Gehen

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

Sie sind hier: Startseite Körperprozesse Gehen
Hilfreiche Videos: MedLexi.de auf YouTube

Gehen meint die Fortbewegung des Menschen mit Hilfe seiner Beine und Füße. Gehen ist eine komplexe Aufgabe, bei der zahlreiche Muskeln aktiv sind und zusammenspielen. Dabei bewegen wir uns von der Stelle und halten gleichzeitig das Gleichgewicht.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Gehen?

Gehen meint die Fortbewegung des Menschen mit Hilfe seiner Beine und Füße. Gehen ist eine komplexe Aufgabe, bei der zahlreiche Muskeln aktiv sind und zusammenspielen.

Beim Gehen werden eine Reihe von Muskeln, Knochen und Sehnen in Bewegung gesetzt. Der Körper hat in jeder Phase des Bewegungszyklus Kontakt zum Boden. Durchschnittlich legt der Mensch beim Gehen 1,4 m in der Sekunde zurück.

In der Ausgangsposition steht der Mensch mit beiden Füßen auf dem Boden, hebt ein Bein an und setzt es abwechselnd vor das andere. Gehen ist ein Automatismus, also ein selbstständig vom Zentralnervensystem ausgelöstes Verhalten. Der Flügelschlag bei Vögeln oder die Flossenbewegungen bei Fischen sind ähnliche Automatismen.

Vor etwa fünf bis sechs Millionen Jahren lernten unsere Vorfahren aufrecht zu gehen. Vor etwa dreieinhalb Millionen Jahren gab es mindestens eine weitere menschliche Spezies, die durch eine spezielle Fußform für das Leben zwischen Boden und Bäumen ausgerüstet war. Die Anpassung des Bewegungsapparates dieser Spezies war lange Zeit von Vorteil und erinnert mehr an die Gangart von Gorillas, wie archäologische Funde beweisen.

Auf den ersten Blick scheint der aufrechte Gang für den Menschen mehr ein Hindernis als eine Weiterentwicklung zu sein, denn gegenüber anderen Säugetieren hatte er in punkto Schnelligkeit und Sprungkraft dadurch eher Nachteile. Dennoch ist der aufrechte Gang die Basis der heutigen menschlichen Existenz. Zwar ist die Fortbewegungsweise relativ instabil und gegenüber anderen Gangarten langsam, aber sie benötigt zur Fortbewegung weniger Energieaufwand bei gleichem Körpergewicht.

Funktion & Aufgabe

Der aufrechte Gang ermöglichte dem Menschen, auch bei geringem Nahrungsangebot länger durchzuhalten als vorher. Die Energieeffizienz erlaubte ihm außerdem, die Körpertemperatur durch Schwitzen zu regulieren und auf eine neuartige Weise zu jagen. Dank des aufrechten Gangs konnte der Mensch seine Beute nun längere Zeit verfolgen, denn kein Tier an Land kann an einem Tag derartige Distanzen zurücklegen wie der Mensch. Die Energie anderer Tiere wäre bald verbraucht oder sie wären überhitzt.

Häufig wird der aufrechte Gang als entscheidendes Merkmal der Entwicklung zum heutigen Menschen betrachtet. Tatsächlich ist diese Fortbewegungsweise eher tollpatschig. Der Weg von den Bäumen zum Boden machte die menschliche Spezies langsamer, doch sie war klimabedingt gezwungen, sich neue Nahrungsquellen zu erschließen. Um Fische fangen zu können, musste der Mensch beispielsweise das Waten durchs Wasser lernen.

Die Entwicklung zum aufrechten Gangs brachte deutliche Veränderungen des Skeletts mit sich. So wurde aus dem Fuß als Greifwerkzeug nun ein anatomisches Gebilde, bei dem alle Zehen nach vorne zeigten. Die Wirbelsäule bekam eine Doppel-S-Form, um den Körper tragen zu können und nicht nach hinten zu kippen. Auch das Becken wurde breiter, um alle Eingeweide halten zu können.

Gehen ist die ursprünglichste und natürlichste Fortbewegungsart des Menschen und aus Sicht der Evolutionsbiologie ein sehr effizientes Ganzkörpertraining. Seit tausenden Jahren legt der Mensch weite Strecken zu Fuß zurück. Doch richtig stehen und laufen ist offensichtlich eine Kunst, die wir immer weniger beherrschen.

Der moderne Mensch verbringt heute fast sieben Stunden sitzend, durchschnittlich acht Stunden Schlaf kommen hinzu. Der Großteil des Tages findet also ohne körperliche Bewegung statt. Gehen ist jedoch unverzichtbar für die Gesundheit und trainiert den ganzen Körper. Wer zügig geht, nimmt bis zu zehnmal mehr Sauerstoff auf als im Sitzen oder Liegen. Dabei funktioniert Gehen fast von alleine, so automatisch wie das Atmen.


Krankheiten & Beschwerden

Die aufrechte Haltung führt anatomisch bedingt mit zunehmendem Alter zu Belastungen im unteren Körperbereich. Es kommt vermehrt zu Bandscheibenvorfällen, Senk- und Plattfüßen, Krampfadern und Hüftgelenksarthrose.

Die negativen Folgen werden durch den Bewegungsmangel moderner Industriegesellschaften erheblich verstärkt. Dank praktischer Fortbewegungsmittel läuft der Mensch immer seltener, sitzt stattdessen zu viel und verlernt nach und nach das gesunde Gehen. Das hat nicht nur erhebliche Auswirkungen auf sein Skelett, sondern auf alle Organe. Schon wer täglich 10 Minuten mehr läuft, tut Entscheidendes für seine Gesundheit. Selbst ein einfacher Spaziergang hat positive Auswirkungen.

Gehen ist zudem hervorragend zum Stressabbau geeignet. Die in der Stresssituation bereitgestellte Energie wird nicht automatisch abgebaut, der Körper braucht also einen Ausgleich. Aktivität schafft diesen Ausgleich. Auch kurze Bewegungen summieren sich über den Tag verteilt und stärken Herz, Kreislauf, Stoffwechsel und Atmung.

Gehen ist zudem eine sehr entspannte Fortbewegungsart. Dennoch senkt der tägliche Spaziergang das Risiko für mehr als 20 Krankheiten. Bereits ca. 180 Minuten Bewegung in der Woche schützend vor Diabetes Typ II, Übergewicht, Bluthochdruck, Osteoporose, Depressionen und etlichen Krebsarten, wie eine Studie der Universität East Anglia bei London ergab.

Gehen ist die ideale Sportart für Senioren, denn sie strengt kaum an und kostet wenig Überwindung. Wer zügig geht, kann sogar ähnlich viel Energie verbrauchen wie ein langsamer Läufer. Spazierengehen trainiert zudem den Gleichgewichtssinn und ist eine sehr gute Sturzprophylaxe. Ein Geher muss auch Fußgänger, entgegenkommenden Verkehr und Einflüsse aus der Umgebung beachten. Damit trainiert Gehen neben dem Körper auch den Geist und kann sogar Demenz vorbeugen.

Quellen

  • Braumann, M.: Die Heilkraft der Bewegung. Heinrich Hugendubel Verlag, München 2006
  • Froböse, Ingo et al.: Bewegung und Training. Urban & Fischer, München 2002
  • Tortora, G.J., Derrickson, B.H.: Anatomie und Physiologie. Wiley-Blackwell, Oxford 2006

Das könnte Sie auch interessieren