Aortenklappeninsuffizienz

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 5. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Als Aortenklappeninsuffizienz wird eine Insuffizienz der Aortenklappe in der linken Herzkammer bezeichnet. Ein Teil des Aortenblutes kann während der Entspannungsphase der Kammer wieder zurückströmen, was je nach Schweregrad auf Dauer erhebliche Auswirkungen auf das Herz und den gesamten Herz-Kreislauf hat.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine Aortenklappeninsuffizienz?

Leichtere Formen einer Aortenklappeninsuffizienz, bei dem der Blutrückfluss weniger als 20 Prozent des aus der linken Kammer ausgepressten Blutes ausmacht, sind nahezu symptomlos und werden von den Betroffenen nicht bemerkt.
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Eine Undichtigkeit der Aortenklappe, die als Ventil zwischen linker Herzkammer und der Aorta fungiert, der Hauptschlagader des Körpers, wird als Aorteninsuffizienz oder besser Aortenklappeninsuffizienz bezeichnet. Während der systolischen Kontraktionsphase der Herzkammer öffnet sich die Aortenklappe und gibt den Weg frei für das mit Sauerstoff angereicherte Blut aus dem Lungenkreislauf.

Die Aortenklappe ist als sogenannte Taschenklappe ausgebildet mit drei Taschen, die sich nach Beendigung der Druckphase mit Blut füllen und die Aorta quasi verschließen, so dass während der Entspannungsphase der Kammern (Diastole) kein Blut aus der Aorta in die linke Kammer zurückfließen kann. Falls die Aortenklappe nicht vollständig schließt und mehr als 15 % des in die Aorta gepumpten Blutes zurückfließt, liegt eine Aortenklappeninsuffizienz vor.

Ursachen

Die häufigste Ursache für eine Aortenklappeninsuffizienz ist eine direkte bakterielle Infektion des Klappengewebes (Endokarditis) oder eine vorausgegangene Streptokokken-Infektion, die rheumatisches Fieber auslösen und auf die Herzklappen übergreifen können. Eine überwundene Infektion kann zu Vernarbungen an den Taschen der Aortenklappe führen, die dadurch nicht mehr dicht schließen kann.

Ein ernsthaftes Problem bereitete früher die Geschlechtskrankheit Syphilis, die ebenfalls auf das Herzklappengewebe übergreifen und Klappeninsuffizienzen hervorrufen kann. Trotz Behandlungsmöglichkeit mit Antibiotika befindet sich die Krankheit wieder auf dem Vormarsch. In selteneren Fällen spielen auch bestimmte Genmutationen eine Rolle wie bei dem Marfan-Syndrom. Die Genmutationen, die in bis zu 40 Prozent der Fälle spontan auftreten, in diesem Fall also nicht ererbt wurden, führen zu Störungen im Aufbau des Bindegewebes.

In einigen Fällen spielt eine Fehlanlage der Aortenklappe eine Rolle. Es kann vorkommen, dass sich bei der Aortenklappe nur zwei Taschen anstelle drei Taschen ausbilden, was zunächst nicht auffällt, aber eine spätere Insuffizienz begünstigt. Weitere Faktoren sind eine Überdehnung der Aortenwurzel beziehungsweise des aufsteigenden Astes der Aorta oder eine Aortendissektion, bei der sich die innere Wand der Aorta löst und Blut in den Zwischenbereich der Aortenwände eindringt.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Leichtere Formen einer Aortenklappeninsuffizienz, bei dem der Blutrückfluss weniger als 20 Prozent des aus der linken Kammer ausgepressten Blutes ausmacht, sind nahezu symptomlos und werden von den Betroffenen nicht bemerkt. Bei schwereren Formen der Insuffizienz tritt zunächst eine hohe Blutdruckamplitude bei in der Regel sehr niedrigem diastolischen Druck auf.

Nächste Anzeichen für eine möglicherweise vorliegende Aortenklappeninsuffizienz sind spürbare körperliche Leistungseinbußen mit zunehmender Atemnot und Herzrhythmusstörungen, die gelegentliche Ohnmachtsanfälle auslösen können. Bei über einen längeren Zeitraum bestehender Insuffizienz stellt sich allmählich ein Rückstau in der Lunge und in den Venen ein.

Es kommt zu Wasseransammlungen im Körpergewebe und vor allem in den Beinen. Weitere Symptome sind ein sogenannter Wasserhammerpuls, ein schneller stark spürbarer Puls, der auf sehr hohen Blutdruckamplituden von teilweise über 100 mmHg, beruht. Meist sind zusätzlich Extrasystolen spürbar. Bei einer unbehandelten Aortenklappeninsuffizienz kann sich ein unbewusstes Kopfnicken im Rhythmus des Pulses einstellen.

Diagnose & Verlauf

Es existiert eine Reihe von Diagnosemöglichkeiten für die Feststellung einer Aortenklappeninsuffizienz. Das erste Mittel der Wahl ist die Auskultation, weil sich die Insuffizienz durch ein typisches diastolisches Geräusch (Austin-Flint-Geräusch) bemerkbar macht. Es handelt sich um ein rumpelndes Geräusch, das etwa ab Mitte der Diastole bis zur beginnenden Systole deutlich hörbar ist.

Weitere Diagnosemöglichkeiten bestehen in EKG, Ultraschall, Phonokardiografie, Röntgen und Herzkatheteruntersuchungen. Unbehandelt kann die Insuffizienz allmählich zu einer Ausweitung (Dilatation) der linken Herzkammer führen und zu einer Verdickung des Herzmuskels außen (exzentrische Hypertrophie).

Diese physiologischen kompensatorischen Maßnahmen bedingen einen erhöhten Sauerstoffbedarf des Herzmuskels und nachlassende Leistung, so dass sich eine Herzinsuffizienz einstellt. Unbehandelt kann der Verlauf der Krankheit über körperliche Leistungseinbußen und allmählichen Veränderungen in der linken Herzkammer nebst Herzmuskeln zu lebensbedrohenden Zuständen führen.

Komplikationen

Komplikationen, die aufgrund einer unbehandelten Aortenklappeninsuffizienz entstehen, beruhen auf einer Minderversorgung des gesamten Körpers mit sauerstoffreichem, arteriellem Blut. Das schließt auch das Zentralnervensystem ein. Bedingt durch die Undichtigkeit der Aortenklappe strömt ein Teil des Blutes, das während der Systole von der linken Kammer in die Aorta gepumpt wurde, während der Diastole wieder zurück.

Dadurch vermischt es sich mit Blut, das während dieser Phase aus dem linken Vorhof ebenfalls in die linke Kammer strömt. Die begleitenden Komplikationen hängen sehr stark vom Grad der Undichtigkeit beziehungsweise von der Menge des Blutrückflusses ab. Falls der Rückfluss weniger als 20 Prozent des ursprünglich ausgepressten Volumens ausmacht, treten kaum Symptome oder Komplikationen auf.

Bei höhergradigen Insuffizienzen stellen sich Komplikationen wie Leistungseinbußen, Atemnot, kurzzeitige Ohnmachtsanfälle nach Belastung sowie häufig auch Herzrhythmusstörungen in Form von häufigen Extrasystolen oder Vorhofflimmern ein. Bei länger andauernder höhergradiger Aortenklappeninsuffizienz gesellen sich weitere Komplikationen hinzu. Die linke Herzkammer kann sich ausweiten und weil das Herz die Minderversorgung kompensieren möchte, stellt sich allmählich eine Verdickung der Kammermuskulatur der linken Kammer ein.

Die kompensatorische Maßnahme führt letztlich zu einer Herzinsuffizienz, die wiederum weitere Komplikationen wie Wasseransammlungen in den unteren Extremitäten und starker Leistungsverlust verursachen kann sowie einen Rückstau in den Venen. Die lebensbedrohlichen Zustände, die im weiteren Verlauf der Krankheit entstehen, können durch eine frühzeitige Behandlung weitestgehend vermieden werden.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Die Aortenklappeninsuffizienz kann im schlimmsten Fall zum Tode des Patienten führen und darf daher auf keinen Fall unbehandelt bleiben. Die Beschwerden sind nicht direkt am Herzen spürbar, sondern äußern sich in der Regel durch andere Einschränkungen im Alltag. In der Regel sind diese nicht besonders charakteristisch für die Krankheit.

Allerdings sollte bei Herzbeschwerden oder bei einem Schwächegefühl immer ein Arzt aufgesucht werden. Vor allem beim Eintritt einer Atemnot ist eine ärztliche Untersuchung notwendig. Sollte der Betroffene auch an Bewusstseinsverlust und an einem erhöhten Puls leiden, so können diese Beschwerden ebenfalls auf die Aortenklappeninsuffizienz hindeuten und sollten untersucht werden.

Beschwerden am Herzen führen nicht selten zu Ansammlungen von Wasser in verschiedenen Regionen des Körpers. Sollte der Patient daher diese Ansammlungen bemerken, so muss ebenfalls ein Arzt aufgesucht werden, damit es nicht zu Folgeschäden oder zum Tode des Patienten kommt. Auch ein unbewusstes Kopfnicken deutet in vielen Fällen auf die Aortenklappeninsuffizienz hin. Auch bei einer allgemeinen Müdigkeit, Abgeschlagenheit und bei einer verringerten Belastbarkeit, die ohne besonderen Grund eintritt, ist eine ärztliche Untersuchung auf jeden Fall erforderlich.

Behandlung & Therapie

Bei symptomlosem geringen Blutrückfluss unter 20 Prozent des ausgepumpten Blutes ist keine Behandlung, wohl aber eine regelmäßige Kontrolle notwendig, um bei Bedarf rechtzeitig Maßnahmen einleiten zu können. Falls sich eine beginnende Dilatation der linken Kammer und eine Verdickung der Wandmuskulatur abzeichnet, wird eine operative Reparatur oder ein operativer Ersatz der Aortenklappe notwendig.

Hierfür steht eine Reihe von Möglichkeiten zur Verfügung. Eine Operation am offenen Herzen erfolgen oder in bestimmten Fällen sogar minimalinvasiv über Katheter. Grundsätzlich bestehen – je nach Ausgangslage – die Möglichkeiten, die undichte Herzklappe operativ so zu verändern, dass sie ihre Funktion wieder wahrnehmen kann oder, dass sie durch eine künstliche Herzklappe aus Kunststoff oder aus biologischem Gewebe ersetzt wird.

Aussicht & Prognose

Die Aortenklappeninsuffizienz ist mit den heutigen medizinischen Möglichkeiten als gut einzustufen. Einige Patienten benötigen lebenslang gar keine weiteren Therapiemaßnahmen, da ihnen mit der Aortenklappeninsuffizienz eine ausreichende Lebensführung möglich ist.

Sie erleben Einschränkungen oder Verbote, dennoch bewegen sich die Warnhinweise dabei häufig außerhalb der Wohlfühlzone und führen dadurch zu keinerlei realen Beeinträchtigungen. Neben regelmäßigen Kontrolluntersuchungen kann es sein, dass die Erkrankten sich als sehr gesund wahrnehmen und ihre Lebensführung an die Gegebenheiten angepasst haben.

Patienten, die eine medizinische Versorgung benötigen, haben ebenfalls gute Heilungsaussichten. In einem operativen Eingriff wird eine Korrektur der Herzklappe vorgenommen, so dass die Herztätigkeit anschließend wieder voll funktionsfähig ist. Der Eingriff erfolgt heutzutage sehr routiniert und ist innerhalb weniger Stunden abgeschlossen. Nach einigen Tagen wird der Patient im Normalfall aus dem Krankenhaus entlassen. Nach einer angemessenen Schonzeit kann er wieder wie gewohnt am normalen Leben teilnehmen und seinen Alltag selbständig bewältigen.

Dennoch müssen trotz der positiven Aussicht selbstverständlich die Risiken und Nebenwirkungen eines Eingriffs unter Vollnarkose berücksichtigt werden. Eine gute Wundversorgung ist zusätzlich elementar auf dem Heilungsweg. Der Patient hat nach der Operation die Aufgabe, Vorsichtsmaßnahmen und gesundheitsgefährdende Einschränkungen in seinen Lebensalltag einzubauen. Sportliche Aktivitäten sind anzupassen und extreme Situationen müssen gemieden werden, um keine Überanstrengung auszulösen.


Vorbeugung

Vorbeugende Maßnahmen, die eine Aorteninsuffizienz wirksam verhindern könnten, sind nicht bekannt. Lediglich die Behandlung eines essentiellen Bluthochdrucks kann auch als vorbeugende Maßnahme gewertet werden, weil der hohe Blutdruck die Ausbildung einer Insuffizienz begünstigt.

Wenn allerdings eine Aortenklappeninsuffizienz festgestellt wurde, die den Betroffenen nicht beeinträchtigt, empfiehlt sich als vorbeugende Maßnahme eine regelmäßige Kontrolle der Wandstärke und des Volumens der linken Kammer, um gegebenenfalls rechtzeitig eine operative Maßnahme durchführen zu können bevor sich irreparable Sekundärschäden einstellen.

Nachsorge

Die Möglichkeiten der Nachsorge sind bei einer Aortenklappeninsuffizienz stark eingeschränkt. Dabei ist der Patient in den meisten Fällen in erster Linie auf eine Behandlung durch einen Arzt angewiesen, damit es nicht zu einer verringerten Lebenserwartung oder zu einem plötzlichen Stillstand des Herzens kommt. Je früher die Aortenklappeninsuffizienz erkannt wird, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit eines positiven Krankheitsverlaufes.

In den meisten Fällen ist der Patient im Falle einer Aortenklappeninsuffizienz auf einen operativen Eingriff angewiesen. Nur dadurch kann die Klappe wieder repariert oder ersetzt werden, sodass das Herz wieder arbeiten kann. Die Operation verläuft in der Regel ohne Komplikationen und erlaubt dem Betroffenen ein beschwerdefreies Leben.

Nach dem operativen Eingriff sollte sich der Patient ausruhen und keinen anstrengenden oder körperlichen Betätigungen nachgehen. Dabei sind im Allgemeinen unnötige Belastungen des Körpers oder andere stressige Situationen zu vermeiden, um das Herz nicht unnötig anzustrengen.

Eine gesunde Lebensweise kann sich dabei positiv auf den weiteren Verlauf der Krankheit auswirken, wobei der Betroffene vor allem auf eine gesunde Ernährung achten sollte. Bei den ersten Anzeichen der Aortenklappeninsuffizienz ist ebenfalls unmittelbar ein Arzt aufzusuchen.

Das können Sie selbst tun

Eine notwendige Anpassung des Verhaltens im Alltag an eine Aortenklappeninsuffizienz hängt vom Schweregrad der Insuffizienz ab. Der Schweregrad kann die Stufen I (leichte) bis IV (hochgradig) erreichen. Die Zuordnung der Insuffizienz zu einer der vier Schweregrade hängt dabei von der anteiligen Menge des Blutrückflusses in die linke Kammer während der Entspannungsphase der Kammern (Diastole) ab.

Während die Stufen III und IV zur Verbesserung der Überlebensfähigkeit und zur Verbesserung der Lebenssituation in der Regel rekonstruktive Eingriffe erfordern oder den Ersatz der Herzklappe, können bei den leichteren Formen durch Anpassung des Verhaltens und durch Selbsthilfemaßnahmen deutliche Verbesserungen im Wohlbefinden erreicht werden. Es ist nicht bekannt, ob sich dadurch auch der Verlauf der Erkrankung beeinflussen lässt. Es versteht sich fast von selbst, dass die Selbsthilfemaßnahmen auch starke Einschränkung von Tabak- und Alkoholkonsum beinhalten.

Der wichtigste Teil besteht allerdings in Bewegung und aktivem Sport. Am besten sind dabei Sportarten geeignet, die keine unkontrollierbaren Spitzenleistungen abverlangen. Deshalb sind Sportarten wie Schwimmen, Wandern, Nordic Walking und Kajak fahren sowie Golfen in flachem Gelände, gut geeignet. Die meisten Ballsportarten wie Tennis, Fußball und Handball kommen als Selbsthilfemaßnahme nicht in Betracht.

Wichtig ist auch eine ausgewogene Ernährung zur Stärkung des Immunsystems und die Vermeidung von zu häufigen Stresssituationen. Entspannungstechniken wie Yoga, Meditation und autogenes Training sind empfehlenswert.

Quellen

  • Baenkler, H.-W., et al.: Kurzlehrbuch Innere Medizin. Thieme Verlag, Stuttgart 2010
  • Lang, F., et al.: Basiswissen Physiologie. Springer Verlag, Berlin Heidelberg 2007
  • Schmidt, R., et al.: Physiologie des Menschen. Springer, Heidelberg 2010

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