Strümpell-Zeichen

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 10. April 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

Sie sind hier: Startseite Körperprozesse Strümpell-Zeichen

Das Strümpell-Zeichen ist eine Mitbewegung der Zehen bei einer Beugung des Kniegelenks gegen Widerstand. Diese Bewegung ist bei Kindern unter einem Jahr physiologisch. An Erwachsenen wird sie jedoch als Pyramidenbahnzeichen bewertet und verweist auf eine Schädigung der zentralen Motoneurone.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Strümpell-Zeichen?

Das Strümpell-Zeichen ist eine Mitbewegung der Zehen bei einer Beugung des Kniegelenks gegen Widerstand.

Das Strümpell-Zeichen ist eine Streckung der Großzehe zum Fuß hin. Eine Beugung im Kniegelenk löst gegen Widerstand die Dorsalextension der Zehe aus. Die Streckung der Großzehe in Richtung des Fußrückens wird durch den Musculus extensor hallucis longus realisiert. Gleichzeitig zu der Dorsalextension der Großzehe strecken sich häufig die Zehen II bis V.

Das Strümpell-Zeichen ist bei Kleinkindern unter einem Jahr physiologisch. An Erwachsenen ist die Bewegung pathologisch und wird als Pyramidenbahnzeichen bewertet. Zusammen mit den Reflexen nach Babinski, Gordon, Oppenheim und Chaddock wird das Strümpell-Zeichen oft in die Babinski-Gruppe gefasst.

Pyramidenbahnzeichen weisen auf eine neurologische Schädigung der Pyramidenbahnen hin, die im Rückenmark das erste und zweite Motoneuron verbinden. Als Teil des pyramidalen Systems sind die Pyramidenbahnen an sämtlicher Willkür- und Reflex-Motorik beteiligt.

Benannt ist das Strümpell-Zeichen nach seinem Erstbeschreiber Adolf von Strümpell. Der deutsche Internist dokumentierte die Bewegung Ende des 19. Jahrhunderts erstmals. Die Zehenbewegung wird mit Anlehnung an seinen Namen auch Strümpel Reflex oder Strümpelsches Zeichen genannt. Im engeren Sinn ist das Strümpell-Zeichen kein Reflex, sondern ein Mitbewegen.

Funktion & Aufgabe

Bei Kleinkindern unter einem Jahr ist die neurologische Verschaltung der einzelnen Muskelgruppen noch nicht ausdifferenziert. Daher bewegen sie viele Muskelgruppen noch gemeinsam, die später einzeln bewegt werden können. Beim Strümpell-Zeichen liegt eine solche gemeinsame Bewegung mit der Dorsalextension der Großzehe und der gleichzeitigen Spreizung der restlichen Zehen vor. Manchmal stellt sich zusätzlich eine Supination des Fußes ein.

In den ersten Lebensjahren übernehmen die zentralen Motoneuronen langsam ihre Funktion als übergeordnete Kontroll- und Schaltzentren der Motorik. Dadurch bewegen sich die einzelnen Muskeln nicht mehr in Gruppen mit den nächstgelegenen Muskeln, sondern lassen sich einzeln rühren. Auch die reflektorischen Bewegungen reduzieren sich nach dem ersten Lebensjahr, was ebenfalls mit der höheren Kontrolle durch die zentralen Motoneuronen zusammenhängt. Das Strümpell-Zeichen bildet sich so nach dem ersten Lebensjahr normalerweise zurück und lässt sich im Erwachsenenalter daher nicht mehr auslösen.

Wenn es doch ausgelöst werden kann, ist die Kontrolle durch die zentralen Motoneuronen vermutlich abgeschwächt oder aufgehoben. An Erwachsenen entspricht das Strümpell-Zeichen daher einer obligat pathologischen Mitbewegung der Zehen bei der Beugung des Kniegelenks.

Auf das Knie wird dabei kräftiger Druck ausgelöst und der Patient versucht sich an der Beugung des Knies im Kniegelenk. Die Dorsalbewegung der Großzehe ist dem Namen nach zwar eine Extension, gehört aber zur Beugesynergie, sodass die Kniebeugung gegen Widerstand die Dorsalextension der Zehen auslösen kann.

Der realisierende Musculus extensor hallucis longus ist ein Extensormuskel der Unterschenkelmuskulatur, dessen Ursprungsflächen der Facies anterior und der Membrana interossea cruris entsprechen. Die Sehne des Muskels läuft unter dem Retinaculum musculorum extensorum superius zum Vorderfuß hin. Beim Übergang zum Fußrücken kreuzt die Sehne auf die mediale Seite der Arteria tibialis anterior und setzt an der dorsalen Großzehenfläche an. Die Innervation des Muskels erfolgt über den Nervus fibularis profundus und hängt an den Nervenbahnen L4 bis S1.


Krankheiten & Beschwerden

Das Strümpell-Zeichen ist für die neurologische Diagnostik relevant. Wenn die Mitbewegung der Zehen ausgelöst werden kann, liegt bei entsprechender Symptomatik vermutlich eine motoneuronale Schädigung im zentralen Nervensystem vor. Das Strümpell-Zeichen alleine ist jedoch längst kein sicheres Diagnostikum für eine solche Schädigung, da es zuweilen auch an gesunden Erwachsenen ausgelöst werden kann.

Die bloße Dorsalbewegung der Großzehe wird in der Regel nicht als charakteristisches Pyramidenbahnzeichen bewertet und hat somit kaum diagnostische Relevanz. Nur wenn sich die restlichen Zehen gleichzeitig zur Dorsalbewegung spreizen und gegebenenfalls zusätzlich eine Supination eintritt, ist von einem Pyramidenbahnzeichen die Rede. Um den Verdacht auf eine pyramidale oder motoneuronale Schädigung zu stärken, sind weitere Untersuchungen notwendig.

Der Patient wird nach einem positiven Strümpell-Zeichen zum Beispiel auf weitere Reflexe der Babinski-Gruppe geprüft. Hilfreich kann beispielsweise ein Nachweis über den Babinski-Reflex, das Chaddock-Zeichen, das Gordon-Zeichen und das Oppenheim-Zeichen sein. Nur wenn mehrere Pyramidenbahnzeichen vorliegen, liegt ein Schädigung der zentralen Motoneuronen nahe.

Eine solche Schädigung kann mit spastischen oder schlaffen Lähmungen einhergehen und lässt sich bei Kontrastmittelgabe durch ein MRT des Schädels und der Wirbelsäule nachweisen. Über das MRT lässt sich auch erkennen, welches Motoneuron von einer Läsion betroffen ist.

Die Ursache für eine motoneuronale Schädigung kann in neurologischen Erkrankungen wie ALS oder MS liegen. Bei MS greift das Immunsystem der Patienten zentrales Nervengewebe an. Bei ALS liegt dagegen eine Degeneration des motorischen Nervensystems vor, bei der Schädigungen der zentralen Motoneurone besonders charakteristisch sind.

Auch ein Hirninfarkt (Schlaganfall) durch einen Gefäßverschluss der mittleren Hirnarterie kann das obere Motoneuron schädigen. Das untere Motoneuron kann neben den krankheitsbedingten Schädigungen unter Umständen traumatische Schädigungen erfahren oder durch einen Rückenmarksinfarkt in Mitleidenschaft gezogen werden.

Quellen

  • Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Mattle, H., Mumenthaler, M.: Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013

Das könnte Sie auch interessieren