Remyelinisierung
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 13. November 2021Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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In der Medizin beschreibt die Remyelinisierung einen Prozess, bei dem der Körper die isolierende Myelinschicht teilweise wiederherstellt, welche normalerweise die Nervenfasern (Axone) umgibt. Oft gelingt die Remyelinisierung nicht vollständig, sodass bleibende Schäden möglich sind. Verschiedene Krankheiten (zum Beispiel Multiple Sklerose, Funikuläre Myelose oder das Miller-Fisher-Syndrom) können die Myelinscheiden der Nervenzellen in Mitleidenschaft ziehen.
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Was ist die Remyelinisierung?
Bei der Remyelinisierung handelt es sich um einen Prozess, der nach dem Verlust bzw. der Beschädigung der Myelinscheiden das Ziel hat, diese wiederherzustellen. Die Myelinscheiden entstehen aus den Schwann'schen Zellen oder den Oligodendrozyten, die sich u. a. an den Nervenfasern (Axonen) von neuronalen Zellen befinden.
Ob Schwann'sche Zellen oder Oligodendrozyten als Ursprung für die Myelinbildung dienen, hängt davon ab, wo sich die jeweilige Nervenzelle befindet. Während die Schwann'schen Zellen vor allem die Myelinschicht der Neurone im peripheren Nervensystem bilden, sind Oligodendrozyten in erster Linie für deren Entstehung an den Nervenfasern im zentralen Nervensystem (Gehirn und Rückenmark) zuständig. Sowohl Schwann'sche Zellen als auch Oligodendrozyten gehören zu den Gliazellen, die im Gehirn einen erheblichen Anteil an der Gesamtmasse besitzen.
Während ihres Wachstums windet sich die Myelinscheide spiralförmig um das fadenähnliche Axon, wodurch eine mehrlagige Schicht entsteht. Eine Myelinscheide kann rund 50 solcher Umwicklungen umfassen. Ohne die Myelinscheiden sind die Neurone nicht optimal in der Lage, miteinander zu kommunizieren. Dadurch ergeben sich zahlreiche Probleme bei der Informationsverarbeitung. Die Zerstörung der Myelinscheiden kann beispielsweise auf eine Erkrankung wie Multiple Sklerose oder das Miller-Fisher-Syndrom zurückgehen.
Funktion & Aufgabe
Myelin ist eine biologische Membran, die von Gliazellen gebildet wird und den Nervenzellen im zentralen und peripheren Nervensystem als Isolierschicht für die Nervenfasern dient. Bei den Nervenfasern handelt es sich um dünne Fortsätze der Zellen, über die sich Informationen durch elektrische Impulse von den Zellkörpern entfernen. Bei der Weiterleitung von Informationen an andere Nervenzellen wandert der elektrische Impuls über das Axon zu den verdickten Endknöpfchen, die ihn in ein chemisches Signal umwandeln. Die gebildeten Botenstoffe erreichen durch den synaptischen Spalt die nächste Zelle, wo sie wieder ein elektrisches Signal auslösen.
Durch die isolierende Myelinschicht verbessert sich die Weiterleitung: Der Impuls springt von einem Schnürring zum nächsten.
Schäden an der Myelinscheide führen zu einer schlechteren elektrischen Isolation der Neurone und beeinträchtigen dadurch die Weitergabe und Verarbeitung von Informationen im Nervensystem. Die Remyelinisierung, die der menschliche Körper selbst in Gang setzt, ist deshalb außerordentlich wichtig. Allerdings reicht sie bei schweren neurologischen Krankheiten in der Regel nicht aus, um den Krankheitsverlauf zu stoppen oder umzukehren.
Die medizinische Forschung sieht jedoch Hoffnung in zukünftigen Therapieansätzen. Medikamente und andere Behandlungen könnten die natürliche Remyelinisierung dann möglicherweise verbessern.
Krankheiten & Beschwerden
Eine der Entmarkungskrankheiten ist die Multiple Sklerose, die auch unter der lateinischen Bezeichnung Encephalomyelitis disseminata bekannt ist. Dabei handelt es sich um ein Krankheitsbild, das durch multiple Entzündungsherde im Gehirn gekennzeichnet ist. In Hirnbereichen, die von diesen Entzündungsherden betroffen sind, entstehen Schäden an den Myelinscheiden, die die Axone von Nervenzellen elektrisch isolieren. In der Regel tritt die Multiple Sklerose in Schüben auf, während derer Patienten besonders stark beeinträchtigt sind. Seltener verläuft die Krankheit kontinuierlich verschlechternd. Symptome, die im Rahmen der Multiplen Sklerose auftreten können, sind unter anderem Schmerzen, Sehstörungen, Taubheitsempfindungen und motorische Störungen wie Paresen.
Wenn die Erkrankung weit fortschreitet, kann eine subkortikale Demenz entstehen. Die verschiedenen Symptome manifestieren sich aufgrund der gestörten Signalübertragung im Gehirn und sind deshalb außerordentlich vielfältig. Es hängt von der Lage der Entzündungsherde ab, welche Beschwerden sich entwickeln. Forscher gehen davon aus, dass im Zusammenhang mit der Entstehung von Multipler Sklerose das Immunsystem eine wichtige Rolle spielt. Bislang besteht jedoch noch große Unsicherheit über die genauen Ursachen, sodass allgemeine Aussagen nur schwer möglich sind.
Zu den Entmarkungskrankheiten gehört auch das Miller-Fisher-Syndrom, das ebenfalls mit einer Demyelinisierung der Nervenzellen einhergeht und eine seltene Form des Guillain-Barré-Syndroms darstellt. Die Krankheit kann sich in der Lähmung der Augenmuskeln, gestörter Bewegungskoordination und dem vollständigen Fehlen mindestens eines Reflexes äußern. Wie bei der Multiplen Sklerose, so ist auch für das Miller-Fisher-Syndrom eine Entzündungsreaktion verantwortlich.
Ein weiteres Beispiel für eine Entmarkungskrankheit ist die Funikuläre Myelose. Mögliche Symptome sind Missempfindungen (z. B. Brennen in Händen und Füßen), gestörte Bewegungskoordination, Lähmungserscheinungen in den Beinen und psychische Symptome, darunter depressive oder psychotische Beschwerden. Bei der Funikulären Myelose findet die Demyelinisierung der Nervenfasern im Rückenmark statt, weshalb das Risiko für eine Querschnittslähmung besteht. Die neurologische Erkrankung geht auf einen Mangel an Vitamin B12 zurück.
Quellen
- Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
- Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010
- Poeck, K., Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010