Anästhesie

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 18. Oktober 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Anästhesie ist ein medizinisches Verfahren mit welchem die körperliche Schmerzempfindung und bestimmte Funktionen des Körpers ausgeschaltet werden. Es wird eingesetzt, um operative Eingriffe oder Diagnoseverfahren für den Patienten schmerzfrei durchführen zu können.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Anästhesie?

Im Unterschied zu Lokalanästhesie, bei denen die Schmerzausschaltung nur einzelne Regionen des Körpers umfasst, ist der Patient bei einer Vollnarkose nicht erweckbar, bis das Narkosemittel nachlässt.

Es gibt verschiedene Arten von Anästhesien, am bekanntesten sind die Allgemeinanästhesie (Vollnarkose), die Lokalanästhesie (örtliche Betäubung) und die Regionalanästhesie (Betäubung von größeren Bereichen).

Der Begriff Anästhesie kommt aus dem Griechischen und wird aus den Worteilen an - ohne und aisthesis - Empfindung zusammengesetzt. Mit einer Anästhesie wird Empfindungslosigkeit und damit Schmerzfreiheit, entweder im ganzen Körper oder lokal begrenzt, hergestellt. Durchgeführt wird die Anästhesie von einem Facharzt, dem Anästhesisten.

Die Schmerzfreiheit wird durch Verabreichen von Medikamenten, in Form von Injektionen in die Vene oder in bestimmte Nervenbahnen, oder durch die Gabe von Narkosegasen erreicht. Bei einer Vollnarkose tritt vollständige Bewusstlosigkeit ein, so dass der Patient die medizinischen Eingriffe nicht wahrnimmt; bei lokaler und regionaler Betäubung ist der Patient wach, empfindet aber keinen Schmerz.

Geschichte & Entwicklung

Die Entdeckung und Entwicklung der Anästhesie revolutionierte die Medizin und ermöglichte schmerzfreie chirurgische Eingriffe. Erste Versuche zur Schmerzvermeidung reichen bis in die Antike, wo Substanzen wie Alkohol, Opium oder Mandragora verwendet wurden, um den Schmerz zu lindern. Die moderne Anästhesiegeschichte begann jedoch im 19. Jahrhundert.

1846 führte der amerikanische Zahnarzt William T.G. Morton die erste öffentliche Demonstration einer erfolgreichen Äthernarkose durch. Er verwendete Diethylether während einer Operation zur Entfernung eines Tumors in Boston. Diese Demonstration markierte einen Meilenstein und leitete das Zeitalter der modernen Anästhesie ein. Fast zeitgleich entdeckte der englische Chemiker Sir Humphry Davy die schmerzlindernde Wirkung von Lachgas (Distickstoffmonoxid), das aber erst später klinisch genutzt wurde.

Im Jahr 1847 führte der schottische Geburtshelfer James Young Simpson Chloroform in die Geburtshilfe ein, was bald darauf breite Anwendung in der Chirurgie fand. Die Einführung von Chloroform brachte allerdings auch Risiken mit sich, da es toxisch war und Herzstillstände verursachen konnte. Dennoch blieb es für Jahrzehnte weit verbreitet.

Mit der Entdeckung lokaler Betäubungsmittel wie Kokain im Jahr 1884 durch Carl Koller wurde eine weitere Dimension der Anästhesie eröffnet. Kokain war das erste Lokalanästhetikum, das in der Augenheilkunde und bald darauf in anderen Bereichen eingesetzt wurde, was die Entwicklung moderner Lokalanästhetika einleitete.

Einsatz & Indikation

Eine Anästhesie wird durchgeführt, um Schmerzempfindungen während medizinischer Eingriffe auszuschalten und den Patienten in einen schmerzfreien Zustand zu versetzen. Sie wird notwendig, wenn chirurgische oder diagnostische Verfahren Schmerzen verursachen, die für den Patienten unerträglich wären, oder wenn es erforderlich ist, den Patienten ruhig und entspannt zu halten. Dies gilt insbesondere bei Operationen, Zahnbehandlungen, orthopädischen Eingriffen oder bei schmerzhaften diagnostischen Prozeduren wie Endoskopien.

Die Anästhesie ist auch unerlässlich bei Notfalloperationen, bei denen der Patient nicht wach bleiben kann, oder bei längeren, komplexen Eingriffen, um den Körper vor dem Stress zu schützen. Abhängig von der Art des Eingriffs und dem Zustand des Patienten wird zwischen verschiedenen Anästhesieformen unterschieden: Die Vollnarkose (Allgemeinanästhesie) wird eingesetzt, wenn der gesamte Körper betäubt werden muss und der Patient bewusstlos ist. Eine Regionalanästhesie, wie die Spinal- oder Epiduralanästhesie, wird verwendet, um größere Körperregionen zu betäuben, während der Patient wach bleibt. Lokalanästhesien kommen bei kleineren Eingriffen zum Einsatz, wie etwa bei Zahnbehandlungen oder bei der Entfernung von Hautveränderungen, um nur einen kleinen Bereich zu betäuben.

Anästhesie wird auch bei schmerzhaften Therapien, wie bei der Krebsbehandlung oder intensiven Wundbehandlungen, eingesetzt, um den Patienten zu schonen.

Vorteile & Nutzen

Die Anästhesie bietet gegenüber anderen Behandlungsmethoden erhebliche Vorteile, insbesondere bei chirurgischen Eingriffen und schmerzhaften Prozeduren. Einer der Hauptvorteile ist die komplette Schmerzfreiheit während der Operation, was dem Patienten körperlichen und psychischen Stress erspart. Dies ermöglicht nicht nur eine bessere Erfahrung für den Patienten, sondern auch präzisere und ruhigere Arbeitsbedingungen für den Chirurgen, da unwillkürliche Bewegungen oder Reaktionen vermieden werden.

Darüber hinaus ermöglicht die Anästhesie eine Erweiterung der medizinischen Möglichkeiten. Komplexe und langwierige Operationen, die ohne Betäubung aufgrund von Schmerz oder Stress unmöglich wären, können sicher und effektiv durchgeführt werden. Dies gilt sowohl für große chirurgische Eingriffe unter Vollnarkose als auch für kleinere Eingriffe unter Lokalanästhesie oder Regionalanästhesie, bei denen nur bestimmte Körperregionen betäubt werden.

Ein weiterer Vorteil ist die Möglichkeit, die Anästhesie individuell an den Patienten anzupassen. Je nach Eingriff, Alter, Gesundheitszustand und Vorerkrankungen des Patienten kann die Art der Anästhesie variiert werden, um die Risiken zu minimieren und die Sicherheit zu erhöhen. Außerdem reduziert die Anästhesie die Notwendigkeit invasiverer Schmerzmanagement-Methoden nach dem Eingriff, da postoperative Schmerzen oft durch eine gute anästhesiologische Betreuung reduziert werden können.

Funktion, Wirkung, Anwendung & Ziele

Anästhesien werden immer dann eingesetzt wenn Behandlungen oder diagnostische Untersuchungen Schmerzen verursachen würden. Dies ist bei operativen Eingriffen der Fall, bei bestimmten Diagnoseverfahren, bei Geburten und in der Schmerztherapie.

Operationen werden je nach Umfang und Dauer des Eingriffs unter örtlicher Betäubung oder unter Vollnarkose durchgeführt. Zur Diagnostik wird die Anästhesie bei Verfahren wie beispielsweise der Endoskopie (Spiegelung = Einführen einer Kamera in Organe) oder der Angiographie (Einspritzen von Kontrastmittel in die Gefäße des Herzens) eingesetzt. Der Verlauf von Geburten wird mit Hilfe der Periduralanästhesie (PDA) erleichtert, da die Wehen durch die Betäubung nicht mehr gespürt werden.

Aber auch für Kaiserschnitte wird sie eingesetzt, um der werdenden Mutter die Möglichkeit zu geben, die Geburt bei Bewusstsein zu erleben. Schließlich kommt Anästhesie auch bei der Therapie von chronischen Schmerzzuständen zum Einsatz. Mittels in den Körper eingesetzter Medikamentenpumpen werden dauerhaft Schmerzmittel in den Körper abgegeben, die dem Patienten Schmerzfreiheit ermöglichen.

Die Allgemeinanästhesie oder Vollnarkose schaltet mittels verschiedener Medikamente die Schmerzempfindung des ganzen Körpers aus und versetzt den Patienten in völlige Bewusstlosigkeit. Die Komponenten sind schmerzstillende, betäubende und entspannende Substanzen. Sie verhindern den Schmerz, versetzen den Patienten in eine Art Tiefenschlaf und lassen die Muskeln erschlaffen.

Finden längere Eingriffe statt, so wird bei einer Allgemeinanästhesie ein Tubus (Beatmungsschlauch) in die Luftröhre eingeführt, um dauerhaft eine ausreichende Atmung sicherzustellen. Während der Operation überprüft der Narkosearzt ständig die Körperfunktionen des Patienten und reguliert die Stärke der Anästhesie dementsprechend.

Bei der Lokalanästhesie werden begrenzte Areale des Körpers so betäubt, dass dort kein Schmerz mehr wahrgenommen werden kann. Der Patient bleibt bei Bewusstsein und die Motorik funktioniert weiterhin. Wenn beispielsweise eine Wunde an der Hand genäht werden muss, so kann der Arzt gezielt die Nerven medikamentös betäuben, die für die Versorgung und damit für die Wahrnehmung dieser Stelle zuständig sind. Auch der Zahnarzt wendet die Lokalanästhesie bei der Behandlung von Zähnen an, indem er das Anästhetikum nur in den Nerv des betroffenen Zahnes einspritzt.

Regionalanästhesien betäuben einen größeren Bereich des Körpers als das bei der örtlichen Anästhesie der Fall ist. Bei der Periduralanästhesie beispielsweise wird das betäubende Mittel in den sogenannten Periduralraum eingespritzt und verhindert damit die Schmerzempfindung in der gesamten unteren Körperregion.


Durchführung & Ablauf

Der Ablauf einer Anästhesie beginnt mit einer präoperativen Untersuchung, bei der der Anästhesist den Gesundheitszustand des Patienten beurteilt, relevante Vorerkrankungen und mögliche Risiken identifiziert und die passende Anästhesieform festlegt. Diese Untersuchung umfasst meist eine Befragung, eine körperliche Untersuchung und gegebenenfalls Blutuntersuchungen oder EKG.

Am Tag des Eingriffs wird der Patient in den Operationssaal gebracht, wo eine Überwachung der Vitalfunktionen wie Herzfrequenz, Blutdruck und Sauerstoffsättigung installiert wird. Bei einer Vollnarkose wird zunächst ein Beruhigungsmittel (Sedativum) verabreicht, gefolgt von einem Narkosemittel, das intravenös oder als Inhalation gegeben wird. Sobald der Patient bewusstlos ist, wird oft ein Beatmungsschlauch (Endotrachealtubus) eingesetzt, um die Atmung während des Eingriffs sicherzustellen.

Während des gesamten Eingriffs überwacht der Anästhesist kontinuierlich die Vitalfunktionen und passt die Narkosemedikation entsprechend an. Bei Regional- oder Lokalanästhesien wird ein Betäubungsmittel in den zu behandelnden Bereich injiziert, während der Patient wach bleibt. Hierbei wird der betroffene Bereich durch Hemmung der Nervenleitungen schmerzfrei gemacht.

Nach dem Eingriff wird die Anästhesie gestoppt, und der Patient erwacht im Aufwachraum, wo er weiter überwacht wird. Postoperative Schmerzen werden gegebenenfalls durch Schmerzmittel behandelt, und der Patient wird erst entlassen, wenn er sich ausreichend erholt hat.

Gefahren & Risiken

Durch modernste Geräte und gut ausgebildete Fachärzte sind die Gefahren bei einer Anästhesie heutzutage sehr gering. Es können nach der Vollnarkose durch Überempfindlichkeit seitens des Patienten Übelkeit und Erbrechen auftreten, meist werden jedoch den Narkosemitteln schon vorbeugend Medikamente beigemischt, die diese Nebenwirkung verhindern.

Ein mögliches Risiko bei einer Anästhesie mit Intubation ist die falsche Positionierung des Tubus in die Speiseröhre statt in die Luftröhre, doch passiert dies äußerst selten und wird in der Regel sofort bemerkt. Aspiration von eventuell noch vorhandenem Mageninhalt stellt eine weitere Gefahr dar. Um diese auszuschließen dürfen Patienten vor einer Narkose keine Nahrung mehr zu sich nehmen.

Bei lokaler und regionaler Anästhesie können Blutergüsse oder Infektionen an der Injektionsstelle auftreten, sowie allergische Reaktionen vorkommen. Es sind Verletzungen der Nerven möglich und selten kann es zu Herzrhythmusstörungen oder Blutdruckabfall kommen.

Alternativen

Es gibt einige alternative Verfahren zur Anästhesie, die in Betracht gezogen werden können, wenn eine Anästhesie nicht möglich oder nicht empfehlenswert ist, etwa aufgrund von Vorerkrankungen, Allergien oder Unverträglichkeiten gegenüber den verwendeten Medikamenten.

Hypnose ist eine Möglichkeit, die bei bestimmten Patienten eingesetzt werden kann, um den Schmerz zu kontrollieren und Angstzustände zu verringern. In tiefen Hypnosezuständen können Menschen in der Lage sein, Schmerzempfindungen zu blockieren, was besonders bei kleineren Eingriffen nützlich sein kann. Dieses Verfahren erfordert jedoch einen gut trainierten Hypnotiseur und die Bereitschaft sowie Eignung des Patienten.

Ein weiteres Verfahren ist die Akupunktur, eine traditionelle chinesische Methode, die in einigen Fällen zur Schmerzkontrolle eingesetzt wird. Sie kann als Ergänzung oder als Alternative zu herkömmlichen Schmerzmitteln oder Anästhesie dienen, wobei feine Nadeln in bestimmte Punkte des Körpers eingeführt werden, um den Schmerz zu lindern.

Auch die elektrische Nervenstimulation (TENS) kann in bestimmten Fällen als schmerzreduzierende Maßnahme verwendet werden. Durch elektrische Impulse, die über die Haut geleitet werden, können Schmerzen gelindert werden.

Lokal- und Regionalanästhesien, wie die Spinal- oder Epiduralanästhesie, können ebenfalls als Alternative zur Vollnarkose in Betracht gezogen werden. Diese Techniken betäuben nur bestimmte Körperbereiche und sind besonders hilfreich bei Eingriffen, bei denen eine Vollnarkose aufgrund von Gesundheitsrisiken nicht empfohlen wird.

Psychologische Techniken zur Schmerzbewältigung, einschließlich Meditation und Atemtechniken, können ebenfalls unterstützend eingesetzt werden.

Quellen

  • Roewer, N., Thiel, H.: Taschenatlas der Anästhesie. Thieme, Stuttgart 2013
  • Roewer, N., Thiel, H., Wunder, C.: Anästhesie compact. Thieme, Stuttgart 2012
  • Schüttler, J., Neglein, J., Bremer, F.: Checkliste Anästhesie. Thieme, Stuttgart 2000

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