Anhedonie

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Anhedonie bezeichnet einen Zustand, in dem Betroffene unfähig sind, Freude oder Lust zu verspüren. Sie kann im Rahmen psychischer Störungen auftreten, zum Beispiel bei der Depression, schizoiden Persönlichkeitsstörung oder als Teil der Negativsymptomatik von Psychosen, oder ein Symptom einer körperlichen Erkrankung sein. Aus diesem Grund richtet sich die Behandlung nach der entsprechenden Grunderkrankung.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Anhedonie?

Anhedonie kann im Rahmen verschiedener körperlicher Erkrankungen und psychischer Störungen auftreten. Sie stellt beispielsweise ein Kardinalsymptom der klinischen Depression dar, wo sie sich auch als vollständiger Interessenverlust äußern kann.
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Bei der Anhedonie handelt es sich um ein psychisches Symptom, das die Unfähigkeit Freude oder Lust zu empfinden beschreibt. Sie kann als normaler Zustand bei gesunden Personen auftreten, die vorübergehend Unlust und kein Interesse an den meisten Dingen verspüren. Stark ausgeprägte oder lang anhaltende Anhedonie weist jedoch in den meisten Fällen auf ein psychologisches oder organisches Krankheitsbild hin.

Dies ist insbesondere der Fall, wenn andere Symptome die Freudlosigkeit begleiten oder die Anhedonie zu Einschränkungen in der alltäglichen Lebensführung resultiert. Das Gegenteil der Anhedonie ist die Hedonie, die unter anderem durch gesteigertes Lustempfinden, überschwängliche Freude und gesteigerte Interessen gekennzeichnet ist.

Auch sie kann als vorübergehender, normaler Zustand in Erscheinung treten oder sich als Anzeichen von Psychosen, Manien, Rauschzuständen, neurologischen und anderen Krankheiten manifestieren. Aus diesem Grund kann auch bei hedonistischen Auffälligkeiten eine ärztliche Abklärung ratsam sein.

Ursachen

Anhedonie kann im Rahmen verschiedener körperlicher Erkrankungen und psychischer Störungen auftreten. Sie stellt beispielsweise ein Kardinalsymptom der klinischen Depression dar, wo sie sich auch als vollständiger Interessenverlust äußern kann: Der Patient büßt sein Interesse an Betätigungen ein, die ihm zuvor Freude bereiteten.

Drüber hinaus tritt eine depressive Verstimmung auf. Weitere typische Symptome einer Depression sind Gewichts- und Appetitveränderungen, Schlaflosigkeit oder erhöhtes Schlafbedürfnis, psychomotorische Auffälligkeiten, Müdigkeit, Energieverlust, Wertlosigkeits- und Schuldgefühle, Konzentrationsprobleme, Entscheidungsschwierigkeiten, Gedanken an den Tod oder Suizidalität. Ähnliche, aber schwächere und länger andauernde Symptome können sich bei einer Dysthymie zeigen.

Eine andere psychische Störung, die zur Anhedonie führen kann, ist die schizoide Persönlichkeitsstörung. Dabei handelt es sich um eine psychische Auffälligkeit, die mindestens zwei Jahre andauert und durch einen abgeflachten Affekt charakterisiert ist. Die schizoide Persönlichkeitsstörung ist nicht zu verwechseln mit der Schizophrenie, die zu den psychotischen Störungen zählt und zum Beispiel durch Halluzinationen und Wahnvorstellungen gekennzeichnet sein kann.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Bei einer Schizophrenie tritt jedoch eine Negativsymptomatik auf, zu der auch die Anhedonie gehört. Die Negativsymptomatik tritt in vielen Fällen vor Positivsymptomen wie Halluzinationen in Erscheinung. Darüber hinaus kann Anhedonie auch auf körperliche Ursachen zurückgehen, zum Beispiel Eisenmangel oder eine Schilddrüsenunterfunktion.

Auch einige neurologische und andere Erkrankungen manifestieren sich in Zuständen, die durch Freudlosigkeit und Unlust gekennzeichnet sind. Welche Ursache im Einzelfall vorliegt, kann nur eine medizinische und/oder psychiatrische beziehungsweise psychologische Abklärung feststellen.

Diagnose & Verlauf

Anhaltende Anhedonie kann auf eine ernste körperliche Erkrankung oder psychische Störung hindeuten und bedarf fachlicher Abklärung. Die Chancen auf eine erfolgreiche Behandlung hängen unter anderem von der Krankheitsursache sowie dem individuellen Schweregrad ab. Um eine möglichst zuverlässige psychische Diagnose zu erhalten, sollten Betroffene die Hilfe eines Psychiaters oder psychologischen Psychotherapeuten in Anspruch nehmen.

Diese Fachleute sind in besonderem Maße in der Diagnostik und Behandlung entsprechender Krankheitsbilder ausgebildet. Um beispielsweise die Diagnose einer Depression stellen zu können, muss ein Patient bestimmte Merkmale zeigen. Während eine Vielzahl von Störungen für die Entstehung eines Symptoms wie der Anhedonie verantwortlich sein können, ist das charakteristische Muster aus verschiedenen Symptomen für die Diagnose entscheidend.

Anhedonistische Personen können deshalb nicht automatisch davon ausgehen, dass sie unter einer Depression leiden, da noch weitere Krankheitsbilder als Erklärung in Frage kommen. Zur genaueren Abgrenzung können Fachleute auf spezielle Fragebögen wie „Becks Depressionsinventar (BDI)“ sowie strukturierte oder standardisierte Interviews zurückgreifen.

Zum Ausschluss einer körperlichen Ursache oder für die Diagnosestellung einer solchen ist in der Regel eine Blutuntersuchung notwendig. In den Ergebnissen zeigen sich unter Umständen Defizite in bestimmten Nährstoffen, die ebenfalls zur Anhedonie führen können. Beispiels dafür sind Eisenmangel oder eine Unterversorgung mit Schilddrüsenhormonen.

Komplikationen

Die Art der Komplikationen, die bei der Anhedonie möglich sind, hängt von ihrer Ursache ab. Wenn die Anhedonie auf eine vorübergehende Mangelerscheinung wie Eisen- oder Vitaminmangel zurückgeht, entstehen bei entsprechender Behandlung oft keine Komplikationen. Ohne Behandlung kann sich jedoch der allgemeine Gesundheitszustand verschlechtern.

Bei Eisenmangel ist beispielsweise eine Anämie möglich, die in schweren Fällen zu Kreislauf- und Herzbeschwerden führen kann und oft Konzentrations- und Gedächtnisprobleme, Müdigkeit und Abgeschlagenheit hervorruft. Anhedonie kann ein vorübergehender Zustand sein, der durch bestimmte Lebensereignisse ausgelöst wird. Die Trauer unmittelbar nach dem Tod eines nahestehenden Menschen ist keine Krankheit im eigentlichen Sinne.

Auch Trauer kann jedoch zu psychischen Beschwerden führen, insbesondere bei fehlenden Bewältigungsmöglichkeiten. Chronische Trauer, Depression, Angst- und Zwangsstörungen sind mögliche Komplikationen, die im Verlauf auftreten können. Darüber hinaus können solche kritischen Lebensereignisse andere psychische Erkrankungen auslösen, für die der Betroffene bereits eine Veranlagung besitzt.

Auch einer Schizophrenie oder einer Psychose kann Anhedonie vorausgehen. Oft ist jedoch nicht im Voraus zu erkennen, ob sich durch die Anhedonie und andere psychische Symptome eine psychotische Störung anbahnt. Wenn in der Familie bereits andere Personen unter Schizophrenie oder einer ähnlichen Erkrankung leiden, sollten jedoch entsprechende Warnzeichen beachtet werden. In diesem Fall ist es sinnvoll, bereits bei Auftreten einer längeren Anhedonie (auch ohne Halluzinationen und Wahn) ärztlichen Rat zu suchen.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Eine Anhedonie sollte mit dem zuständigen Therapeuten oder dem Hausarzt besprochen werden. Patienten, die im Rahmen einer Depression an Antriebslosigkeit oder einer generellen Interessenlosigkeit leiden, müssen dies nicht zwangsläufig medizinisch abklären.

Wenn die Anhedonie allerdings zu Problemen in Alltag und Beruf führt (z.B. Vernachlässigung der beruflichen Pflichten oder Verdienstausfall), sollte über eine Behandlung nachgedacht werden. Ohne die Hilfe eines Psychiaters und entsprechende Medikation kann sich die Freudlosigkeit zu einer ausgeprägten Depression entwickeln und schwere seelische und körperliche Probleme nach sich ziehen.

Es empfiehlt sich deshalb, bei Anzeichen einer Anhedonie Hilfe zu suchen. Alternativ zum Arztbesuch kann manchmal bereits ein Gespräch mit Freunden oder Familienmitgliedern helfen, die Symptome einer psychischen Erkrankung zu erkennen. Menschen, die an einer schizoiden Persönlichkeitsstörung leiden, sollten bei dem Verdacht auf eine Anhedonie umgehend mit einem Arzt oder Therapeuten sprechen. Patienten mit einer Schilddrüsenunterfunktion, Eisenmangel oder neurologischen Erkrankungen sollten eine Freud- oder Antriebslosigkeit mit dem zuständigen Arzt besprechen, da womöglich eine körperliche Ursache vorliegt.

Behandlung & Therapie

Die Behandlung der Anhedonie richtet sich nach der Erkrankung, in deren Rahmen sie auftritt, sowie nach persönlichen Faktoren. Bei körperlichen Ursachen steht die medizinische Therapie im Vordergrund und zielt auf die Behandlung der jeweiligen Grunderkrankung ab. Geht die Anhedonie auf eine psychische Erkrankung zurück, können eine psychiatrische und/oder psychotherapeutische Behandlung Besserung bringen.

Derzeit existieren in Deutschland drei psychotherapeutische Richtlinienverfahren, die sich sowohl in der Länge der Therapie als auch in den angewandten Methoden unterscheiden: Zu ihnen gehören die kognitive Verhaltenstherapie, die Psychoanalyse sowie die tiefenpsychologisch fundierten Verfahren. Bei Depression, Dysthymie oder schizoider Persönlichkeitsstörung kommen grundsätzlich alle drei Ansätze in Frage.

Unter Umständen kann eine medikamentöse Unterstützung der Behandlung notwendig sein, selbst wenn ein Patient sich bereits in Psychotherapie befindet. Bei akuter Eigen- oder Fremdgefährdung oder starker Überforderung im Alltag kann auch ein stationärer Aufenthalt notwendig sein, bei dem akute Unterstützung und Stabilisierung im Vordergrund stehen.

Aussicht & Prognose

Die Anhedonie hat grundsätzlich eine eher ungünstige Prognose. Ohne eine therapeutische Begleitung oder eine medizinische Versorgung gelingt es den Patienten äußerst selten, mit eigenen Kräften eine Heilung oder wenigstens Linderung der Symptomatik zu erfahren.

Besonders ungünstige Aussichten bestehen bei Menschen mit einer schwerwiegenden Persönlichkeitsstörung. Da bei diesen Erkrankungen zumeist die Krankheitseinsicht beim Patienten fehlt, gibt es keine Möglichkeiten, wie dem Betroffenen ohne dessen Einverständnis geholfen werden kann. Der Zustand der Freudlosigkeit bleibt in diesen Fällen dauerhaft erhalten.

Bei anderen psychischen Störungen wie eine Depression gibt es verschiedene Ansätze einer Therapie, die zu einer Verbesserung der Beschwerden beitragen. Eine leichte Depression kann über mehrere Wochen anhalten und anschließend durch eine Spontanheilung vollständig zu einer Beschwerdefreiheit führen.

Die Gabe von Medikamenten ist ebenfalls möglich. Dabei wird nicht die Anhedonie medikamentös behandelt sondern die Grunderkrankung. Mit einer Veränderung des psychischen Zustandes tritt zeitgleich eine Reduzierung der Symptome der Anhedonie auf. Bei mittelschweren oder wiederkehrenden depressiven Zuständen ist ebenfalls eine Aussicht der Linderung gegeben. Begleitend mit einer Psychotherapie kann bei einer Freudlosigkeit langfristig eine bessere Lebensqualität erreicht werden. Notwendig dafür ist eine Veränderung des Erlebens der eigenen Gefühle und ein Umdenken zu den Entwicklungen im Leben des Patienten.


Vorbeugung

Organisch bedingter Anhedonie können Patienten in einigen Fällen durch eine ausgewogene Ernährung und gesunde Lebensführung vorbeugen. Bei einigen Erkrankungen ist jedoch keine spezifische Prävention möglich. Zur Vorbeugung von depressiven Erkrankungen kann das Erlernen angemessener Bewältigungsstrategien beitragen.

Mit deren Hilfe können Betroffene leichter mit kritischen Lebensereignissen und Stressoren umgehen und dadurch tendenziell das Risiko verringern, an einer solchen zu erkranken. Eine vollständige, garantierte Vermeidung von psychischen Störungen ist allerdings nicht möglich. Neben psychischen und sozialen Faktoren spielen auch genetische und andere biologische Rahmenbedingungen eine Rolle.

Nachsorge

Der Verlust von Lebensfreude und Vergnügen lässt sich bei vielen Patienten nur schwer behandeln. Die Erkrankung muss daher akzeptiert werden. Die Nachsorge wird zum Dauerthema. Betroffene müssen sich mehrmals im Jahr beim Arzt vorstellen. Dieser bespricht mit ihnen ihr intersubjektives Erleben und leitet daraus Aussagen zum Fortgang der Erkrankung ab.

Zu den Nachsorgemaßnahmen, die regelmäßig verschrieben werden, gehört die Psychotherapie. Wöchentliche ambulante Sitzungen stellen keine Seltenheit dar. Darüber hinaus ordnen Ärzte auch die Einnahme stimmungsaufhellender Medikamente an. Da die Anhedonie meist in Kombination mit einer Depression und Schizophrenie auftritt, wird die Therapie dementsprechend ausgeweitet. Empfindet der Patient sein Leben als äußerst belastend, kann eine stationäre Unterbringung angezeigt sein.

Gelingt eine Heilung, sind Patienten keineswegs immun gegen eine erneute Erkrankung. In der vorausgegangenen Psychotherapie haben sie Bewältigungsstrategien erfahren, die einen erneuten Ausbruch der Beschwerden verhindern. Diese müssen sie im Alltag selbstständig umsetzen. Im Allgemeinen kann Aktivität einen erneuten Ausbruch der psychischen Erkrankung verhindern.

Sport, Vereinstätigkeiten und soziale Kontakte sorgen für Wohlbefinden. Körperliche Mangelerscheinungen lassen sich durch eine abwechslungsreiche Ernährung beheben. Bestimmte Personen besitzen erbliche Vorbelastungen. Bei ihnen ist lediglich eine vorübergehende Besserung anzunehmen.

Das können Sie selbst tun

Eine anhaltende Freudlosigkeit kann auf eine ernste körperliche Erkrankung oder eine schwere psychische Störung hindeuten und muss unbedingt fachärztlich abgeklärt werden. Ist die Ursache psychischer Natur sollte nicht nur ein Arzt, sondern auch ein Psychotherapeut konsultiert werden, da eine Besserung des Befindens in aller Regel nicht alleine durch eine medikamentöse Behandlung erreicht werden kann, sondern eine Psychotherapie erforderlich ist.

Gelegentliche Stimmungsschwankungen können von den Betroffenen aber auch durch Verhaltensanpassungen oder durch naturheilkundliche Methoden therapiert werden.

Eine Anhedonie ist häufig ein erstes Anzeichen für einen Beginnenden Burn-out aufgrund permanenter Überarbeitung. Betroffene, die aufgrund zu hoher Arbeitsbelastung keine Freude mehr an ihrem Leben haben, sollten zuerst die Ursachen für die Überlastung analysieren. Sofern das Arbeitsaufkommen einfach zu groß ist, muss der Vorgesetzte auf die Situation aufmerksam gemacht werden. Häufig liegen die Ursachen aber in der mangelnden Fähigkeit zur Selbstorganisation oder zur Delegation von Aufgaben begründet. In diesen Fällen sollten Betroffene den Besuch eines Seminars in Erwägung ziehen, das die fehlenden Fähigkeiten vermittelt.

Bei leichten, unspezifischen depressiven Verstimmungen werden in der Naturheilkunde Präparate auf Johanniskraut-Basis eingesetzt, die stimmungsaufhellend, angstlösend und antidepressiv wirken sollen. Wer eine Therapie mit Johanniskraut in Erwägung zieht sollte wissen, dass dieses Heilmittel die Lichtempfindlichkeit erhöht. Auf ausgiebige Sonnenbäder und Solarienbesuche sollten während der Einnahme verzichtet werden. Darüber hinaus besteht der Verdacht, dass Johanniskraut die Wirksamkeit hormoneller Verhütungsmittel beeinträchtigt. Frauen, die mit einer Antibabypille verhüten, sollten deshalb Rücksprache mit ihrer Gynäkologin halten.

Quellen

  • Arolt, V., Reimer, C., Dilling, H.: Basiswissen Psychiatrie und Psychotherapie. Springer, Heidelberg 2007
  • Dilling, H., Mombour, W., Schmidt, M.H.(Hrsg.): Internationale Klassifikation psychischer Störungen – ICD 10, Kapitel V (F), klinisch-diagnostische Leitlinien. Huber, Bern 2011
  • Schneider, F.: Facharztwissen Psychiatrie und Psychotherapie. Springer, Berlin 2012

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