Unsicherheit

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 13. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Unsicherheit oder Selbstunsicherheit steht in der Psychologie als Gegenpol zur Selbstsicherheit. Es handelt sich bei beiden Extremen um ein emotional-subjektives Empfinden, das nicht auf der tatsächlichen Leistungsfähigkeit der Betroffenen basiert. Eine stark ausgeprägte Selbstunsicherheit erfüllt die Kriterien der ängstlich-vermeidenden Persönlichkeitsstörung, die sich von Angststörungen oder sozialen Phobien abgrenzt und für deren Entstehen neben Umweltfaktoren die genetische Veranlagung als einer der Hauptverursacher angesehen wird.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Unsicherheit?

Der Begriff Unsicherheit wird in der Psychologie mit Selbstunsicherheit synonym verwendet und verkörpert den Gegenpol zur Selbstsicherheit.

Der Begriff Unsicherheit wird in der Psychologie mit Selbstunsicherheit synonym verwendet und verkörpert den Gegenpol zur Selbstsicherheit. In beiden Fällen handelt es sich um ein emotional-subjektives Empfinden, das nicht notwendigerweise mit tatsächlichen Kriterien wie Leistungsfähigkeit bei den betroffenen Personen übereinstimmen muss.

Bei deutlich ausgeprägter Unsicherheit kann sich eine selbstunsicher-vermeidende Persönlichkeitsstörung entwickeln, die meist mit Hemmungen in der Kommunikation und mit Angst vor Kritik, Zurückweisung, Minderwertigkeitsgefühlen und anderen negativen Gefühlen assoziiert ist.

Die Übergänge zwischen Unsicherheitsempfinden und der diagnostizierbaren selbstunsicher-vermeidenden Persönlichkeitsstörung sind fließend. Ein temporär auftretendes Gefühl der Unsicherheit bei besonderen sozialen Situationen wie Prüfungen, Vorstellungsgespräche und öffentliche Vorträge erfüllt nicht das Kriterium der selbstunsicher-vermeidenden Persönlichkeitsstörungen. Als begleitende Symptome werden in derartigen Situationen häufig zitternde Knie, rote Flecken im Gesicht, am Hals und Dekolleté und kalter Hautschweiß beobachtet.

Die Differenzierung zwischen Unsicherheitsgefühlen und dem Vorliegen einer selbstunsicher-vermeidenden Persönlichkeitsstörung ist wichtig im Hinblick auf mögliche Therapien.

Funktion & Aufgabe

Unsicherheit, die fast immer auch von Angst begleitet wird, kann wichtige Schutzfunktionen wahrnehmen. Einzige Voraussetzung dafür ist, dass sich Unsicherheit und Angst innerhalb einer tolerierbaren und als normal angesehenen Bandbreite bewegen.

Angst und Unsicherheit bewahren in erster Linie vor einer Selbstüberschätzung und vor einer Fehleinschätzung des eigenen Könnens und der eigenen Kompetenzen. Insbesondere bei der Ausübung von Extremsportarten und sonstigen privaten oder beruflichen potenziell gefährlichen Tätigkeiten können bei Abwesenheit von Unsicherheit Risiken als unrealistisch niedrig eingeschätzt werden, so dass unerwartet gefährliche und unmittelbar lebensbedrohliche Situationen eintreten können, die vermeidbar gewesen wären.

Ein gewisses Maß an Angst und Unsicherheit in bestimmten Situationen aktiviert das sympathische Nervensystem, das die Ausschüttung von Stresshormonen veranlasst und zu verbesserter Konzentrations- und körperlicher Leistungsfähigkeit führen kann. Kurzfristig wirksame Stressoren setzen vermehrt die beiden Katecholamine Adrenalin und Noradrenalin frei, während sich bei Dauerstress eine Erhöhung von Glukokortikoiden wie Cortison, Cortisol u.a. nachweisen lässt.

Katecholamine bewirken eine Reihe von physiologisch wirksamen Veränderungen, die den Stoffwechsel optimal auf Flucht oder Angriff programmieren. Glukokortikoide hingegen führen zu einer vermehrten Mobilisierung von Körperressourcen. Die erhöhte Konzentrationsfähigkeit fördert in Krisensituationen kreative Lösungsansätze. Das bedeutet, dass empfundene Unsicherheit nicht nur negative Aspekte hat, sondern über seine unmittelbare Schutzwirkung hinaus sogar zu dauerhaft wirksamen Verbesserungen beigetragen hat.

Erst bei pathologisch gesteigerter Unsicherheit und Angst überwiegen negative Aspekte, die längerfristig in einer erheblichen sozialen Isolation der Betroffenen münden können.

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Krankheiten & Beschwerden

Die Schutzwirkung und die leistungssteigernden Aspekte können sich ins Gegenteil verkehren, wenn Unsicherheit und Angst permanent pathologisch gesteigert sind. Ein dauerhaft erhöhter Stresslevel, auch als Distress bezeichnet, verursacht eine Reihe von physiologischen Veränderungen im Körper, die zu ernsthaften Erkrankungen wie Bluthochdruck, Arteriosklerose, Herzinfarkt, allgemeiner Schwäche und vielen weiteren Problemen führen kann. Vor allem leidet das Immunsystem unter Dauerstress, so dass sich beispielsweise eine erhöhte Infektanfälligkeit einstellt.

Über die physiologischen Veränderungen im Körper hinaus hat ein permanent erhöhtes Level an Stresshormonen auch erhebliche Auswirkungen auf die Psyche. Die Konzentrations- und kognitive Leistungsfähigkeit wird in Mitleidenschaft gezogen und lässt nach. Es können sich Erschöpfungszustände, Depressionen oder Burnout einstellen bei gleichzeitig erhöhtem Risiko, an einer Nikotin- oder Alkoholsucht zu erkranken.

Bei Lösungsansätzen zur Überwindung der Probleme muss berücksichtigt werden, dass Stressoren nicht objektiv messbar sind, sondern dass ihre Wirkung je nach individueller Stresstoleranz sehr unterschiedlich sein kann. Es wäre daher nicht zielführend, verursachende Stressoren zu vermeiden, sondern vielversprechender ist es, den Umgang mit Stressoren so zu verbessern, dass sich eine verbesserte Stressbewältigung mit einer nachweisbar niedrigeren Konzentration an Stresshormonen einstellt.

Im Zusammenhang mit pathologisch gesteigerter und permanent vorhandener Unsicherheit, kann sich eine selbstunsicher-vermeidende Persönlichkeitsstörung einstellen. Sie ist dadurch charakterisiert, dass sich die Betroffenen subjektiv unsicher, minderwertig und unakzeptiert fühlen, sich aber nach Zuneigung und Akzeptanz sehnen. Sie leiden unter einer pathologisch gesteigerten Angst vor Kritik und Zurückweisung und sind in ihrer Kommunikation mit anderen Menschen gehemmt.

Die Persönlichkeitsstörung führt dazu, dass die Betroffenen bewusst und unbewusst Kontakte zu Menschen meiden, die bei ihnen Gefühle von Zurückweisung und Ausgeschlossenheit auslösen könnten. Ihr Selbstwertgefühl ist nur schwach, und ihre sozialen Kontakte beschränken sich in der Regel auf wenige Personen, von denen angenommen wird, dass von ihnen keine Gefahr ausgeht.

Die selbstunsicher-vermeidende Persönlichkeitsstörung führt letztlich zu einer sozialen Isolierung und beinhaltet ein striktes Problemvermeidungsverhalten. In vielfacher Hinsicht gleicht die Krankheit einer sozialen Phobie, die allerdings situationsbezogen ist und sich nur bei besonderen Anforderungen wie bei Prüfungen, Vorstellungsgesprächen oder öffentlichen Vorträgen zeigt.

Quellen

  • Arolt, V., Reimer, C., Dilling, H.: Basiswissen Psychiatrie und Psychotherapie. Springer, Heidelberg 2007
  • Möller, H.-J., Laux, G., Deister, A.: Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. Thieme, Stuttgart 2015
  • Schneider, F.: Facharztwissen Psychiatrie und Psychotherapie. Springer, Berlin 2012

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