Heparin

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 4. September 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

Sie sind hier: Startseite Wirkstoffe Heparin

Heparin als Gerinnungshemmer ist aus der heutigen Medizin nicht mehr wegzudenken: Egal, ob in der Behandlung akut lebensbedrohlicher Ereignisse wie eines Herzinfarktes oder einer Lungenembolie, oder als prophylaktische Gabe zur Verhinderung einer Thrombose im Rahmen von Operationen oder längeren Flugreisen, Heparin und seine verschiedenen Abkömmlinge wie Mono-Embolex oder Clexane sind überall wichtiger Grundbaustein ärztlichen Handelns. Dabei handelt es sich beim Heparin eigentlich um eine körpereigene Substanz.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Heparin?

Heparin als Gerinnungshemmer ist aus der heutigen Medizin nicht mehr wegzudenken.

Heparin ist eine in der Pharmakologie als Medikament genutzte Substanz, die in die Blutgerinnung eingreift und diese hemmt. Daher wird Heparin auch als Blutverdünner bezeichnet.

Chemisch gesehen handelt es sich beim Heparin um ein Glukosaminoglykan, also eine Kette aus Aminozuckern, welche natürlicherweise in Gewebsmastzellen des Menschen und der Tiere vorkommt.

Gewonnen wird natürliches Heparin daher ursprünglich vor allem aus der Dünndarmschleimhaut von Schweinen, welche besonders reich an diesem Stoff ist.

Pharmakologische Wirkung

Aufgrund der eher kurzfristigen Wirkung des Heparin wird das Medikament vor allem in akuten Notfallsituationen oder kurzzeitig im Krankenhaus gegeben, und nicht als Dauertherapie (wie dies bei anderen "Blutverdünnern" wie Marcumar® oder Aspirin® der Fall ist).

Man kann die Substanz in die Vene geben (intravenös), wo sie sofort ihre Wirkung entfaltet, oder auch per Spritze ins Unterhautfettgewebe, von wo sie dann langsam und kontinuierlich über einen längeren Zeitraum und niedriger dosiert in den Organismus gelangt.

Die pharmakologische Wirkung beruht auf einem Eingriff in den natürlichen Gerinnungsvorgangs des Blutes: Diverse Gerinnungsfaktoren schwimmen täglich in unserem Blut umher und verklumpen auf bestimmte Reize hin zusammen mit den Blutplättchen (Thrombozyten), wodurch Wunden gestopft werden, aber auch Notfälle wie Thrombosen, Schlaganfälle oder Herzinfarkte entstehen. Kontrolliert wird diese Gerinnungsaktivität beim gesunden Menschen durch Gegenspielersubstanzen wie das Antithrombin III, welches die ständig spontan koagulierenden Gerinnungsfaktoren wieder auflöst und so übermäßige Blutgerinnung und damit Infarkte und Thrombosen verhindern kann.

Heparin wird vom Körper selbst in kritischen Situationen freigesetzt, um Antithrombin III zu aktivieren und dessen Bindungskraft an die Gerinnungsfaktoren etwa hundertfach zu verstärken. Gewinnt man nun Heparin aus Schweinedarm oder Rinderlungen und bereitet es chemisch auf, so kann man es dem Menschen zuführen und dessen Blutgerinnung damit wirksam unterdrücken.

Viele andere Vertreter aus der Gruppe der Heparinoide werden heute auch synthetisch hergestellt und pharmakologisch verändert, um sie länger wirksam oder weniger allergen zu machen.

Medizinische Anwendung & Verwendung

Das Anwendungsgebiet der Heparine ist weit und über das gesamte Spektrum der Medizin verbreitet: So kann beispielsweise die Spritze ins Unterhautfettgewebe bei langen Flug- oder Busreisen genutzt werden, um die Gefahr einer Thrombose herabzusetzen.

Dasselbe machen die Schwestern und Pfleger im Krankenhaus bei längeren Liegezeiten oder vor und nach Operationen. Auch nach Verletzungen der Beine, wenn beispielsweise längere Zeit ein Gips oder eine Schiene getragen werden muss, ist es sinnvoll, die Blutgerinnung kurzfristig durch die tägliche Gabe eines Heparins zu unterdrücken. Hier kommen meist keine ursprünglichen Heparine zum Einsatz, sondern abgewandelte Substanzen mit derselben Wirkung aber besseren pharmakologischen Bedingungen und weniger Nebenwirkungen.

Klassisches Heparin wird aber auch immer noch verwendet: In der Akuttherapie von Herzinfarkt, Darminfarkt, Lungenembolie, Beinvenenthrombose und Schlaganfall wird Heparin in hohen Dosierungen intravenös verabreicht, um das bestehende Blutgerinnsel aufzulösen oder zumindest nicht noch größer werden zu lassen und damit Schlimmeres zu verhindern. Eine definitive Therapie, beispielsweise mittels Herzkatheteruntersuchung, schließt sich jedoch meistens an.


Verabreichung & Dosierung

Bei der Verabreichung und Dosierung von Heparin sind mehrere wichtige Aspekte zu berücksichtigen, um eine sichere und wirksame Anwendung zu gewährleisten. Heparin ist ein Antikoagulans, das zur Vorbeugung und Behandlung von Thrombosen und Embolien eingesetzt wird. Die Dosierung richtet sich nach dem Anwendungsgebiet, dem Gewicht des Patienten und dem gewünschten Antikoagulationsgrad.

Es gibt zwei Hauptformen von Heparin: unfraktioniertes Heparin (UFH) und niedermolekulares Heparin (NMH). UFH wird oft intravenös oder subkutan verabreicht und erfordert eine engmaschige Überwachung mittels der aktivierten partiellen Thromboplastinzeit (aPTT), um eine Überdosierung oder Unterdosierung zu vermeiden. Die initiale Dosis beträgt häufig einen Bolus von 5000 Einheiten intravenös, gefolgt von einer kontinuierlichen Infusion, die individuell angepasst wird.

NMH, wie Enoxaparin, hat eine längere Halbwertszeit und erfordert weniger häufige Überwachung. Es wird in der Regel subkutan verabreicht, wobei die Dosis oft basierend auf dem Körpergewicht des Patienten berechnet wird (z. B. 1 mg/kg Körpergewicht). Bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion muss die Dosis angepasst werden, da NMH über die Nieren ausgeschieden wird.

Besondere Vorsicht ist bei älteren Patienten, Patienten mit Blutungsneigung, Leber- oder Nierenfunktionsstörungen sowie nach operativen Eingriffen geboten, da das Risiko für schwere Blutungen erhöht ist. Die Anwendung sollte bei diesen Patientengruppen sorgfältig überwacht werden.

Risiken & Nebenwirkungen

Heparin ist, da es sich um eine körpereigene Substanz handelt, im Prinzip recht nebenwirkungsarm. Das Hauptproblem leitet sich daher auch aus der Wirkung der Substanz ab:

Durch die Hemmung der Blutgerinnung steigt die Gefahr von Blutungen, Wunden heilen schlechter, es kann sogar zu lebensgefährlichen inneren Blutungen wie Hirnblutungen kommen. Daher dürfen frisch operierte Patienten, Menschen mit offenen Wunden oder Magengeschwüren, mit starkem Bluthochdruck oder bekannten Gerinnungsleiden oft kein Heparin bekommen. Niedrigere Dosierungen oder verwandte Substanzen wie die Heparinoide sind hier manchmal eine Ausweichmöglichkeit. Die Gabe von Heparin ist letztlich immer eine Abwägung zwischen Risiko der Grunderkrankung und Risiko einer Blutungsnebenwirkung.

Des Weiteren kann es zu allergischen Reaktionen oder Haarausfall kommen, auch Osteoporose als Nebenwirkung einer langfristigen Heparintherapie ist beschrieben. Im Krankenhaus gefürchtet ist das Auftreten einer sogenannten Heparin-induzierten Thrombozytopenie (HIT), also eines Mangels an Blutplättchen durch die Heparingabe. Die tägliche Überwachung der Blutwerte ist daher bei hochdosierter Heparintherapie unbedingt notwendig.

Kontraindikationen

Typische Kontraindikationen bei der Verwendung von Heparin betreffen hauptsächlich Zustände, die das Risiko schwerer Blutungen erhöhen. Eine der wichtigsten Kontraindikationen ist eine bekannte Heparin-induzierte Thrombozytopenie (HIT), eine seltene, aber potenziell lebensbedrohliche Immunreaktion, die zur Thrombosebildung trotz der Antikoagulation führen kann. Patienten mit einer solchen Vorgeschichte sollten kein Heparin erhalten.

Auch aktive, klinisch bedeutsame Blutungen, wie Magen-Darm-Blutungen, hämorrhagischer Schlaganfall oder andere akute Blutungsereignisse, stellen eine Kontraindikation dar, da Heparin das Blutungsrisiko weiter erhöhen würde. Darüber hinaus ist Heparin kontraindiziert bei Patienten mit schweren Koagulopathien oder schwerer Thrombozytopenie, bei denen eine erhöhte Blutungsneigung besteht.

Personen mit schwerer unkontrollierter arterieller Hypertonie sollten ebenfalls kein Heparin erhalten, da das Risiko für Blutungen, insbesondere intrazerebrale Blutungen, erhöht sein kann. Bei Patienten mit einer schweren Leber- oder Niereninsuffizienz muss besondere Vorsicht geboten sein, da diese Zustände das Blutungsrisiko verstärken können.

Nach operativen Eingriffen, insbesondere am Gehirn, Rückenmark oder Auge, ist die Verabreichung von Heparin ebenfalls kontraindiziert, da das Risiko für postoperative Blutungen signifikant erhöht ist. Schließlich sollte Heparin auch bei Überempfindlichkeit gegen Heparin oder ähnliche Substanzen vermieden werden.

Interaktionen mit anderen Medikamenten

Heparin weist zahlreiche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten auf, die seine Wirkung beeinflussen oder das Risiko von Nebenwirkungen, insbesondere Blutungen, erhöhen können. Eine der wichtigsten Interaktionen besteht mit anderen Antikoagulanzien wie Warfarin oder direkten oralen Antikoagulanzien (DOAKs) wie Apixaban oder Rivaroxaban. Die gleichzeitige Gabe dieser Medikamente verstärkt die gerinnungshemmende Wirkung, was zu einem erhöhten Blutungsrisiko führen kann.

Nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) wie Ibuprofen oder Aspirin sind ebenfalls problematisch, da sie die Blutungsneigung durch Hemmung der Thrombozytenaggregation verstärken. Insbesondere Aspirin, das oft zur Thrombozytenaggregationshemmung eingesetzt wird, kann in Kombination mit Heparin zu schweren Blutungen führen. Andere Thrombozytenaggregationshemmer wie Clopidogrel erhöhen das Blutungsrisiko ebenfalls.

Darüber hinaus können Medikamente wie Penicillin-Antibiotika, Cephalosporine und einige Zytostatika die Wirkung von Heparin durch verschiedene Mechanismen verstärken. Glukokortikoide, insbesondere in hohen Dosen, können ebenfalls das Blutungsrisiko erhöhen.

Heparin sollte auch vorsichtig bei der gleichzeitigen Anwendung von Arzneimitteln eingesetzt werden, die den Kaliumspiegel im Blut erhöhen, wie ACE-Hemmer oder kaliumsparende Diuretika, da Heparin selbst eine Hyperkaliämie verursachen kann.

Schließlich kann die gleichzeitige Anwendung von Digitalisglykosiden, Tetracyclinen oder Antihistaminika die Wirkung von Heparin abschwächen, was das Thromboserisiko erhöhen könnte.

Alternative Behandlungsmethoden

Wenn Heparin nicht vertragen wird, stehen verschiedene alternative Behandlungsmethoden und Wirkstoffe zur Verfügung, insbesondere bei Patienten mit einer Heparin-induzierten Thrombozytopenie (HIT) oder Unverträglichkeit gegenüber Heparin. Eine häufig verwendete Alternative sind niedermolekulare Heparine (NMH) wie Enoxaparin oder Dalteparin, die eine ähnliche Wirkung haben, aber weniger häufig HIT verursachen. Falls auch NMH nicht geeignet sind, kommen weitere Antikoagulanzien infrage.

Direkte Thrombininhibitoren wie Argatroban und Bivalirudin sind eine Option, besonders bei Patienten mit HIT. Diese Medikamente hemmen direkt das Thrombin und sind unabhängig von Antithrombin, wodurch sie eine wirksame Alternative zu Heparin darstellen.

Ein weiteres Alternativmedikament sind direkte orale Antikoagulanzien (DOAKs) wie Rivaroxaban, Apixaban oder Dabigatran. Diese hemmen spezifisch entweder den Faktor Xa oder Thrombin und sind einfach zu verabreichen, da sie keine routinemäßige Blutspiegelüberwachung erfordern. DOAKs werden häufig bei der Prävention und Behandlung von Thrombosen und Lungenembolien eingesetzt.

Daneben gibt es auch Vitamin-K-Antagonisten wie Warfarin, die bei Langzeitantikoagulation eingesetzt werden können, insbesondere bei Patienten, die eine stabile Dosierung und Überwachung benötigen. Warfarin erfordert regelmäßige INR-Kontrollen zur Anpassung der Dosierung, bietet aber eine bewährte Alternative bei bestimmten Patientenprofilen.

Die Wahl des geeigneten Alternativmedikaments hängt von der klinischen Situation, der zugrunde liegenden Erkrankung und der individuellen Verträglichkeit ab.

Quellen

  • "Goodman & Gilman's The Pharmacological Basis of Therapeutics" von Laurence Brunton, Randa Hilal-Dandan, und Bjorn Knollmann
  • "Rang & Dale's Pharmacology" von Humphrey P. Rang, Maureen M. Dale, James M. Ritter, und Rod J. Flower
  • "Basic and Clinical Pharmacology" von Bertram Katzung, Anthony Trevor

Das könnte Sie auch interessieren