Stabile Seitenlage
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 13. Juni 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Hilflos und ratlos sind viele von uns, wenn sie einem Verletzten oder Kranken Erste Hilfe leisten müssen. Niemand aber darf sich dem Dienst am Nächsten entziehen, denn Hilfe zu leisten ist eine Pflicht. Wer sie unterlässt, wird mit einer Geldstrafe oder Freiheitsentzug bestraft. Das Strafgesetzbuch mutet allerdings jedem nur zumutbare Hilfe zu. Das Wenigste, das jeder tun muss, ist die Unfallstelle abzusichern, den plötzlich Erkrankten aus der Gefahrenzone zu bergen und sofort den Rettungsdienst anzurufen. Bis zu seinem Eintreffen muss der Verunglückte vor weiteren Schäden bewahrt werden. Dazu gehören lebenswichtige Sofortmaßnahmen wie die stabile Seitenlage, die das Leben des hilflosen Patienten retten.
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Was ist die stabile Seitenlage?
Ist ein Mensch bewußtlos, erfordert die Erste Hilfe, zuerst seine Atmung und seinen Puls am Handgelenk oder mit vier Fingern an der Halsschlagader zu prüfen.
Schlägt sein Herz, atmet er spontan, muss er in die stabile Seitenlage gebracht werden. Eine Ausnahme sind Säuglinge und kleine Kinder bis zum vierten Lebensjahr. Sie werden ohne Kissen auf den Bauch gelegt, die Arme werden ausgebreitet und der Kopf zur Seite gedreht.
Der Sinn der stabilen Seitenlage ist, dasss der Bewußtlose nicht an seinem Erbrochenem oder Blut erstickt. Vorher muss unbedingt die Mundhöhle des Verunglückten kontrolliert und Erbrochenes, Schleim oder lose Gebißteile entfernt werden.
Geschichte & Entwicklung
Die stabile Seitenlage ist eine wichtige Erste-Hilfe-Technik zur Sicherung der Atemwege bei bewusstlosen Personen, die normal atmen. Ihre Entwicklung und Verbreitung sind eng mit der Geschichte der modernen Notfallmedizin verknüpft.
Die Ursprünge der stabilen Seitenlage lassen sich bis ins 19. Jahrhundert zurückverfolgen, als Erste-Hilfe-Praktiken begannen, systematisiert zu werden. Sir Robert Rawlinson, ein britischer Arzt, beschrieb 1851 eine Methode zur Positionierung bewusstloser Personen auf ihrer Seite, um das Risiko des Erstickens durch zurückfallende Zunge oder Aspiration von Erbrochenem zu reduzieren.
Die Verbreitung der stabilen Seitenlage wurde durch die Arbeit von Dr. Peter Safar in den 1950er Jahren weiter gefördert. Safar, bekannt als einer der Pioniere der modernen Reanimation, erkannte die Bedeutung der Seitenlage zur Aufrechterhaltung offener Atemwege bei bewusstlosen Personen. Seine Forschung trug wesentlich zur Entwicklung standardisierter Erste-Hilfe-Protokolle bei.
In den 1970er Jahren wurde die stabile Seitenlage offiziell in Erste-Hilfe-Richtlinien aufgenommen. Organisationen wie das Rote Kreuz und die American Heart Association begannen, diese Technik in ihre Trainingsprogramme zu integrieren. Seither ist die stabile Seitenlage ein wesentlicher Bestandteil von Erste-Hilfe-Ausbildungen weltweit.
Die Methode hat sich im Laufe der Jahre weiterentwickelt, wobei die Handhabung und die exakten Positionierungsanweisungen verfeinert wurden, um die Sicherheit und Wirksamkeit zu maximieren. Heute wird die stabile Seitenlage in allen Erste-Hilfe-Kursen gelehrt und ist als lebensrettende Maßnahme anerkannt.
Einsatz & Indikation
Eine stabile Seitenlage wird durchgeführt, wenn eine Person bewusstlos ist, aber normal atmet und keinen Verdacht auf eine Wirbelsäulenverletzung besteht. Diese Position wird angewendet, um die Atemwege offen zu halten und das Risiko des Erstickens durch zurückfallende Zunge oder Aspiration von Erbrochenem zu minimieren.
Die stabile Seitenlage wird notwendig in verschiedenen Notfallsituationen:
Bewusstlosigkeit: Wenn eine Person das Bewusstsein verliert und keine Anzeichen einer Wirbelsäulenverletzung vorliegen, ist die stabile Seitenlage entscheidend, um die Atemwege frei zu halten.
Vergiftungen: Bei bewusstlosen Personen, die möglicherweise giftige Substanzen eingenommen haben, verhindert die stabile Seitenlage, dass Erbrochenes die Atemwege blockiert.
Schlaganfall: Wenn jemand einen Schlaganfall erlitten hat und bewusstlos ist, kann die stabile Seitenlage helfen, die Atemwege offen zu halten, während auf medizinische Hilfe gewartet wird.
Epileptischer Anfall: Nach einem Anfall, wenn die Person bewusstlos bleibt, hilft die stabile Seitenlage, Erstickungsgefahren zu vermeiden.
Die stabile Seitenlage ist nicht angezeigt bei Personen mit Verdacht auf Wirbelsäulenverletzungen, schweren Kopfverletzungen oder schwerwiegenden Brustverletzungen. In solchen Fällen sollte der Kopf überstreckt und eine manuelle Stabilisierung der Wirbelsäule vorgenommen werden, während auf den Rettungsdienst gewartet wird.
Die Durchführung der stabilen Seitenlage umfasst das Drehen der betroffenen Person auf die Seite, das Anwinkeln eines Beines und das Platzieren des oberen Arms, um den Körper zu stabilisieren. Der Kopf wird leicht nach hinten geneigt, um die Atemwege offen zu halten. Diese Maßnahmen sind einfach, aber äußerst effektiv und können lebensrettend sein.
Vorteile & Nutzen
Die stabile Seitenlage bietet mehrere Vorteile gegenüber anderen Behandlungs- und Untersuchungsmethoden in Notfallsituationen, insbesondere bei bewusstlosen Personen.
Ein wesentlicher Vorteil ist die Fähigkeit, die Atemwege offen zu halten. Durch die Positionierung auf der Seite wird verhindert, dass die Zunge nach hinten fällt und die Atemwege blockiert. Dies reduziert das Risiko des Erstickens erheblich. Gleichzeitig wird das Risiko einer Aspiration von Erbrochenem oder anderen Flüssigkeiten verringert, da diese in dieser Position leichter aus dem Mund abfließen können.
Die stabile Seitenlage ist einfach und schnell durchzuführen, auch ohne medizinische Ausbildung. Dies macht sie zu einer idealen Erstmaßnahme in Notfallsituationen, bis professionelle Hilfe eintrifft. Sie erfordert keine speziellen Geräte oder medizinischen Hilfsmittel und kann praktisch überall angewendet werden.
Ein weiterer Vorteil ist die Stabilität, die diese Position bietet. Durch das Anwinkeln eines Beins und das Platzieren des oberen Arms bleibt der Körper in einer festen Position, was besonders wichtig ist, wenn der Helfer für kurze Zeit nicht anwesend sein kann.
Im Vergleich zu anderen Positionen, wie der Rückenlage, bietet die stabile Seitenlage einen zusätzlichen Schutz gegen Erstickung und ermöglicht eine kontinuierliche Überwachung der Atmung und des Bewusstseinszustands.
Zusammengefasst ist die stabile Seitenlage eine lebensrettende Technik, die einfach zu erlernen und anzuwenden ist, die Atemwege sichert und das Risiko von Aspiration und Erstickung minimiert. Sie bietet eine sofortige und effektive Methode zur Stabilisierung bewusstloser Patienten, bis professionelle medizinische Hilfe verfügbar ist.
Funktion, Wirkung & Ziele
Die stabile Seitenlage wird in sechs Schritten vorgenommen. Als Erstes treten Sie seitlich an den Bewußtlosen heran und schieben Ihre eigene Hand unter sein Gesäß. Den Ihnen zugewandten Arm des Kranken legen Sie ausgestreckt dicht an seine Körperseite.
Zweitens winkeln Sie das Bein, das Ihnen zugewandt ist, an und stellen es auf. Im dritten Schritt fassen Sie die Schulter und die Hüfte des Ohnmächtigen an und ziehen ihn zu sich rüber.
Den unten liegenden Arm ziehen Sie im vierten Schritt zu sich und winkeln ihn ebenfalls an. Schritt Nummer fünf bedeutet, den Kopf weit in den Nacken zu legen, damit die Atemwege frei bleiben.
Beim letzten Schritt legen Sie die Hand des Verletzten mit der Handfläche nach unten so unter seine Wange, dass sein Gesicht auf seinem Handrücken ruht.
Die Ursachen von Bewußtlosigkeit können ein harmloser Kreislaufkollaps, sehr niedriger Blutdruck oder eine Dehydrierung sein, aber auch Kopfverletzungen mit Gehirnerschütterung, Gehirnblutung, Gehirnquetschung, ein elekrtischer Stromschlag, eine Vergiftung, Unterkühlung, ein Schädelbruch oder ein Schlaganfall.
Die stabile Seitenlage darf nur angewendet werden, wenn die Vitalfunktionen Atmung und Pulsschlag erhalten sind. Die Atmung und der Puls müssen bis zum Eintreffen des Notarztes ständig kontrolliert werden. Sollte sich ein Schock entwickeln, so muss die stabile Seitenlage mit einer Kopftieflage kombiniert werden. Eine Ausnahme sind Schädel-Hirn-Verletzte. Sie werden in die stabile Seitenlage gebracht und der Kopf leicht hoch gelagert.
Tritt plötzlich ein Atemstillstand ein oder ist der Puls nicht mehr zu fühlen, muss der Patient sofort von der stabilen Seitenlage in die Rückenlage umgelagert werden, die Atemwege müssen freigemacht werden und die Wiederbelebung kann beginnen.
Bestimmte Verletzungen erfordern besondere Maßnahmen. Sind die Arme oder das Schlüsselbein verletzt, muss der Bewusstlose, wenn er in die stabile Seitenlage gebracht wird, auf der gesunden Seite gelagert werden. Bei einem Beinbruch wird das verletzte Bein gestreckt und der Ohnmächtige auf die verletzte Seite gedreht. Ist der Brustkorb geschädigt, wird der Kranke ebenfalls auf die verletzte Seite gelegt. Der Kopf muss leicht erhöht liegen, wenn der Verunglückte eine Schädel-Hirn-Verletzung hat.
Durchführung & Ablauf
Die stabile Seitenlage ist eine Erste-Hilfe-Maßnahme zur Sicherung der Atemwege bei bewusstlosen Personen. Der genaue Ablauf umfasst mehrere Schritte:
1. Überprüfen der Atmung: Zunächst wird überprüft, ob die Person normal atmet. Ist dies der Fall und liegt keine schwere Verletzung der Wirbelsäule vor, wird mit der stabilen Seitenlage begonnen.
2. Vorbereitung: Die Person wird flach auf den Rücken gelegt, die Beine werden ausgestreckt. Der Helfer kniet sich neben die betroffene Person.
3. Positionierung des Arms: Der Arm der Person, der dem Helfer am nächsten ist, wird im rechten Winkel nach oben gelegt, mit der Handfläche nach oben.
4. Anwinken des Beins: Das gegenüberliegende Bein wird am Knie angewinkelt und nach oben gezogen, wobei der Fuß flach auf dem Boden bleibt.
5. Platzierung des gegenüberliegenden Arms: Der gegenüberliegende Arm wird über die Brust gelegt, und die Hand wird an die Wange der betroffenen Person gehalten.
6. Drehen des Körpers: Der Helfer greift das angewinkelte Bein und zieht es vorsichtig zu sich, wodurch die Person auf die Seite gedreht wird. Das angewinkelte Bein und der Arm sorgen dafür, dass die Person in dieser Position stabil bleibt.
7. Sichern der Position: Der Kopf wird leicht nach hinten geneigt, um die Atemwege zu öffnen. Der Mund wird geöffnet, damit Flüssigkeiten abfließen können.
8. Überwachen der Atmung: Die Atmung der Person wird kontinuierlich überwacht, während auf professionelle Hilfe gewartet wird.
Diese Schritte sind einfach zu erlernen und bieten eine effektive Methode, um die Atemwege einer bewusstlosen Person offen zu halten und das Risiko des Erstickens zu minimieren.
Risiken & Gefahren
Bei allen Lebensrettungsmaßnahmen gibt es Risiken. Übetriebenes und nervöses Handeln kann genauso Schaden anrichten wie unterlassene Hilfestellung. Schon die richtige Lagerung, ermutigender Zuspruch und Ruhe können oft weitere lebensbedrohliche Situationen verhindern.
Notfallpatienten sind sensibel, auch wenn sie bewußtlos sind. Angst und Panik können einen zusätzlichen Schock auslösen. Wer Ruhe ausstrahlt und gezielt handelt, vermittelt immer ein beruhigendes Gefühl von Sicherheit. Es gilt grundsätzlich, ruhig zu bleiben und dann zu handeln.
Da die Pflicht zur Ersten Hilfe gsetzlich verankert ist, sollten wir alle regelmäßig einen Kurs belegen, unsere Kenntnisse auffrischen und die notwendigen Handgriffe, wie die stabile Seitenlage, üben.
Alternativen
Wenn die stabile Seitenlage nicht möglich ist, gibt es alternative Verfahren zur Sicherung der Atemwege und zur Stabilisierung des Patienten. Diese Alternativen sind besonders wichtig, wenn die stabile Seitenlage aufgrund von Verletzungen oder anderen medizinischen Bedingungen nicht durchgeführt werden kann.
Rückenlage mit überstrecktem Kopf: Eine einfache Methode ist, den Patienten flach auf den Rücken zu legen und den Kopf vorsichtig nach hinten zu überstrecken. Dies öffnet die Atemwege und verhindert, dass die Zunge nach hinten fällt und die Atemwege blockiert. Diese Position ist besonders nützlich, wenn eine Verletzung der Wirbelsäule vermutet wird.
Kopf- und Kinn-Heben: Bei bewusstlosen Patienten kann die Atemwege durch das Anheben des Kinns und das Neigen des Kopfes nach hinten gesichert werden. Diese Technik, bekannt als "Head-Tilt/Chin-Lift", hilft, die Zunge von den Atemwegen fernzuhalten.
Kiefergriff: Bei Verdacht auf eine Wirbelsäulenverletzung kann der Kiefergriff verwendet werden, um die Atemwege zu öffnen. Der Helfer greift den Unterkiefer und zieht ihn nach vorne, ohne den Kopf zu bewegen. Diese Technik hält die Atemwege offen, ohne die Halswirbelsäule zu belasten.
Halbsitzende Position: Bei Patienten mit Atemnot oder Herzproblemen kann eine halbsitzende Position (Fowler-Position) hilfreich sein. Der Oberkörper wird erhöht, um die Atmung zu erleichtern und das Risiko von Aspiration zu reduzieren.
Recovery Position für Schwangere: Schwangere Frauen, insbesondere im letzten Trimester, sollten auf ihrer linken Seite gelagert werden, um den Druck auf die große Hohlvene (Vena cava) zu reduzieren und die Blutzirkulation zu verbessern.
Oberkörperhochlagerung: Bei Patienten mit Atemnot oder bestimmten Herzproblemen kann eine Oberkörperhochlagerung (Erhöhung des Oberkörpers um etwa 30 Grad) helfen, die Atmung zu erleichtern und das Risiko von Komplikationen zu verringern.
Diese alternativen Verfahren sind wichtige Ergänzungen zur stabilen Seitenlage und können in verschiedenen Notfallsituationen angewendet werden, um die Sicherheit und das Wohlbefinden des Patienten zu gewährleisten.
Quellen
- Katutz, H., et al.: Kursbuch Erste Hilfe. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2011
- Keggenhoff, F.: Erste Hilfe – Für Ersthelfer im Betrieb. Deutsches Rotes Kreuz, Berlin 2011
- Müller, S.: Notfallmedizin. Thieme, Stuttgart 2011