Arteriogenese
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. April 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Die Arteriogenese bezeichnet das Wachstum von Kollateralarterien nach einer Stenose und ist von der Angiogenese zu unterscheiden. Faktoren wie Scherkräfte, Gefäßdilatation und Monozytenanlagerung spielen für den Prozess eine Rolle. In Zukunft wird Patienten durch die Induktion von Arteriogenese vermutlich ein "natürlicher" Bypass gelegt werden können.
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Was ist die Arteriogenese?
Das Wachstum von Arterien aus bereits angelegten Netzwerken kleiner Arterienverbindungen wird Arteriogenese genannt. Bei der Angiogenese sprossen dagegen gänzlich neue Blutgefäße aus alten, also bereits bestehenden Blutgefäßen aus. Die Arteriogenese in Sinne eines Wachstums sogenannter Kollateralarterien findet nach dem Verschluss größerer Arterien statt, also nach Stenosen.
Die Arteriogenese entspricht dabei der einzigen physiologisch effizienten Art des Blutgefäßwachstums und kann Blutzirkulationsdefizite kompensieren. Die Stimulation der Arteriogenese obliegt physikalischen Kräften, wie der Schubspannung, die nach Stenosen aufgrund des verstärkten Blutflusses innerhalb der Kollateralarteriolen bestehen. Zudem werden Monozyten für stimulierende Faktoren gehalten. Sie sind die größten Immunzellen innerhalb des menschlichen Bluts.
Anders als der verwandte Prozess der Angiogenese findet die Arteriogenese in gänzlicher Unabhängigkeit von der Sauerstoffversorgung statt und wird damit nicht von Hypoxien im Sinne von Sauerstoffminderversorgungen beeinflusst.
Funktion & Aufgabe
Gleichzeitig treten in den verbleibenden Blutgefäßen verstärkte Scherkräfte auf, die das Endothel des Gefäßes aktivieren. Auf Basis dieser Aktivierung stellt sich eine Entzündungsreaktion ein, bei der Stickoxid und Transkriptionsfaktoren freigesetzt werden. Zu den relevanten Transkriptionsfaktoren zählt vor allem HIF-1α, der Hypoxie-induzierte Faktor.
Durch die beschriebenen Prozesse werden Zytokine ausgeschüttet, so vor allem MCP-1 oder besser Monocyte Chemotactic Protein-1. Außerdem werden die Entzündungszellen aktiviert, zu denen neben den Monozyten auch die Makrophagen zählen. Die Genexpression der Adhäsionsmoleküle, so zum Beispiel des Intracellular Adhäsion Molecule-1 und des ICAM-1, wird verstärkt induziert. Während der Arteriogenese erweitert sich der ursprüngliche Gefäßdurchmesser teilweise auf das 20-fache und ermöglicht auf diese Weise wieder eine adäquate Blutversorgung.
Die Max-Planck-Gesellschaft weist darauf hin, dass die Arteriogenese in einer Reihe von Studien mit der Akkumulation von Monozyten in wachsenden Kollateralgefäßwänden assoziiert wurde. Der Forschungskreis um Wolfgang Schaper untersuchte daraufhin den Ursprung der Zellen und die Rolle, die zirkulierende Monozyten im Rahmen der Arteriogenese spielen. In experimentellen Ansätzen erhöhten und verminderten sie die Monozytenzahl im Blutkreislauf der Tiere.
In der ersten Gruppe leiteten sie eine Entleerung der Monozyten aus dem Blut ein, wobei sich die Blutkonzentration der Immunzellen durch den Rebound-Effekt nach etwa zwei Wochen mehrfach gegenüber dem Normwert erhöhte. Die Gruppe mit anhaltender Monozytenentleerung zeigte nach der Wiederherstellung des Blutflusses ein wesentlich geringeres Maß an Arteriogenese als die Kontrollgruppe. Die Rebound-Gruppe zeigte dagegen verstärkte Arteriogenese. Durch ihre Studie gelang es den Wissenschaftlern, funktionelle Zusammenhänge zwischen der Monozytenkonzentration im peripheren Blut und dem Wachstumsmaß der Kollateralgefäße bei der Arteriogenese festzuhalten.
Krankheiten & Beschwerden
Am häufigsten findet diese Operation am Herzen statt, so vor allem bei stark verengten oder komplett verschlossenen Herzkranzgefäßen, die es zu überbrücken gilt. Der Bypass stellt die hinzureichende Blutversorgung des Herzmuskels wieder her.
Bypässe kommen in der Gefäßchirurgie zum Beispiel zur Therapie einer Schaufensterkrankheit im Spätstadium oder zur Behandlung von Aneurysmen zum Einsatz. In der Herzchirurgie ist der Koronararterien-Bypass bei koronaren Herzkrankheiten ein häufig gelegter Bypass. Venen oder Arterien werden zur Legung aus dem Körper des Patienten oder von Verstorbenen entnommen und zur Überbrückung eingesetzt. Auch Kunstgewebe wie Gore-Tex oder anderweitig künstliche Gefäßprothesen kommen mittlerweile zum Einsatz. Für einen Aorta-Ersatz steht zum Beispiel keine ausreichend lange Vene zur Verfügung, sodass sogenannte Rohrprothesen die bislang einzige Therapieoption darstellen. Alternativ zum Bypass nutzt die Gefäßchirurgie Implantate als Interponate und ersetzt so den gesamten Gefäßabschnitt, der von einem Passagehindernis betroffenen ist.
Mit dem Forschungsfortschritt und den anhaltenden Forschungsbemühungen in der Arteriogenese könnte sich eine gänzlich neue und vollständig natürliche Option zur Therapie von Passagehindernissen bieten. Passagehindernisse sind gerade in der westlichen Welt ein relevantes Thema, da sich Erkrankungen wie Arteriosklerose hier, aufgrund des Lebensstils, bereits zu Volkskrankheiten entwickelt haben. Bei der Arteriosklerose "verkalken" die Gefäße, werden starr und begünstigen damit nicht nur Herzinfarkte und Schlaganfälle, sondern auch Rissbildung in den Gefäßwänden.
Bypass-Operationen, und damit auch die Möglichkeit der induzierten Arteriogenese, gewinnen insbesondere vor diesem Hintergrund immer mehr an Relevanz. Noch kommt die Induktion von arteriogenetischen Prozessen durch Einflussnahme von außen in der klinischen Praxis jedoch nicht zum Einsatz.
Quellen
- Debus, S., Gross-Fengels, W.: Operative und interventionelle Gefäßmedizin. Springer Verlag, Berlin 2012
- Luther, B. (Hrsg.): Kompaktwissen Gefäßchirurgie. Springer, Berlin 2011
- Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch. 266. Auflage. De Gruyter, Berlin 2015