Thrombozytenadhäsion

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 22. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Thrombozytenadhäsion ist ein Teil der Hämostase, bei dem die Thrombozyten sich an Kollagen anlagern. Dieser Schritt aktiviert die Thrombozyten.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Thrombozytenadhäsion?

Die Thrombozytenadhäsion ist ein Teil der Hämostase, bei dem die Thrombozyten sich an Kollagen anlagern. In Abbildung Thrombozyt oder Blutplättchen weiß dargestellt.

Die primäre Hämostase - Blutstillung - läuft in 3 Phasen ab. Der erste Schritt ist die Adhäsion der Thrombozyten, gefolgt von der reversiblen Plättchenaggregation und Bildung eines irreversiblen Thrombozytenpfropfes.

Die Aufgabe der Hämostase ist es, verletzte Gefäße so schnell wie möglich zu reparieren, damit der Blutverlust so gering wie möglich bleibt. Darum kommt es bei Verletzung des Endothels unmittelbar zu einer Vasokonstriktion. Die Engerstellung der Gefäße hat auch zur Folge, dass das Blut langsamer fließt.

Dadurch wird der nächste Schritt unterstützt: Die Thrombozytenadhäsion. Dabei lagern sich die Blutplättchen (Thrombozyten) an subendotheliale Strukturen, wie zum Beispiel Kollagen, an. Initiiert wird diese Anlagerung direkt durch den Kollagenrezeptor und indirekt vom sogenannten von-Willebrand-Faktor. Durch die Adhäsion werden die Thrombozyten aktiviert und die reversible Plättchenaggregation wird eingeleitet. Die Blutplättchen lagern sich also eng aneinander, und schlussendlich wird ein irreversibler Thrombozytenpfropf gebildet.

Funktion & Aufgabe

Die Funktion der Thrombozytenadhäsion ist ein Zusammenspiel des von-Willebrand-Faktors mit verschiedenen Glykoproteinen. Auf molekularer Ebene ist sie eine Liganden-Rezeptor-Interaktion. Ligand ist der sogenannte von-Willebrand-Faktor und wichtigster thrombozytärer Rezeptor ist der GP Ib/IX-Komplex.

Die Anlagerung der Thrombozyten an subendotheliale Oberflächen wird durch den Rezeptorkomplex GP Ia/IIa - dem Kollagenrezeptor - vermittelt. Indirekt hat auch der von-Willebrand-Faktor (vWF) Einfluss darauf. Das ist ein großes Glykoprotein, das vom verletzten Endothel freigesetzt wird. Er kann zwischen speziellen Membranrezeptoren der Thrombozyten (GP Ib/IX-Komplex) und Kollagenfasern Brücken bilden. An dieser Brückenbildung sind außerdem Fibronectin und Thrombospondin beteiligt. Die freigelegten Kollagenstrukturen interagieren zusätzlich ohne den vWF mit GP Ia/IIa und GP VI auf der Thrombozytenoberfläche. Beide Reaktionen tragen dazu bei, dass die Thrombozyten an der Gefäßwand entlangrollen und schließlich anheften.

Zusammenfassend wird festgestellt: Der Kollagenrezeptor führt zu einem einschichtigen Thrombozytenrasen. Der von-Willebrand-Faktor bedingt eine feste Anheftung der Thrombozyen über GP Ib/IX bildet.

Diese Thrombozytenadhäsion führt in Kombination mit der Vasokonstriktion zu einer ersten Blutungsverminderung. Zudem ist sie wichtig für die Aktivierung der Plättchen. An der Aktivierung der Plättchen sind zusätzlich die Freisetzung von Adenosindiphosphat (ADP), Fibrinogen, Fibronectin, vWF und Thromboxan A2 beteiligt.

Durch die Thrombozytenaktivierung wird die reversible Plättchenaggregation eingeleitet. Thrombozyten lagern sich über Fibrinogenbrücken eng aneinander. Die Vasokonstriktion wird durch den Austritt von Blutplasma in das Interstitium zusätzlich verstärkt. Thrombin bewirkt, dass die Blutplättchen zu einer homogenen Masse, dem irreversiblen Thrombozytenpfropf, verschmelzen. Die Ausbildung des irreversiblen Thrombozytenpfropfes und Vasokonstriktion sorgen dafür, dass es bei kleinen Verletzungen binnen kurzer Zeit zur vorläufigen Blutstillung kommt.

Die primäre Hämostase lässt sich pharmakologisch hemmen. Wie zum Beispiel durch Acetylsalicylsäure (z.B. Aspirin®), das die Synthese von Thromboxan A2 unterdrückt. Weitere Thrombozytenfunktionshemmer sind ADP- und GP IIb/III a-Antagonisten. Diese Medikamente werden häufig vorübergehend bei Bettlägerigkeit, wie zum Beispiel vor und nach Operationen, eingesetzt. Sie dienen dazu, die Blutgerinnung zu hemmen und dadurch Thrombosen und Embolien zu vermeiden. Dieses Vorgehen wird Thromboseprophylaxe genannt.


Krankheiten & Beschwerden

Die Haftneigung (Adhäsivität) der Thrombozyten kann mittels definierter Glasoberflächen oder an Glasperlenfiltern (Retention) gemessen werden. Eine unzureichende Funktion der Thrombozytenadhäsion äußert sich vor allem in der erhöhten Blutungsneigung.

Störungen der Thrombozytenadhäsion sind erblich bedingt. Sie beruhen auf einer gestörten Interaktion zwischen den Thrombozyten und dem Gefäßendothel. Ursache dieser Störung kann zum Beispiel ein Mangel des von-Willebrand-Faktors sein, wie es beim Willebrand-Jürgens-Syndrom der Fall ist. Diese Krankheit wird in fast allen Fälle vererbt. Erworbene Formen wurden bislang nur sehr selten beschrieben. Ausprägung und Schwere des Syndroms können unterschiedlich sein. Es gibt häufig sehr leichte Krankheitsverläufe, sodass die Krankheit oft sogar über lange Zeit unbemerkt bleibt.

Grob kann man 3 Typen der Krankheit unterscheiden. Bei Typ I tritt ein quantitativer Mangel des von-Willebrand-Faktors auf. Diese Form ist die häufigste, sie zeigt eine sehr milde Symptomatik und ermöglicht den Patienten oft ein normales Leben. Lediglich die Blutungszeit ist etwas länger, und bei Operationen erleiden die Erkrankten häufiger Nachblutungen. Bei Typ II tritt hingegen ein qualitativer Defekt am Willebrand-Faktor auf. Diese Form tritt am zweithäufigsten auf, betrifft dennoch nur 10 - 15 % aller Patienten des Willebrand-Jürgens-Syndroms. Typ III hat einen sehr schweren Verlauf, kommt aber jedoch am seltensten vor.

Diagnostiziert wird die Krankheit bei entsprechenden Symptomen im Labor. Hier wird die Menge und Aktivität des von-Willebrand-Faktors gemessen. Eine Dauertherapie ist bei Diagnose meist nicht notwendig. Nur vor Operationen wird den Betroffenen Desmopressin verabreicht, das die Menge des von-Willebrand-Faktors um das fünffache ansteigen lässt.

Das Bernard-Soulier-Syndrom tritt dagegen deutlich seltener auf. Die Störung der Thrombozytenadhäsion ist hier auf einen erblich bedingten Defekt des Membranrezeptors für den von-Willebrand-Faktor (GP Ib/IX) zurückzuführen. Auch diese Krankheit geht mit einer erhöhten Blutungsneigung einher. Spontanblutungen sind jedoch selten. Die Diagnose erfolgt wiederum im Labor und auch eine Therapie ist aufgrund der milden Symptomatik nur selten erforderlich. Lediglich müssen die Patienten darauf achten, keine Thrombozytenaggregationshemmer, wie zum Beispiel Aspirin®, zu sich zu nehmen. Diese können zu schweren Blutungskomplikationen führen. Nur in Akutfällen, etwa nach großen Blutverlusten, werden Thrombozytenkonzentrate substituiert.

Quellen

  • Encke, A., Breddin, H. K.: Die venöse Thrombose. Prophylaxe und Therapie. Schattauer, Stuttgart 2000
  • Luther, B. (Hrsg.): Kompaktwissen Gefäßchirurgie. Springer, Berlin 2011
  • Renz-Polster, H., Krautzig, S. (Hrsg.): Basislehrbuch Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2012

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