Anteriore ischämische Optikusneuropathie
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 6. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Bei einer anterioren ischämischen Optikusneuropathie (AION) handelt es sich um einen akuten Verschluss der Arterie, die den Sehnerv versorgt. Diese Augenerkrankung wird auch als Augeninfarkt bezeichnet.
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Was ist eine anteriore ischämische Optikusneuropathie?
Die anteriore ischämische Optikusneuropathie (AION) ist auch unter den Bezeichnungen Optikomalazie, Apoplexia papillae oder Augeninfarkt bekannt. Bei dieser Augenkrankheit kommt es zu einer Durchblutungsstörung des Sehnervenkopfes. Diese wird in den meisten Fällen durch einen akuten Verschluss oder eine Blockade der Augenarterie hervorgerufen, die sich im Zinn-Haller-Gefäßkranz befindet und für die Versorgung des Sehnervs zuständig ist.
Durch die mangelnde Durchblutung lässt sich der Sehnervenkopf nicht mehr ausreichend mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgen. Dieser Umstand hat wiederum das Absterben von funktionellem Nervengewebe zur Folge. Daher wird die anteriore ischämische Optikusneuropathie als augenmedizinischer Notfall betrachtet.
Die unvermittelt auftretende verminderte Durchblutung des Sehnervenkopfes bewirkt eine schnell voranschreitende Verschlechterung der Sehkraft. So werden die Nervenzellen durch die Unterversorgung des neuronalen Gewebes oft irreversibel in Mitleidenschaft gezogen. Dieser Effekt lässt sich mit einem ischämischen Schlaganfall vergleichen. Ohne eine entsprechende Behandlung droht dem Patienten eine erhebliche Verminderung seines Sehvermögens. Im schlimmsten Fall ist sogar eine Erblindung möglich. So entstehen aus den abgestorbenen Neuronen keine neuen Nervenzellen mehr.
Das durchschnittliche Alter für das Auftreten einer anterioren ischämischen Optikusneuropathie liegt bei 61 Jahren. Im Falle einer nicht-entzündlichen AION wird bei rund 19 Prozent aller Patienten auch das benachbarte Auge geschädigt. Bei der entzündlichen Form drohen Schäden am Nachbarauge schon nach einigen Tagen. Die Betroffenen sind in solchen Fällen meist über 70 Jahre alt. Zu einem Rezidiv am gleichen Auge kommt es nur selten.
Ursachen
Im Rahmen einer anterioren ischämischen Optikusneuropathie unterscheiden Mediziner zwischen einer entzündlichen und einer nicht-entzündlichen AION. Bei den meisten Betroffenen entsteht eine anteriore ischämische Optikusneuropathie infolge einer Embolie. Diese bildet sich oftmals durch eine ausgeprägte Herzinnenhautentzündung (Endokarditis) oder durch vorher auftretendes Vorhofflimmern. Das dabei entstehende Blutgerinnsel kann sich durch die Blutgefäße bis hin zum Zinn-Haller-Gefäßkranz fortbewegen.
Dort angekommen, besteht das erhebliche Risiko einer Verstopfung der versorgenden Augenarterie. Eine weitere mögliche Ursache für die anteriore ischämische Optikusneuropathie ist eine fortgeschrittene Arterienverkalkung (Arteriosklerose). Diese zeigt sich in erster Linie bei Menschen, die unter der Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) leiden. Durch Entzündungsprozesse kommt es dagegen eher selten zum Entstehen der Augenerkrankung.
Weitere mögliche Ursachen sind eine generalisierte Vaskulitis (Gefäßentzündung) sowie eine Arteriitis temporalis. Etwa 90 Prozent aller AION-Patienten leiden zudem an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung wie zu hohem Blutdruck oder Diabetes. Als möglicher Risikofaktor für AION kommt Weitsichtigkeit in Betracht. Gelegentlich wird die anteriore ischämische Optikusneuropathie auch durch einen chirurgischen Eingriff hervorgerufen. Wahrscheinliche Auslöser sind in solchen Fällen Blutarmut sowie der Abfall des Blutdrucks.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Die Symptome und Beschwerden dieser Erkrankung treten in den meisten Fällen sehr plötzlich und unerwartet ein. Die Betroffenen leiden dabei an einem starken Verlust der Sehkraft, der relativ plötzlich eintritt. Es kommt zu einer Kurzsichtigkeit oder zu einer Weitsichtigkeit, sodass der Patient in seinem Alltag auf eine Sehhilfe angewiesen ist. In sehr schwerwiegenden Fällen kann die Erkrankung auch zu einer vollständigen Erblindung führen.
Diese ist nicht mehr reversibel und kann nicht mehr behandelt werden. Weiterhin reagiert das Auge nicht mehr oder nur sehr träge auf einfallendes Licht, sodass sich die Pupille kaum mehr verändert. Das gesunde Auge wird von diesen Beschwerden allerdings nicht betroffen. Es müssen auch nicht zwingend beide Augen vom Sehverlust betroffen sein, häufig treten die Beschwerden nur an einem Auge auf. Es kommt dadurch allerdings trotzdem zu starken Einschränkungen im Alltag und zu Einschränkungen im Gesichtsfeld.
Auch das Risiko eines Schlaganfalles oder eines Herzinfarktes ist bei dieser Erkrankung deutlich erhöht, sodass die Patienten auf regelmäßige Untersuchungen in ihrem Leben angewiesen sind. Ein Verlust der Sehkraft kann weiterhin auch zu starken psychischen Beschwerden oder sogar zu Depressionen führen.
Diagnose & Verlauf
Besteht Verdacht auf das Vorliegen einer anterioren ischämischen Optikusneuropathie, muss umgehend ein Arzt aufgesucht werden. So drohen bereits nach wenigen Stunden Augenschäden, die irreparabel sind. Beim Augenarzt erfolgt eine gründliche Untersuchung, die auch eine augenmikroskopische Betrachtung beinhaltet.
Als möglicher Hinweis auf ein parallel vorliegendes Ödem gilt ein Sehnervenkopf, der abnormal unscharf abzugrenzen ist. Außerdem fällt der Sehnervenkopf oft durch Blässe auf. Diese Blässe ist ein Kriterium für eine schwache Durchblutung. Des Weiteren können in der Papillenregion feine Einblutungen erkannt werden. Häufig liegen Einschränkungen des Gesichtsfeldes vor.
Mithilfe einer Fluoreszenzangiographie stellt der Arzt das Vorliegen einer verminderten Durchblutung fest. Besteht Verdacht auf eine entzündliche Ursache der AION, erfolgt eine Arterienbiopsie der Arteria temporalis, um das betroffene Gewebe zu untersuchen. Als sinnvoll gelten zudem Untersuchungen wie eine Magnetresonanztomographie (MRT) des Kopfes sowie eine Blutsenkungsreaktion und das CRP-Verfahren. Aufgrund der ursächlichen Erkrankungen oder Risikofaktoren sind normalerweise weitere Untersuchungen durch einen Neurologen oder Internisten erforderlich.
Selbst bei einem schnellen Beginn der ärztlichen Behandlung lässt sich die bisherige Sehkraft meist nicht mehr herstellen. Im Falle eines zentralen Arterienverschlusses der Netzhaut lässt sich durch eine Therapie nur bei ein bis acht Prozent aller Betroffenen das Sehvermögen wieder verbessern. Darüber hinaus besteht bei AION-Patienten ein verstärktes Risiko für einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall. Rund 18 Prozent aller betroffenen Personen leiden im weiteren Verlauf unter einer diabetischen Neuropathie.
Komplikationen
Die Anteriore ischämische Optikusneuropathie (AION), eine Embolie im Auge, kann durch die Sehnervenschädigung zu einer starken Einschränkung oder sogar zum Verlust des Sehvermögens des betreffenden Auges sowie zur Einschränkung des Gesichtsfeldes führen. Da die anteriore ischämische Optikusneuropathie einen Notfall darstellt, sind die umgehende Diagnosestellung und eine prompte Behandlung entscheidend.
Auch die Frage, ob es sich hier um eine entzündliche oder nicht-entzündliche Form handelt, spielt bei der Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Komplikationen eine wichtige Rolle. Ursachen der anterioren ischämische Optikusneuropathie müssen ausreichend behandelt werden. Bereits entstandene Schäden am Auge können zwar durch eine Behandlung nicht wieder rückgängig gemacht werden, jedoch kann das Auftreten weiterer Schäden verringert oder vermieden werden.
Auch birgt eine durchgemachte, nicht oder nicht rechtzeitig behandelte AION ein erhöhtes Risiko für Infarkte an größeren Organen wie Herz und Gehirn. Wird die AION nicht behandelt und Gefahrenquellen nicht beseitigt, können weitere Schäden am betreffenden Auge bis hin zur Erblindung sowie das Auftreten einer AION am anderen Auge auftreten. Eine Ausschaltung von Risikofaktoren und das Meiden auslösender Medikamente kann die Komplikationen einer anterioren ischämischen Optikusneuropathie abwenden oder vermindern.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Die anteriore ischämische Optikusneuropathie (AION) stellt prinzipiell eine Notfallsituation dar, die zügiger Versorgung möglichst in einer Augenklinik bedarf. Alternativ kann die Behandlung auch in einer neurologischen oder internistischen Klinik erfolgen, die über Erfahrungen und Gerätschaften zur Ortung und Auflösung eines Blutgerinnsels (Thrombus) im Gefäßsystem des Kopfes verfügen. Das Ziel einer schnellen Notversorgung besteht darin, den verursachenden Thrombus in der Sehnervenarterie zu lokalisieren, um ihn schnellstmöglich aufzulösen.
Die etwa eine Million hauchfeinen Nervenfasern, die durch die Papille gebündelt das Auge verlassen, reagieren sehr empfindlich auf mangelnde Versorgung mit Sauerstoff. Falls keine fachgerechte Versorgung innerhalb von Stunden möglich ist, droht eine irreversible Erblindung des betroffenen Auges. Falls der Weg zur Klinik längere Zeit in Anspruch nimmt oder weder ein Facharzt noch eine Klinik aufgesucht werden können, sollte der Patient flach gelagert werden mit erhöhter Beinposition, um trotz möglichem Verschluss der Sehnervenarterie (Arteria opticus) den Blutfluss durch die Arterie zu verbessern.
Zusätzlich kann der Augapfel leicht massiert werden, was in einigen Fällen zu einer Aufhebung der arteriellen Blockade geführt hat, so dass zumindest eine Teilversorgung des Sehnervenkopfes in der Papille wieder hergestellt wurde. Sollte es während des Transportes zur Klinik zu einer Art Spontanheilung kommen, weil sich die Blutversorgung des Sehnervenkopfes wieder normalisiert hat, ist es wichtig, trotzdem die Klinik aufzusuchen, weil ein erhöhtes Schlaganfallrisiko besteht und vorbeugende Maßnahmen eingeleitet werden sollten, die meist aus einer medikamentösen Antikoagulation bestehen.
Behandlung & Therapie
Die Behandlung einer AION erfolgt in der Regel in einer Klinik. Ein einheitliches Therapieschema liegt bislang allerdings nicht vor. So kommen verschiedene Methoden zur Anwendung, die allesamt die Durchblutung des Auges verbessern sollen. Dazu gehören Massagen des Augapfels, das Flachlagern des Betroffenen, die Gabe von Infusionen, die das Blut verdünnen, sowie das Verabreichen von gerinnungshemmenden Arzneimitteln wie Acetylsalicylsäure und Heparin.
Weiterhin gilt es, die ursächlichen Grunderkrankungen zu behandeln. In der Regel erhält der Patient durchblutungsfördernde Medikamente. Dabei handelt es sich zumeist um Kalziumantagonisten. Ist eine Entzündung die Ursache für die AION, erfolgt eine hochdosierte Kortisonbehandlung.
Aussicht & Prognose
Die Aussicht auf Heilung ist bei der anterioren ischämischen Optikusneuropathie abhängig von der Schwere der Durchblutungsstörung. In leichten Fällen und bei einer kurzen Zeit der Unterbrechung der Durchblutung werden kaum Nervenzellen des Sehnervs beschädigt oder zerstört. Daher kommt es zu keiner starken Verschlechterung der Sehkraft. Häufig kann eine Minderung des Sehvermögens im Alltag durch die Nutzung von Sehhilfen ausgeglichen oder verbessert werden.
Bei einer länger anhaltenden Störung der Durchblutung treten Schäden den Nervenstrangs auf, die nicht mehr reparabel sind. Die Beeinträchtigungen bleiben dauerhaft erhalten oder können mit den vorhanden Therapiemöglichkeiten nur minimal verbessert werden. Bei nur ungefähr 40% der Erkrankten einer anterioren ischämischen Optikusneuropathie ist eine Linderung der Beschwerden möglich. Diese bewegt sich jedoch in einem geringfügigen Grad. Können die kardiovaskulären Risikofaktoren gefunden und reduziert werden, besteht die Möglichkeit im Heilungsverlauf eine Verbesserung des Sehvermögens zu erzielen.
Die anderen Patienten erleiden lebenslang Beeinträchtigungen, die mit den derzeitigen medizinischen Möglichkeiten nicht behoben werden können. Zusätzlich zur Prognose der Grunderkrankung besteht aufgrund des Verlustes des Augenlichts das erhöhte Risiko, eine psychische Störung zu erleiden. Eine Therapie bei psychischen Problemen ist langwierig. Die Prognoseaussichten sind bei den seelischen Beeinträchtigungen individuell. Die Beschwerden können unvermindert über Jahre anhalten.
Vorbeugung
Spezielle Vorbeugemaßnahmen gegen die AION sind nicht bekannt. Es wird empfohlen, den auslösenden Grunderkrankungen vorzubeugen.
Nachsorge
Bei dieser Erkrankung sind in den meisten Fällen die Möglichkeiten zur Nachsorge relativ stark eingeschränkt. Dabei ist der Patient in erster Linie auf die Behandlung durch einen Mediziner angewiesen, um die Beschwerden vollständig zu lindern. Unbehandelt kann die Erkrankung im schlimmsten Fall auch zu einer vollständigen Erblindung des Betroffenen führen.
Je früher die Symptome der Krankheit dabei erkannt werden, desto besser ist der weitere Verlauf der Erkrankung. Da die Erkrankung zum heutigen Zeitpunkt noch weitgehend unerforscht ist, kann keine direkte Behandlung durchgeführt werden. Der Betroffene ist dabei auf Massagen des Auges angewiesen, welche er auch selbst im eigenen Zuhause durchführen kann.
Weiterhin können auch Medikamente eingesetzt werden, die das Blut verdünnen und dadurch die Beschwerden lindern. Eine vollständige Heilung kann allerdings nicht garantiert werden. Betroffene sind in erster Linie auf die regelmäßige Einnahme der Medikamente angewiesen, wobei auch mögliche Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln zu beachten sind.
Auch die Gabe von Kortison kann die Beschwerden lindern. Häufig wirkt sich auch die Unterstützung der Familie und der eigenen Freunde sehr positiv auf den weiteren Verlauf der Erkrankung aus und kann psychische Beschwerden verhindern.
Das können Sie selbst tun
Der AION liegt oft eine Zivilisationskrankheit wie Arteriosklerose, Bluthochdruck oder Diabetes mellitus zugrunde. Da der Gelbe Fleck des Augenhintergrundes fortwährend die höchste Stoffwechselaktivität im menschlichen Körper aufweist, sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen oft am Augenhintergrund zu erkennen - so zeigt sich auch die Grunderkrankung als eine Minderversorgung des Sehnervens bei einer AION.
Es ist daher wichtig, dass die Grunderkrankung sorgfältig kontrolliert, beobachtet und eingestellt wird, um die Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System so gering wie möglich zu halten. Im Grunde genommen fängt - wenn möglich - die Vorbeugung schon einige Jahrzehnte früher an mit einer gesunden Lebensweise, Bewegung und Sport. Es sollte versucht werden, mit so viel gesunder Lebensweise wie möglich, den Körper in seinem Gleichgewicht zu halten.
Auch augenärztliche Kontrollen sollten erfolgen. Selbst, wenn sich das Sehvermögen des betroffenen Auges nicht wieder herstellen lässt, so ist es dennoch wichtig, dieses Auge und das andere Auge zu beobachten. Mit der Zeit werden Auge und Gehirn mehr oder weniger lernen, den Funktionsausfall am betroffenen Auge zu kompensieren.
Liegt wegen anderer Augenerkrankungen die Sehschärfe auf dem besseren Auge bei 30 Prozent, kann mit vergrößernden Sehhilfen ausgeholfen werden. Diese gibt es für den Nah- und Fernbereich. Diese Hilfsmittel sind auf Rezept durch den Augenarzt beim Optiker oder spezialisierten Low-Vision-Optiker erhältlich. Die Wohnung lässt sich kontrastreich gestalten, so auch beim Tischdecken oder Zubereiten der Speisen oder der Verwendung des Geschirrs.
Hier fängt nun der Wirkungsbereich der Selbsthilfevereine wie DBSV oder Pro Retina an. In diesen Verbänden haben sich Betroffene mit unterschiedlichen Augenerkrankungen zusammengeschlossen, die ehrenamtlich psychosoziale Beratung und praktische Lebenshilfe anbieten - auf Augenhöhe.
Quellen
- Dahlmann, C., Patzelt, J.: Basics Augenheilkunde. Urban & Fischer, München 2014
- Grehl, H., Reinhardt, F.: Checkliste Neurologie. Thieme, Stuttgart 2012
- Lang, G. K.: Augenheilkunde. Thieme, Stuttgart 2014