Rede. Gemeint ist damit eine Vorwölbungsarthrose der Hüfte. Im weiteren Verlauf der Protrusio acetabuli zeigen sich in zunehmendem Maße Bewegungseinschränkungen am Hüftgelenk. Dabei handelt es sich zunächst um Bewegungen wie Abspreizen, Strecken und Drehen. Später leiden die betroffenen Personen auch im Ruhezustand unter Schmerzen, die vor allem in der Nacht auftreten.

Außerdem sind sie nicht mehr in der Lage, schmerzfrei zu laufen. Sogar eine komplette Einsteifung der Hüfte ist möglich. Bei Frauen besteht zudem die Gefahr einer Einengung des kleinen Beckens, was wiederum mechanische Behinderungen zur Folge hat. Dies kann sich im Falle einer Geburt negativ auf den Geburtsvorgang auswirken.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Eine Protrusio acetabuli zu diagnostizieren, ist nicht immer leicht. Dies gilt besonders dann, wenn sie frei von Symptomen verläuft, sodass sie sich meist nur durch Zufall entdecken lässt. Treten dagegen typische Beschwerden auf, gelten diese als Hinweis auf die Vorwölbung.

Zu den wichtigsten Untersuchungsmethoden gehört das Anfertigen von Röntgenbildern. Auf den Aufnahmen kann der Arzt das Eintreten des Pfannengrundes in Richtung Becken erkennen. Zu den Kriterien der Röntgenuntersuchung zählen eine Veränderung oder ein Verlust der sogenannten Köhler-Tränenfigur. Auch das Überschreiten der inneren Beckenlinie über die Hüftgelenkslinie sowie das Vergrößern des Zentrum-Erker-Winkels werden für eine Untersuchung in Betracht gezogen. Der Verlauf der Protrusio acetabuli hängt von deren Ausmaß ab. So kann es in manchen Fällen nötig sein, das geschädigte Hüftgelenk durch ein Implantat zu ersetzen.

Komplikationen

Durch die Protrusio acetabuli leiden die Betroffenen an Beschwerden an der Hüfte. Diese Beschwerden müssen allerdings nicht in jedem Fall mit Schmerzen verbunden sein. In den meisten Fällen wird die Krankheit daher auch erst spät diagnostiziert, da die Symptome nicht eindeutig sind oder nur in einer sehr leichten Form auftreten.

Weiterhin wird allerdings die Hüfte des Patienten durch die Protrusio acetabuli stark abgenutzt. Im weiteren Verlauf der Krankheit kann es ohne Behandlung zu Schmerzen kommen. Vor allem in der Nacht können die Schmerzen sehr unangenehm sein und damit zu Schlafbeschwerden oder zu Depressionen führen. Auch Bewegungseinschränkungen treten aufgrund der Protrusio acetabuli nicht selten auf. Das Strecken und Dehnen des gesamten Körpers ist aufgrund der Krankheit deutlich eingeschränkt.

Die Behandlung der Protrusio acetabuli ist nicht mit Komplikationen verbunden. In den meisten Fällen können die Beschwerden der Krankheit mit Maßnahmen der Physiotherapie eingeschränkt werden. Auch die Lebenserwartung des Patienten wird dadurch nicht beeinflusst oder verringert. In schwerwiegenden Fällen sind die Betroffenen allerdings auf operative Eingriffe angewiesen, um sich weiterhin fortbewegen zu können.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Die Krankheit Protrusio acetabuli muss in jedem Falle durch einen Arzt behandelt werden. Es kommt anderweitig zu verschiedenen Komplikationen und auch nicht zu einer Selbstheilung, sodass die Behandlung der Erkrankung unerlässlich ist. Je früher bei Protrusio acetabuli der Arzt aufgesucht wird, desto höher sind die Chancen einer vollständigen Heilung.

In der Regel zeigt sich die Protrusio acetabuli durch keine besonderen Beschwerden oder Symptome, sodass die Erkrankung leider erst viel zu spät diagnostiziert und behandelt wird. Eine frühzeitige Behandlung ist daher meist nicht möglich. Dabei leidet der Betroffene an Bewegungseinschränkungen am Hüftgelenk. Sollten diese Einschränkungen daher auftreten, ist sofort ein Arzt aufzusuchen. In einigen Fällen treten auch Schmerzen auf, die auch von Ruheschmerzen begleitet werden können. Vor allem in der Nacht kann es dadurch zu Schmerzen und damit zu Schlafbeschwerden kommen.

Die Protrusio acetabuli kann durch einen Allgemeinarzt oder durch einen Orthopäden diagnostiziert werden. Die Behandlung hängt allerdings stark von der genauen Ausprägung und der Art der Erkrankung ab, sodass hierbei keine allgemeine Voraussage getroffen werden kann.

Behandlung & Therapie

Die Behandlung einer Protrusio acetabuli lässt sich sowohl konservativ als auch operativ durchführen. Welche Therapie letztlich am besten geeignet ist, richtet sich nach dem Stadium der Vorwölbung und unter welchen Beschwerden der Patient leidet. Zeigen sich keine Schmerzen, wird in der Regel abgewartet.

So kommt es nicht bei jedem Menschen zwangsläufig zu einer sekundären Coxarthrose. Grundsätzlich empfiehlt sich alle zwei Jahre eine Röntgenuntersuchung, um den weiteren Verlauf der Protrusio acetabuli zu kontrollieren. Leidet der Patient unter Schmerzen, werden diese zunächst mit konservativen Mitteln bekämpft. Dabei kann es sich um die Gabe von Schmerzmitteln, physiotherapeutische Behandlungen wie krankengymnastische Übungen, eine Hydrotherapie oder eine Elektrotherapie handeln.

Als wichtig gelten zudem der Abbau von Gewicht sowie der Einsatz von orthopädischen Hilfsmitteln wie Gehhilfen oder Pufferabsätzen. Außerdem sollte der Patient das Hüftgelenk leicht bewegen. Trotz Linderung der Beschwerden kann die konservative Therapie das Voranschreiten der Protrusio acetabuli nicht verhindern. Verschlimmern sich die Schmerzen sowie die Bewegungseinschränkungen, ist oft eine Operation erforderlich.

Bei Kindern besteht noch die Möglichkeit, die Wachstumsfugen zu verschließen. Bei erwachsenen Patienten ist oft das Einsetzen eines künstlichen Hüftgelenks sinnvoll. So gelten die Langzeitresultate als ausgezeichnet. Probleme können eventuell durch einen ausgedünnten Pfannenboden bestehen, was das Verankern der künstlichen Hüftpfanne im Gelenk erschwert. In solchen Fällen finden plastische aufbauende Behandlungen statt, bei denen zumeist auf körpereigenen Knochen zurückgegriffen wird.


Vorbeugung

Vorbeugende Maßnahmen gegen eine Protrusio acetabuli sind nicht bekannt. So ist das Leiden mitunter bereits angeboren.

Nachsorge

Betroffenen stehen bei Protrusio acetabuli in der Regel nur wenige und auch nur eingeschränkte Maßnahmen einer Nachsorge zur Verfügung. Aus diesem Grund sollte der Patient schon bei den ersten Symptomen und Anzeichen der Erkrankung einen Arzt aufsuchen, damit weitere Komplikationen verhindert werden können. Es kann in der Regel keine selbstständige Heilung eintreten, sodass der Betroffene auf eine medizinische Untersuchung und Behandlung angewiesen ist.

Je früher dabei ein Arzt aufgesucht wird, desto besser ist meistens auch der weitere Verlauf der Erkrankung. Die Behandlung richtet sich stark nach der Ausprägung der Protrusio acetabulis, sodass kein allgemeiner Verlauf gegeben werden kann. In den meisten Fällen sind die Patienten auf die Einnahme von verschiedenen Medikamenten angewiesen, wobei auf die vorgegebene Dosierung und auch die regelmäßige Einnahme zu achten ist.

Falls es zu Unklarheiten oder zu Nebenwirkungen kommen sollte, ist zuerst ein Arzt zu konsultieren. Dabei sind auch regelmäßige Kontrollen durch einen Arzt sehr wichtig. Falls die Krankheit durch einen operativen Eingriff behandelt wird, sollte sich der Betroffene nach dem Eingriff schonen und dabei besonders die betroffene Region schützen.

Das können Sie selbst tun

Die Beschwerden durch Protrusio acetabuli lassen sich mit konsequenter Physiotherapie lindern, wodurch die Schmerzen spürbar zurückgehen. Im Alltag ist es wichtig, die körperlichen Zeichen zu deuten und die Schmerzen einzuschätzen. Je eher die Erkrankung festgestellt wird, desto besser sehen die Heilungschancen aus. Die schwer erkennbaren Symptome führen jedoch dazu, dass die Diagnose oft sehr spät erfolgt.

Um die Probleme zu verringern, ist es ratsam, das Gewicht zu senken. Außerdem stehen orthopädische Hilfsmittel zur Verfügung. Der Einsatz von Gehhilfen oder speziellen Pufferabsätzen mildert die Einschränkungen im Alltag ab. Durch eine gezielte Physiotherapie und leichte Bewegungen des Hüftgelenks sinkt der Schmerzpegel. Gleichzeitig verlangsamt sich der voranschreitende Abnutzungsprozess. Allerdings lässt sich der Fortschritt der Hüfterkrankung nicht aufhalten, sondern nur verzögern. Die Patienten sollten mit ihrem Arzt über die Möglichkeit einer OP sprechen. Abhängig von der Situation kann dieser Eingriff die Lebensqualität deutlich steigern.

Vor allem bei empfindsamen Personen führen die Schmerzen und Beschwerden oft zu psychologischen Problemen. In solchen Fällen sollte zusätzlich zu den physiotherapeutischen Maßnahmen eine psychotherapeutische Betreuung stattfinden. In einigen Städten gibt es Selbsthilfegruppen für Arthrose-Patienten, die sich hier verstanden fühlen. Der Austausch hilft, mit der Situation besser umzugehen.

Quellen

  • Breusch, S., Clarius, M., Mau, H., Sabo, D. (Hrsg.): Klinikleitfaden Orthopädie, Unfallchirurgie. Urban & Fischer, München 2013
  • Grifka, J., Krämer, J.: Orthopädie, Unfallchirurgie. Springer, Heidelberg 2013
  • Niethard, F., Pfeil, J., Biberthaler, P.: Orthopädie und Unfallchirurgie. Thieme, Stuttgart 2014

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