Hocken
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 15. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Hocken als Körperhaltung ist in den Industrieländern etwas aus der Mode gekommen. Dabei kann die Hocke im alltäglichen Leben und im Sport positive Effekte für den Bewegungsapparat haben.
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Was ist das Hocken?
Das Hocken beschreibt von seiner Wortherkunft eine kauernde Körperhaltung. Für die Einnahme dieser Position sind Bewegungen in vielen Gelenken und Gelenkketten notwendig. Beim Runtergehen in die Hocke werden die Hüft- und Kniegelenke zunehmend gebeugt und erreichen das maximale Bewegungsausmaß bei einer kompletten Bewegungsausführung, so dass die Ober- und Unterschenkelrückseiten sich berühren. Grundvoraussetzung dafür ist die volle Beweglichkeit in diesen Gelenken. Durch die starke Hüftbeugung wird das Becken nach hinten gekippt und die Wirbelsäule flektiert, der Bauch erreicht die Oberschenkelvorderseite. Die Sprunggelenke werden in die komplette Streckung (Dorsalextension) gebracht.
Die Füße bleiben entweder komplett mit der Fußsohle auf dem Boden oder heben mit der Ferse ab. Diese Ausweichbewegung kann verschiedene Ursachen haben. Am häufigsten sind die Hebelverhältnisse dafür verantwortlich, aber auch Funktionsstörungen im Gelenk oder Muskelverkürzungen können Ursache dafür sein. Bei Menschen, bei denen der Oberschenkel länger ist, als Unterschenkel und Fuß, wird der Körperschwerpunkt in der Hocke zunehmend nach hinten verlagert und es droht ein Umkippen. Durch das Anheben der Ferse wird dieser wieder ein Stück nach vorne gebracht, so dass seine Projektion wieder in die Unterstützungsfläche fällt und eine bessere Gleichgewichtslage entsteht.
Funktion & Aufgabe
Die Hocke hat viele Vorteile für die inneren Organe. Der Dünn- und der Dickdarm werden aufgerichtet, der Verschluss zwischen den beiden Organen funktioniert besser als in anderen Körperpositionen, die Gefahr des Reflux ist geringer. Die Entleerung des Dickdarms kann leichter erfolgen, die Rektalmuskulatur wird kräftiger und kann besser beim Abführen eingesetzt werden. Auch heute wird in vielen asiatischen, afrikanischen, aber auch europäischen Ländern die Hocke noch als Position beim Stuhlgang benutzt.
Das kleine Becken wird in der Hockstellung aufgerichtet und sein Volumen erweitert, die Prostata, die Blase und die Gebärmutter werden entlastet und geschützt. Die Beckenbodenmuskulatur kann besser eingesetzt werden. Deshalb ist die Hocke auch eine günstige Gebärstellung, die im Wasser oder trocken eingesetzt werden kann. Durch regelmäßiges Training dieser Körperhaltung können sich Schwangere optimal auf die Geburt vorbereiten.
Auch im Sport kommt das Hocken als funktionelle Körperstellung vor. Eine unvollständige Variante dieser Position ist die Abfahrtshocke im alpinen Skisport. Durch die starke Beugung im Hüft- und Kniegelenk werden die Beinmuskeln automatisch in einen Aktivitätszustand versetzt. Dadurch und durch die Beugestellung in den Gelenken sind die Skifahrer besser in der Lage die Skier zu kontrollieren und auf unvorhergesehene Situationen zu reagieren.
Andere Sportler nutzen die Hocke als Vorbereitung auf eine Sprungaktivität. Die Muskeln, die für die Kraftentwicklung des Sprungs verantwortlich sind, werden in eine Vordehnung gebracht. Die elastischen Elemente des Muskels werden gespannt wie ein Gummiband und erhalten so eine potentielle Energie, die für die Streckbewegung beim Sprung ausgenutzt werden kann. Die Anfangskraft ist durch diese Komponente größer, als ohne Vordehnung.
Typischerweise machen sich Skispringer diese Vorteile zu nutzen, aber auch Volleyballer beim Absprung zum Blocken, ganz besonders die Beachvolleyballer. Das Hocken ist ebenfalls die Endposition bei Kniebeugen, die auch heute noch als effektive Übung im Krafttraining eingesetzt werden.
Krankheiten & Beschwerden
Auch Schmerzen können die Ausführung be- oder verhindern. Durch die zunehmende Beugung geraten die Gelenkpartner in eine andere Stellung zueinander und die Druck- und Zugverhältnisse in den Gelenken und in der Umgebung ändern sich. Geraten Strukturen, die lädiert sind, in die Druckzone oder werden gedehnt, entstehen Schmerzen und die Weiterführung der Bewegung ist irgendwann nicht mehr möglich und sinnvoll. Betroffen sein können knorpelfreie Knochenzonen bei Arthrosen und lädierte Menisken und Bänder, insbesondere die Seiten- und Kreuzbänder im Knie, sowie die Außenbänder im Sprunggelenk. Das Gleiche gilt für Muskelverletzungen, besonders an der Vorderseite des Oberschenkels und in der Wadenmuskulatur.
Nach Operationen kann die Beugung in den Hüft- und Kniegelenken vorübergehend oder dauerhaft eingeschränkt sein. Das Hocken ist dann nicht mehr oder nur noch teilweise möglich. Nach einer Operation des vorderen Kreuzbandes wird die Beugung im Knie in der Regel für eine Zeit lang limitiert, um ungünstigen Zug auf die Kreuzbandplastik und einen erneuten Riss zu vermeiden. Zur Unterstützung und Kontrolle werden Orthesen eingesetzt, die auf das zulässige Beugemaß eingestellt werden.
Besonders nach Knieoperationen, bei denen die Schnittführung über die Vorderseite des Knies verläuft, wie bei einem Gelenkersatz, muss für längere Zeit mit Beugedefiziten gerechnet werden. Zu Beginn ist die maximale Beugung wegen des Zuges nicht erlaubt, aber die häufig massive Schwellung lässt sie auch nicht zu. Die maximale Beweglichkeit wird meistens trotz Rehamaßnahmen und Therapie nicht erreicht. Dadurch ist zwar die komplette Hocke nicht mehr möglich, meistens ist das funktionelle Ergebnis aber gut.
Quellen
- Kochen, M.M.: Duale Reihe. Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Thieme, Stuttgart 2012
- Nixdorff, U.: Check-Up-Medizin. Thieme, Stuttgart 2009
- Wülker, N., Kluba, T., Roetman, B., Rudert, M.: Taschenlehrbuch Orthopädie und Unfallchirurgie. Thieme, Stuttgart 2015