Anteversion
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Die Anteversion kommt in der anatomischen Nomenklatur als alternative Bewegungsbezeichnung vor. Viele Funktionen am Arm und am Bein beinhalten diese Bewegungskomponente.
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Was ist die Anteversion?
Im Hüft- und im Schultergelenk wird der Begriff Anteversion als Alternative zur Bezeichnung Flexion benutzt. Gemeint ist damit das Anheben des Oberschenkels oder des Oberarms aus der Nullstellung. Während Flexion ein Begriff ist, der in der beschreibenden Anatomie per Definition einer bestimmten Bewegung zugeordnet wird, beschreibt Anteversion den Ablauf und die Richtung.
'Ante', aus dem Lateinischen für 'vorn', 'nach vorn', gibt die Bewegungsrichtung an und 'version', aus dem Lateinischen 'versio' ('Drehung') abgeleitet, beschreibt die Bewegungsart. Bei der Anteversion bewegt sich ein Knochen also nach vorne und dreht sich dabei, er rotiert.
Fast alle Bewegungen des menschlichen Körpers sind Rotationsbewegungen. Meist gibt es einen fixen Gelenkpartner mit einer gedachten Drehachse, um die sich der mobile dreht. Sind diese Bewegungen rein einachsig können sie anhand einer Bewegungsebene und einer Bewegungsachse eindeutig definiert werden.
Die Anteversion findet demgemäß in der Sagittalebene und um die Transversalachse statt, die im Hüft- und Schultergelenk als quere Linie durch die Gelenkköpfe gedacht werden kann. Durch das Hinzufügen der Richtungsangabe ist die Bewegung eindeutig definiert.
Funktion & Aufgabe
Im Schultergelenk ist die Anteversion eine wichtige Komponente bei allen Tätigkeiten, die sich in einem gewissen Winkelbereich vor und über dem Körperniveau abspielen. Arbeiten am Computer zum Beispiel enthalten dieses Bewegungselement, oft kombiniert mit einer leichten Abduktion und einer Innenrotation.
Deutlich mehr Anteversion ist gefordert bei Überkopfaktivitäten wie sie häufig in handwerklichen Berufen und im Sport vorkommen. Typische Tätigkeiten, bei denen die Anteversion gefragt ist, sind Malerarbeiten über Kopf, zum Beispiel beim Streichen oder tapezieren. Auch Maurer und Stapelarbeiter befinden sich häufig in diesem Bewegungsbereich, oft sogar mit Gewichten.
Viele sportliche Bewegungsabläufe werden mit einer Ausholbewegung eingeleitet. Das ist der Fall beim Volleyball vor dem Schmettern oder beim Blocken, im Handball vor dem Wurf oder beim Abwehren. Die Anteversion ist eine Hauptkomponente bei all diesen Aktivitäten.
Im Hüftgelenk ist die Anteversion eine wichtige Komponente vieler funktioneller Bewegungsabläufe. Die Fortbewegung beim Gehen und Laufen ist geprägt durch das Anheben des Beines in der Schwungphase, meistens begleitet von einer leichten Abduktion und einer geringen Außenrotation. Während beim Gehen der Oberschenkel nur leicht angehoben wird, kommen beim schnellen Laufen leicht Winkelgrade über 90° Grad zustande. Bei allen Laufsportarten ist eine gut funktionierende Anteversion eine enorm wichtige Voraussetzung für den Erfolg. Das gilt auch für Disziplinen, die Sprintelemente enthalten, wie der Anlauf beim Hoch- und Weitsprung.
Ein weiterer funktioneller Aspekt, bei dem die Anteversion eine wichtige Rolle spielt, ist die Vorbereitung von Sprung- und Sprintaktivitäten. Damit der anschließende Bewegungsablauf optimal verläuft, ist es günstiger, aus einer vorgedehnten Position zu starten. Gut zu beobachten ist dies bei Sprintern, die für die Vordehnung den Startblock benutzen oder bei Volleyballern vor dem Sprung zum Schmettern oder Blocken. In der Hocke sind die Extensoren des Hüftgelenks durch die Anteversionsstellung verlängert, die elastischen Elemente sind gespannt. Die so gespeicherte potentielle Energie kann für einen explosiven Start oder Sprung genutzt werden.
Die Bewegungsfreiheit in die Anteversion im Hüftgelenk ist die Voraussetzung für alltägliche Aktionen. Sie gewährleistet ein problemloses Sitzen genauso, wie das Erreichen der tiefen Hocke.
Krankheiten & Beschwerden
Eine typische Verletzung im Hüftgelenk ist der Schenkelhalsbruch, der vorwiegend ältere Menschen betrifft und massive Auswirkungen auf die Bewegungsmöglichkeiten hat. Ein charakteristisches Trauma im Schultergelenk, das zu massiven Einschränkungen führt, ist die Schulterluxation infolge großer Gewalteinwirkung. Das Heben des Armes bereitet auch nach dem Einrenken und der weiteren medizinischen Versorgung oft noch eine geraume Zeit Probleme.
Eine Reihe von Erkrankungen ist in der Lage, die Ausführung von Bewegungen zu beeinträchtigen und zu limitieren. Dazu gehören alle Erkrankungen, die mit einem Muskelabbau einhergehen. Bei den Muskeldystrophien ist der Muskel selbst betroffen. Es kommt zu einem fortschreitenden Kraftverlust mit zunehmender Behinderung und Immobilität. Ähnlich wirkt sich die amyotrophe Lateralsklerose aus, allerdings ist der progrediente Verlauf in der Regel deutlich schneller und die Lebenserwartung massiver eingeschränkt.
Andere Erkrankungen und Verletzungen betreffen das Nervensystem. Die Muskeln erhalten in dem Fall keine Impulse mehr. Sie fallen komplett oder teilweise aus und verkümmern. Typische Verletzungen dieser Art sind die Querschnittslähmung infolge einer Rückenmarksschädigung und die Läsion peripherer Nerven. Bei all diesen Beeinträchtigungen ist die Anteversion im besonderen Maße betroffen, da die Bewegung sowohl im Hüft- als auch im Schultergelenk hauptsächlich gegen die Schwerkraft ausgeführt wird.
Ein weiterer Krankheitskomplex, der zur Einschränkung der Mobilität führt, sind die degenerativen Erkrankungen. Im Hüftgelenk ist die Arthrose ein häufig auftretendes Leiden, bei dem der Gelenkknorpel zunehmend abgebaut wird. Die Folge sind Schmerzen und Bewegungs- und Aktivitätseinschränkungen. Zuerst sind auch hier die Bewegungen betroffen, die gegen die Schwerkraft gerichtet sind, wie etwa die Anteversion. Das Schultergelenk ist häufig von einer Dauerreizung der Strukturen unter dem Schulterdach betroffen, dem Impingementsyndrom. Infolge der schmerzhaften Irritation wird der Arm geschont, Bewegungen nach oben werden möglichst vermieden.
Quellen
- Debrunner, A.M.: Orthopädie/Orthopädische Chirurgie. Huber, Bern, 2005
- Krämer, J., Grifka, J.: Orthopädie, Unfallchirurgie. Springer, Berlin 2013
- Tortora, G.J., Derrickson, B.H.: Anatomie und Physiologie. Wiley-Blackwell, Oxford 2006